Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen MfS-Tätigkeit (Revierförster)
Normenkette
Einigungsvertrag Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2; KSchG § 1 Abs. 2; StUG § 19; BGB § 626 Abs. 2; Sächsisches Personalvertretungsgesetz § 7 Abs. 1 S. 3; Sächsisches Personalvertretungsgesetz § 73
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 27. September 1996 – 3 Sa 330/96 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 7. Dezember 1995 – 4 Ca 1439/95 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen und einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 Ziff. 2 der Anlage I zum Einigungsvertrag (fortan: Abs. 5 Ziff. 2 EV) stützt.
Der im Jahre 1948 geborene Kläger ist Diplomforstingenieur und stand seit Juli 1971 in einem Arbeitsverhältnis zur Staatlichen Forstverwaltung der DDR. Im Laufe seiner Tätigkeit stieg er bis zur Position eines Oberförsters auf. Da der Staatliche Forstwirtschaftsbetrieb O., in dem der Kläger zuletzt beschäftigt war, nicht vom Beklagten übernommen wurde, befand sich der Kläger seit dem 3. Oktober 1990 im Wartestand. Ab 1. Januar 1991 wurde er unter Aussetzung des Ruhens des bisherigen Arbeitsverhältnisses befristet weiterbeschäftigt. Nach Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages schlossen die Parteien am 28. August 1991 einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Der Kläger übte fortan die Tätigkeit eines Büroleiters im Forstamt B. aus. Er bezog Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O.
Am 21. März 1979 hatte sich der Kläger gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen DDR (MfS) schriftlich zur Mitarbeit verpflichtet.
Am 12. März 1991 teilte der Kläger dem Beklagten schriftlich mit:
„Etwa 1979/80 wurde ich von einem Mitarbeiter des MfS zu einer Aussprache bestellt. Zu dieser Zeit war ich als Technologe auch Verantwortlicher für den Aufbau und das Betreiben für UKW-Funkanlagen im StFB O. Dieser Mitarbeiter bezog sich auf die ihm angeblich bekannte Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit meiner Person und war daran interessiert, außerhalb von Parteiberichten u.a. (worauf ich ihn verwies) tatsächlich die Wahrheit zu erfahren.
Hieran fand ich vorerst nichts Anstößiges, zumal es bereits damals genügend Unzulänglichkeiten in unserer Wirtschaft, aber auch aus meiner Sicht ungerechtfertigte Entscheidungen und Widersprüche gab. Ich wurde angehalten, eine Erklärung zu unterschreiben, wonach ich das MfS in vorstehender Weise unterstützen solle.
Kurze Zeit später erhielt ich von einem MfS-Angehörigen den Auftrag, mich in den Kirchenvorstand meiner Heimatgemeinde wählen zu lassen, um zu ergründen, worüber dort gesprochen würde. Dies habe ich abgelehnt, da ich es unmoralisch fand und nicht mit meinem Gewissen vereinbaren konnte.
Daraufhin wurde ich als Leiter der ehemaligen Grenzoberförstereien R. und B. nur hin und wieder während der Dienstzeit befragt, vor allem über wirtschaftl. Probleme unseres Betriebes, Versorgungslage im damaligen Grenzgebiet, in welchem ich wohnte und arbeitete. Selten und meist nur in dienstlichem Zusammenhang wurde ich über Personen befragt.
Damals in der Hoffnung, die allg. wirtschaftl. Lage und auch die Bedingungen für das Leben und die Arbeit im ehemaligen Grenzgebiet verbessern zu helfen, habe ich ehrlich Auskunft gegeben über die z.B. bedrückende Lieferplanhöhe, fehlende Arbeitskräfte und Ersatzteile aber auch meinen Unmut geäußert über Privilegien und Entscheidungen von leitenden Parteifunktionären, was besonders im Kreis O. in der Forstwirtschaft zu spüren war. Erst viel später erfuhr ich, daß diese Informationen offenbar nicht über die kreishöhere Dienststelle des MfS hinausgingen. Für diese Informationen habe ich keine Bezüge oder sonstigen Vergünstigungen erhalten.
Im Jahre 1987 mußte ich für einen Angeh. des MfS Forstuniform-Stücke kaufen. Das verauslagte Geld von ca. 100–150 M. bekam ich zurück, mußte jedoch auf einem Zettel mit dem sinngemäßen Text „Für die Ausführung eines Auftrages erhalten …” quittieren. Dies befremdete mich, doch man erklärte mir, daß dies so Vorschrift beim MfS wäre.
Nachdem ich während der Wende, unabhängig von meiner Person, aus der Presse von weiteren Praktiken des MfS erfahren habe, schilderte ich den beschriebenen Sachverhalt u.a. einem noch näher zu benennenden Pfarrer, welchen ich seit meiner Schulzeit kenne.
Ich versichere, niemals gegen die Menschenwürde verstoßen zu haben und bin jederzeit bereit zu einer persönlichen Aussprache.”
In seinem Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten vom 15. Juni 1992 gab der Kläger an:
„Ich wurde im ehemaligen Grenzgebiet geboren, bin dort aufgewachsen, wohnte dort und übte auch z.T. direkt in diesem Gebiet meinen Beruf aus.
1979/80 wurde ich in Unkenntnis der tatsächlichen Aufgaben und Strukturen des MfS überredet, eine Erklärung zur Unterstützung dieses Ministeriums abzugeben.
Bis etwa 1986 wurde ich nahezu regelmäßig befragt über allg. Probleme, Grenzsicherheit usw., z.T. wurden auch schriftliche Berichte abgefordert.
Danach, bis etwa 88/89 wurde ich unkontinuierlich und seltener befragt.
Regelmäßige Vergütungen oder sonstige Vergünstigungen habe ich vom MfS nicht erhalten. Eine Schädigung von Personen ist mir nicht bekannt.
Diese geschilderte Tätigkeit kann ich begrifflich nicht eindeutig zuordnen.”
Daraufhin setzte die Forstdirektion … den Beginn der Beschäftigungszeit im Sinne von § 19 BAT-O auf den 1. Januar 1991 fest und vermerkte: „Informelle Kontakte, da sein Tätigkeitsfeld im ehemaligen Grenzgebiet lag.”
Im Frühjahr 1991 führte der Kläger ein Gespräch mit dem damaligen Leiter des Referates Personal der Abteilung Forsten im Sächsischen Landwirtschaftsministerium Dr. Q. und dem Referenten dieses Referates K., in dem er über seine Tätigkeit für das MfS berichtete. Der genaue Inhalt dieses Gespräches ist streitig geblieben. Im August 1991 fand ein weiteres Gespräch zwischen dem Kläger und dem Referenten K. statt.
Auf Antrage teilte der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR dem Sächsischen Staatsminister für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten am 7. Oktober 1994 mit:
„1. IM-Kategorie:
IMV (Inoffizieller Mitarbeiter mit vertraulichen Beziehungen zu in einem Vorgang bearbeiteten Personen)
IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit)
2. Deckname:
„Bernd Fuchs” bzw. „B. Fuchs”
3. Hauptabteilung/Abteilung:
BV (Bezirksverwaltung) Karl-Marx-Stadt, KD (Kreisdienststelle) O.
BV Karl-Marx-Stadt, KD Flauen
4. Führungsoffiziere: Kä., Ka., W.
5. Umfang der Akten, Anzahl der Seiten:
Teil I (Personalakte) |
1 Bd. – 45 Blatt |
Teil II (Arbeits-, Berichtsakte) |
1 Bd. – 243 Blatt |
6.a) Vorlauf des IM-Vorgangs: nicht angelegt
6.b) Kontaktphase:
06.03.1979 – 21.03.1979
7. Zeitraum der IM-Erfassung: 21.03.1979 bis siehe Punkt 17
8. Persönliche Verpflichtung:
liegt als Erklärung mit Unterschrift vom 21.03.1979 vor (siehe Kopie, Anlage 2)
9. Ziel der Werbung nach Darstellung des MfS:
- Erhöhung der Effektivität der operativen Arbeit im Bereich der Staatsgrenze zur BRD
- Erarbeitung von Informationen zur „op. Durchdringung, Situation und Lage im Raum Bö.
10. Die Werbung erfolgte aus der Sicht des MfS auf folgender Grundlage:
politische Überzeugung
11. Übertragene Aufgaben:
entsprechend dem Werbungsziel und darüber hinaus Aufklärung einer Person (siehe Kopien, Anlage 9)
12.a) Zuwendungen/Prämien:
insgesamt 250,– M. für die Erfüllung von Aufträgen (siehe z.B. Kopien, Anlage 17)
12.b) Vergütung(en):
keine
12.c) Auslagenerstattung(en):
keine
13. Auszeichnungen durch das MfS:
keine
14. Grund für die Beendigung der Tätigkeit:
nicht ersichtlich
15. Art und Anzahl der Berichte:
- 83 Treffberichte
- 68 Berichte der Führungsoffiziere nach mündlichen Informationen von Herrn C.
- 54 handschriftliche Berichte von Herrn C.
- 5 Tonbandabschriften
- 1 namentliche Aufstellung der Besetzung der Förstereien
16. Inhalt der Berichte:
- Personeneinschätzungen mit Aussagen zur politischen Einstellung, zu Arbeitsleistungen, charakterlichen Eigenschaften, Eigentums- und Verwandtschaftsverhältnissen (siehe z.B. Kopien, Anlage 10 bis Anlage 14)
- Informationen über den Produktionsablauf im StFB (Staatlicher Forstwirtschaftsbetrieb), über die Versorgungslage und über Stimmungen und Meinungen (siehe z.B. Kopien, Anlage 15)
- Informationen im Zusammenhang mit der Grenzsicherung (siehe z.B. Kopien, Anlage 16)
17. Bemerkungen:
Herr C. wurde dem MfS bei der Suche und Auswahl von geeigneten Kandidaten für eine inoffizielle Zusammenarbeit bekannt. Bereits beim 1.Kontaktgespräch, am 06.03.1979, gab Herr C. seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Drei Tage später teilte Herr C. dem MfS mit, daß er zur Leipziger Messe fährt und fragte an, ob für ihn ein Auftrag zu erledigen wäre. Beim Werbungsgespräch am 21.03.1979 wurden bereits 2 schriftliche Berichte angefertigt (siehe Kopien, Anlage 3). Herr C. wurde als IMV geworben und registriert (siehe Kopien, Anlage 3 und Anlage 4). In späteren Einschätzungen wurde er von den Führungsoffizieren nur als IM (siehe z.B. Kopie, Anlage 5) bzw. als IMS (siehe z.B. Kopie, Anlage 6) bezeichnet. Die inoffizielle Tätigkeit von Herrn C. erfolgte entsprechend seinem Werbungsziel.
Ab 1982 übergab Herr C. dem MfS vorwiegend mündliche Informationen. Wegen fehlender Bezugspunkte konnten nicht alle Aufträge erfüllt werden.
1983 führte Herr C. auftragsgemäß eine Durchsuchung des Schreibtisches sowie persönlicher Sachen einer Arbeitskollegin durch (siehe Kopien, Anlage 7 und Anlage 5). Infolge seines Arbeitsplatzwechsels wurde Herr C. 1986 an die KD Flauen übergeben.
Herr C. sah nach Aussage seines Führungsoffiziers in einer Zusammenarbeit mit der KD Flauen aufgrund der dienstlichen Gegebenheiten mehr Sinn (siehe Kopie, Anlage 8). In der neuen Diensteinheit fanden noch 2 Treffs mit Herrn C. statt. Der letzte dokumentierte Treff ist datiert vom 05.12.1987. Gründe für die Einstellung der Zusammenarbeit sind aus der Akte, die in offener Form vorliegt, nicht ersichtlich.
Die Treffs zwischen Herrn C. und seinen Führungsoffizieren fanden in konspirativen Wohnungen sowie an verschiedenen Orten außerhalb von Wohnungen statt.
Wie das MfS die inoffizielle Tätigkeit von Herrn C. einschätzte, ist aus den Kopien, Anlage 5 und Anlage 6 ersichtlich.”
Am 1. oder 3. Februar 1995 wurde der Kläger zu den durch den Bericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes gewonnenen Erkenntnissen persönlich angehört. An diesem Gespräch nahm zumindest ein Mitglied des Hauptpersonalrats teil. Mit Schreiben vom 8. Februar 1995 leitete der Abteilungsleiter des Ministeriums die Anhörung des Hauptpersonalrats zu der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ein. Die geplante Personalmaßnahme wurde wie folgt begründet:
„Ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung ist nach Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 5 des Einigungsvertrages insbesondere dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer für das frühere Ministerium für Staatssicherheit/Amt für nationale Sicherheit der DDR tätig war und deshalb ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint.
Der Einzelbericht des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) – AU II 1.2 – 101500/92 Z.53-vom 07.10.1994 führt aus, daß sich aus den bisher erschlossenen Unterlagen Hinweise auf eine inoffizielle Tätigkeit von Herrn C. für das Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit (MfS/AfNS) ergeben.
Nach o.g. Bericht war Herr C. als IMV (Inoffizieller Mitarbeiter mit vertraulichen Beziehungen zu in einem Vorgang bearbeiteten Personen) und als IMS (Inoffizieller Mitarbeiter für Sicherheit) unter dem Decknamen „Bernd Fuchs” bzw. „Fuchs” tätig. Eine recht umfangreiche Personalakte (45 Blatt) mit engem Bezug zu Tätigkeiten des Mitarbeiters sowie eine sehr umfangreiche Arbeits-/Berichtsakte (243 Seiten) belegen die intensive Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS. Der Zeitraum der IM-Erfassung wird seit dem 21.03.1979 angegeben. Der letzte dokumentierte Treff ist datiert vom 05.12.1987. Eine persönliche Verpflichtungserklärung mit Unterschrift des Herrn C. vom 21.03.1979 liegt vor. Ziel der Werbung nach Darstellung des MfS war die Erhöhung der Effektivität der operativen Arbeit im Bereich der Staatsgrenze zur BRD sowie die Erarbeitung von Informationen zur „op. Durchdringung, Situation und Lage im Raum Bö.”. Die Werbung von Herrn C erfolge aus Sicht des MfS auf Grundlage der politischen Überzeugung. Bereits beim 1. Kontaktgespräch gab Herr C. seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Drei Tage später teilte Herr C. dem MfS einen von ihm geplanten Messebesuch in Leipzig mit und er fragte an, ob für ihn ein Auftrag zu erledigen sei. Herr C. lieferte insgesamt 59 nachweisbare Berichte (z.T. als Tonbandabschriften dokumentiert) als IMV/IMS ab. 83 Treffberichte der Führungsoffiziere des Herrn C. wurden vorgefunden. Neben beruflichen, produktionstechnischen Informationen und Informationen im Zusammenhang mit der Grenzsicherung wurden Personeneinschätzungen mit Aussagen zur politischen Einstellung, zu Arbeitsleistungen, charakterlichen Eigenschaften, Eigentums- und Verwandtschaftsverhältnissen von Herrn C. abgegeben. Neben den schriftlichen Informationen gab Herr C. auch mündliche Berichte insbesondere ab 1982 an die Führungsoffiziere ab. 1983 führte Herr C. auftragsgemäß eine Durchsuchung des Schreibtisches sowie persönlicher Sachen einer Arbeitskollegin durch. Herr C. wurde infolge eines Arbeitsplatzwechsels 1986 an die KD Flauen übergeben. Gründe für die Einstellung der Zusammenarbeit ab 1988 sind aus der Akte, die in offener Form vorliegt, nicht ersichtlich (Zitate aus Einzelbericht des BStU).
Herr C. wurde am 01.02.1995 zu einer Anhörung bezüglich seiner Mitarbeit beim MfS/AfNS vor der Personalarbeitsgruppe des Sächsischen Staatsministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten (PAG) geladen. Herr C. kam der Einladung nach. Ebenso überreichte er bei diesem Termin eine schriftliche Stellungnahme zu den ihm vorgeworfenen Tatbeständen. Er gab die Kontakte und die Mitarbeit beim MfS/AfNS während der Anhörung und in seiner Stellungnahme in vollem Umfang zu.
Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses von Herrn C. war unter anderem die von ihm abgegebene Erklärung zu seiner Stellung bezüglich des MfS/AfNS vom 12.03.91. In dieser gab er seine Kontakte zum MfS/AfNS und seine dortige Mitarbeit wahrheitsgemäß an. Die glaubhaft geschilderte Intensität und das Ausmaß seiner Mitarbeit steht jedoch in einer erheblichen Diskrepanz zu dem nunmehr aufgedeckten und in o.g. Bericht belegten Sachverhalt. War unter den damals erläuterten Kontakten und Tätigkeiten noch ein Festhalten am Arbeitsverhältnis gerade so möglich, ist bei jetzigem Erkenntnisstand die Weiterführung des Beschäftigungsverhältnisses unzumutbar.
Um einen möglichen Schaden für den Freistaat Sachsen zu verhindern, der entstünde, wenn der Sachverhalt in der Öffentlichkeit bekannt würde, ist das Angestelltenverhältnis von Herrn C. und dem Freistaat Sachsen aufzulösen. Die Gefahr des Ansehensverlustes des öffentlichen Dienstes gebietet diesen Entschluß. Die sehr intensive und langwierige Verstrickung mit dem MfS/AfNS ist nach o.g. Angaben des Einzelberichtes belegt. Ein Festhalten am Arbeitsverhältnis erscheint als unzumutbar.
Herr C. wurde die Möglichkeit eingeräumt, den Angestelltenvertrag in beiderseitigem Einvernehmen durch einen Auflösungsvertrag aufzuheben. Er lehnte diese gütliche Lösung am 03.02.1995 in einem persönlichen Gespräch, im Beisein von Herrn S., Herrn Dr. Q. und Herrn M. ab (siehe Vermerk zum Personalgespräch in der Anlage).
Als letzte übrige Möglichkeit, die getroffene Entscheidung umzusetzen, bleibt nur noch die außerordentliche Kündigung von Herrn C. mit Wirksamkeit nach Aushändigung.
Vor außerordentlichen Kündigungen ist die zuständige Personalvertretung bei der personalverwaltenden Stelle der Landesforstverwaltung gem. § 73 Abs. 6 Satz 1 Sächsisches Personalvertretungsgesetz (SächsPersVG) anzuhören. Die beabsichtigte Maßnahme gilt hiermit als begründet.
Um Zustimmung zur geplanten außerordentlichen Kündigung bzw. um Äußerung wird binnen drei Arbeitstagen bis zum 13.02.1995 gebeten.”
Dem Anhörungsschreiben wurde der Bericht des Bundesbeauftragten vom 7. Oktober 1994 nebst Anlagen beigefügt.
Der Hauptpersonalrat verweigerte am 9. Februar 1995 die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung, weil kein Vertrauensmißbrauch durch den Kläger vorliege und die aufgezeigte Tätigkeit im MfS durch ein gerichtliches Verfahren geklärt werden solle.
Mit Schreiben vom 14. Februar 1995 erklärte der Beklagte, vertreten durch das Staatsministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers.
Nach Durchführung eines weiteren Anhörungsverfahrens beim Hauptpersonalrat kündigte der Beklagte mit Schreiben des Sächsischen Staatsministeriums für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten vom 8. Mai 1995 das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich ordentlich zum 30. September 1995.
Mit der am 16. Februar 1995 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage und der am 19. Mai 1995 eingegangenen Klägerweiterung hat der Kläger die Unwirksamkeit beider Kündigungen geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigungen könnten nicht auf die Bestimmungen des Einigungsvertrages gestützt werden, weil er erst seit dem 1. Januar 1991 aufgrund eines neuen Arbeitsvertrages in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten stehe. Im übrigen sei das Kündigungsrecht verwirkt, er habe ausführlich zu seiner MfS-Tätigkeit Stellung genommen und insbesondere den Mitarbeitern des Personalreferats des Staatsministeriums im persönlichen Gespräch detailliert zu seiner MfS-Tätigkeit Auskunft gegeben. Er habe auch die ungefähre Zahl von schriftlichen Berichten und von Personen, über die er berichtet habe, genannt. Auch nach Aberkennung von Beschäftigungszeiten habe der Beklagte nicht gekündigt. Zur Mitarbeit für das MfS sei er gekommen, weil er gedacht habe, damit einen Beitrag zur Sicherheit an der Grenze und zur Beseitigung von Mißständen in der DDR zu leisten. Der Schreibtisch, dessen Kontrolle er durchgeführt habe, sei von mehreren Kollegen benutzt worden. Die Beteiligung des Hauptpersonalrats sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, denn der Beklagte habe dem Hauptpersonalrat nicht mitgeteilt, daß sich der Kläger in Personalgesprächen und dem Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten umfassend offenbart habe. Zudem habe an dem Personalgespräch am 1. oder 3. Februar 1995 nicht der Vorsitzende des Hauptpersonalrats, sondern das Mitglied des Hauptpersonalrats Sc.teilgenommen. Der Abteilungsleiter Ri. sei nicht zur Vertretung des Staatsministers bevollmächtigt gewesen.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 14.02.1995 zum gleichen Tage wie auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung des Beklagten vom 08.05.1995 zum 30.09.1995 aufgelöst worden ist,
- im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu Ziff.1., den Beklagten zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Büroleiter im Sächsischen Forstamt B. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, wegen Art und Ausmaß der Tätigkeit des Klägers für das MfS sei ein Festhalten am Arbeitsverhältnis nicht mehr zumutbar. Die früheren Angaben des Klägers hätten nicht den Kern der Sache getroffen. Das wahre Ausmaß der Verstrickung des Klägers sei erst durch den Bericht des Bundesbeauftragten deutlich geworden. Im August 1991 habe der Referent K. – dem Kläger erklärt, vor einer endgültigen Entscheidung sei die Auskunft des Bundesbeauftragten abzuwarten. Für die Kündigung komme es auf die Details an. In dem Gespräch habe der Kläger gezielt versucht, den Beklagten in eine bestimmte Richtung zu steuern, nämlich dahin, daß er nicht konspirativ und für Dritte belastend tätig geworden sei. Demgegenüber ergebe sich aus dem Bericht des Bundesbeauftragten, daß der Kläger eine Schreibtischdurchsuchung im Rahmen eines Auftrags zur Bearbeitung einer Arbeitskollegin durchgeführt und belastende Berichte über Personen erstattet habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage in vollem Umfange stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision begehrt der Beklagte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung seien nach Abs. 5 Ziff. 2 EV gerechtfertigt und deshalb unwirksam. Der Beklagte sei zur vorläufigen Weiterbeschäftigung verpflichtet.
Die Bestimmungen der Anlage I zum Einigungsvertrag fänden gemäß Art. 20 EV auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung, denn er habe am 3. Oktober 1990 dem öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR angehört. Ohne Belang für die Anwendbarkeit des Abs. 5 sei hierbei, daß sich der Kläger zunächst im Wartestand nach Abs. 2 in Verb, mit Abs. 3 befunden habe und mit ihm im Wege neuer Arbeitsverträge die Weiterverwendung vereinbart worden sei.
Die Tätigkeit des Klägers für das MfS sei von der Zeitdauer, der Häufigkeit und der Intensität her gesehen nicht unbedeutend. So habe der Kläger insbesondere auch über Verhaltensweisen, politische Einstellungen und charakterliche Eigenschaften einzelner Personen berichtet. Für sich genommen wären diese Umstände geeignet gewesen, die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis zu dem Beklagten zu begründen. Dennoch sei dem Beklagten die Fortsetzung des Arbeits- verhältnisses zumutbar, denn er habe über Jahre hinweg das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger in Kenntnis wesentlicher Umstände einer inoffiziellen Tätigkeit des Klägers für das MfS fortgesetzt. Damit habe der Beklagte zwar nicht über die Kenntnis des genauen Umfangs der Tätigkeit für das MfS, jedoch des wesentlichen Sachverhalts verfügt. Für die Akzeptanzprüfung könne die genauere Kenntnis der Einzelheiten der inoffiziellen Tätigkeit von Bedeutung sein. Habe der Arbeitnehmer, wie der Kläger, bereits deutlich eine Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter offenbart, so sei der öffentliche Arbeitgeber, um dem Schutzzweck des Abs. 5 EV zu genügen, gehalten, sich unverzüglich um weitere Aufklärung zu bemühen. Er dürfe es nicht bei einer Normalanfrage an den Bundesbeauftragten gemäß § 19 des Stasiunterlagengesetzes belassen. Gegebenenfalls sei die besondere Dringlichkeit der Antrage an den Bundesbeauftragten geltend zu machen. Entsprechendes sei vom Beklagten nicht vorgetragen worden. Es sei deshalb davon auszugehen, der Beklagte habe es bei einer Normalanfrage belassen. Es sei anzunehmen, der Beklagte sei leichtfertig davon ausgegangen, der Kläger habe keine Spitzeltätigkeiten geleistet. Deshalb erscheine ein Festhalten am Arbeitsverhältnis für den Beklagten zumutbar.
Die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 2 KSchG rechtsunwirksam, denn der Beklagte habe die persönliche Ungeeignetheit des Klägers über Jahre hinweg hingenommen.
B. Die Einzelfallprüfung des angefochtenen Berufungsurteils weist Rechtsfehler auf, die eine Aufhebung des angefochtenen Urteils erfordern. Die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil ist zurückzuweisen, denn das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die mit Schreiben vom 14. Februar 1995 erklärte außerordentliche Kündigung fristlos aufgelöst worden. Demzufolge steht dem Kläger kein Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu.
I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der Sonderkündigungstatbestand gemäß Abs. 5 Ziff. 2 EV Anwendung findet. Der Kläger gehörte im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts dem öffentlichen Dienst der ehemaligen DDR an.
II. Die Voraussetzungen des Kündigungstatbestandes gemäß Abs. 5 Ziff. 2 EV liegen vor.
1. Zu Recht haben die Vorinstanzen festgestellt, daß der Kläger im Sinne von Abs. 5 Ziff. 2 EV für das MfS tätig war. Aufgrund seiner im März 1979 abgegebenen Verpflichtungserklärung war der Kläger über Jahre hinweg für das MfS tätig. Er lieferte schriftliche und mündliche Berichte.
2. Die außerordentliche Kündigung nach Abs. 5 Ziff. 2 EV setzt weiter voraus, daß wegen der Tätigkeit für das MfS ein Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar erscheint. Ob dies der Fall ist, muß in einer Einzelfallprüfung festgestellt werden. Abs. 5 Ziff. 2 EV ist keine „Mußbestimmung”. Nicht jedem, der für das MfS tätig war, ist zu kündigen. Das individuelle Maß der Verstrickung bestimmt über die außerordentliche Auflösbarkeit des Arbeitsverhältnisses. Je größer das Maß der Verstrikkung, desto unwahrscheinlicher ist die Annahme, dieser Beschäftigte sei als Angehöriger des öffentlichen Dienstes der Bevölkerung noch zumutbar (vgl. Senatsurteil vom 11. Juni 1992 – 8 AZR 474/91 – BAGE 70, 309, 320 = AP Nr. 4 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, zu B II 1 c der Gründe). Beim inoffiziellen Mitarbeiter wird sich der Grad der persönlichen Verstrickung vor allem aus Art, Dauer und Intensität der Tätigkeit sowie aus Zeit und Grund der Aufnahme und der Beendigung der Tätigkeit für das MfS ergeben. Maßgebend ist, ob das Vertrauen der Bürger in die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei Bekanntwerden der Tätigkeit für das MfS in einer Weise beeinträchtigt würde, die das Festhalten am Arbeitsverhältnis unzumutbar macht.
Ebenfalls bei der Prüfung der Zumutbarkeit zu beachten ist die Art der Tätigkeit, die der Arbeitnehmer in dem in Frage stehenden Arbeitsverhältnis ausübt. Ob das Vertrauen in die Verwaltung durch die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers erschüttert wird, hängt nicht nur von der Verstrickung des Arbeitnehmers mit dem MfS ab, sondern auch davon, welche Wirkungsmöglichkeiten und Befugnisse der Arbeitnehmer in seinem jetzigen Arbeitsverhältnis hat (BVerfG Urteil vom 8. Juli 1997 –1 BvR 1934/93 – AP Nr. 67 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX = NJW 1997, 2305, zu C I 2 b der Gründe). Die Beschäftigung eines belasteten Arbeitnehmers mit rein vollziehender Sachbearbeitertätigkeit oder handwerklicher Tätigkeit wird das Vertrauen in die Verwaltung weniger beeinträchtigen als die Ausübung von Entscheidungs- und Schlüsselfunktionen durch einen ebenso belasteten Arbeitnehmer.
Der Frage, ob die frühere Tätigkeit ein Festhalten am jetzigen Arbeitsverhältnis noch zu rechtfertigen vermag, wohnt auch ein zeitliches Element inne. Der Arbeitgeber kann die Kündigung nicht zeitlich unbegrenzt aussprechen. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs von § 626 Abs. 2 BGB kann der wichtige Grund nach Abs. 5 Ziff. 2 EV durch bloßen Zeitablauf entfallen, ohne daß die weitergehenden Voraussetzungen der allgemeinen Verwirkung, wie das Vorliegen eines Umstandsmoments, erfüllt sein müßten (vgl. näher Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 157/93 – BAGE 76, 334, 340 = AP Nr. 13 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu II 3 a bb der Gründe, m.w.N.). Der Kündigungsberechtigte darf einen Kündigungsgrund unabhängig von § 626 Abs. 2 BGB nicht beliebig lange zurückhalten, um davon bei ihm gut dünkender Gelegenheit Gebrauch zu machen.
Eine feste Zeitgrenze, ab wann die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis nicht mehr gegeben ist, besteht nicht. Vielmehr bedarf es einer Abwägung des Zeitablaufs mit dem Gewicht der Kündigungsgründe. Maßgebend sind die konkreten Umstände des Einzelfalles, denn das Erscheinungsbild der Verwaltung wird mitgeprägt von der Zeitdauer, die der frühere MfS-Mitarbeiter nach der Wiedervereinigung unbeanstandet tätig war (Senatsurteil vom 28. April 1994, a.a.O.).
3. Die vom Landesarbeitsgericht durchgeführte Einzelfallprüfung gelangt zu dem richtigen Ergebnis, daß die MfS-Tätigkeit des Klägers aufgrund ihrer Dauer, der Häufigkeit und ihrer Intensität für sich genommen geeignet ist, die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Arbeitsverhältnis für den Beklagten zu begründen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist jedoch rechtsfehlerhaft, soweit es annimmt, dem Beklagten sei gleichwohl die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zumutbar, weil er über Jahre hinweg trotz Kenntnis wesentlicher Umstände das Arbeitsverhältnis fortgesetzt habe. Damit stellt das Landesarbeitsgericht zwar dem Grunde nach zutreffend auf den Umstand ab, daß sich der Kläger als inoffizieller Mitarbeiter des MfS offenbarte, übersieht jedoch, daß die beim Beklagten erst aufgrund des Berichts des Bundesbeauftragten bekannt gewordenen Einzeltatsachen das Gewicht der Selbstoffenbarung deutlich überschreiten.
a) Im Anwendungsbereich des Sonderkündigungsrechts nach Abs. 5 Ziff. 2 EV ist der Arbeitgeber gehalten, zu einer möglichst raschen Entscheidung über die Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit einem durch seine frühere MfS-Tätigkeit belasteten Arbeitnehmer zu kommen. Denn das Erscheinungsbild der Verwaltung wird mitgeprägt von der Zeitdauer, die der Arbeitnehmer nach der Wiedervereinigung unbeanstandet tätig war (Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 157/93 – BAGE 76, 334, 341 = AP Nr. 13 zu Art. 20 Einigungsvertrag, zu II 3 a bb der Gründe). Deshalb darf der öffentliche Arbeitgeber nicht generell vor Ausspruch einer Kündigung die Auskunft des Bundesbeauftragten abwarten, sondern muß im Regelfall – bei vollständiger und wahrheitsgemäßer Auskunft – anhand des Ergebnisses der Befragung des Mitarbeiters entscheiden (Senatsurteil vom 26. Juni 1997 – 8 AZR 449/96 – n.v., zu II 4 b der Gründe). Allerdings ist der öffentliche Arbeitgeber nicht gehindert, auch zu einem späteren Zeitpunkt und gerade im Zusammenhang mit einer Auskunft des Bundesbeauftragten außerordentlich zu kündigen, wenn die persönliche Belastung des Arbeitnehmers durch neu bekannt gewordene Umstände in einem anderen Licht erscheint (vgl. Senatsurteil vom 26. Juni 1997, a.a.O., zu II 4 c der Gründe; Senatsurteil vom 11. September 1997 – 8 AZR 14/96 – n.v., zu B II 2 der Gründe).
Nimmt der öffentliche Arbeitgeber die durch Fragebogen oder auf sonstige Weise erlangte Kenntnis von der MfS-Tätigkeit eines Arbeitnehmers nicht zum Anlaß für eine Kündigung, kann er später keine Kündigung gemäß Abs. 5 Ziff. 2 EV auf die ihm schon bekannten Umstände stützen. Er geht also das Risiko ein, daß er nach Erteilung der Auskunft des Bundesbeauftragten nicht mehr kündigen kann, wenn durch diese nur ein bereits bekannter Sachverhalt bestätigt wird. Bringt jedoch die Auskunft des Bundesbeauftragten neue Umstände zutage, die geeignet sind, die Einschätzung des belasteten Arbeitnehmers zu ändern, kann über die Ausübung des Kündigungsrechts neu entschieden werden. Arbeitnehmer, die nicht bereit waren, ihre Verstrickung mit der Staatssicherheit überhaupt oder dem vollen Umfang nach zu offenbaren, sind nicht allein durch Zeitablauf vor einer möglichen Kündigung geschützt. Die Zumutbarkeit ihrer Weiterbeschäftigung kann auch nicht generell daraus hergeleitet werden, daß der Arbeitgeber eigene Ermittlungen nicht oder zu langsam betrieben hat.
b) Die dem Beklagten erst durch die Auskunft des Bundesbeauftragten bekannt gewordenen Umstände ließen die frühere Einschätzung der MfS-Tätigkeit des Klägers in einem gänzlich anderen Licht erscheinen. So war dem Beklagten aufgrund der Offenbarung des Klägers unbekannt geblieben, daß der Kläger auf Weisung des MfS in einem Schreibtisch nach Unterlagen einer Arbeitskollegin gesucht und Schriftproben von den durch diese Kollegin benutzten Filzstiften genommen hatte. Ebensowenig war dem Beklagten bekannt, daß der Kläger nach Durchführung dieser Maßnahmen angewiesen wurde, die Arbeitskollegin weiterhin „im Verhalten und in der Diskussion” zu kontrollieren. Des weiteren war dem Beklagten unbekannt, daß der Kläger dem MfS über einen ehemaligen Forstarbeiter detaillierte Auskünfte und eine herabsetzende Einschätzung übermittelt hatte. Gleichfalls unbekannt war die vom Kläger am 17. September 1980 abgegebene schriftliche Einschätzung einer ehemaligen Verkaufsstellenleiterin. Hierin regt der Kläger ausdrücklich eine Überprüfung dieser Frau wegen des Verdachts strafbaren Verhaltens an. Außerordentliches Gewicht besitzt die dem Beklagten bis zur Auskunft des Bundesbeauftragten unbekannte Information des Klägers vom 25. März 1986, mit der er das MfS über seine vertraulich erworbene Kenntnis unterrichtet, ein Waldarbeiter trage sich mit der Absicht der Ausreise.
4. Die Zumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Beklagten folgt auch nicht aus dem Umstand, daß es der Beklagte bei einer Normalanfrage an den Bundesbeauftragten hat bewenden lassen. Die gegenteilige Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ist unzutreffend. Angesichts der großen Zahl der notwendigen Antragen der Personalverwaltungen in den neuen Bundesländern an den Bundesbeauftragten ist bei Selbstoffenbarung eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes aus Rechtsgründen keine beschleunigte Bearbeitung durch den Bundesbeauftragten geltend zu machen. Dies würde auf Kosten der geordneten Bearbeitung anderer Antragen gehen, die der Enttarnung unerkannter Mitarbeiter des MfS dienen soll. Im übrigen ist auch dem Schutz des sich selbst offenbarenden Mitarbeiters hinreichend Rechnung getragen, wenn aufgrund der Rechtsprechung des erkennenden Senats maßgeblich die durch Auskunft des Bundesbeauftragten gewonnenen zusätzlichen belastenden Erkenntnisse für die Beurteilung der Zumubarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses heranzuziehen sind.
III. Die außerordentliche Kündigung vom 14. Februar 1995 ist nicht gemäß § 73 Abs. 7 des Sächsischen Personalvertretungsgesetzes unwirksam. Der für die Beteiligung an dieser vom Staatsministerium ausgesprochenen Kündigung zuständige Hauptpersonalrat beim Ministerium ist ordnungsgemäß im Sinne von § 73 Abs. 6 SächsPersVG angehört worden.
1. Das Anhörungsverfahren ist ordnungsgemäß mit dem vom Abteilungsleiter R. unterzeichneten Schreiben vom 8. Februar 1995 eingeleitet worden. Herr R. handelte zumindest als sonstiger Beauftragter im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 3 SächsPersVG.
a) Wie der erkennende Senat im Anschluß an die neuere Rechtsprechung des Zweiten Senats (vgl. Urteil vom 26. Oktober 1995 – 2 AZR 743/94 – AP Nr. 8 zu § 79 BPersVG) entschieden hat (vgl. nur Urteil vom 18. Juli 1996 – 8 AZR 228/94 – ZTR 1997, 232), handelt nach § 7 BPersVG und der entsprechenden Bestimmung des Sächsischen Landesrechts für die Dienststelle ihr Leiter. Er kann sich bei Verhinderung durch seinen ständigen Vertreter vertreten lassen. Das gleiche gilt für sonstige Beauftragte, sofern der Personalrat sich mit dieser Beauftragung einverstanden erklärt. Das Tätigwerden eines sonstigen Beauftragten setzt danach eine Verhinderung des Dienststellenleiters voraus. Ist der Dienststellenleiter tatsächlich nicht verhindert, so führt dieser Mangel jedoch dann nicht zur Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn der Personalrat im Laufe des Beteiligungsverfahrens das Tätigwerden des sonstigen Beauftragten nicht rügt.
b) Davon ist im Streitfall auszugehen. Der Hauptpersonalrat hat unstreitig geäußert, er stimme der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht zu, weil ein Vertrauensmißbrauch des Klägers nicht vorliege und seine Tätigkeit für das MfS gerichtlich festgestellt werden solle. Damit fehlt jeder Anhaltspunkt für die Annahme, der Hauptpersonalrat habe etwa Zweifel am Vorliegen eines Verhinderungsfalles geltend gemacht oder aus anderen Gründen dem Tätigwerden eines Vertreters oder Beauftragten widersprochen.
2. Die Anhörung des Hauptpersonalrats enspricht auch inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen.
a) Die Information durch den Arbeitgeber soll die Personalvertretung in die Lage versetzen, ihre Überlegungen zu der beabsichtigten Kündigung einzubringen. Sie muß nicht denselben Anforderungen genügen wie die Darlegung des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozeß. Zudem gilt der Grundsatz der „subjektiven Determination”. Der Personalrat ist immer dann ordnungsgemäß angehört worden, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht tragenden Umstände unterbreitet hat (BAG Urteil vom 15. November 1995 – 2 AZR 974/94 – AP Nr. 73 zu § 102 BetrVG 1972). Der für die Kündigung maßgebende Sachverhalt ist allerdings so genau zu umschreiben, daß der Personalrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Eine pauschale, schlag- oder stichwortartige Schilderung des Sachverhalts reicht nicht aus. Ebenso genügt es nicht, bloße Werturteile ohne Angabe der für die Bewertung maßgebenden Tatsachen mitzuteilen (vgl. BAG Urteil vom 4. März 1981 – 7 AZR 104/79 – BAGE 35, 118 = AP Nr. 1 zu § 77 LPVG Baden-Württemberg; Senatsurteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 395/93 – n.v.). Diese Maßstäbe gelten gleichermaßen bei einer auf Abs. 5 Ziff. 2 EV gestützten Kündigung (Senatsurteil vom 11. Juni 1992 – 8 AZR 537/91 – BAGE 70, 323 = AP Nr. 1 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; Senatsurteil vom 23. September 1993 – 8 AZR 262/92 – AP Nr. 9 zu Art. 20 Einigungsvertrag). Wurde das Anhörungsverfahren nicht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt, ist die Kündigung unwirksam, weil die nicht ordnungsgemäße Beteiligung einer unterbliebenen Beteiligung gleichsteht (BAG Urteil vom 5. Februar 1981 – 2 AZR 1135/78 – AP Nr. 1 zu § 72 LPVG NW).
b) Das Anhörungsschreiben vom 8. Februar 1995 nebst Anlagen genügt den Anforderungen des § 73 Abs. 6 SächsPersVG. Der Hauptpersonalrat ist mit diesem Schreiben ausreichend über die Person des zu kündigenden Arbeitnehmers, die Art der beabsichtigten Kündigung und die für den Beklagten maßgeblichen Kündigungsgründe unterrichtet worden. Danach war für den Beklagten die Tätigkeit des Klägers für das MfS maßgeblicher Kündigungsgrund. Insofern hat der Beklagte dem Hauptpersonalrat alles mitgeteilt, was er wußte, denn dem Hauptpersonalrat wurde zugleich der Bericht des Bundesbeauftragten nebst Anlagen übermittelt. Für diese (objektive) Tätigkeit des Klägers in den Diensten des MfS war es zumindest aus der Sicht des Kündigenden (subjektiv) unerheblich, in welchem Umfang der Kläger sich nach dem Wirksamwerden des Beitritts gegenüber Mitarbeitern der Personalverwaltung offenbart hatte. Im übrigen hatte unstreitig an dem noch vor Einleitung der Beteiligung des Hauptpersonalrats durchgeführten Personalgespräch mit dem Kläger zumindest ein Mitglied des Hauptpersonalrats teilgenommen.
C. Ist somit das Arbeitsverhältnis durch die mit Schreiben vom 14. Februar 1995 ausgesprochene außerordentliche Kündigung fristlos aufgelöst worden, kommt es auf die Wirksamkeit der vorsorglich erklärten ordentlichen Kündigung vom 8. Mai 1995 nicht mehr an. Da der Kündigungsschutzklage nicht stattgegeben wird, hat der Kläger keinen Anspruch auf vorläufige Weiterbeschäftigung.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, P. Knospe, Scholz
Fundstellen