Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung. Soziarbeiter in Nichtseßhaftenheim
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu BAG Urteil vom 1. März 1995 – 4 AZR 8/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen
Normenkette
AVR-Diakonisches Werk § 12; Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Diakonischen Werkes (AVR-Diakonie); Einzelgruppenplan 21, VergGr. IV b, IV a, III, II a
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 15.10.1993; Aktenzeichen 12 Sa 632/93) |
ArbG Köln (Urteil vom 16.02.1993; Aktenzeichen 16 Ca 4795/92) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Oktober 1993 – 12 Sa 632/93 – aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 16. Februar 1993 – 16 Ca 4795/92 – abgeändert:
Das Versäumnisurteil vom 22. Dezember 1992 des Arbeitsgerichts Köln – 16 Ca 4795/92 – wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 15. Oktober 1993 – 12 Sa 632/93 – wird zurückgewiesen.
4. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der durch das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Köln vom 22. Dezember 1992 entstandenen Kosten, die die Beklagte zu tragen hat.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers nach den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR-Diakonie), insbesondere darüber, ob der Kläger nach der VergGr. II a, hilfsweise nach der VergGr. III des Einzelgruppenplanes (EGP) für Mitarbeiter/innen im Sozial- und Erziehungsdienst zu vergüten ist.
Der Kläger ist als Diplom-Sozialarbeiter seit Januar 1984 bei der Beklagten beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 13. Oktober 1988 vereinbarten die Parteien, daß die AVR des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland gelten (§ 15 des Arbeitsvertrages). Der Kläger erhält zur Zeit Vergütung nach der VergGr. IV a AVR-Diakonie.
Der Kläger arbeitet im E.-Haus in K., einer sozialtherapeutischen Einrichtung, in der nichtseßhafte Männer im Alter von 20 bis 60 Jahren aufgenommen, beraten und betreut werden. Das Heim verfügt über 75 Plätze. Vier Sozialarbeiter, ein Sozialhelfer und zwei Zivildienstleistende sind dort tätig. Unter den Heimbewohnern sind Alkoholiker, ehemalige Alkoholiker, Drogenabhängige, Prostituierte, Homosexuelle, AIDS-Kranke, HIV-Infizierte, Spieler, Hochverschuldete, Selbstmordgefährdete, Bettnässer, psychisch Kranke, Medikamentenabhängige, Straftäter, Haftentlassene und Hafturlauber. Der Kläger führt therapeutische Einzel- und Gruppengespräche mit den Klienten und hilft ihnen bei der Regelung ihrer Angelegenheiten. Zu diesem Zweck setzt er sich je nach Einzelfall in Verbindung mit dem Arbeitsamt, dem Sozialamt, der Staatsanwaltschaft, der Polizei, den Bewährungshelfern, den Rentenversicherungen, dem Finanzamt, den Gerichtsvollziehern, der Hauptfürsorgestelle, den Gläubigern, Arbeitgebern, Berufsbildungsträgern, dem Gesundheitsamt usw. Der Kläger begleitet ggf. Klienten bei Arztbesuchen und Gerichtsterminen. Er organisiert Ausflüge mit den Klienten, wirkt bei der Taschengeldausgabe mit und prüft Kleidergeldanträge. Ggf. sind Auseinandersetzungen zwischen Heimbewohnern zu schlichten. Der Kläger nimmt an Team- und Dienstbesprechungen teil und fertigt (Abschluß-)Berichte über Heimbewohner. Er wirkt bei der Heimkostenbe- und -abrechnung mit. Des weiteren nimmt er an Fachtagungen und Fortbildungsveranstaltungen teil. Darüber hinaus ist er mit der Erarbeitung und Weiterentwicklung allgemeiner sozialtherapeutischer Konzepte befaßt.
Von April 1991 bis Mai 1992 nahm er an einem 162-stündigen Lehrgang der Deutschen Akademie für angewandtes neurolinguistisches Programmieren teil. Von der Akademie erhielt er die Anerkennung als „qualifizierter Anwender des neurolinguistischen Programmierens”.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, seine Tätigkeit als Sozialarbeiter sei nicht nur schwierig im Sinne der VergGr. IV b AVR-Diakonie, sondern hebe sich aus den Tätigkeitsmerkmalen dieser Vergütungsgruppe durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung heraus. Aus der VergGr. IV a wiederum hebe sich seine Tätigkeit nochmals heraus durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung.
Das Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit” sei bereits deshalb erfüllt, weil er für die sach- und fachgerechte Erledigung seiner Arbeit eine spezielle Zusatzausbildung benötige und auch vorzuweisen habe. Abgesehen davon befasse er sich nicht nur mit einer einzelnen Problemgruppe, z.B. Drogenabhängige, sondern betreue Klienten, die verschiedenen oder gleichzeitig mehreren Problemgruppen angehörten. Wenn aber bereits die Beratung einer einzelnen Problemgruppe eine schwierige Tätigkeit im Sinne der VergGr. IV b sei (in Verbindung mit der Anmerkung Nr. 8), dann müsse seine Tätigkeit als besonders schwierig angesehen werden, da er es mit verschiedenen Problemgruppen zu tun habe. Darüber hinaus müsse er seine Klienten, die oftmals gegen ihren Willen im Heim seien, erst noch motivieren, bei der Behandlung mitzuwirken.
Auch durch die Bedeutung hebe sich seine Tätigkeit aus der VergGr. IV b heraus. Zum einen habe die Betreuung existentielle Bedeutung für den weiteren Lebensweg der Heimbewohner, die in ausweglosen sozialen Lebenssituationen seien. Zum anderen habe die Allgemeinheit ein Interesse an der erfolgreichen Wiedereingliederung der Heimbewohner in die Gesellschaft.
Aus der VergGr. IV a wiederum hebe sich seine Tätigkeit durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich heraus. Der Kläger entscheide völlig allein und selbständig über das Wohl und Wehe der ihm anvertrauten Menschen. Eine konkrete Kontrolle seiner Arbeit finde kaum statt.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er seit dem 1. Januar 1991 in die VergGr. II a der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes eingruppiert und die Beklagte seit dem 1. Januar 1991 verpflichtet ist, ihn nach VergGr. II a der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes in Deutschland zu entlohnen sowie alle weiteren aus der VergGr. II a der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes resultierenden Ansprüche zu erfüllen,
hilfsweise:
festzustellen, daß er seit dem 1. Januar 1991 in die VergGr. III der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes eingruppiert und die Beklagte seit dem 1. Januar 1991 verpflichtet ist, ihn nach VergGr. III zu entlohnen sowie alle weiteren aus der VergGr. III der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes in Deutschland resultierenden Ansprüche zu erfüllen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit des Klägers in der Nichtseßhaftenhilfe sei die normale Arbeit eines Sozialarbeiters. Eine Zusatzausbildung werde hierfür nicht benötigt. Es handele sich um die üblichen Probleme der Sozialarbeit. Auch Berufsanfänger seien in der Lage, diese Tätigkeiten auszuüben. Im übrigen weise das Sozialamt der Stadt K. dem E. -Haus nur solche Männer zur Unterbringung und Betreuung zu, die sie für zur Behandlung fähig halte.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab 1. Januar 1991 nach der VergGr. III der AVR des Diakonischen Werkes zu entlohnen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, während die Beklagte mit ihrer Revision die vollständige Klageabweisung begehrt. Die Parteien beantragen, die Revision der jeweils anderen Partei zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet, die des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. II a/III AVR-Diakonie.
I. Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine Eingruppierungsfeststellungsklage, für die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse besteht (ständige Rechtsprechung, z.B. BAG Urteil vom 25. September 1991 – 4 AZR 87/91 – AP Nr. 7 zu § 1 TVG Tarifverträge: Großhandel, zu I der Gründe; Senatsurteil vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 358/92 – AP Nr. 2 zu § 12 AVR Caritasverband, zu B I der Gründe).
II. Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vergütung nach der VergGr. II a bzw. III AVR-Diakonie.
1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, kann die Beklagte dem Kläger nicht entgegenhalten, in dem zuletzt gültigen Arbeitsvertrag zwischen den Parteien vom 13. Oktober 1988 sei die Eingruppierung des Klägers in die VergGr. IV a AVR-Diakonie vereinbart worden. Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen formularmäßigen Vertrag, so daß der Senat ihn selbständig auslegen kann (BAGE 24, 198, 202 = AP Nr. 2 zu § 111 BBiG, zu 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 –, insoweit n.v.). Wird – wie vorliegend – in einem Arbeitsvertrag auf die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen Bezug genommen, ist davon auszugehen, daß sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers nach der zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Dies gilt auch dann, wenn in einer nachfolgenden Bestimmung des Arbeitsvertrages auf eine bestimmte Vergütungsgruppe verwiesen wird. Dieser Verweisung kommt vielmehr nur die Bedeutung zu, festzulegen, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben (BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4 = ZTR 1991, 199; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 –, insoweit n.v.).
2. Das Arbeitsverhältnis richtet sich kraft Vereinbarung nach den AVR des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland. Der Arbeitsvertrag der Parteien (§ 15) ist dahingehend auszulegen, daß die jeweils geltende Fassung der AVR-Diakonie maßgeblich sein soll. Die Parteien haben auf die AVR-Diakonie verwiesen, ohne eine bestimmte Fassung zu nennen. Hätten sie die AVR-Diakonie ausschließlich in der seinerzeit geltenden Fassung einbeziehen wollen, so hätte es nahegelegen, dies durch eine genauere Bezeichnung der AVR-Diakonie deutlich zu machen. Das ist jedoch nicht geschehen.
3. Für die Eingruppierung des Klägers sind die folgenden Vorschriften der AVR-Diakonie nebst Anlagen von Bedeutung:
a) AVR-Diakonie in der bis zum 31. März 1991 geltenden Fassung:
„§ 12 Eingruppierung bei der Einstellung
(1) Die Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt nach der Berufsgruppeneinteilung durch den Dienstvertrag. Der Mitarbeiter wird nach den in den Anlagen 1 a bis 1 c festgelegten Tätigkeitsmerkmalen in die Gruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht.
(2) Die Eingruppierung erfolgt nach der Berufsgruppeneinteilung A. für die der Rentenversicherung der Angestellten zugehörigen Mitarbeiter mit Ausnahme der im Krankenpflegedienst tätigen Mitarbeiter,
…”
b) AVR-Diakonie in der vom 1. April 1991 bis 31. März 1994 geltenden Fassung:
„§ 12
Eingruppierung
(1) Der Mitarbeiter ist nach den in den Anlagen 1 a bis 1 c festgelegten Tätigkeitsmerkmalen, in der Gruppe eingruppiert, die der von ihm überwiegend auszuübenden Tätigkeit entspricht. Die Eingruppierung ist im Dienstvertrag anzugeben.
(2) Die Eingruppierung erfolgt nach der Berufsgruppeneinteilung A (Anlage 1 a), nach der Berufsgruppeneinteilung K (Anlage 1 b) und nach der Berufsgruppeneinteilung H (Anlage 1 c). Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Mitarbeiters bestimmt, muß auch diese Anforderung erfüllt sein.
…”
c) Anlage 1 a zu § 12 AVR-Diakonie (Berufsgruppeneinteilung A), Einzelgruppenplan 21 „Mitarbeiter/innen im Sozial- und Erziehungsdienst” in der ab 1. Januar 1991 geltenden Fassung:
Vergütungsgruppe V b
17. Sozialpädagogen/Sozialpädagoginnen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Mitarbeiter/innen, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrung entsprechende Tätigkeiten ausüben…
Vergütungsgruppe IV b
20. Mitarbeiter/innen wie zu 17. mit schwierigen Tätigkeiten (Anm. …, 8, …)
Vergütungsgruppe IV a
25. Mitarbeiter/innen wie zu 17., deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 20 heraushebt (Anm. …, 19)
26. Mitarbeiter/innen wie zu 17., deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 20 heraushebt.
Vergütungsgruppe III
29. Mitarbeiter/innen wie zu 26., … nach vierjähriger Bewährung in der jeweiligen Fallgruppe.
30. Mitarbeiter/innen wie zu 17., deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 26 heraushebt.
Vergütungsgruppe II a
33. Mitarbeiter/innen wie zu 30., … nach fünfjähriger Bewährung in der jeweiligen Fallgruppe…
Anmerkungen zu EGP 21
…
(8) Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die
- Beratung von Suchtmittelabhängigen,
- Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
- Koordinierung der Arbeiten mehrerer Mitarbeiter mindestens der Vergütungsgruppe V b,
- Tätigkeit im Sozialpsychiatrischen Dienst,
- Tätigkeit in der sozialpädagogischen Familienhilfe,
- Obdachlosenberatung.
- Schuldnerberatung.
…
(19) Eine besondere Schwierigkeit liegt u.a. dann vor, wenn eine Zusatzausbildung Voraussetzung für die Tätigkeit ist.”
4. Die von dem Kläger in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. III Fallgr. 30 bauen auf der VergGr. IV a Fallgr. 26 auf, die wiederum die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. IV b Fallgr. 20 und der VergGr. V b Fallgr. 17 AVR-Diakonie voraussetzt. Zunächst müssen die Voraussetzungen der Ausgangsgruppe erfüllt sein. Anschließend sind die weiteren Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppen zu prüfen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. September 1980 – 4 AZR 727/78 – BAGE 34, 158 = AP Nr. 36 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 17. August 1994 – 4 AZR 644/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dabei genügt eine pauschale Überprüfung, soweit die Parteien die Tätigkeit des Klägers als unstreitig ansehen und die Beklagte selbst für die Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet (vgl. z.B. Senatsurteil vom 6. Juni 1984 – 4 AZR 203/82 – AP Nr. 91 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Senatsurteil vom 17. August 1994 – 4 AZR 644/93 –, a.a.O.).
a) Auszugehen ist bei der Eingruppierung des Klägers von der überwiegend auszuübenden Tätigkeit. Die Neufassung des § 12 AVR-Diakonie zum 1. April 1991 hatte allein redaktionelle Bedeutung (vgl. Scheffer, Kommentar zu den AVR des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland, 3. Aufl., Stand Juli 1994, § 12 AVR Anm. 1). Im Unterschied zu § 22 des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) kommt es deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nicht auf die Bewertung einzelner Arbeitsvorgänge an. Der Begriff des Arbeitsvorganges ist erst zum 1. April 1994 in die AVR-Diakonie eingeführt worden und damit für den vorliegenden Rechtsstreit noch ohne Bedeutung.
Als überwiegende Tätigkeit ist diejenige Arbeitsleistung anzusehen, die der Gesamttätigkeit des Mitarbeiters, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, das Gepräge gibt (vgl. Scheffer, a.a.O., § 12 AVR Anm. 2 d). Der Kläger ist im wesentlichen als Fürsorger für die ihm anvertrauten Heimbewohner tätig. Er hilft den Klienten bei der Überwindung ihrer sozialen Probleme und der Erledigung ihrer Angelegenheiten, z.B. Behördengänge, Arztbesuche, Schuldentilgung usw. Seine Arbeitsleistung ist durch die fürsorgerische Tätigkeit geprägt.
b) Das Landesarbeitsgericht kommt zutreffend zu dem Ergebnis, der Kläger erfülle die Voraussetzungen für die Eingruppierung in die VergGr. V b Fallgr. 17 AVR.
Der Kläger ist Diplom-Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung. Diesem Berufsbild entspricht seine Tätigkeit. Aufgabe des Sozialarbeiters/Sozialpädagogen ist es, anderen Menschen verschiedener Altersstufen in sozialen Notlagen zu helfen und beizustehen. Die Betreuung soll Selbstbestimmung. Mündigkeit und ein der Würde des Menschen entsprechendes Leben ermöglichen. Neben der sozialtherapeutischen Hilfestellung unterstützt der Sozialarbeiter den Betreuten bei der Bewältigung wirtschaftlich/materieller Probleme (vgl. Senatsurteile vom 4. November 1987 – 4 AZR 324/87 – AP Nr. 5 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP, a.a.O. und vom 1. März 1995 – 4 AZR 8/94 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; Blätter zur Berufskunde, Bd. 2, IV A 30 „Diplom-Sozialpädagoge/Diplom-Sozialpädagogin, Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialarbeiterin”, 5. Aufl., S. 2 und 7 ff.; vgl. auch Blätter zur Berufskunde, Bd. 2, IV A 31 „Diplom-Sozialpädagoge/Diplom-Sozialpädagogin (BA)”, 2. Aufl., S. 4 und 8 ff.). Die Berufsbezeichnungen „Sozialarbeiter” und „Sozialpädagoge” werden aus historischen Gründen parallel verwendet. Eine deutliche Unterscheidung zwischen sozialarbeiterischen und sozialpädagogischen Tätigkeiten gibt es nicht (Blätter zur Berufskunde, Bd. 2, IV A 31 „Diplom-Sozialpädagoge/Diplom-Sozialpädagogin (BA)”, S. 4, Fußnote).
c) Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen der VergGr. IV b Fallgr. 20 AVR-Diakonie, da er schwierige Tätigkeiten im Sinne dieser VergGr. ausübt.
Der AVR-Geber hat den Begriff „schwierige Tätigkeiten” in der Anmerkung Nr. 8 durch konkrete Beispiele erläutert. Trifft eines dieser Tätigkeitsbeispiele zu, ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt (Senatsurteile vom 5. Juli 1978 – 4 AZR 795/76 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter und vom 1. März 1995 – 4 AZR 8/94 –, a.a.O.). Der Kläger erfüllt u.a. das Beispiel f) „Obdachlosenberatung”. Die fürsorgerische Tätigkeit des Klägers gegenüber den Heimbewohnern beinhaltet auch die Beratung von Obdachlosen.
d) Das Vorbringen des Klägers läßt jedoch nicht erkennen, daß sich seine überwiegende Tätigkeit durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der VergGr. IV b Fallgr. 20 heraushebt und deshalb nach der VergGr. IV a Fallgr. 26 AVR-Diakonie zu vergüten ist. Das hat das Landesarbeitsgericht verkannt.
Die Heraushebung einer Tätigkeit durch ihre besondere Schwierigkeit (VergGr. IV a Fallgr. 26 AVR-Diakonie) verlangt eine beträchtliche, gewichtige Heraushebung bei den fachlichen Anforderungen gegenüber der VergGr. IV b Fallgr. 20 AVR-Diakonie. Bei der gesteigerten Bedeutung der Tätigkeit genügt dagegen eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Sie muß sich auf die Auswirkungen der Tätigkeiten beziehen und kann sich aus der Bedeutung oder der Größe des Aufgabenkreises sowie der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben (vgl. BAGE 51, 59, 90 f. = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP, a.a.O. und vom 1. März 1995 – 4 AZR 8/94 –, a.a.O.).
Der Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage hat diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfalle zu beweisen, die den rechtlichen Schluß zulassen, daß er die im Einzelfall für sich beanspruchten tariflichen Tätigkeitsmerkmale unter Einschluß der darin vorgesehenen Qualifizierungen erfüllt (Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu B II 3 b der Gründe). Beruft sich der Kläger auf ein Heraushebungsmerkmal, so hat er nicht nur seine eigene Tätigkeit im einzelnen darzustellen. Vielmehr muß er Tatsachen darlegen, die einen wertenden Vergleich mit den nicht herausgehobenen Tätigkeiten ermöglichen (Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP, a.a.O.). Der Tatsachenvortrag muß erkennen lassen, warum sich die Tätigkeit des jeweiligen Klägers aus der Grundtätigkeit eines Sozialarbeiters heraushebt.
Die Heraushebungsmerkmale „besondere Schwierigkeit” einerseits und „Bedeutung” andererseits sind unbestimmte Rechtsbegriffe. Die revisionsrechtliche Überprüfung ist deshalb darauf beschränkt festzustellen, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatbestände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 18. Juni 1975 – 4 AZR 398/74 – AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 322/84 – AP Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).
Das Landesarbeitsgericht ist zwar von diesem Rechtsbegriff ausgegangen, hat ihn aber bei der Subsumtion wieder verlassen. Es hat ausgeführt, der Kläger übe nicht nur die Tätigkeiten aus, die in der Anmerkung 8 genannt seien. Die Arbeit des Klägers gehe über die dort genannte Obdachlosenberatung hinaus. Die vom Kläger geleistete Betreuung der Nichtseßhaften könne nicht mit der bloßen Beratung gleichgesetzt werden. Der Kläger benötige schon deshalb ein gesteigertes Wissen und eine höhere Kompetenz, da er sich nicht nur mit einem der in der Anmerkung 8 genannten Problemkreise befasse, sondern sich ständig auf anders gelagerte Schwierigkeiten einzustellen habe.
Demgegenüber hat der Senat gerade jüngst wieder (Urteil vom 1. März 1995 – 4 AZR 985/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) ausgeführt, das Vorliegen des qualifizierenden Merkmals der besonderen Schwierigkeit folge nicht aus der Erfüllung mehrerer Regelbeispiele der Anmerkung. Ebenso hat er sich für den Fall eines Sozialarbeiters in dem Nichtseßhaftenheim der Stadt N. (Urteil vom 1. März 1995 – 4 AZR 8/94 –, a.a.O.) gegen die Annahme gewandt, das Zusammentreffen von mehreren „Problemfeldern” der Protokollerklärung Nr. 12 zu der VergGr. IV b Fallgr. 16 BAT führe zu einer Heraushebung der Tätigkeit als besonders schwierig. Typischerweise befänden sich in Heimen (z.B. Kinder- und Jugendheime, Behindertenheime, Altenheime, Frauenhäuser, Heime für psychisch Kranke usw.) Menschen, die verschiedenen Problemgruppen angehören oder gleichzeitig mehrere Probleme mitbringen (z.B. HIV-Infizierte, Drogenabhängige). Die Sozialarbeit in einem Heim sei gerade durch das Zusammentreffen von Problemlagen bei den einzelnen Bewohnern gekennzeichnet. Der Umstand allein, daß der Sozialarbeiter in einem Heim mit unterschiedlichen Problemgruppen umzugehen habe, lasse seine Tätigkeit zwar als schwierig im Sinne der VergGr. IV b Fallgr. 16 BAT/VKA erscheinen. nicht jedoch als besonders schwierig im Sinne der VergGr. IV a Fallgr. 15 BAT/VKA. Diese Kenntnisse und Fähigkeiten müsse ein Sozialarbeiter, der in einem Heim fürsorgerisch tätig sei, regelmäßig mitbringen. Das gleiche gilt für die hier entscheidungserheblichen insoweit wortgleichen Tätigkeitsmerkmale.
Vorliegend hat der Kläger nicht dargelegt, das Landesarbeitsgericht dementsprechend auch nicht festgestellt, daß er für seine Tätigkeit in dem Nichtseßhaftenheim der Beklagten weitergehende fachliche Qualifikationen benötige. Er hat nicht näher ausgeführt, welche zusätzlichen Kenntnisse z.B. über psychische Erkrankungen und Fähigkeiten hier im Vergleich zu anderen Heimen erforderlich seien. Sein Vortrag läßt nicht erkennen, ob und ggf. aus welchen Gründen die Betreuung von Nichtseßhaften ein breiteres und vertiefteres Wissen und Können verlange als die Betreuung der Bewohner anderer Heime oder der Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen oder von Suchtmittelabhängigen.
Es ist nicht ersichtlich, daß in dem Nichtseßhaftenheim vielfältigere oder größere Problemlagen zu bewältigen sind. Insofern hätte der Kläger im einzelnen darlegen müssen, welche besonderen sozialen Schwierigkeiten bei den Heimbewohnern in welchem Umfang auftreten und inwiefern dies über andere Heime oder andere Tätigkeiten eines Sozialarbeiters hinausgehe. Ebensowenig läßt sich dem Vorbringen des Klägers entnehmen, die von ihm geleistete Betreuung oder Beratung sei intensiver als in anderen Heimen und deshalb seien zusätzliche Kenntnisse und Fähigkeiten notwendig. Auch die vom Kläger angeführten Rechtskenntnisse lassen nicht auf eine höhere fachliche Qualifikation schließen, sämtliche genannten Gesetze können auch in anderen Heimen zur Anwendung kommen. Abgesehen hiervon fehlt es an einer vergleichenden Darstellung, inwiefern die vom Kläger verlangten Rechtskenntnisse über die anderer Sozialarbeiter in Heimen hinausgehen sollen.
III. Der Kläger hat in keinem Falle etwas dafür dargetan, daß sich seine Tätigkeit auch durch ihre Bedeutung aus der eines Sozialarbeiters mit schwierigen Tätigkeiten i.S. der VergGr. IV b Fallgr. 20 der Anlage 1 a (EGP 21) zu AVR-Diakonie heraushebt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats genügt für die Bedeutung der Tätigkeit eine deutlich wahrnehmbare Heraushebung. Diese muß sich auf die Auswirkungen der Tätigkeit beziehen und kann sich aus der Bedeutung oder der Größe des Aufgabengebietes sowie der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und die Allgemeinheit ergeben (vgl. BAGE 51, 59, 94 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAG Urteil vom 29. September 1993 – 4 AZR 690/92 – AP Nr. 7 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter; BAG Urteil vom 26. Oktober 1994 – 4 AZR 042/93 –, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen).
Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Tätigkeit des Klägers sei von Bedeutung in diesem Sinne nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Allgemeinheit, weil beide vor Rückfällen und den damit verbundenen Gefahren geschützt werden müssen. Damit hat es den unbestimmten Rechtsbegriff der Bedeutung verkannt. Es hat nicht dargelegt, inwiefern sich die Bedeutung der Tätigkeit des Klägers aus denen der VergGr. IV b Fallgr. 20 der Anlage 1 a (EGP 21) zu AVR-Diakonie Anmerkung Nr. 8 genannten Tätigkeiten heraushebt. Dazu hätte es der Darlegung seitens des Klägers und der entsprechenden Feststellung durch das Landearbeitsgericht bedurft, daß die Tätigkeit des Klägers bedeutungsvoller ist, als die eines Sozialarbeiters, der in einem sozial-psychiatrischen Dienst oder in der sozialpädagogischen Familienhilfe tätig ist oder der HIV-Infizierte, an AIDS erkrankte oder suchtmittelabhängige Personen berät. Denn auch bei diesen in der VergGr. IV b Fallgr. 20 i.V.m. der Anm. 8 genannten Tätigkeiten sollen die dort betrauten Personen auf ein straffreies, suchtmittelunabhängiges Leben vorbereitet werden und soll die Allgemeinheit dementsprechend vor Rückfällen und den damit verbundenen Gefahren geschützt werden. Eine gegenüber diesen Tätigkeiten gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit des Klägers ist auch sonst nicht erkennbar.
IV. Nachdem die Tätigkeit des Klägers nicht die in der VergGr. IV a Fallgr. 26 geforderten Tätigkeitsmerkmale erfüllt, hat er auch keinen Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. III Fallgr. 29 nach vierjähriger Bewährung in der VergGr. IV a Fallgr. 26.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1, § 344 ZPO).
Unterschriften
Schaub, Bott, Schneider, Grätz, Ratayczak
Fundstellen