Entscheidungsstichwort (Thema)
Gleichbehandlungsgrundsatz
Orientierungssatz
1. Liegt ein sachlicher Grund für eine differenzierte Behandlung vor, kann der evtl benachteiligte Arbeitnehmer keine Gleichbehandlung verlangen. Ebenso schließt das Vorliegen eines sachlichen Grundes, der ein für die Freizügigkeit der EU-Bürger bestehendes Hindernis objektiv rechtfertigt, die Annahme einer Diskriminierung iSv Art 39 EG-Vertrag aus.
2. Die nationalen Gerichte sind nicht zur Vorlage einer von ihnen aufgeworfenen Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 18. Juni 1998 - 10 Sa 1028/97 - wird
zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte den Kläger im gleichen zeitlichen Umfang wie andere Lektoren zu beschäftigen hatte.
Der am 29. Mai 1935 geborene Kläger ist britischer Staatsangehöriger. Er war seit 1993 als Lehrkraft für besondere Aufgaben am Fachsprachenzentrum der Technischen Universität Dresden beschäftigt. Er war Lektor und Sprachlehrer für die englische Sprache. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war befristet. Vereinbart war eine Vollzeitbeschäftigung. Mit Arbeitsvertrag vom 20./28. September 1995 vereinbarten die Parteien, daß der Kläger ab 01. September 1995 unbefristet als Lehrkraft für besondere Aufgaben mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 66,66 % eines entsprechenden vollbeschäftigten Angestellten beschäftigt werde.
Das Fachsprachenzentrum an der Technischen Universität Dresden gliedert sich in mehrere Sprachgruppen. In der Sprachgruppe Englisch waren 1993 18 Dozenten beschäftigt. 1995 plante der Beklagte einen Personalabbau. Zur Verhinderung von Entlassungen wurden auch die langjährig beschäftigten, unbefristet angestellten Lektoren aufgefordert, ihre Stundenzahlen zu reduzieren. Entsprechende Änderungsverträge wurden geschlossen. In der Folgezeit wurden neben zwei vollbeschäftigten Mitarbeitern drei Mitarbeiter (soziale Gruppe) zu 98 %, sieben oder acht Mitarbeiter zu 88,88 %, die Mitarbeiterin W auf eigenen Wunsch zu 50 % und der Kläger sowie die Lektoren C und R zu 66,66 % teilzeitbeschäftigt.
Mit seiner am 30. Oktober 1996 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger geltend gemacht, daß er bei vollständig gleicher Tätigkeit schlechter als vergleichbare deutsche Staatsangehörige beschäftigt werde. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Für die Ungleichbehandlung gebe es keinen sachlichen Grund. Insbesondere sei sein Lebensalter unberücksichtigt geblieben. Darüber hinaus verstoße die Praxis der Beklagten gegen das Diskriminierungsverbot des EWG-Vertrages.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Arbeitsvertrag anzubieten, der
eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit von 88,8 % eines
vollbeschäftigten Angestellten beinhalte.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat sich auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit berufen und geltend gemacht, der Kläger habe die Vereinbarung ohne Vorbehalt unterzeichnet. Die individuell unterschiedlichen Arbeitszeitvereinbarungen seien aufgrund sozialer Gesichtspunkte erfolgt. Ausschlaggebend sei die Beschäftigungszeit der einzelnen Lektoren gewesen. Diese habe bei anderen Arbeitnehmern zwischen 1957 und 1986 begonnen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision hat der Kläger zunächst sein Klagebegehren weiterverfolgt. Nachdem der Kläger wegen Erreichens der Altersgrenze mit Ablauf des Monats Mai 2000 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, hat er die Hauptsache für erledigt erklärt. Darüber hinaus hat er hilfsweise beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, ihn hinsichtlich
seiner Vergütungsansprüche in der Zeit vom 1. September 1995 bis 31.
Mai 2000 so zu stellen, als hätte er ihn mit einer durchschnittlichen
regelmäßigen Arbeitszeit von 88,8 % eines vollbeschäftigten
Angestellten beschäftigt.
Der Beklagte hat der Erledigungserklärung widersprochen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zurückzuweisen. Die Klage ist mit dem in der Hauptsache gestellten Antrag im Zeitpunkt der Erledigung unbegründet gewesen. Der erstmals in der Revisionsinstanz gestellte Hilfsantrag ist unzulässig.
I. Die einseitige Erklärung der Erledigung der Hauptsache ist Prozeßhandlung. Sie enthält den Antrag festzustellen, daß die Klage erst durch das erledigende Ereignis unzulässig oder unbegründet geworden ist. Sie ist auch noch in der Revisionsinstanz zulässig, wenn das erledigende Ereignis außer Streit steht (ständige Rechtsprechung vgl. BAG 5. September 1995 - 9 AZR 718/93 - BAGE 80, 380, 382). Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache eines Rechtsstreits hat nicht nur den Eintritt des erledigenden Ereignisses zur Voraussetzung, sondern die Klage muß noch in diesem Zeitpunkt zulässig und begründet gewesen sein. Andernfalls ist sie abzuweisen, ohne daß es der Prüfung eines besonderen Rechtsschutzinteresses für den Widerspruch gegen die Erledigungserklärung bedarf (BAG 5. September 1995 aaO).
II. Die Klage war im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet. Der Kläger hat Ende Mai 2000 keinen Anspruch auf Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 88,8 % eines vollbeschäftigten Angestellten gehabt. Die Vorinstanzen haben die mit diesem Antrag erhobene Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch auf Abschluß eines solchen Arbeitsvertrages folgte weder aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch aus Art. 48 Abs. 2 EWG-Vertrag, denn für die unterschiedliche Behandlung der langjährig beschäftigten deutschen Lektoren einerseits und des Klägers andererseits bestand ein sachlicher Grund.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleichzubehandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (ständige Rechtsprechung; BAG 17. November 1998 - 1 AZR 147/98 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 162). Liegt ein sachlicher Grund für eine differenzierende Behandlung vor, kann der evtl. benachteiligte Arbeitnehmer keine Gleichbehandlung verlangen. Ebenso schließt das Vorliegen eines sachlichen Grundes, der ein für die Freizügigkeit der EU-Bürger bestehendes Hindernis objektiv rechtfertigt, die Annahme einer Diskriminierung iSv. Art. 39 EG-Vertrag aus (EuGH 13. April 2000 - Rs. C - 176/96 - NZA 2000, 645, 648; ErfK/Hanau EGV Art. 48 Rn. 27). Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob das Ergebnis der personellen Umstrukturierung des Fachsprachenzentrums der Technischen Universität Dresden eine Benachteiligung ausländischer Lektoren erkennen läßt oder nicht, denn diese Differenzierung war die Folge der unterschiedlichen arbeitsrechtlichen Schutzstandards der betroffenen Arbeitnehmer.
Als der Beklagte im Jahre 1995 den im Fachsprachenzentrum der TU Dresden beschäftigten Lektoren im Interesse der Weiterbeschäftigung aller Lektoren und zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen Teilzeitarbeitsverhältnisse anbot, standen die Lektoren, die ein Angebot über 88,88 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit erhielten und annahmen, seit vielen Jahren in einem unbefristeten Vollzeitarbeitsverhältnis, während der Kläger erst seit zwei Jahren in einem befristeten Anstellungsverhältnis stand. Somit waren die Arbeitsverhältnisse der langjährig beschäftigten Lektoren nach § 1 KSchG bestandsgeschützt. Wären die angebotenen Teilzeitarbeitsverhältnisse nicht zustande gekommen, hätte demzufolge der Beklagte Beendigungskündigungen unter Beachtung der sozialen Auswahl (§ 1 Abs. 3 KSchG) aussprechen müssen, um den vom Haushaltsgesetzgeber vorgegebenen Stellenplan einzuhalten. Daß der Beklagte in dieser Situation den in bestandsgeschützten Arbeitsverhältnissen beschäftigten Lektoren eine weniger einschneidende Kürzung ihrer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zumutet als den zuvor in befristeten Arbeitsverhältnissen angestellten Lektoren war demzufolge sachlich zu billigen und bedeutete keine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit.
Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nicht. Die Frage, ob für den Erlaß einer Entscheidung eines innerstaatlichen Gerichts eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften über eine gemeinschaftsrechtliche Frage erforderlich ist, hat das nationale Gericht in eigener Zuständigkeit zu beurteilen (vgl. EuGH 6. Oktober 1982 - Rs. 283/81 - EAS EG-Vertrag Art. 177 Nr. 6 Rn. 10). Die nationalen Gerichte sind nicht zur Vorlage einer von ihnen aufgeworfenen Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts verpflichtet, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits ist nicht von der Entscheidung über gemeinschaftsrechtliche Fragen abhängig. Über das Vorliegen eines sachlichen Grundes für eine differenzierende Behandlung von Arbeitnehmern können die nationalen Gerichte in eigener Verantwortung entscheiden.
III. Der mit Schriftsatz vom 21. Juni 2000 gestellte Hilfsantrag ist unzulässig. Ein Sachantrag kann grundsätzlich in der Revisionsinstanz nicht mehr geändert werden. Eine Klageänderung ist jedoch dann zulässig, wenn es sich um eine Änderung des Klageantrags iSv. § 264 Nr. 2 oder Nr. 3 ZPO handelt und der geänderte Antrag auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt und auf unstreitiges tatsächliches Vorbringen gestützt werden kann (ständige Rechtsprechung vgl. BAG 28. September 1994 - 4 AZR 619/93 - AP BeschFG 1985 § 2 Nr. 38). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Der mit Schriftsatz vom 21. Juni 2000 gestellte Hilfsantrag bedeutet im Verhältnis zu dem für erledigt erklärten Hauptantrag keine nach § 264 Nr. 2 oder 3 ZPO privilegierte Klageänderung. Vielmehr handelt es sich um eine Klageänderung iSv. § 263 ZPO, die in der Revisionsinstanz unabhängig von der Einwilligung des Beklagten oder ihrer Sachdienlichkeit unzulässig ist. Nach § 264 ZPO ist eine Änderung der Klage lediglich dann nicht anzunehmen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird oder statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird. Da der ursprüngliche Hauptantrag auf die (zukünftige) Abgabe einer Willenserklärung gerichtet war, die gem. § 894 ZPO als abgegeben gegolten hätte, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hätte, ist die vergangenheitsbezogene Feststellung einer Vergütungspflicht nicht auf die Feststellung eines aus dem bisherigen Streitgegenstand folgenden Interesses gerichtet. Darüber hinaus sind die eine Vergütungspflicht des Beklagten betreffenden Tatsachen nicht Gegenstand der Sachverhaltsermittlung der Vorinstanzen gewesen.
Griebeling Müller-Glöge Kreft
Kessel Zoller
Fundstellen
Haufe-Index 610992 |
FA 2000, 388 |