Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung eines Firmentarifvertrags (Anerkennungstarifvertrags-Druckindustrie) nach Verschmelzung durch Aufnahme. Verdrängung des nachwirkenden Firmentarifvertrags durch Verbandstarifvertrag (Groß- und Außenhandel)
Leitsatz (redaktionell)
1. Im Falle der Verschmelzung im Wege der Neugründung geht ein Firmentarifvertrag uneingeschränkt auf den neu gegründeten Rechtsträger über und wirkt dann kollektivrechtlich weiter (Anschluss an BAG, Urteil v. 24.06.1998 – 4 AZR 208/97).
2. Bei Zusammentreffen eines in Nachwirkung befindlichen Firmentarifvertrags und eines uneingeschränkt gültigen Verbandstarifvertrags liegt keine echte Tarifkonkurrenz vor. Der lediglich nachwirkende wird durch den uneingeschränkt gültigen Tarifvertrag verdrängt.
Normenkette
UmwG § 20 Abs. 1; BGB § 613a Abs. 1 S. 2; TVG § 4
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 29.07.2004; Aktenzeichen 15 Ca 1145/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 29.07.2004 – Az.: 15 Ca 1145/04 – abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Anerkennungstarifvertrag vom 01.12.1998 zwischen den Parteien keine Wirksamkeit entfaltet.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit bestimmter Tarifverträge.
Die Klägerin, die ursprünglich Firma D. D. und M. GmbH hieß und am 29.08.2003 umfirmierte, wurde aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 29.08.2003 als übernehmender Rechtsträger mit der Firma D. P. GmbH (übertragender Rechtsträger) im Wege der Aufnahme verschmolzen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UmwG). Diese Verschmelzung wurde am 30.10.2003 in das Handelsregister eingetragen. Die Klägerin befasst sich mit dem Vertrieb von Druckerzeugnissen aller Art, der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit Druckerzeugnissen und der Herstellung von Druckerzeugnissen aller Art sowie die Beratung in Marketing-Fragen, die Verwaltung von Beteiligungen an anderen Unternehmen sowie die Übernahme der Geschäftsführung für solche Unternehmen (vgl. Eintrag im Handelsregister). Die Klägerin ist Mitglied des Verbandes für Dienstleistung, Groß- und Außenhandel Baden-Württemberg e.V. (VDGA). Für sie gelten – und galten auch bereits vor der Verschmelzung – die Tariverträge des Groß- und Außenhandels Baden-Württemberg kraft Verbandsmitgliedschaft, so z.B. der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer/-innen des Groß- und Außenhandels in Baden-Württemberg vom 11.06.1997. Der fachliche Geltungsbereich dieses Manteltarifvertrages ist in § 1 wie folgt geregelt:
Für alle Betriebe oder Betriebsteile des Groß- und Außenhandels sowie deren Hilfsund Nebenbetriebe, desgleichen für alle selbständigen Groß- und Außenhandelsbetriebe von gemischten Unternehmen. Er gilt insbesondere auch für die Groß- und Außenhandelsunternehmen, die im Rahmen ihres Handelsgeschäftes Nebenleistungen erbringen, wie z.B. Brenn-, Säge-, Rohr-, Schneid-, Fräs-, Spalt-, Stahlbiege- und Flechtarbeiten, Montagen, Instandhaltung und Instandsetzung, Holz- und Holzschutzarbeiten, Vermietungen von Maschinen, auch Baumaschinen mit Bedienungspersonal. (Nicht erfasst werden also Betriebe oder selbständige Betriebsabteilungen, für die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Tarifvertrages die Gültigkeit der Rahmen- oder Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unstreitig feststeht).
Vertragspartner dieses Manteltarifvertrages waren u.a. die Gründungsgewerkschaften der beklagten Gewerkschaft H. und D..
Die beklagte Gewerkschaft ist am 01.07.2001 durch Verschmelzung der Gewerkschaften I. M., Ö., H., D. und D. entstanden. Die Satzung der beklagten Gewerkschaft enthält u.a. folgende Bestimmung:
§ 95. Fortgeltung von Tarifverträgen.
1. Die von den Gründungsgewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge gelten nach Wirksamwerden der Verschmelzung unverändert fort. V. tritt als Tarifvertragspartei an die Stelle derjenigen Gründungsgewerkschaft, die den Tarifvertrag abgeschlossen hat. Die Tarifbindung im persönlichen und fachlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrages bleibt so lange unverändert, bis der bisherige Tarifvertrag durch einen nachfolgenden Tarifvertrag abgelöst wird.
2. Ein neu eintretendes v.-Mitglied hat sich im Falle einer Tarifkonkurrenz zu entscheiden, welcher Tarifvertrag anwendbar sein soll, und dies dem Arbeitgeber mitzuteilen.
Die D. P. GmbH, bei der mehr Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen als bei der D. D. und M. GmbH beschäftigt waren und die sich mit der Herstellung von Druckerzeugnissen aller Art befasste, schloss am 01.12.1998 mit einer der Gründungsgewerkschaften der beklagten Gewerkschaft, nämlich mit der I. M., D. und P., P. und K., einen Anerkennungstarifvertrag (Bl. 23 u. 24 der erstinstanzlichen Akte) in dem u.a. geregelt ist, dass die zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Anerkennungstarifvertrages geltenden Tarifverträge für Arbeitnehmer Innen, Angestellte und Auszubildende zwischen der I. M. und dem Bundesverband D. e.V. bzw. dem Landesverband D. Baden-Wü...