Entscheidungsstichwort (Thema)
Stufenzuordnung nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L. schädliche Unterbrechung. berücksichtigungsfähige einschlägige Berufserfahrung. Einschlägige Berufserfahrung iSv. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L. Vorbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber. Schädlichkeit der Unterbrechung
Leitsatz (amtlich)
1. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L enthält eine planwidrige Regelungslücke hinsichtlich der Frage, welche Unterbrechungen für die Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung, die der Arbeitnehmer bei einem anderen Arbeitgeber erworben hat, schädlich sind. Wäre einschlägige Berufserfahrung in diesen Fällen auch dann zu berücksichtigen, wenn sie länger als sechs Monate – bzw. bei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ab der Entgeltgruppe 13 TV-L länger als zwölf Monate – zurückläge, führte dies zu einer gleichheitswidrigen Bevorzugung dieses Personenkreises gegenüber Arbeitnehmern, die zuvor bei demselben Arbeitgeber tätig waren. Bei diesen Arbeitnehmern sind gem. der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L Unterbrechungen von sechs bzw. zwölf Monaten schädlich. Die Protokollerklärung ist deshalb auf die von § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erfassten Sachverhalte analog anzuwenden.
2. Für § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L ist dagegen unerheblich, ob die Berufserfahrung in einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen oder bei mehreren anderen Arbeitgebern erworben worden ist.
3. Berücksichtigungsfähig ist grundsätzlich auch einschlägige Berufserfahrung, die in Arbeitsverhältnissen erworben worden ist, die kürzer als ein Jahr bestanden. Etwas anderes kann bei sehr kurzen Arbeitsverhältnissen gelten, die nur wenige Tage oder Wochen andauern, wenn die Tätigkeit so zugeschnitten ist, dass die Vorbeschäftigung nicht die gesamte Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckt.
4. Besteht zwischen den Parteien lediglich Streit über die Stufenzuordnung, nicht aber über die Höhe der sich daraus ergebenden Zahlungsdifferenz, ist eine Feststellungsklage auch dann zulässig, wenn sie erst nach Beendigung des letzten streitbefangenen Arbeitsverhältnisses erhoben wird und deshalb von Beginn des Prozesses an hätte vollständig beziffert werden können. Der Vorrang der Leistungsklage ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, Rechtsstreitigkeiten prozesswirtschaftlich sinnvoll zu erledigen.
Normenkette
TV-L § 16 Abs. 2 S. 3; TV-L Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2; GG Art. 3 Abs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 10.10.2012; Aktenzeichen 17 Sa 821/12) |
ArbG Berlin (Urteil vom 24.02.2012; Aktenzeichen 60 Ca 13116/10) |
Tenor
1. Auf die Revision des beklagten Landes wird unter Zurückweisung der Revision der Klägerin das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Oktober 2012 – 17 Sa 821/12 – im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. Februar 2012 – 60 Ca 13116/10 – der Klage stattgegeben hat.
2. Insoweit wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens und der Revision hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin einschlägige Berufserfahrung für eine Unterrichtstätigkeit in der Sekundarstufe I einer Gesamtschule als Vertreterin von Lehrerinnen auf Studienratsstellen besaß und darum in der Zeit vom 11. Januar bis 22. Februar 2010 und vom 27. März bis 7. Juli 2010 der Stufe 2 der Entgeltgruppe 11 TV-L zuzuordnen war.
Die Klägerin legte 1994 die Erste Staatsprüfung für das Lehramt für die Primarstufe ab. Aufgrund ihrer Fächerkombination erfüllte sie die Voraussetzungen für die Aufnahme in den Vorbereitungsdienst des beklagten Landes nicht. Sie war im streitbefangenen Zeitraum bei dem beklagten Land an zwei Gesamtschulen (im beklagten Land als „Oberschulen” bezeichnet) als Lehrerin im Anstellungsverhältnis auf der Grundlage dreier befristeter Verträge beschäftigt. Einzelvertraglich war jeweils die Geltung des Übergangs-Tarifvertrags zur Anwendung von Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes auf Lehrkräfte (Übergangs-TV Lehrkräfte) vom 29. April 2008 in der jeweiligen Fassung sowie der Richtlinien des beklagten Landes über die Vergütung der unter den TV-L bzw. unter den BAT/BAT-O fallenden Lehrkräfte, deren Eingruppierung nicht tarifvertraglich geregelt ist (LehrerRL) vom 20. September 1996 in der jeweiligen Fassung in Verbindung mit der Anlage 2 Teil B/Anlage 4 Teil B des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 vereinbart. Der Übergangs-TV Lehrkräfte gilt für die Lehrkräfte des beklagten Landes an allgemein- und berufsbildenden Schulen. Gemäß § 2 dieses Tarifvertrags findet auf die erfassten Lehrkräfte ua. der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) vom 12. Oktober 2006 mit Modifikationen Anwendung.
Die Vergütung von Lehrkräften an Gesamtschulen ist in Teil B Buchst. f der LehrerRL in der für den streitbefangenen Zeitraum maßgeblichen Fassung vom 10. Dezember 2009 auszugsweise wie folgt geregelt:
„1. Lehrkräfte, die überwiegend in den Klassenstufen 7 bis 10 unterrichten, in denen gemäß § 22 SchulG der Unterricht der Oberschulzweige Hauptschule, Realschule und Gymnasium integriert ist, werden bei einer Beschäftigung mit einer der Stellenbewertung entsprechenden Tätigkeit in einer
a) Studienratsstelle wie Lehrkräfte an Gymnasien,
…
eingruppierungsmäßig behandelt.”
Gemäß Teil B Buchst. d Nr. 4 der LehrerRL erhalten Lehrkräfte an Gymnasien in der Tätigkeit von Studienräten mit abgeschlossenem Studium an einer Hochschule nach § 1 HRG, die überwiegend Unterricht in mindestens einem wissenschaftlichen oder künstlerisch-wissenschaftlichen Fach erteilen, eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IVa BAT. Nach sechsjähriger Bewährung erfolgt der Aufstieg in die Vergütungsgruppe III BAT.
Die Klägerin vertrat im streitbefangenen Zeitraum Lehrerinnen auf Studienratsstellen in den Klassenstufen 7 bis 10. Das Arbeitsgericht hat rechtskräftig festgestellt, dass diese Tätigkeiten die Voraussetzungen des Teil B Buchst. f Nr. 1 iVm. Buchst. d Nr. 4 der LehrerRL erfüllten und die Klägerin deshalb für diese Zeit gemäß der Anlage 4 Teil B zum TVÜ-Länder der Entgeltgruppe 11 TV-L zuzuordnen war. Es hat angenommen, die Klägerin sei in einer der Stellenbewertung als Studienratsstelle entsprechenden Tätigkeit beschäftigt worden. Es hat weiter rechtskräftig festgestellt, dass die Klägerin im Rahmen von zwei weiteren befristeten Arbeitsverhältnissen in der Zeit vom 23. Februar bis 26. März 2010 an einer Gesamtschule eine Lehrkraft auf einer Gleitstelle nach Besoldungsgruppe A 12/A 13 vertrat, darum wie eine Lehrkraft an einer Realschule einzugruppieren und der Entgeltgruppe 10 Stufe 2 TV-L zuzuordnen war. Die Parteien streiten nur noch darüber, ob die Klägerin die erforderliche einschlägige Berufserfahrung von mindestens einem Jahr aufwies, um vom 11. Januar bis 22. Februar 2010 und vom 27. März bis 7. Juli 2010 in der Entgeltgruppe 11 TV-L der Stufe 2 zugeordnet zu werden.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist unstreitig, dass die Klägerin in mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen zum beklagten Land vom 1. Oktober 2008 bis 28. Dezember 2009, in denen sie ua. an Grundschulen unterrichtete, keine für die streitbefangenen Tätigkeiten einschlägige Berufserfahrung erworben hat. Die Klägerin macht mit ihrer am 27. August 2010 bei Gericht eingegangenen Klage jedoch geltend, sie habe in drei Arbeitsverhältnissen für andere Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen zwischen 2002 und 2008 Berufserfahrung erworben, die für die Tätigkeit auf Studienratsstellen einschlägig sei. Vom 2. September 2002 bis 31. Juli 2003 unterrichtete sie an einer verbundenen Haupt- und Realschule Schüler der Klassen 5 bis 10. Vom 3. November 2003 bis 31. Juli 2004 war sie in einem durch die Bundesagentur für Arbeit geförderten, vom Christlichen Jugenddorfwerk Deutschland e.V. (CJD) betriebenen sozialpädagogischen Bildungs- und Ausbildungswerk beschäftigt. Dort unterrichtete sie psychisch beeinträchtigte und sozial benachteiligte Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 26 Jahren. Schließlich erteilte die Klägerin vom 6. August 2007 bis 8. August 2008 Unterricht an einer Förderschule mit dem Förderschwerpunkt Lernen in den Klassen 1 bis 10.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Aufgabe einer Lehrkraft an einer Gesamtschule sei es, Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen des Schulbetriebs zu vermitteln. Die einschlägige Berufserfahrung iSd. TV-L sei auf diese Kernaufgabe gerichtet. Dies werde noch dadurch bestärkt, dass im Unterricht der Sekundarstufe I an einer Gesamtschule Haupt-, Real-, Sonderschul- und Gymnasiallehrer gleichermaßen verwendet werden könnten. Sei eine Lehrkraft befähigt, in der Sekundarstufe I zu unterrichten, sei jede Erfahrung, die sie als Lehrkraft an anderen Schulen in der Sekundarstufe I gesammelt habe, eine auf die Tätigkeit einer Gesamtschullehrerin bezogene einschlägige Berufserfahrung.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ihr für die Zeit vom 11. Januar bis 22. Februar 2010 und für die Zeit vom 27. März bis 7. Juli 2010 ein Entgelt nach Entgeltgruppe 11 Stufe 2 TV-L in der Fassung des Übergangs-TV Lehrkräfte vom 29. April 2008 zu zahlen und die monatlichen Bruttodifferenzbeträge zur gezahlten Vergütung ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags vorgetragen, einschlägige Berufserfahrung müsse bei ein und demselben Arbeitgeber und in Arbeitsverhältnissen, die ununterbrochen mindestens ein Jahr bestünden, erworben werden. Mehrere Kurzzeitarbeitsverhältnisse seien nicht zusammenzurechnen. Jedenfalls scheide ein „Auffüllen” von Zeiten unter-jähriger Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber durch Zeiten beim aktuellen Arbeitgeber aus. Die unterschiedlichen Regelungen des § 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 TV-L könnten nicht kumulativ angewandt werden. Auch fehle es am erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den Tätigkeiten für andere Arbeitgeber und denen für das beklagte Land sowie an der Einschlägigkeit der erworbenen Berufserfahrung.
Das Arbeitsgericht hat die Klägerin für die streitbefangene Zeit der Stufe 1 der Entgeltgruppe 11 TV-L zugeordnet. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin habe als Lehrerin an der verbundenen Haupt- und Realschule vom 2. September 2002 bis 31. Juli 2003 einschlägige Berufserfahrung für die am 11. Januar 2010 begonnenen Tätigkeiten für das beklagte Land in der Vertretung einer Studienrätin erworben. Unter Berücksichtigung dieser elf Monate habe sie nach einem weiteren Monat und damit am 11. Februar 2010 die erforderliche einjährige einschlägige Berufserfahrung besessen, um nachfolgend aus der Stufe 2 dieser Entgeltgruppe vergütet zu werden. Es hat daher der Klägerin für die Zeit vom 12. bis 22. Februar 2010 sowie vom 27. März bis 7. Juli 2010 die begehrte Stufe zugesprochen und im Übrigen deren Berufung zurückgewiesen. Mit der für beide Parteien zugelassenen Revision verfolgen diese im Umfang ihres jeweiligen Unterliegens ihre Klageziele weiter.
Entscheidungsgründe
Die Klägerin war in der Zeit vom 11. Januar bis 22. Februar 2010 und vom 27. März bis 7. Juli 2010 durchgehend der Stufe 1 der Entgeltgruppe 11 TV-L zuzuordnen. Die Revision des beklagten Landes ist deshalb begründet, die der Klägerin unbegründet.
I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Das gilt auch, soweit sie Zinsforderungen zum Gegenstand hat (BAG 21. November 2013 – 6 AZR 23/12 – Rn. 16). Der Vorrang der Leistungsklage steht ihr ebenfalls nicht entgegen. Zwar hätte die erst nach Beendigung des letzten streitbefangenen Arbeitsverhältnisses erhobene Klage von Beginn des Prozesses an vollständig beziffert werden können. Der Rechtsgedanke des Vorrangs der Leistungsklage ist jedoch kein Selbstzweck, sondern dient dazu, Rechtsstreitigkeiten prozesswirtschaftlich sinnvoll zu erledigen. Bereits das von der Klägerin erstrebte, der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil ist geeignet, den rechtlichen Konflikt der Parteien endgültig zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über die Stufenzuordnung, nicht aber über die Höhe der sich daraus ergebenden Zahlungsdifferenz. Diese Möglichkeit, den Streit der Parteien einer sachgerechten, einfachen Erledigung zuzuführen, spricht gegen einen Zwang zur Leistungsklage und führt zur Zulässigkeit der Klage (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 988/11 – Rn. 44).
II. Die Klägerin besaß bei ihren Einstellungen am 11. Januar und 27. März 2010 keine berücksichtigungsfähige einschlägige Berufserfahrung.
1. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L findet uneingeschränkt Anwendung. Der arbeitsvertraglich in Bezug genommene Übergangs-TV Lehrkräfte enthält keine relevanten Modifikationen dieser Bestimmung.
2. Für die Anrechnung der bei anderen Arbeitgebern erworbenen Berufserfahrung ist allerdings entgegen der Auffassung des beklagten Landes unschädlich, dass die Klägerin in den Jahren 2002 bis 2008 bei mehreren anderen Arbeitgebern beschäftigt war und die Berufserfahrung zum Teil nicht in einem ununterbrochenen Zeitraum von mindestens einem Jahr erlangt worden ist. § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L lassen sich derartige Beschränkungen der Berücksichtigungsfähigkeit einschlägiger Berufserfahrung nicht entnehmen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beschränkung auf die „in einem Arbeitsverhältnis” erworbene Berufserfahrung nur ausschließen soll, dass auch in Dienst- oder Werkverhältnissen erlangte Erfahrung berücksichtigt werden muss (vgl. BAG 21. November 2013 – 6 AZR 23/12 – Rn. 57, 61). Unerheblich ist dagegen, ob die Berufserfahrung in einem oder in mehreren Arbeitsverhältnissen erworben worden ist (BAG 21. Februar 2013 – 6 AZR 524/11 – Rn. 35). Ebenso wenig soll mit der Umschreibung „zu einem anderen Arbeitgeber” zum Ausdruck gebracht werden, dass § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L nur die bei einem einzigen Arbeitgeber erworbene Erfahrung anerkennt. Damit soll lediglich eine Abgrenzung zum „selben” Arbeitgeber in § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L erfolgen.
b) Berücksichtigungsfähig ist grundsätzlich auch die einschlägige Berufserfahrung, die in Arbeitsverhältnissen erworben worden ist, die kürzer als ein Jahr gedauert haben (vgl. BAG 21. Februar 2013 – 6 AZR 524/11 – Rn. 35; aA Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Oktober 2013 Teil II § 16 Rn. 44). Auch eine so erlangte Berufserfahrung spart dem Arbeitgeber Einarbeitungszeit und lässt ein höheres Leistungsvermögen des Arbeitnehmers erwarten. Sie ist deshalb nach dem Zweck des § 16 Abs. 2 TV-L finanziell zu honorieren (vgl. BAG 27. März 2014 – 6 AZR 571/12 – Rn. 24). Allerdings kann in sehr kurzen Arbeitsverhältnissen, die nur wenige Tage oder Wochen bestehen, die Tätigkeit so zugeschnitten sein, dass die Vorbeschäftigung nicht die gesamte Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckt und in ihnen deshalb keine einschlägige Berufserfahrung erworben werden kann (vgl. für Teilzeitbeschäftigte mit sehr geringem Beschäftigungsumfang BAG 27. März 2014 – 6 AZR571/12 – Rn. 30). Um solche sehr kurze Arbeitsverhältnisse handelte es sich bei den drei Arbeitsverhältnissen in Nordrhein-Westfalen, in denen die Klägerin die ihrer Auffassung nach einschlägige Berufserfahrung erworben hat, nicht.
3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, auch Berufserfahrung, die länger als sechs Monate zurückliege, könne bei der Einstellung nach § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L noch berücksichtigt werden. Die Berufserfahrung, die die Klägerin zwischen 2002 und 2008 für andere Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen erworben hat, konnte ihr bei den für den vorliegenden Rechtsstreit maßgeblichen Einstellungen zum 11. Januar und 27. März 2010 bei verfassungskonformer Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L bereits deshalb keine einschlägige Berufserfahrung iSd. Bestimmung (mehr) vermitteln, weil eine schädliche Unterbrechung von mehr als sechs Monaten zwischen dem Ende des letzten Arbeitsverhältnisses mit einem anderen Arbeitgeber in Nordrhein-Westfalen und dem Beginn des ersten streitbefangenen Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten Land, in dem die Tätigkeit nach der Entgeltgruppe 11 TV-L zu bewerten war, vorlag. Darum kann dahinstehen, ob die Klägerin dargelegt hat, dass und inwieweit die in den Arbeitsverhältnissen zu anderen Arbeitgebern erworbene Erfahrung einschlägig war. Auch die vom beklagten Land aufgeworfene Frage, ob die erforderliche Mindestberufserfahrung von einem Jahr kumulativ bei einem anderen Arbeitgeber und in früheren (typischerweise befristeten) Arbeitsverhältnissen beim aktuellen Arbeitgeber erworben werden kann, ob also § 16 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 TV-L kumulativ angewendet werden können, stellt sich nicht.
a) Allerdings weist das Landesarbeitsgericht zu Recht darauf hin, dass § 16 TV-L nicht ausdrücklich regelt, ob und welche Unterbrechungen der Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern für die Anrechnung einschlägiger Berufserfahrung unschädlich sein sollen. Die Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L, die Unterbrechungen von längstens sechs Monaten bzw. bei bestimmten Beschäftigtengruppen bis zu zwölf Monaten als unschädlich ansieht, bezieht sich nach ihrem unmissverständlichen Wortlaut allein auf § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L und damit auf die in Arbeitsverhältnissen zu demselben Arbeitgeber erworbene Berufserfahrung.
b) Dementsprechend wird in Rechtsprechung und im Schrifttum angenommen, dass für § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L Unterbrechungen unabhängig von ihrer Dauer (LAG Hamm 11. August 2009 – 12 Sa 1918/08 – zu II 2 b cc der Gründe; VG Berlin 3. April 2013 – 62 K 2.13 PVL – zu II der Gründe) oder jedenfalls für die Dauer von längstens drei Jahren (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Oktober 2013 Teil II § 16 Rn. 44; BeckOK TV-L/Felix Stand 1. März 2014 § 16 Rn. 17g.3; Sponer/Steinherr Stand Januar 2009 TV-L § 16 Rn. 16) unschädlich seien.
c) Dieses Verständnis des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L führte zu einer gleichheitswidrigen Bevorzugung von Arbeitnehmern, die zuvor bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt waren. Nur bei diesem Personenkreis wäre dann auch länger als sechs Monate zurückliegende Berufserfahrung von höchstens drei Jahren noch zwingend zu berücksichtigen. Bei Arbeitnehmern desselben Arbeitgebers wäre dagegen die Berücksichtigung länger zurückliegender Arbeitsverhältnisse nicht möglich. Bei einem solchen Verständnis hielte die Norm jedoch einer Prüfung am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht stand. Es ist davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien verfassungskonforme Regelungen treffen wollen. Lässt eine Tarifnorm eine solche Auslegung zu, ist sie in diesem Sinne anzuwenden (vgl. BAG 21. Februar 2013 – 6 AZR 524/11 – Rn. 19). Ausgehend von Sinn und Zweck der Anrechnung einschlägiger Berufserfahrung lässt § 16 Abs. 2 TV-L die analoge Anwendung der Protokollerklärung Nr. 3 auf die von § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L erfassten Sachverhalte zu (im Ergebnis ebenso Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand August 2012 Teil B 1 § 16 Rn. 18; Spelge in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 8 Rn. 22).
aa) Für die Frage, ob die in früheren Arbeitsverhältnissen erworbene Berufserfahrung den Arbeitnehmer in die Lage versetzt, ohne nennenswerte Einarbeitungszeit die Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber auszuüben, weil die Vorbeschäftigung qualitativ im Wesentlichen die gesamte inhaltliche Breite der aktuellen Beschäftigung abdeckte und damit einschlägig ist (vgl. dazu zuletzt BAG 27. März 2014 – 6 AZR 571/12 – Rn. 17, 30), ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Erfahrung bei demselben oder einem anderen Arbeitgeber erworben worden ist. Dass es insbesondere bei Arbeitnehmern, die zuvor in der Privatwirtschaft beschäftigt waren, unter Umständen schwierig sein kann, die einschlägige Berufserfahrung festzustellen, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Hat der Arbeitnehmer schon zuvor gleichartige Tätigkeiten verrichtet und dadurch einschlägige Berufserfahrung erworben, kommt dies dem neuen Arbeitgeber auch dann unmittelbar zugute, wenn die Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erlangt worden ist. Darum ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigen würde, Arbeitnehmer, die ihre Berufserfahrung unter Umständen vor Jahren bei einem anderen Arbeitgeber erworben haben, gegenüber Arbeitnehmern mit vergleichbarer Berufserfahrung, die diese beim selben Arbeitgeber erworben haben, zu bevorzugen, indem für den erstgenannten Personenkreis auch die in länger als sechs Monate zurückliegenden Arbeitsverhältnissen erworbene Erfahrung berücksichtigt wird. Der vom Verwaltungsgericht Berlin (3. April 2013 – 62 K 2.13 PVL –) herangezogene Gedanke der Besitzstandswahrung durch § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L, der eine besondere zeitliche Nähe zwischen altem und neuen Arbeitsverhältnis fordere, trägt in diesem Zusammenhang nicht. Er rechtfertigt allein die „Deckelung” der berücksichtigungsfähigen Berufserfahrung bei Arbeitnehmern, die von einem anderen Arbeitgeber wechseln, auf höchstens die Stufe 3 in § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L (vgl. BAG 23. September 2010 – 6 AZR 180/09 – BAGE 135, 313). Vorliegend geht es jedoch darum, ob Berufserfahrung aus früheren Arbeitsverhältnissen auch nach zeitlich erheblichen Unterbrechungen bei typisierender Betrachtung dem Arbeitgeber noch unmittelbar zugutekommt und deshalb im neuen Arbeitsverhältnis überhaupt entgeltsteigernd berücksichtigt werden muss. Für einen Teil der betroffenen Arbeitnehmer, nämlich die, die zuvor bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt waren, trifft § 16 Abs. 2 TV-L dazu keine Regelung.
bb) § 16 Abs. 2 TV-L ist damit – gemessen an seiner Regelungsabsicht – unvollständig und enthält insoweit eine planwidrige Regelungslücke. Dies hat die Arbeitgeberseite erkannt. Die TdL lässt in ihren Durchführungshinweisen zum TV-L vom 20. November 2006 unter 16.2.3 die Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung, die bei demselben Arbeitgeber vor mehr als sechs Monaten erworben worden ist, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L zu. Nach dem Beschluss der Mitgliederversammlung der TdL vom 25./26. September 2007 soll dies allerdings nur für Unterbrechungen von längstens drei Jahren gelten.
cc) Der tariflich ungeregelte Fall, welche Unterbrechungen bei einem Wechsel von einem anderen Arbeitgeber unschädlich sind, verlangt nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge, wie der geregelte Fall der erneuten Einstellung durch denselben Arbeitgeber. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet insoweit die Gleichbehandlung beider Personengruppen. Darum ist die Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L auch auf § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L anzuwenden. Die auch von der Arbeitgeberseite für erforderlich gehaltene Gleichbehandlung der beiden Personengruppen lässt sich zwar auch durch die in den Durchführungshinweisen der TdL zum TV-L angeregte Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 3 TV-L auf die von § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L erfassten Sachverhalte erreichen. Insoweit fehlt es aber an einer Regelungslücke. § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L regelt in Verbindung mit den Protokollerklärungen Nr. 1 und Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L die Berücksichtigung einschlägiger Berufserfahrung von Arbeitnehmern, die zuvor bei demselben Arbeitgeber beschäftigt waren, abschließend.
4. Dieses Normverständnis führt nicht zu einer Diskriminierung der Klägerin iSv. § 4 Abs. 2 TzBfG. Zwar war diese bereits seit dem 1. Oktober 2008 in mehreren befristeten Arbeitsverhältnissen für das beklagte Land tätig, so dass die Unterbrechung zwischen dem Ende des letzten Arbeitsverhältnisses zu einem anderen Arbeitgeber am 8. August 2008 und dem Beginn des ersten Arbeitsverhältnisses zum beklagten Land weniger als sechs Monate betrug. Zwischen dem zweiten und dritten befristeten Arbeitsverhältnis lagen jedoch wiederum mehr als sechs Monate, so dass die davor erworbene Berufserfahrung entsprechend der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L nicht mehr berücksichtigt werden konnte, auch wenn sie einschlägig gewesen sein sollte. Auch für befristet Beschäftigte sind Berufserfahrungen, die vor einer nach der Protokollerklärung Nr. 3 zu § 16 Abs. 2 TV-L schädlichen Unterbrechung erworben worden sind, nicht nach § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L zu berücksichtigen (vgl. BAG 21. Februar 2013 – 6 AZR 524/11 – Rn. 18, 35). Zudem ist unstreitig, dass die Tätigkeiten in den befristeten Arbeitsverhältnissen zum beklagten Land vom 1. Oktober 2008 bis 28. Dezember 2009 der Klägerin für die streitbefangenen Tätigkeiten keine einschlägige Berufserfahrung vermittelt haben.
III. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen (§§ 91, 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Fischermeier, Spelge, Krumbiegel, Lorenz, M. Geyer
Fundstellen
Haufe-Index 7215129 |
BB 2014, 2228 |
FA 2014, 318 |
NZA 2014, 1159 |
ZTR 2014, 600 |
AP 2015 |
EzA-SD 2014, 9 |
NZA-RR 2014, 565 |
RiA 2015, 254 |
öAT 2014, 207 |
AUR 2014, 392 |
ArbR 2014, 489 |