Entscheidungsstichwort (Thema)
Firmentarifvertrag bei Verschmelzung. Tarifkonkurrenz. Verbandsklage. Rechtsnachfolge in Firmentarifvertrag bei Verschmelzung durch Aufnahme. keine Befugnis einer Tarifvertragspartei zur Bestimmung der Auflösung einer Tarifkonkurrenz. Konkurrenz zwischen vollwirksamen und nachwirkendem Tarifvertrag
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme tritt der aufnehmende Rechtsträger in die vom verschmolzenen Rechtsträger vereinbarten Firmentarifverträge als Tarifvertragspartei ein.
2. Die unmittelbare und zwingende Wirkung von Tarifverträgen kann nicht durch Bestimmungen in der Satzung eines Tarifvertragspartners eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für § 95 der Satzung ver.di.
3. Ist im Falle einer Tarifkonkurrenz ein Verbandstarifvertrag von einem Firmentarifvertrag nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt worden und endet der Firmentarifvertrag, so wirken die Normen des Firmentarifvertrages nach § 4 Abs. 5 TVG nach. Kommt der Abschluss eines Folge-Firmentarifvertrages auf Grund der konkreten Umstände nicht in Betracht (hier: wegen Verschmelzung des Arbeitgebers), gilt der bisher verdrängte, nach wie vor vollwirksame Flächentarifvertrag für die ihm unterworfenen Arbeitsverhältnisse wieder unmittelbar und zwingend.
Orientierungssatz
1. Begehrt eine Tarifvertragspartei die gerichtliche Feststellung, dass ein bestimmter Tarifvertrag auf die bei einem bestimmten Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse keine Wirkung entfaltet, ist dieser Antrag nur dann begründet, wenn die Anwendbarkeit des genannten Tarifvertrages für alle tatsächlich möglichen Konstellationen rechtlich ausgeschlossen ist. Insofern ist er einem betriebsverfassungsrechtlichen Globalantrag vergleichbar.
2. Bei einer Verschmelzung durch Aufnahme tritt der aufnehmende Rechtsträger in die vom verschmolzenen Rechtsträger vereinbarten Firmentarifverträge als Tarifvertragspartei ein. Über die Frage, auf welche Arbeitsverhältnisse sich die Geltung des übergegangenen Tarifvertrages beim aufnehmenden Unternehmen erstreckt, war nicht zu entscheiden.
3. Die unmittelbare und zwingende Wirkung von Tarifverträgen kann nicht durch Bestimmungen in der Satzung eines Tarifvertragspartners eingeschränkt oder ausgeschlossen werden. Dies gilt auch für § 95 der Satzung ver.di.
4. Eine durch eine Gewerkschafts- oder Verbandsfusion entstandene Tarifkonkurrenz kann nicht durch die einseitige Bestimmung einer Tarifvertragspartei aufgelöst werden, sondern nur nach allgemeinen Kriterien, die auf Verfassung, Gesetz und ggf. übereinstimmendem Willen der Tarifvertragsparteien selbst beruhen.
5. Ist im Falle einer Tarifkonkurrenz ein Verbandstarifvertrag von einem Firmentarifvertrag nach dem Spezialitätsprinzip verdrängt worden und endet der Firmentarifvertrag, so wirken die Normen des Firmentarifvertrages nach § 4 Abs. 5 TVG nach. Kommt der Abschluss eines Folge-Firmentarifvertrages auf Grund der konkreten Umstände nicht in Betracht (hier: wegen Verschmelzung des Arbeitgebers), gilt der bisher verdrängte, nach wie vor vollwirksame Flächentarifvertrag für die ihm unterworfenen Arbeitsverhältnisse wieder unmittelbar und zwingend.
6. Wie die Konkurrenz zwischen einem nachwirkenden und einem vollwirksamen Tarifvertrag in anderen Konstellationen zu bewerten und aufzulösen ist, musste der Senat nicht entscheiden.
Normenkette
TVG §§ 4, 9; UmwG § 20 Abs. 1 Nr. 1; S.ung ver.di § 95
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 15. Februar 2006 – 2 Sa 10/05 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Geltung eines Anerkennungstarifvertrages und der darin genannten Bezugstarifverträge im Unternehmen der Klägerin.
Die Klägerin ist ein Unternehmen, das sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Druckerzeugnissen sowie damit zusammenhängenden Dienst- und Beratungsleistungen beschäftigt.
Die Beklagte ist eine Gewerkschaft, die am 1. Juli 2001 durch Verschmelzung mehrerer Gründungsgewerkschaften, ua. der IG Medien, HBV und DAG entstanden ist. Die Satzung der beklagten Gewerkschaft (im Folgenden: Satzung ver.di) enthält ua. folgende Bestimmung:
“§ 95 Fortgeltung von Tarifverträgen
1. Die von den Gründungsgewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge gelten nach Wirksamwerden der Verschmelzung unverändert fort. ver.di tritt als Tarifvertragspartei an die Stelle derjenigen Gründungsgewerkschaft, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die Tarifbindung im persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages bleibt so lange unverändert, bis der bisherige Tarifvertrag durch einen nachfolgenden Tarifvertrag abgelöst wird.
2. Ein neu eintretendes ver.di-Mitglied hat sich im Falle einer Tarifkonkurrenz zu entscheiden, welcher Tarifvertrag anwendbar sein soll, und dies dem Arbeitgeber mitzuteilen.”
Die Klägerin firmierte bis zum 29. August 2003 unter der Bezeichnung “D… D… GmbH”. Sie war und ist Mitglied im Arbeitgeberverband für Dienstleistung, Groß- und Außenhandel Baden-Württemberg e. V. (im Folgenden: VDGA). Dieser Verband hat mit den Gewerkschaften HBV, DAG und DHV ua. einen Manteltarifvertrag, später aber auch mit der Beklagten selbst Entgelttarifverträge abgeschlossen. Der fachliche Geltungsbereich dieser Verbandstarifverträge (im Folgenden: VDGA-Tarifverträge) ist übereinstimmend wie folgt beschrieben:
Ҥ 1 Geltungsbereich
Der Tarifvertrag gilt
räumlich |
… |
fachlich |
für alle Betriebe oder Betriebsteile des Groß- und Außenhandels sowie deren Hilfs- und Nebenbetriebe, desgleichen für alle selbständigen Groß- und Außenhandelsbetriebe von gemischten Unternehmen. |
|
Er gilt insbesondere auch für die Groß- und Außenhandelsunternehmen, die im Rahmen ihres Handelsgeschäftes Nebenleistungen erbringen, wie z.B. Brenn-, Säge-, Rohr-, Schneid-, Fräs-, Spalt-, Stahlbiege- und Flechtarbeiten, Montagen, Instandhaltung und Instandsetzung, Holz- und Holzschutzarbeiten, Vermietungen von Maschinen, auch Baumaschinen mit Bedienungspersonal. (Nicht erfaßt werden also Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, für die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Tarifvertrages die Gültigkeit der Rahmen- oder Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unstreitig feststeht).” |
Auf dem Betriebsgelände der Klägerin wurde bis zum 29. August 2003 in einem räumlich abgetrennten Bereich von der D… P… GmbH ein Betrieb unterhalten. In diesem wurden vorwiegend Druckerzeugnisse produziert. Die D… P… GmbH hatte am 1. Dezember 1998 mit der IG Medien einen Anerkennungstarifvertrag (im Folgenden: AnerkennungsTV) abgeschlossen, in dem es auszugsweise heißt:
Ҥ 1 Geltungsbereich
Dieser Anerkennungstarifvertrag gilt für alle bei der Firma D… P… GmbH Beschäftigten und Auszubildenden, die Mitglied der IG Medien sind.
§ 2 Anerkennung der Tarifverträge
2.1 |
Die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Anerkennungstarifvertrages geltenden Tarifverträge für ArbeiterInnen, Angestellte und Auszubildende, die zwischen der IG Medien und dem Bundesverband Druck e.V. bzw. dem Landesverband Druck Baden-Württemberg e.V. abgeschlossen sind, sind als Anlage A Bestandteil dieses Tarifvertrages und gelten unter Berücksichtigung der näheren Regelung in Anlage B für die Beschäftigten und Auszubildenden. |
2.2 |
Werden zwischen der IG Medien und dem Bundesverband Druck e.V. bzw. dem Landesverband Druck Baden-Württemberg e.V. Tarifverträge abgeschlossen, die nicht in Anlage A aufgeführt sind, verpflichten sich die Vertragsparteien sie unverzüglich in Anlage A aufzunehmen. |
|
Diese Tarifverträge gelten ab dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens. |
§ 3 Rechtsstatus der Tarifverträge
3.1 |
Die in § 2 dieses Anerkennungstarifvertrages in Bezug genommenen Tarifverträge (auch die gekündigten und nachwirkenden) gelten in ihrer jeweils gültigen Fassung und mit dem jeweiligen rechtlichen Status. |
3.2 |
Werden diese Tarifverträge oder Teile von ihnen gekündigt, so gelten sie auch zwischen den Vertragsparteien dieses Anerkennungstarifvertrages als gekündigt. |
… |
|
4.2 |
Dieser Anerkennungstarifvertrag tritt am 1. Januar 1999 in Kraft und kann mit dreimonatiger Frist, erstmals jedoch zum 31. Dezember 2002 gekündigt werden.” |
Am 27. August 2003 erklärte die D… P… GmbH die ordentliche Kündigung des AnerkennungsTV zum 30. November 2003. Am 29. August 2003 schlossen die D… D… GmbH und die D… P… GmbH einen Verschmelzungsvertrag nach § 2 Nr. 1 UmwG, wonach die D… P… GmbH auf die D… D… GmbH als aufnehmende Gesellschaft verschmolzen wurde. Bis zum Abschluss des Verschmelzungsvertrages hatte die D… P… GmbH mehr Arbeitnehmer beschäftigt als die D… D… GmbH, diese jedoch einen höheren Umsatz erzielt.
Gleichzeitig mit der Verschmelzung firmierte die aufnehmende Gesellschaft um und wird seitdem unter der Firma der Klägerin geführt. Die Änderungen wurden am 30. Oktober 2003 im Handelsregister eingetragen. Der Gegenstand der Tätigkeit der Klägerin wurde dabei wie folgt bezeichnet:
“– der Vertrieb von Druckerzeugnissen aller Art, die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Druckerzeugnissen und die Herstellung von Druckerzeugnissen aller Art sowie die Beratung in Marketingfragen
– die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen sowie die Übernahme der Geschäftsführung für solche Unternehmen”.
Im Folgenden kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über die Anwendung des AnerkennungsTV und der darin genannten Bezugstarifverträge der Druckindustrie auf bei der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnisse. So beriet die Beklagte den bei der Klägerin bestehenden Betriebsrat dahingehend, keine Vereinbarungen mit der Klägerin zu treffen, die nicht dem Drucktarif entsprächen; ebenso forderte sie ihre Mitglieder auf, keine vom Drucktarif abweichenden Vereinbarungen zu unterzeichnen. Auch ist eine nicht näher bezifferte Anzahl von Einigungsstellen- und gerichtlichen Beschlussverfahren über Eingruppierungen und Arbeitszeitregelungen anhängig.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der AnerkennungsTV und die dort genannten Bezugstarifverträge auf ihr Unternehmen keine Anwendung fänden. Mit der Verschmelzung der D… P… GmbH auf sie sei der AnerkennungsTV untergegangen. Er entfalte auch keine Nachwirkung mehr. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Übergang der Parteistellung einer Firmentarifvertragspartei bei Verschmelzung sei unzutreffend, jedenfalls aber bei einer Verschmelzung durch Aufnahme nicht anwendbar. Gemäß § 324 UmwG iVm. § 613a Abs. 1 BGB sei die Klägerin in die Rechte und Pflichten der Arbeitsverhältnisse eingetreten. Da sie tarifvertraglich an die Groß- und Außenhandelstarifverträge gebunden sei, gölten diese für alle bei ihr beschäftigten Mitglieder der beklagten Gewerkschaft (“kongruente Bindung”), so dass für die Auffangregelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum sei.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass der Anerkennungstarifvertrag vom 1. Dezember 1998 zwischen den Parteien keine Wirksamkeit entfaltet.
Die beklagte Gewerkschaft begründet ihren Klageabweisungsantrag mit dem ihrer Ansicht nach durch die Verschmelzung bewirkten Übergang des AnerkennungsTV auf die Klägerin. Es habe kein Betriebsübergang nach § 613a BGB stattgefunden. Die Anwendung der Groß- und Außenhandelstarifverträge auf die Mitglieder der früheren IG Medien scheitere schon an § 95 Nr. 1 Satz 3 der Satzung ver.di, der für übergegangene Tarifverträge der Gründungsgewerkschaften deren Fortgeltung vorsehe. Wenn man von einer danach entstehenden Tarifpluralität ausgehe und diese nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für auflösungsbedürftig halte, gehe der Firmentarifvertrag als speziellerer Tarifvertrag sogar vor und finde auf alle bei der Klägerin beschäftigten Mitglieder der Beklagten Anwendung. Die Klägerin sei aus dem Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge herausgewachsen, da im Bereich der bisherigen D… P… GmbH mehr Arbeitnehmer beschäftigt gewesen seien als bei der aufnehmenden Klägerin.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Es fehlt jedoch an hinreichenden Tatsachenfeststellungen, um den Rechtsstreit abschließend entscheiden zu können.
I. Die Klage ist zulässig.
1. Die Klägerin hat das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat.
a) Nach § 256 Abs. 1 ZPO ist eine Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses nur zulässig, wenn die klagende Partei ein rechtliches Interesse hat, das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald feststellen zu lassen.
aa) Das besondere Feststellungsinteresse muss als Sachurteilsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, gegeben sein. Sein Vorliegen ist von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. nur Senat 14. Dezember 2005 – 4 AZR 522/04 – AP ZPO 1977 § 256 Nr. 94 = EzA ZPO 2002 § 256 Nr. 7 mwN).
bb) Diese Grundsätze gelten auch für die sog. Verbandsklage nach § 9 TVG. § 256 Abs. 1 ZPO setzt im Allgemeinen voraus, dass zwischen den Parteien eines Feststellungsprozesses ein klärungsfähiges und klärungsbedürftiges konkretes Rechtsverhältnis besteht (allg. Meinung, vgl. nur Musielak/Foerste ZPO 5. Aufl. § 256 Rn. 2 mwN). Ein Tarifvertrag begründet zwischen den Parteien des Tarifvertrages in seinem normativen Teil jedoch keine Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien selbst. § 9 TVG eröffnet die Möglichkeit einer abstrakten Feststellungsklage über Tarifnormen und erweitert damit das Anwendungsgebiet von § 256 Abs. 1 ZPO auf die Klärung eines abstrakten Rechtsverhältnisses, nämlich über das Bestehen oder – wie vorliegend – Nichtbestehen oder über die Auslegung eines Tarifvertrages. Den Tarifvertrags- und Prozessparteien wird auf diesem Wege ein besonderes berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO zugebilligt (Löwisch/Rieble TVG 2. Aufl. § 9 Rn. 1 f.; HWK/Henssler 2. Aufl. § 9 TVG Rn. 7 f.). Soweit das Bundesarbeitsgericht diesen Wirkungszusammenhang mit der Formel beschrieben hat, das erforderliche Feststellungsinteresse liege bei dem Rechtsstreit zwischen Tarifvertragsparteien bereits wegen der Erstreckung der Bindungswirkung vor (so schon 15. November 1957 – 1 AZR 610/56 – BAGE 5, 107; vgl. auch 12. April 2000 – 5 AZR 228/98 – BAGE 94, 217, 221), ist dies für den Regelfall zutreffend. § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrages mit einer möglichst einheitlichen rechtlichen Beurteilung von Tarifbestimmungen zu untersetzen und damit der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit zu dienen (HWK/Henssler § 9 TVG Rn. 2) und zugleich Individualstreitigkeiten zu vermeiden. Es müssen Anhaltspunkte vorliegen, die die Klärung der Rechtsfrage zum gegenwärtigen Zeitpunkt erforderlich machen, etwa die gegenwärtige oder zukünftige fehlerhafte Anwendung von Tarifnormen durch einen Tarifvertragspartner (Senat 14. Juni 1995 – 4 AZR 915/93 – AP TVG § 1 Durchführungspflicht Nr. 4 = EzA TVG § 4 Bundespost Nr. 3). Das besondere Feststellungsinteresse der klägerischen Tarifvertragspartei muss zudem gerade auch gegenüber der anderen Prozesspartei bestehen (Senat 30. Mai 2001 – 4 AZR 387/00 – BAGE 98, 42).
b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Nichtbestehens des genannten Rechtsverhältnisses.
aa) Die Klage ist eine Verbandsklage nach § 9 TVG. Dies setzt zwar dem Wortlaut der Regelung nach eine Streitigkeit zwischen Tarifvertragsparteien voraus; die Klägerin leugnet jedoch gerade, Tarifvertragspartei des AnerkennungsTV zu sein. Da die Stellung als Partei des AnerkennungsTV mit den entsprechenden Folgerungen von der Beklagten jedoch behauptet wird, ist die Klägerin im Rahmen der negativen Feststellungsklage als Tarifvertragspartei zu behandeln. Davon geht auch § 9 TVG aus, wenn nach dieser Vorschrift auch das Nichtbestehen eines Tarifvertrages geltend gemacht werden kann.
bb) Die Klägerin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse. Das ergibt sich bereits aus dem Streit mit der Beklagten über die Anwendbarkeit des AnerkennungsTV, da es sich dabei nicht lediglich um eine folgenlose Meinungsverschiedenheit handelt, sondern die Beklagte im Rahmen ihrer gewerkschaftlichen Tätigkeit ihre Mitglieder und insbesondere die bei ihr organisierten Betriebsräte im Unternehmen der Klägerin dahin berät, auf die Anwendung des AnerkennungsTV hinzuwirken und einzelvertraglichen oder betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen, die dem Inhalt des AnerkennungsTV widersprechen, nicht zuzustimmen.
cc) Das Feststellungsinteresse ist auch nicht deshalb entfallen, weil der AnerkennungsTV durch die Kündigung der D… P… GmbH zum 30. November 2003 beendet worden ist. Die Klägerin wäre weiterhin bei auch nur nachwirkender Geltung des AnerkennungsTV verpflichtet, die ihm unterfallenden Arbeitsverhältnisse nach Maßgabe des Tarifvertrages durchzuführen, bis eine andere Abmachung die Nachwirkung abgelöst hat, § 4 Abs. 5 TVG.
dd) Die gerichtliche Feststellung ist deshalb geeignet, nicht nur unmittelbar den Streit der Parteien über die Anwendbarkeit des AnerkennungsTV zu beenden, sondern auch für die Parteien, insbesondere die Klägerin selbst, Klarheit über den Inhalt zahlreicher bei ihr bestehender Arbeitsverhältnisse herzustellen.
ee) Einer weiteren Begründung für das Feststellungsinteresse, nämlich des Bestehens von Rechtsstreitigkeiten, zB Beschlussverfahren, in denen es auf die Geltung oder Nichtgeltung des AnerkennungsTV ankommt, bedarf es deshalb nicht, so dass hier dahingestellt bleiben kann, ob insoweit die Verfahren im Einzelnen zu benennen und die Vorgreiflichkeit der Verbandsklage darzulegen wäre (vgl. dazu auch Senat 6. Juni 2007 – 4 AZR 411/06 –).
2. Der Antrag der Klägerin ist hinreichend bestimmt.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Streitgegenstand vom Antragsteller so genau bezeichnet werden, dass die Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann. Auch beim Feststellungsantrag einer Verbandsklage muss – gerade wegen der Bindungswirkung des Urteils gemäß § 9 TVG – der Umfang der objektiven Rechtskraft einer auf den Antrag ergehenden Sachentscheidung hinreichend und zuverlässig erkennbar sein. Ausreichend ist, wenn der Antrag in einer dem Bestimmtheitserfordernis genügenden Weise ausgelegt werden kann (BAG 27. September 2005 – 1 ABR 41/04 – BAGE 116, 45).
b) Diesen Anforderungen genügt der klägerische Antrag in der Fassung des Tenors des Berufungsurteils. Zwar sind grundsätzlich auch die konkreten Namen der Parteien des AnerkennungsTV zu bezeichnen, damit der Tarifvertrag genau und unverwechselbar gekennzeichnet ist (Däubler/Reinecke TVG 2. Aufl. § 9 Rn. 26). Diese lassen sich jedoch auch aus den Entscheidungsgründen entnehmen.
Aus der Formulierung “keine Wirksamkeit entfaltet” wird ferner deutlich, dass jedwede Geltung des AnerkennungsTV bestritten wird, auch wenn die Formulierung “zwischen den Parteien” eine schuldrechtliche Verbindung nahelegt. Gleichwohl wird die von der Klägerin erkennbar in Bezug auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse angestrebte Feststellungswirkung von dem Tenor des Berufungsurteils erfasst, weil der Ausschluss einer jeglichen Wirkung des AnerkennungsTV zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits einerseits auch die Wirkung des AnerkennungsTV auf die Arbeitsverhältnisse ausschließt, dagegen – zu Recht – keine Feststellung über eine mögliche andere Wirkung auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse enthält, zB auf Grund einzelvertraglicher Inbezugnahme.
II. Ob die Klage begründet ist, kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts auf der Grundlage von dessen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts kann der Klage nicht stattgegeben werden.
1. Der negative Feststellungsantrag der Klägerin ist begründet, wenn das von ihr im Antrag geleugnete Rechtsverhältnis auch tatsächlich nicht besteht, dh. wenn der AnerkennungsTV zwischen den Parteien nicht gilt und damit auf die Arbeitsverhältnisse der bei der Klägerin beschäftigten Mitglieder der beklagten Gewerkschaft keine Anwendung findet. Dabei kann es auf die konkreten Umstände, etwa die Tarifbindung einzelner Arbeitnehmer in dem Produktionsbereich, Austritt oder Eintritt in die Gewerkschaft usw., nicht ankommen; die Anwendbarkeit des AnerkennungsTV muss für alle tatsächlich möglichen Konstellationen rechtlich ausgeschlossen sein. Sonst ist der Feststellungsantrag nicht begründet. Insoweit ist der Antrag der Klägerin einem Globalantrag vergleichbar (vgl. dazu BAG 11. Dezember 1991 – 7 ABR 16/91 – AP BetrVG 1972 § 90 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 90 Nr. 2).
2. Die Anwendbarkeit des AnerkennungsTV auf die bei der Klägerin beschäftigten Mitglieder der Beklagten ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dann ausgeschlossen, wenn der AnerkennungsTV deshalb keine Wirksamkeit entfalten kann, weil alle möglicherweise an den AnerkennungsTV gebundenen Mitglieder der Beklagten tariflich zwingend an einen anderen, insbesondere einen der VDGA-Tarifverträge gebunden sind und diese Bindung die Anwendbarkeit des AnerkennungsTV ausschließt. Dies setzt voraus, dass der personelle und fachlichbetriebliche Geltungsbereich des AnerkennungsTV von demjenigen der VDGA-Tarifverträge umfasst ist und die Nachwirkung des AnerkennungsTV von der Vollwirkung der VDGA-Tarifverträge verdrängt wird. Wenn auch nur ein Arbeitsverhältnis bei der Klägerin von dem nachwirkenden AnerkennungsTV erfasst wird oder werden kann, ohne dass es gleichzeitig den VDGA-Tarifverträgen unterfällt, ist die Klage unbegründet.
3. Ob nicht nur der räumliche und personelle, sondern auch der fachliche Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge denjenigen des AnerkennungsTV umfasst, ist auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend zu beurteilen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für begründet gehalten, weil alle Arbeitnehmer der Klägerin, darunter auch diejenigen, die vor der Verschmelzung bei der D… P… GmbH beschäftigt waren, unter den Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge fallen. Damit sei die Nachwirkung des gekündigten AnerkennungsTV durch die nunmehr vollgültigen VDGA-Tarifverträge verdrängt. Der fachliche Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge erfasse auch diejenigen Arbeitnehmer der Klägerin, die erst durch die Verschmelzung aufgenommen worden seien. Er sei weitgehend und umfasse nicht nur die unmittelbaren handelsgeschäftlichen Tätigkeiten, sondern auch Nebenleistungen. Zwar sei die Herstellung von Druckerzeugnissen dabei im Tarifvertrag nicht ausdrücklich aufgeführt. Die weitgehenden und umfassenden Tätigkeitsbeispiele des Tarifvertrages ließen jedoch erkennen, dass die Tarifvertragsparteien den fachlichen Geltungsbereich umfassend hätten regeln wollen. Der Unternehmenszweck der Klägerin erfasse deshalb auch die Druckerei der ehemaligen D… P… GmbH.
b) Diese Ausführungen sind nicht rechtsfehlerfrei. Das Landesarbeitsgericht hat übersehen, dass der fachliche Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge nicht unternehmensbezogen, sondern betriebsbezogen definiert ist, so dass es nicht auf den Gegenstand der Tätigkeit des Unternehmens ankommt, sondern auf die konkrete betriebliche Struktur.
aa) Allerdings ist der personelle Anwendungsbereich des AnerkennungsTV von dem der VDGA-Tarifverträge umfasst.
(1) Die Klägerin ist an beide Tarifwerke gebunden.
(a) Sie ist Mitglied im VDGA und daher als Mitglied der Tarifvertragspartei an die vom VDGA abgeschlossenen Tarifverträge gebunden, § 3 Abs. 1 TVG.
(b) Sie ist ferner als aufnehmendes Unternehmen in die Stellung als Tarifvertragspartei des AnerkennungsTV eingetreten, da die Verschmelzung der D… P… GmbH zu einer Universalsukzession geführt hat. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgegangen.
(aa) Wie der Senat bereits entschieden hat, geht bei der Verschmelzung im Wege der Neugründung wegen der vom Gesetz in § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG angeordneten Gesamtrechtsnachfolge ein Firmentarifvertrag uneingeschränkt auf den neu gegründeten Rechtsträger über. Dieser wird dann Partei des für den übertragenden Rechtsträger geltenden Firmentarifvertrages (Senat 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – BAGE 89, 193, 198 ff.).
(bb) Diese Entscheidung hat im Grundsatz überwiegend Zustimmung in der Literatur gefunden (uneingeschränkt Rieble Anm. EzA UmwG § 20 Nr. 1; Winzer Beeinflussung der Tarifgeltung durch den Arbeitgeber S. 197; wohl auch Kallmeyer/Willemsen UmwG 3. Aufl. Vor § 322 Rn. 79, § 324 Rn. 24; HWK/Henssler § 3 TVG Rn. 47; Däubler/Lorenz § 3 Rn. 180; Kempen/Zachert/Kempen TVG 4. Aufl. § 3 Rn. 140). Weder die Charakterisierung der Verschmelzung als Universalsukzession noch die Rechtsfolge des Überganges der Stellung der Vertragspartei eines Firmentarifvertrages wird angezweifelt.
(cc) An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch für den Fall der Verschmelzung durch Aufnahme (§ 2 Nr. 1 UmwG) fest. Für eine differenzierende Betrachtung im Verhältnis zu der Verschmelzung durch Neugründung (§ 2 Nr. 2 UmwG) gibt es keine Anhaltspunkte. Es handelt sich in beiden Konstellationen um Fälle der Universalsukzession, die sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten umfasst; in bestehende Verträge tritt der übernehmende Rechtsträger ein, ohne dass es einer Vertragsänderung bedarf (Kallmeyer/Marsch-Barner § 20 Rn. 8, 10).
(dd) Soweit in der Literatur Kritik an der Senatsrechtsprechung geübt wurde, ist sie unbegründet. Die Kritik nimmt die vom Senat nicht ausgesprochene, von ihr aber vermutete Rechtsfolge der Erstreckung der firmentariflichen Geltung auf die Arbeitnehmer des aufnehmenden Betriebes zum Anlass, den Übergang des Firmentarifvertrages als Teil der Universalsukzession von vorneherein zu verneinen (zB Gaul NZA 1995, 717, 722; Hanau ZGR 1990, 548, 554 f.; Hanau/Vossen FS Hilger/Stumpf S. 271, 297). Auch ein Teil der zustimmenden Literatur macht seine Zustimmung zur Senatsrechtsprechung erkennbar daran fest, dass eben diese Rechtsfolge der Erstreckung verneint wird (zB Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen 2. Aufl. Rn. E 91 f.; Sieg/Maschmann Unternehmensumstrukturierung aus arbeitsrechtlicher Sicht Rn. 194 ff.; Boecken SAE 2000, 162 ff.; Hergenröder Anm. AR-Blattei ES 1550.13 Nr. 1; tendenziell auch ErfK/Preis 7. Aufl. § 613a BGB Rn. 183; aA Rieble aaO und Winzer aaO S. 199 ff., die die Rechtsfolge der Erstreckung bejahen, ohne den Übergang des Firmentarifvertrages in Frage zu stellen). Die Frage der Rechtsfolgen einer Universalsukzession, wie sie bei der Verschmelzung eines Unternehmens, gleich ob durch Neugründung oder durch Aufnahme, auftreten, also insbesondere die Rechtsfolge des Eintritts in die Stellung eines Vertragspartners des Firmentarifvertrages, ist jedoch unabhängig von der Frage zu beantworten, welche tariflichen Bindungen durch die mit dem Übergang der Tarifvertragspartnerstellung verbundene Universalsukzession entstehen, ob und wie zB eine durch den Übergang möglicherweise bewirkte Tarifkonkurrenz oder Tarifpluralität aufzulösen ist. Die Antwort auf die tarifrechtlichen Folgen berührt die Wirksamkeit der Verschmelzung und ihren Charakter als Gesamtrechtsnachfolge ebenso wenig wie die Bewertung der Stellung einer Firmentarifvertragspartei als Vermögensbestandteil iSv. § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG.
(ee) Die Frage der Erstreckung der Geltung des übergegangenen Firmentarifvertrages bedarf vorliegend auch keiner Entscheidung, da die Klage – wie dargelegt – bereits dann unbegründet ist, wenn auch nur eines der an den AnerkennungsTV gebundenen Arbeitsverhältnisse nicht notwendig auch an die VDGA-Tarifverträge gebunden ist und es deshalb auf eine mögliche Erstreckung der Bindung an den AnerkennungsTV auf die bisher bei der D… D… GmbH tarifgebundenen Beschäftigten nicht ankommt.
(c) Auch die gegen die Senatsrechtsprechung gerichtete Kritik der Klägerin greift nicht durch.
(aa) Entgegen ihrer Auffassung ist eine unterschiedliche Beurteilung der Situation, in der der Übergang eines Firmentarifvertrages auf ein tarifvertragsloses Unternehmen streitig ist, von der anderen – hier vorliegenden – Situation, in der darüber zu befinden sei, welcher von zwei konkurrierenden tariflichen Regelungen im Unternehmen zur Anwendung verholfen werden soll, nicht gerechtfertigt. Die Anwendung der Grundsätze der Universalsukzession auf den Fall der Verschmelzung eines Unternehmens, das an einen Firmentarifvertrag gebunden ist, kann nicht danach unterschiedlich beurteilt werden, ob das aufnehmende Unternehmen seinerseits tarifgebunden ist und dem Geltungsbereich eines einschlägigen, möglicherweise sogar Firmentarifvertrages unterfällt oder ob es “tarifvertragslos” ist. Die durch eine mögliche Anwendung von Tarifverträgen im aufnehmenden Unternehmen entstehenden Kollisionen müssen dann – wie dargelegt – im tarifrechtlichen Bereich geklärt und entschieden werden; die Charakterisierung eines Übertragungsaktes als Universalsukzession und die daraus resultierende Übertragung des Vermögens als Ganzes bleibt davon unberührt.
(bb) Entgegen der Auffassung der Klägerin scheitert die kollektivrechtliche Fortgeltung – in welchem Anwendungsbereich auch immer – auch nicht schon daran, dass hier § 613a BGB zur Anwendung und damit allenfalls eine individualrechtliche Fortgeltung der bisher normativ geltenden Regelungen in Frage käme. Denn die kollektivrechtliche Fortgeltung schließt die Anwendung von § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB aus, da dieser lediglich eine Auffangfunktion hat. Bei einer Verschmelzung bedarf es der dort vorgesehenen Transformation nur dann, wenn der verschmolzene Rechtsträger an Flächen- und Verbandstarifverträge gebunden war, die anders als der Firmentarifvertrag von einer Universalsukzession nicht erfasst werden (Senat 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 – BAGE 89, 193, 199 ff. mwN).
(cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt im Übergang der Stellung als Firmentarifvertragspartei auch kein Eingriff in ihre negative Koalitionsfreiheit, weil sie “in eine nicht gewünschte Tarifgebundenheit hineingedrängt” werde (mit diesem Argument gegen die Universalsukzession aber Kreßel BB 1995, 925, 930). Dies scheidet schon deshalb aus, weil die Geltung eines Firmentarifvertrages eine Verbandsmitgliedschaft und damit einen spezifischen koalitionsrechtlichen Status gerade nicht voraussetzt, so dass die negative Koalitionsfreiheit durch einen Firmentarifvertrag nicht tangiert wird (so auch Jacobs Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz S. 190 f.; Henssler ZfA 1998, 517, 532; Winzer aaO mwN; aA neben Kreßel aaO auch Trappehl/Lambrich DB 1999, 291).
(2) Auch alle Mitglieder der beklagten Gewerkschaft, die bei der Klägerin beschäftigt sind, unterfallen dem personellen Anwendungsbereich des VDGA-Tarifwerkes. Dies gilt entgegen der Auffassung der Beklagten auch für diejenigen Arbeitnehmer, die vor dem 1. Juli 2001 Mitglied der IG Medien und bei der D… P… GmbH beschäftigt waren.
(a) Die VDGA-Tarifverträge sind ua. von den Gewerkschaften HBV und DAG abgeschlossen. Diese sind wie die IG Medien Gründungsgewerkschaften der Beklagten. Die Rechtsfolge der Verschmelzung der Gründungsgewerkschaften zur Beklagten ist die Gesamtrechtsnachfolge mit der Wirkung, dass die Beklagte in alle Tarifverträge als Tarifvertragspartei eingetreten ist, die von einer ihrer Gründungsgewerkschaften abgeschlossen worden ist (Senat 11. Mai 2005 – 4 AZR 315/04 – BAGE 114, 332, 338). Diese Gesamtrechtsnachfolge ist unteilbar. Ihr steht § 95 Satzung ver.di nicht entgegen.
(aa) Die gesetzlich angeordnete Geltung eines Tarifvertrages für ein Arbeitsverhältnis ergibt sich aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG iVm. den Geltungsbereichsregelungen des Tarifvertrages selbst. Die Tarifgebundenheit durch uneingeschränkte Mitgliedschaft in einer tarifvertragsschließenden Gewerkschaft gemäß § 3 Abs. 1 TVG ist durch das Gesetz abschließend geregelt und steht weder durch Satzung noch durch Tarifvertrag zur Disposition der Tarifvertragsparteien (hM; vgl. nur Wiedemann/Oetker TVG 7. Aufl. § 3 Rn. 9; Däubler/Lorenz § 3 Rn. 2).
(bb) Die VDGA-Tarifverträge sind auf der Arbeitnehmerseite von der beklagten Gewerkschaft (zB Lohn- und Gehaltstarifverträge von 2003 und 2005) bzw. von den Gründungsgewerkschaften HBV und DAG (zB Manteltarifvertrag von 1997) abgeschlossen worden. Mit der Fusion ist die beklagte Gewerkschaft selbst Tarifvertragspartei auch des Manteltarifvertrages geworden, und nicht etwa lediglich einer ihrer Fachbereiche; diese sind nicht tariffähig, weil sie keine Gewerkschaften sind (§ 2 Abs. 1 TVG). Damit sind alle Mitglieder der beklagten Gewerkschaft gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden. Die in den von ihr abgeschlossenen Tarifverträgen enthaltenen Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend, wenn die tarifgebundenen Arbeitnehmer in den Geltungsbereich des Tarifvertrages, hier der VDGA-Tarifverträge, fallen (§ 4 Abs. 1 TVG).
(cc) Der personelle Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge, zB der aktuellen Lohn- und Gehaltstarifverträge vom 9. Juli 2005, die der VDGA mit der beklagten Gewerkschaft abgeschlossen hat, ebenso wie der noch geltende Manteltarifvertrag vom 11. Juni 1997 erstreckt sich auf “alle Arbeitnehmer/innen” und umfasst damit auch die Mitglieder der beklagten Gewerkschaft, die früher bei der IG Medien organisiert waren.
(dd) § 95 Satzung ver.di steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Es kann dahinstehen, ob und ggf. welche verbandsinterne Wirkung diese Regelung entfaltet. Sie kann die gesetzlichen Regelungen über die Anknüpfung der Tarifgebundenheit an die Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Verband jedoch nicht außer Kraft setzen oder modifizieren.
Die Beklagte reklamiert für einen bestimmten Kreis ihrer (Voll-)Mitglieder, nämlich die früher bei der IG Medien organisierten Arbeitnehmer der Klägerin, die Nichtgeltung der zwischen ihr und dem VDGA abgeschlossenen Verbandstarifverträge, obwohl selbst nach Auffassung der Beklagten die sonstigen Voraussetzungen (Tariffähigkeit, Tarifzuständigkeit, Tarifgebundenheit, Geltungsbereich) gegeben sind. Für eine Abbedingung der gesetzlich angeordneten Wirkungen des § 4 Abs. 1 TVG fehlt es den Tarifvertragsparteien an der Kompetenz. Zwar ist ein Verband oder eine Gewerkschaft nicht gehindert, im Wege der Satzungsbestimmungen festzulegen, welche Anforderungen an eine Mitgliedschaft im Verband oder in der Gewerkschaft gestellt werden, um auch “Mitglied im Sinne von § 3 Abs. 1 TVG” zu sein. Formen der verbandsrechtlichen Einordnung von Mitgliedern, die diesen Status nicht haben, sind daher nicht generell ausgeschlossen (BAG 18. Juli 2006 – 1 ABR 36/05 – AP TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 19 = EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 10). Gerade eine solche Differenzierung aber sieht § 95 Satzung ver.di nicht vor. Es geht in dieser Regelung nicht um den Wegfall oder den Entzug einer Mitgliedschaft iSv. § 3 Abs. 1 TVG, sondern um die Anordnung des Wegfalls einer gesetzlich begründeten unmittelbaren und zwingenden Wirkung eines Tarifvertrages, § 4 Abs. 1 TVG. Diese ist auch dann unwirksam, wenn stattdessen die unmittelbare und zwingende Wirkung eines anderen Tarifvertrages durch die Satzungsbestimmung vorgesehen ist. Eine möglicherweise durch die Gewerkschaftsfusion entstehende Tarifkonkurrenz kann nicht durch einseitige Bestimmung einer Tarifvertragspartei aufgelöst werden, sondern nur nach allgemeinen Regeln, die auf Verfassung und Gesetz, ggf. auch auf übereinstimmendem Willen der Tarifvertragsparteien selbst beruhen. So bleibt es diesen auch vorbehalten, den Geltungsbereich der von ihnen abgeschlossenen Tarifverträge entsprechend einzuschränken, um eine Konkurrenzsituation zu vermeiden, wie es etwa in der Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs der VDGA-Tarifverträge im Hinblick auf die allgemeinverbindlichen Bautarifverträge geschehen ist.
(b) Es besteht auch eine Tarifgebundenheit von bei der Klägerin beschäftigten Gewerkschaftsmitgliedern an den AnerkennungsTV, da auch dieser von einer ihrer Gründungsgewerkschaften abgeschlossen worden ist. Dabei kann – wie dargelegt – dahinstehen, ob sich der Eintritt in den Firmentarifvertrag als Rechtsfolge der verschmelzenden Aufnahme nur auf die bisherigen Beschäftigten des aufgenommenen Unternehmens erstreckt oder auf alle tarifgebundenen Arbeitnehmer der Klägerin. Für die Unbegründetheit der Klage genügt insoweit ein einziges Arbeitsverhältnis, das nur unter den AnerkennungsTV, nicht aber unter die VDGA-Tarifverträge fällt.
bb) Ob der fachliche Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge dagegen alle Arbeitsverhältnisse erfasst, die auch von dem AnerkennungsTV erfasst werden, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.
(1) Für die Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs eines Tarifvertrages sind die im Arbeits- und Wirtschaftsleben geltenden Begriffsinhalte heranzuziehen (BAG 25. April 1995 – 3 AZR 528/94 – BAGE 80, 14, 18). Werden die von den Tarifvertragsparteien verwendeten Begriffe nicht im Tarifvertrag selbst definiert, ist davon auszugehen, dass sie den Begriff in dem Sinne gebraucht haben, wie er dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind (st. Rspr., vgl. schon BAG 14. November 1957 – 2 AZR 481/55 – BAGE 5, 338; Senat 29. September 1976 – 4 AZR 381/75 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 2 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 9; 8. Februar 1984 – 4 AZR 369/83 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 3). Auf handelsrechtliche oder gewerberechtliche Kriterien kommt es dabei nicht an (BAG 24. August 1999 – 9 AZR 529/97 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Großhandel Nr. 14 = EzA TVG § 4 Großhandel Nr. 5).
(2) Der fachliche Geltungsbereich des AnerkennungsTV ist nicht ausdrücklich geregelt. Er ergibt sich aber aus der allgemeinen Bestimmung des Geltungsbereichs, wonach er “für alle bei der Firma D… P… GmbH Beschäftigten und Auszubildenden” gilt. Er ist danach unternehmensbezogen. Sein betrieblich-fachlicher Geltungsbereich folgt damit unmittelbar aus der Unternehmenstätigkeit, die die Herstellung von Druckerzeugnissen umfasst. Dies korrespondiert mit der Tarifzuständigkeit der damaligen IG Medien und des Bundesverbands Druck e.V.
(3) Der betrieblich-fachliche Anwendungsbereich der VDGA-Tarifverträge ist dagegen nicht unternehmensbezogen geregelt, sondern betriebs- und betriebsteilbezogen. Das ergibt sich aus dem Wortlaut des ersten Unterabsatzes der Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs. Insoweit werden auch ausdrücklich selbständige “Groß- und Außenhandelsbetriebe” von gemischten, also auch branchenfremden Unternehmen einbezogen.
Demgegenüber stellt der Einleitungssatz des zweiten Unterabsatzes auf die Geltung für “Groß- und Außenhandelsunternehmen” ab, die im Rahmen ihres Handelsgeschäftes – im Folgenden beispielhaft bezeichnete – Nebenleistungen erbringen. Dieser Formulierung kommt aber keine von dem ersten Unterabsatz abweichende eigenständige, grundsätzlich unternehmensbezogene Bestimmung des fachlichen Geltungsbereichs zu. Das ergibt sich aus der Anordnung der beiden Unterabsätze zueinander sowie aus der durch die Einleitungsworte “er gilt insbesondere auch” erkennbaren Erläuterungs- und Ergänzungsfunktion des zweiten Unterabsatzes, die branchenfremde “Nebenleistungen”, die “im Rahmen ihres Handelsgeschäftes” erbracht werden, nicht von dem Geltungsbereich ausgegrenzt wissen will. Dass damit selbständige branchenfremde Betriebe im Gegensatz zu dem ersten Unterabsatz nunmehr ausdrücklich und uneingeschränkt einbezogen werden sollen (zB auch ein selbständiger Druckbetrieb, der organisatorisch bisher getrennt vom Unternehmen bestand), ist daraus nicht zu folgern.
Die abschließende Klammer-Regelung macht ergänzend deutlich, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls für solche Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen von Groß- und Außenhandelsunternehmen keine Geltung ihres Tarifwerkes beanspruchen, die dem fachlichen Geltungsbereich eines branchenfremden Tarifvertrages unterfallen, hier dem Rahmen- oder Sozialkassentarifvertrag des Baugewerbes.
(4) Für die Einbeziehung der Arbeitsverhältnisse in den Geltungsbereich kommt es deshalb darauf an, ob die Betriebe oder Betriebsteile, in denen die betreffenden Arbeitnehmer beschäftigt sind, solche des Groß- und Außenhandels sind oder ob es sich bei ihnen um Hilfs- und Nebenbetriebe des Groß- und Außenhandels handelt. Bei einer solchen Bestimmung des Geltungsbereichs können mehrere selbständige Betriebe, die nicht im Verhältnis von Haupt- und Nebenbetrieb stehen, grundsätzlich auch verschiedenen Tarifverträgen unterfallen, wenn sie jeweils unterschiedlichen Wirtschaftszweigen zuzuordnen sind (vgl. dazu BAG 29. März 1957 – 1 AZR 208/55 – BAGE 4, 37, 40; Wiedemann/Wank § 4 Rn. 144; Däubler/Deinert § 4 Rn. 238; Buchner AR-Blattei SD 1550.4 Stand Juni 2007 Rn. 108; v. Hoyningen-Huene NZA 1996, 617, 619). Kommt es im Zuge einer Verschmelzung auch zum Zusammenschluss betrieblicher Einheiten, zB durch Eingliederung, ist der kollektiv-rechtlichen Fortgeltung des Firmentarifvertrages dabei in der Regel die Basis entzogen (Hohenstatt in Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt Rn. E 95; Henssler ZfA 1998, 517, 531 f.: anders, wenn der übertragene Betrieb beim neuen Rechtsträger eigenständig erhalten bleibt).
(5) Ob es sich bei der bisherigen Produktionsstätte der D… P… GmbH um einen selbständigen Betrieb, möglicherweise in der Form eines (branchenfremden) Nebenbetriebes, um einen selbständigen Betriebsteil oder eine selbständige Betriebsabteilung handelt, oder ob die bisherige Druckproduktion organisatorisch in den bisherigen Betrieb der früheren D… D… GmbH integriert worden ist oder ob es sich gar um einen (gemeinsamen) Mischbetrieb handelt und welche Branche diesem Mischbetrieb das “Gepräge” gibt, mit jeweils unterschiedlichen Folgen für die Frage der Einbeziehung in den fachlichen Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge, lässt sich auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenso wenig abschließend beurteilen wie die Behauptung der Beklagten, mit der Verschmelzung sei das ganze Unternehmen der Klägerin aus dem Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge “herausgewachsen”.
(a) Das Landesarbeitsgericht hat diesen Fragen keine entscheidende Bedeutung zugemessen, sondern sich erkennbar in der Annahme der weiteren Geltung der VDGA-Tarifverträge für die Klägerin auf den “weitgehenden” fachlichen Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge gestützt. Die Beispiele der Nebenleistungen im zweiten Unterabsatz ließen erkennen, dass die Tarifvertragsparteien den fachlichen Geltungsbereich umfassend regeln wollten; deshalb umfasse der Unternehmenszweck der Klägerin auch die Druckerei der ehemaligen D… P… GmbH.
(b) Abgesehen davon, dass es problematisch erscheint, aus einem Regelungsziel von Tarifvertragsparteien die Reichweite eines Unternehmenszweckes zu begründen, ist diese Schlussfolgerung durch die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen nicht gedeckt. Ferner reicht nach dem Wortlaut der Geltungsbereichsbestimmung im Tarifvertrag die Erfassung des Unternehmenszweckes nicht aus.
(aa) Es ist bereits nicht hinreichend durch Tatsachenfeststellungen abgesichert, dass der Hauptzweck der klägerischen Geschäftstätigkeit nach der Verschmelzung überhaupt der Groß- und Außenhandel ist.
Der Handel im institutionellen Sinne umfasst alle Institutionen, die Handel im funktionellen Sinne betreiben, dh. die hauptamtlich Waren, an denen mit Ausnahme geringfügiger Veredelungs- und Pflegetätigkeiten keine grundsätzlich produktionstechnischen Veränderungen vorgenommen werden, kollektieren und distribuieren (Gabler Wirtschaftslexikon 13. Aufl. Stichwort: Handel, unter I 2; ebenso Brockhaus Enzyklopädie 19. Aufl. Stichwort: Handel); als geringfügige Be- und Verarbeitung gelten zB Sortieren und Abpacken. Der Absatz selbstproduzierter Waren dagegen wird als Schlussphase der Arbeit eines Produktionsbetriebes verstanden. Da gewerbliche Produktion nicht der Befriedigung von Eigenbedarf dient, muss sich in einem Produktionsbetrieb an die Phase der Materialbeschaffung und der Warenherstellung diejenige des Warenabsatzes notwendig anschließen. Dieser ist also eine originäre Aufgabe des Produktionsbetriebes (Senat 26. August 1998 – 4 AZR 471/97 – BAGE 89, 324, 328 mwN).
Hierzu fehlt es an Tatsachenfeststellungen im Berufungsurteil. Auch das Vorbringen der Parteien in den Instanzen, das wegen der Bezugnahme im Tatbestand des Berufungsurteils herangezogen werden kann, reicht zur abgesicherten Subsumtion nicht aus. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass nach der Verschmelzung einerseits “Administration und Vertrieb” und andererseits “Lager und Produktion” zusammengefasst worden seien und der bisherige Hauptzweck des aufgenommenen Unternehmens nur noch Nebenzweck des gesamten Unternehmens sei. Hieraus folgt aber lediglich eine organisatorische Umgestaltung, die im Übrigen nach wie vor von einer Trennung von Vertrieb und Produktion ausgeht, nicht jedoch eine nachvollziehbare quantitative oder gar qualitative Gewichtung der Unternehmens- bzw. Betriebszwecke der Klägerin. Auch die Aufzählung der dem Handelsbereich zuzuordnenden Tätigkeiten der Klägerin und ihre Behauptung, sie könne den auf sie verschmolzenen Teil der D… P… GmbH ebenso schließen, weil diesem eher die Bedeutung eines “nice to have” als einer zwingenden Notwendigkeit zukomme, erlaubt keine von Tatsachen untersetzte Zuordnung der Klägerin zum Groß- und Außenhandelsbereich.
(bb) Ferner ist nach den derzeitigen Feststellungen auch nicht auszuschließen, dass es sich bei dem Betrieb der früheren D… P… GmbH weiterhin um eine reine Druckerei handelt und diese auch nach der Verschmelzung in der Form eines selbständigen Betriebes organisiert ist, der nicht als Hilfs- oder Nebenbetrieb anzusehen ist. Dann aber unterfiele sie nicht dem fachlichen Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge.
Im Tatbestand des Urteils des Landesarbeitsgerichts findet sich zur betrieblichen Organisation lediglich der Hinweis, dass zwischen den Parteien streitig sei, ob die Unternehmen der Klägerin, der D… P… GmbH und der E… GmbH in R… einen Gemeinschaftsbetrieb unterhalten hätten.
Diese Feststellung beruht auf der gemeinsamen Wahl eines Betriebsrates, wie sie auch im Verschmelzungsvertrag erwähnt ist, der insoweit in § 6 über die Folgen der Verschmelzung für die Arbeitnehmer und ihre Vertretungen sowie die insoweit vorgesehenen Maßnahmen folgende Passage enthält:
“1. In R… besteht ein Betriebsrat für die drei Unternehmen E… GmbH, die D… D… GmbH und die D… P… GmbH. …
4. Nach der Verschmelzung der D… P… GmbH auf die D… D… GmbH wird der bestehende Betrieb der E… GmbH, der D… D… GmbH und der ehemaligen D… P… GmbH in R… fortgeführt. Damit bleibt auch die Vertretung durch den Betriebsrat und die Betriebsvereinbarungen unverändert bestehen.
5. Tarifliche Bindungen bestehen bei der D… D… GmbH aufgrund Zugehörigkeit zum Arbeitgeberverband und bei der D… P… GmbH aufgrund Anerkennungstarifverträge. Aufgrund Gesetzes werden durch Verschmelzung der D… P… GmbH auf die D… D… GmbH die Haustarifverträge der D… P… GmbH durch den für die D… D… GmbH geltenden VDGA-Tarifvertrag verdrängt. Zurzeit verhandeln die Unternehmen und die Gewerkschaft ver.di über einen Haustarifvertrag. Ein Verhandlungsergebnis steht noch nicht fest, weshalb zum heutigen Zeitpunkt keine weiteren Aussagen hinsichtlich der tarifvertraglichen Situation nach der Verschmelzung gemacht werden können.”
Die Klägerin hat die Existenz eines gemeinschaftlichen Betriebes jedoch ausdrücklich bestritten und unwidersprochen vorgetragen, dass “der Bereich der ehemaligen D… P… GmbH zwar auf dem selben Betriebsgelände, jedoch räumlich abgegrenzt von der seinerzeitigen Firma D… D… GmbH betrieben wurde”. Sie hat hierzu ein Schreiben des Betriebsrates vom 15. Januar 2002 vorgelegt, in dem es heißt: “Mitte März findet die Betriebsratswahl statt. Die Betriebsräte der D… D… GmbH und der D… P… GmbH vermuten einen Gemeinschaftsbetrieb dieser beiden Unternehmen und führen deshalb die Wahl als gemeinsame Wahl durch.”
Auf diese Vermutung kann zwar nach § 1 Abs. 2 BetrVG eine gemeinsame Betriebsratswahl gestützt werden. Sie kann aber nicht als – für das Revisionsgericht verbindliche – ausreichende Feststellung für die tatsächliche Errichtung eines gemeinsamen Betriebes und die dadurch möglicherweise beeinflusste Zuordnung zum fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages dienen. Auch wenn im Allgemeinen die tarifvertraglichen Begriffe dem sonstigen allgemeinen arbeitsrechtlichen Sprachgebrauch folgen und wenn man daraus schließt, dass betriebsverfassungsrechtliche Zuordnungen von Betriebs- oder Unternehmenseinheiten auch für die tarifrechtliche Betrachtung eine präjudizielle Wirkung entfalten können, kann dies dann nicht ohne weiteres gelten, wenn die Ausfüllung eines Begriffs aus dem Betriebsverfassungsrecht durch die Anwendung einer spezifisch betriebsverfassungsrechtlichen Vermutungsregelung erfolgt. § 1 Abs. 2 BetrVG verfolgt insofern den Zweck, dem Betriebsrat und den Wahlvorständen den Nachweis einer Führungsvereinbarung zu ersparen (BAG 11. Februar 2004 – 7 ABR 27/03 – BAGE 109, 332, 335). Es handelt sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung (Fitting 23. Aufl. § 1 Rn. 88), die beweiserleichternde Funktion im Rahmen der Verteilung von Darlegungs- und Beweislasten im Betriebsverfassungsrecht hat. Eine Übertragung der unter ihrer Anwendung für den Bereich des BetrVG gewonnenen Ergebnisse auf den tariflichen Bereich ist nicht möglich. Aus dem danach gemeinsam gewählten Betriebsrat kann nicht mit hinreichender Gewissheit auf die Existenz eines gemeinsamen Betriebes geschlossen werden. Die Klägerin weist deshalb zu Recht darauf hin, das die betriebsverfassungsrechtliche Beurteilung der beiden früheren Unternehmen als Gemeinschaftsbetrieb anderen Kriterien unterliegt und nicht Gegenstand einer betriebsorganisatorischen Entscheidung der Geschäftsführung war.
(cc) Das Landesarbeitsgericht hat sich sodann auch nicht mit der Auffassung der Beklagten auseinandergesetzt, die Klägerin sei durch die Verschmelzung aus dem Anwendungsbereich der VDGA-Tarifverträge hinausgewachsen, was dann entscheidungserheblich wäre, wenn man von einem einheitlichen Betrieb der Klägerin auszugehen hätte.
Verfolgt ein Betrieb als Mischbetrieb mehrere Geschäftszwecke, ist für seine fachliche Zuordnung im Tarifrecht entscheidend, auf welche Geschäftstätigkeit die überwiegende Arbeitszeit der Arbeitnehmer entfällt (Senat 25. November 1987 – 4 AZR 361/87 – BAGE 56, 357). Da es nach dem fachlichen Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge bei gemischten Tätigkeiten darauf ankommt, ob der Betrieb als solcher des Groß- und Außenhandels anzusehen ist und damit darauf, ob der dem Bereich des Groß- und Außenhandels zuzuordnende Betriebszweck dem Betrieb das “Gepräge” gibt (vgl. dazu BAG 29. März 1957 – 1 AZR 208/55 – BAGE 4, 37), hätte zumindest festgestellt werden müssen, dass die Produktion von Druckerzeugnissen gegenüber dem Vertrieb und den anderen typischen Handelstätigkeiten der Klägerin nachrangig ist und lediglich eine Hilfsfunktion hat. Denn ein Nebenbetrieb ist als solcher selbständig und erst durch seine Hilfsfunktion für den anderen Betrieb als Neben-Betrieb zu kennzeichnen (Buchner AR-Blattei SD 1550.4 Rn. 94).
Hierzu fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Die von den Parteien hierzu in den Instanzen vorgetragenen Tatsachen sind nicht ausreichend substantiiert, um allein auf Grund der Bezugnahme auf den Vortrag der Parteien im Tatbestand des Berufungsurteils von einem unstreitigen Sachverhalt ausgehen zu können, der eine abschließende rechtliche Bewertung ermöglicht. Dies wäre überdies unter dem Gesichtspunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs zweifelhaft, weil das Landesarbeitsgericht – aus seiner Sicht konsequent – nicht deutlich gemacht hat, dass es auf die diesbezüglichen Tatsachen entscheidend ankommen könnte.
4. Der Rechtsstreit ist auch nicht – unabhängig von der Frage des fachlichen Geltungsbereichs der VDGA-Tarifverträge – etwa deshalb entscheidungsreif, weil der AnerkennungsTV auch dann nicht verdrängt werden würde, wenn der Anwendungsbereich der VDGA-Tarifverträge denjenigen des AnerkennungsTV umfassen würde. Denn bei dieser Konstellation tritt der AnerkennungsTV hinter die VDGA-Tarifverträge zurück.
a) Wenn die Arbeitsverhältnisse der früheren IG-Medien-Mitglieder von den VDGA-Tarifverträgen erfasst würden, käme es zu einer Normenkollision. Die Geltung der VDGA-Tarifverträge ergäbe sich aus § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG. Da der AnerkennungsTV durch die Kündigung der D… P… GmbH vom 27. August 2003 nach der am 29. August 2003 erfolgten Verschmelzung auf die Beklagte zum 30. November 2003 beendet worden ist, wirkt der AnerkennungsTV gem. § 4 Abs. 5 TVG nach.
b) Die Beurteilung der Konkurrenzsituation zwischen einem vollwirksamen und einem nachwirkenden Tarifvertrag für ein und dasselbe Arbeitsverhältnis ist umstritten.
Die wohl hM geht davon aus, dass der nachwirkende Tarifvertrag von dem vollwirksamen Tarifvertrag verdrängt wird oder sich der letztere als andere Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG darstellt, ohne dass in jedem Falle zwischen diesen beiden Kollisionslösungen terminologisch exakt unterschieden wird (vgl. Wiedemann/Wank § 4 Rn. 290; Däubler/Zwanziger § 4 Rn. 938; Kempen/Zachert/Wendeling-Schröder § 4 Rn. 174; Buchner FS 50 Jahre BAG S. 631, 639). Löwisch/Rieble (FS Schaub S. 457, 462 f.) lehnen die Annahme einer anderen Abmachung iSv. § 4 Abs. 5 TVG ausdrücklich ab und sehen diese Konstellation als Spezialproblem der Tarifkonkurrenz, bei der der vollgültige Tarifvertrag automatisch an die Stelle des lediglich nachwirkenden Tarifvertrages trete.
Eine Mindermeinung der Literatur geht dagegen von einer Tarifkonkurrenz zweier qualitativ prinzipiell gleichwertiger Normen aus, was idR zu einer Lösung zu Gunsten des bisher verdrängenden und nunmehr auch im Stadium der Nachwirkung noch verdrängenden spezielleren Tarifvertrages führt (Däubler/Bepler § 4 Rn. 861; Jacobs in Jacobs/Krause/Oetker Tarifvertragsrecht § 7 Rn. 219; wohl auch ErfK/Franzen § 4 TVG Rn. 64).
Einer abschließenden Bewertung dieser Auffassungen bedarf es im vorliegenden Streitfall jedoch nicht, weil auch die zitierte Mindermeinung davon ausgeht, dass jedenfalls dann, wenn der Abschluss eines Folge-Firmentarifvertrages, der den nur noch nachwirkenden, als speziellere Norm aber nicht verdrängten Tarifvertrag ablösen könnte, nicht in Betracht kommt, der vollwirksame, bisher verdrängte allgemeinere Tarifvertrag wieder zur Anwendung kommt (Däubler/Bepler aaO; Jacobs aaO).
c) Dies ist vorliegend der Fall, weil der Abschluss eines Folge-Firmentarifvertrages schon deshalb ausgeschlossen ist, weil der Tarifvertragspartner auf Arbeitgeberseite, die frühere D… P… GmbH, nicht mehr existiert. Bei einer Erfassung der Arbeitsverhältnisse der früheren D… P… GmbH durch die VDGA-Tarifverträge gölten also nur noch die letzteren, nicht mehr der nachwirkende AnerkennungsTV.
III. Das Landesarbeitsgericht wird nach Maßgabe der obigen Ausführungen die notwendigen Feststellungen zu treffen haben, anhand derer das Unterfallen der Klägerin unter den fachlichen Geltungsbereich der VDGA-Tarifverträge und die entsprechende Einbeziehung der Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer der früheren D… P… GmbH und damit die Begründetheit der Klage zu beurteilen ist.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Creutzfeldt, Kiefer, Pieper
Fundstellen
Haufe-Index 1874855 |
BAGE 2009, 213 |
DB 2008, 533 |