Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesamthafenbetrieb. Hafenarbeit
Normenkette
SchwbG §§ 1, 14 Abs. 2-3; BGB §§ 611, 615
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 01.12.1992; Aktenzeichen 3 Sa 27/92) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 18.12.1991; Aktenzeichen 13 Ca 377/91) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 1. Dezember 1992 – 3 Sa 27/92 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger, der aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen nicht mehr sämtliche Hafenarbeiten erledigen kann, als Hafenarbeiter weiterzubeschäftigen, sowie darüber, ob der Kläger trotz seiner eingeschränkten Einsetzbarkeit die Erteilung von Urlaub verlangen kann und ob die Beklagte für die Zeit der Nichtbeschäftigung dem Kläger den Lohn zahlen muß.
Der am 15. Juni 1944 geborene Kläger, der bereits vorher im Hamburger Hafen tätig war, ist ab 18. April 1978 beim Gesamthafenbetrieb als Gesamthafenarbeiter beschäftigt. Während seiner Beschäftigungszeit hat der Kläger die Qualifikation zum Hafenfacharbeiter erlangt. In den Jahren 1990/91 belief sich sein durchschnittlicher Arbeitsverdienst auf 3.600,– DM brutto monatlich. Der Kläger ist mit Wirkung ab 1. August 1989 Schwerbehinderter gemäß § 1 SchwbG. Seine Behinderungen führen insoweit zu einer Einschränkung der Arbeitsfähigkeit, als er Lasten von über 30 kg nicht in einer Dauerbelastung heben oder tragen darf.
Arbeitgeber des Klägers ist der aufgrund des Gesetzes über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter (Gesamthafenbetrieb) vom 3. August 1950 (BGBl. I S. 352) in Verbindung mit der „Vereinbarung über die Schaffung eines besonderen Arbeitgebers für Hafenarbeiter in Hamburg vom 9. Februar 1951” (getroffen von der damaligen Arbeitsgemeinschaft Hamburger Hafen – Fachvereine und der ÖTV) gebildete Gesamthafenbetrieb Hamburg. Die Beklagte, die Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft mbH, ist gemäß § 2 der Satzung des Gesamthafenbetriebes Hamburg vom 30. April 1969 (erlassen von dem Vorstand des Gesamthafenbetriebes, genehmigt durch die zuständige Behörde der Freien und Hansestadt Hamburg) beauftragt, die laufenden Verwaltungsarbeiten des Gesamthafenbetriebes durchzuführen. Nach Ziffer 4 des Arbeitsvertrages des Klägers sind Rechtsansprüche gegen den Gesamthafenbetrieb aus dem Arbeitsvertrag der Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft mbH gegenüber geltend zu machen, die insoweit die gesamtschuldnerische Verpflichtung übernimmt.
Nach § 2 der Vereinbarung über die Schaffung des Gesamthafenbetriebes gilt:
„Der Gesamthafenbetrieb hat die folgenden Aufgaben:
Die GHB hat stetige Arbeitsverhältnisse für die unständig beschäftigten Hafenarbeiter zu schaffen und insbesondere eine zweckmäßige und gerechte Verteilung der Hafenarbeiter auf die Arbeitsplätze vorzunehmen.
Er ist berechtigt, zur Erreichung dieses Zweckes in organisatorischer Beziehung Vorschriften zu erlassen, die auch für die Hafeneinzelbetriebe und für die gelegentlich am Hafen arbeitenden Betriebe bindend sind. Insbesondere ist er berechtigt, die Zulassung von Arbeitern zur Hafenarbeit zu beschränken und die Ausübung von Hafenarbeit von dem Besitz einer Hafenkarte abhängig zu machen.
Der GHB hat nähere Bestimmungen darüber zu erlassen und zu veröffentlichen, welche Betriebe als Hafeneinzelbetriebe und welche Arbeiter als Hafenarbeiter gelten.
- Der GHB hat die Gesamthafenarbeiter im Rahmen der Tarife sozial zu betreuen.
Der GHB nimmt im Rahmen der vorstehenden Aufgaben den Gesamthafenarbeitern gegenüber die Funktion eines Arbeitgebers wahr, soweit diese von den Hafeneinzelbetrieben nicht auszuüben sind.
Er erläßt die Betriebsordnung für den Gesamthafenbetrieb.”
Nach § 4 der Vereinbarung über die Schaffung des Gesamthafenbetriebes übernimmt die Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft mbH die laufenden Verwaltungsarbeiten für den Gesamthafenbetrieb und kann innerhalb der Aufgaben und Befugnisse des Gesamthafenbetriebes die zu deren Erledigung erforderlichen Anordnungen und Weisungen gegenüber den Hafeneinzelbetrieben und den Gesamthafenarbeitern erlassen. Diese Befugnisse der Gesamthafenbetriebs-Gesellschaft mbH, die in § 2 Abs. 2 und 3 der Satzung für den Gesamthafenbetrieb Hamburg wiederholt werden, werden gemäß § 2 Abs. 4 der Satzung durch die Verpflichtung der Hafeneinzelbetriebe sowie der Hafenarbeiter ergänzt, die Tätigkeit der GHB im Hinblick auf die Einhaltung der Satzung zu erleichtern und ihr die im Rahmen ihrer Aufgaben gewünschten Auskünfte und Hinweise zu geben.
Nach § 17 Abs. 1 der Satzung für den Gesamthafenbetrieb sind die Hafeneinzelbetriebe verpflichtet, sämtliche für ihren Betrieb erforderlichen Gesamthafen- und Aushilfsarbeiter nur bei der Beklagten anzufordern. Die Beklagte weist die vom Gesamthafenbetrieb eingestellten Gesamthafenarbeiter zur Arbeitsleistung zu. Während der Arbeit bei den Hafeneinzelbetrieben gehören die Gesamthafenarbeiter mit allen Rechten und Pflichten zu deren Belegschaft. Der Gesamthafenbetrieb selbst hat keine Arbeitsplätze für Hafenarbeiter.
Der Betriebsrat bei dem Gesamthafenbetrieb hat unter dem Datum des 27. Juni 1983 eine Stellungnahme zur körperlichen Höchstbelastung der Hafenarbeiter am Arbeitsplatz abgegeben und diese wie folgt umschrieben:
- „Tragen von Säcken mit einem Gewicht des einzelnen Sackes bis zu 70 kg (Schichtleistung ca. 35 t).
- Lösen von Säcken aus einer Lage mit einem Gewicht des einzelnen Sackes bis zu 70 kg (Schichtleistung 35t pro Schicht).
- Heben von Säcken oder Kartons mit einem Gewicht von 25 kg des einzelnen Sackes oder Kartons. Stapeln der Säcke bis zu einer Höhe von 100–120 cm bzw. der Kartons bis zu einer Höhe von 170 cm (Schichtleistung 35 t pro Hafenarbeiter).
- Lösen von Ballen (beispielsweise Gummi) aus einer Lage mit einem Gewicht von 111 kg des einzelnen Ballens, jeweils mit zwei Hafenarbeitern (die geforderten Schichtleistungen sind unterschiedlich).
- Aufstellen von Fässern mit einem Gewicht des einzelnen Fasses von 180 kg mit zwei Hafenarbeitern (die geforderten Schichtleistungen sind unterschiedlich).”
Der Kläger war in der Zeit vom 4. bis zum 11. Januar 1991, vom 7. bis zum 18. März 1991 und vom 25. März bis zum 8. September 1991 arbeitsunfähig erkrankt. Ab 9. September 1991 war er wieder arbeitsfähig und meldete sich bei der Beklagten zum Arbeitsantritt. Die Beklagte weigert sich jedoch seither, den Kläger als Hafenarbeiter einzuteilen. Sie lehnt es weiter ab, dem Kläger für die Zeit ab 9. September 1991 Lohn zu zahlen und weigert sich außerdem, dem Kläger Urlaub zu gewähren. Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Klage.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, ihn als Hafenarbeiter zu beschäftigen. Es treffe nicht zu, daß sie ihn nicht einsetzen könne. Er sei Hafenfacharbeiter und besitze die erforderlichen Qualifikationen, um als Gabelstaplerfahrer, Winsch- und Decksmann sowie Bordkranführer tätig zu werden. Aufgrund seiner Behinderung bestehe für seine Einsetzbarkeit lediglich die Einschränkung, daß er nicht einer Dauerbelastung beim Tragen von Lasten über 30 kg ausgesetzt werden dürfe. Gelegentliches Tragen derartiger Lasten sei möglich. Die Beklagte sei somit auch verpflichtet, ihm für 1991 seinen Jahresurlaub (19 Arbeitstage) zu gewähren. Da die Beklagte sich in Annahmeverzug befinde, sei sie weiter verpflichtet, ihm den Lohn für die Zeit vom 9. bis zum 30. September 1991 in Höhe von 1.268,28 DM netto zu zahlen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
- den Kläger in der Weise als Hafenfacharbeiter zu beschäftigen, daß sie ihn Hafeneinzelbetrieben im Rahmen des Arbeitsvertrages vorrangig vor nicht schwerbehinderten Arbeitnehmern mit der Maßgabe zuteilt, daß er keine Arbeiten leisten muß, bei denen er dauerhaft Lasten über 30 kg heben oder tragen muß, wobei im Falle der Zuteilung mehrerer Schwerbehinderter mit entsprechender Einsatzbeschränkung eine gleichmäßige Berücksichtigung des Klägers neben diesen bei der Zuteilung zu erfolgen hat,
- durch Anweisung gegenüber den Hafeneinzelbetrieben oder in anderer geeigneter Weise dafür Sorge zu tragen, daß ihr bekannt wird, bei welchen Anforderungen Hafenarbeiter bei ihrem Einsatz im Hafeneinzelbetrieb in der zur Einteilung anstehenden Schicht nicht dauerhaft Lasten über 30 kg heben oder tragen müssen,
- durch Anweisung oder in anderer geeigneter Weise dafür Sorge zu tragen, daß Hafeneinzelbetriebe die Beschäftigung des Klägers im Falle einer Einteilung nicht ablehnen, wenn sie ihn ohne dauerhaftes Heben oder Tragen von Lasten über 30 kg beschäftigen können;
- an den Kläger 1.268,28 DM netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1991 zu zahlen;
- dem Kläger neunzehn Arbeitstage restlichen Jahresurlaub 1991 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Sie sei verpflichtet, den Hafeneinzelbetrieben jederzeit Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen, die gesundheitlich in der Lage sind, alle anfallenden Hafenarbeiten zu verrichten. Diesen Anforderungen entspreche der Kläger nicht. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, dauerhaft Arbeitnehmer zu beschäftigen, die die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nur teilweise erbringen könnten. Aufgrund der kurzfristigen Dispositionen der Hafeneinzelbetriebe sei es für sie nicht vorhersehbar, ob und in welchem Umfange die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer für schwere körperliche Arbeiten ganz oder teilweise angefordert würden. Darüber hinaus könne sie ihren Arbeitnehmern nicht garantieren, daß sie in den angeforderten Funktionen (z.B. Winsch- und Decksmann, Gabelstaplerfahrer, Bordkranführer) auch vollschichtig beschäftigt werden. Die Hafeneinzelbetriebe seien berechtigt, erforderlichenfalls die für sie eingeteilten Gesamthafenarbeiter während der Schicht zu anderen, auch schweren körperlichen Tätigkeiten einzusetzen. Eine dauerhafte Einteilung des Klägers als Winsch- und Decksmann, Gabelstaplerfahrer oder Bordkranführer sei auch deshalb nicht möglich, weil die Anforderungen für diese Funktionen durch die Hafeneinzelbetriebe nicht für eine dauerhafte vollschichtige Tätigkeit ausreichten. Bei einer ausschließlichen Tätigkeit des Klägers als Winsch- und Decksmann, Gabelstaplerfahrer sowie Bordkranführer handele es sich auch nicht um eine vertragsgemäße Beschäftigung, weil der Kläger verpflichtet sei, alle anfallenden Hafenarbeiten auszuführen. Damit sei der Kläger nicht mehr in der Lage, ihr seine Arbeitskraft vertragsgemäß anzubieten. Es sei ihr aus betriebsorganisatorischen Gründen nicht möglich, den Kläger zur Arbeit in Hafeneinzelbetrieben in der Weise zusammen mit anderen Hafenarbeitern einzuteilen, daß er deren Hilfe in Anspruch nehmen könne, wenn Lasten über 30 kg unter Dauerbelastung zu heben und zu tragen seien. Weder die Vereinbarung über die Schaffung des Gesamthafenbetriebes vom 9. Februar 1951 noch die Satzung des Gesamthafenbetriebes ergäben eine Rechtsgrundlage dafür, die Hafeneinzelbetriebe dazu zu verpflichten, nur eingeschränkt einsetzbare Gesamthafenarbeiter leidensgerecht zu beschäftigen. Der ausschließliche Einsatz von gesundheitlich beeinträchtigten Mitarbeitern für weniger körperlich belastende Tätigkeit sei ihr im Rahmen ihres Personaleinsatzes auch deshalb nicht zumutbar, weil dadurch die übrigen Mitarbeiter durch die Einteilung für schwere Arbeit gesundheitlich stärker belastet würden.
Ein Urlaubsanspruch bestehe nicht, weil der Kläger infolge seiner Leistungsminderung auch nicht als arbeitsfähig anzusehen sei und deshalb keinen Urlaub verlangen könne. Der geltend gemachte Urlaubsanspruch sei zudem nach den tariflichen Ausschlußfristen verfallen. Im übrigen sei er jedenfalls teilweise unbegründet, weil Hafenarbeiter nach § 9 Ziffer 3 des Rahmentarifvertrages für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe hinsichtlich der Urlaubsdauer nicht mehr Tage geltend machen können, als sie im Urlaubsjahr tatsächlich gearbeitet haben. Der Kläger habe 1991 aber nur 25 Tage gearbeitet.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Hafenfacharbeiter weiterzubeschäftigen, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Hiergegen haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat der Berufung des Klägers im wesentlichen entsprochen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG, der § 11 Abs. 2 Satz 1 SchwbG a. F. entspricht, haben Arbeitgeber die Schwerbehinderten so zu beschäftigen, daß diese ihre Kenntnisse und Fähigkeiten möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Diese Vorschrift gibt dem Schwerbehinderten zwar keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz und auch kein Recht, nach seinen Neigungen und Wünschen beschäftigt zu werden (BAG Urteil vom 23. Januar 1964 – 2 AZR 289/63 – AP Nr. 2 zu § 12 SchwBeschG), wohl aber im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, daß er entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (BAG Urteil vom 14. Juli 1983 – 2 AZR 34/82 –, n.v., zu IV 1 der Gründe; Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, Stand: Mai 1993, § 14 Rz 6, m.w.N.). Die Verletzung der sich aus § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG ergebenden beruflichen Förderungspflicht kann nicht nur Schadenersatzansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes auslösen. Die Norm beinhaltet auch vor allem eine privatrechtlich gesteigerte Fürsorgepflicht gegenüber dem Schwerbehinderten (BAGE 13, 109 und 16, 193 = AP Nr. 1 und Nr. 3 zu § 12 SchwBeschG; BAG Urteil vom 28. Mai 1975 – 5 AZR 172/74 – AP Nr. 6 zu § 12 SchwBeschG, mit zustimmender Anm. Schwedes; BAGE 32, 105 und 34, 250 = AP Nr. 2 und Nr. 3 zu § 11 SchwbG; Gröninger/Thomas, a.a.O., § 14 Rz 6, m.w.N.).
2. Eine erhöhte Fürsorgepflicht begründet auch § 14 Abs. 3 Satz 1 SchwbG (§ 11 Abs. 3 Satz 1 SchwbG a. F.). Danach sind die Arbeitgeber verpflichtet, den Betrieb so zu regeln, daß eine möglichst große Zahl Schwerbehinderter in ihren Betrieben dauernde Beschäftigung finden kann. Die Norm begründet im bestehenden Arbeitsverhältnis mit den Schwerbehinderten eine Erweiterung der im Arbeitsverhältnis begründeten Fürsorgepflicht und gewährt den Schwerbehinderten ebenso wie § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG einen klagbaren Anspruch (BAG Urteil vom 14. Juli 1983 – 2 AZR 34/82 –, n.v., zu IV 2 a der Gründe; Gröninger/Thomas, a.a.O., § 14 Rz 12; Neumann/Pahlen, Schwerbehindertengesetz, 8. Aufl., § 14 Rz 33). Ihre Grenzen findet diese Pflicht nach § 14 Abs. 3 Satz 3 SchwbG (§ 11 Abs. 3 Satz 3 SchwbG a. F.) dort, wo ihre Erfüllung mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden und daher unzumutbar ist, wobei es für die Zumutbarkeit auf betriebstechnische wie wirtschaftliche Gesichtspunkte ankommt (BAG Urteil vom 14. Juli 1983 – 2 AZR 34/82 –, n.v., m.w.N.; Gröninger/Thomas, a.a.O., § 14 Rz 15).
Das hat der Senat unter ausführlicher Darstellung der Entstehungsgeschichte der einschlägigen gesetzlichen Regelungen und der Entwicklung des Schwerbeschädigten- bzw. Schwerbehindertenrechts durch die Rechtsprechung in seinem Urteil vom 10. Juli 1991 – 5 AZR 383/90 – näher ausgeführt (vgl. BAGE 68, 141, 144 ff., 149 f. = AP Nr. 1 zu § 14 SchwbG 1986, zu II, III 2, IV 1, 2 der Gründe). Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze übernommen und sie auf den von ihm festgestellten Sachverhalt angewandt. Dabei sind ihm von der Revisionsinstanz zu beachtende Rechtsfehler nicht unterlaufen. Das Landesarbeitsgericht ist vielmehr zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen den Hafeneinzelbetrieben als Hafenarbeiter zuzuweisen und die hierfür erforderlichen organisatorischen Maßnahmen zu treffen.
II.1. Die Revision verweist auf § 8 Abs. 1 der Satzung des Gesamthafenbetriebes und macht geltend, die Verpflichtung des Hafeneinzelbetriebes gegenüber dem Gesamthafenbetrieb beziehe sich ausschließlich darauf, für Hafenarbeiten, die nicht vom Stammpersonal der Hafeneinzelbetriebe übernommen werden können, Arbeitnehmer des Gesamthafenbetriebes anzufordern. Die Hafeneinzelbetriebe entschieden bei dem Personaleinsatz nach dem jeweiligen konkreten Beschäftigungsanfall für jede Schicht darüber, für welche Tätigkeiten ein Bedarf für Gesamthafenarbeiter bestehe. Hierbei sei es für die Beklagte bei der Personaleinteilung nicht vorhersehbar, für welche konkrete Tätigkeit der Gesamthafenarbeiter bei dem Hafeneinzelbetrieb eingeteilt werde. Die Mitarbeiter der Beklagten würden von den Einteilungsstellen der Hafeneinzelbetriebe auch mit anderen, teilweise körperlich schweren Arbeiten betraut, obgleich sie zunächst für körperlich weniger belastende Tätigkeiten angefordert worden seien. Es sei den Hafeneinzelbetrieben auch nicht möglich, bei den Personalanforderungen bei der Beklagten vorherzusehen, auf welchen konkreten Arbeitsplätzen die Gesamthafenarbeiter eingesetzt werden müßten. Die Hafeneinzelbetriebe seien daher tatsächlich nicht in der Lage, die für eine ihrer Einsatzfähigkeit entsprechende Einteilung der Gesamthafenarbeiter erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Die Beklagte müsse den Hafeneinzelbetrieben Hafenarbeiter zur Verfügung stellen, die gesundheitlich in der Lage seien, alle anfallenden Hafenarbeiten zu verrichten. Das Landesarbeitsgericht habe daher Sinn und Zweck der Verpflichtung des Gesamthafenbetriebes, eine zweckmäßige und gerechte Verteilung der Gesamthafenarbeiter auf die Arbeitsplätze vorzunehmen, verkannt.
2. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang rügt, das Landesarbeitsgericht habe angebotene Beweise nicht erhoben, geht diese Rüge fehl. Einer Beweisaufnahme bedurfte es nicht. Das Landesarbeitsgericht hat das tatsächliche Vorbringen der Beklagten insgesamt berücksichtigt und darauf die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen angewandt.
So hat das Landesarbeitsgericht bei der Würdigung der Aufgabe der Beklagten, stetige Arbeitsverhältnisse für die unständig beschäftigten Hafenarbeiter zu schaffen und insbesondere eine zweckmäßige und gerechte Verteilung der Gesamthafenarbeiter auf die Arbeitsplätze vorzunehmen, angenommen, das Ziel der gerechten und zweckmäßigen Verteilung der Hafenarbeiter umfasse auch eine Berücksichtigung von Leistungsbeeinträchtigungen bei den zu verteilenden Gesamthafenarbeitern. Entsprechend könne die Beklagte nach § 2 Abs. 3 der Satzung für den Gesamthafenbetrieb den Hafeneinzelbetrieben auch eingeschränkt einsetzbare Gesamthafenarbeiter zuweisen und diese zu deren Beschäftigung verpflichten, soweit dies zumutbar sei. Nach § 2 Abs. 4 der Satzung könne die Beklagte deshalb die Hafeneinzelbetriebe verpflichten, die für eine ihrer Einsatzfähigkeit entsprechende Einteilung der Gesamthafenarbeiter erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Demgemäß könne die Beklagte von den Hafeneinzelbetrieben auch die Mitteilung verlangen, welche der angeforderten Hafenarbeiter bei ihrem vorgesehenen Einsatz nicht dauerhaft bestimmte Lasten heben oder tragen müßten, um den Kläger entsprechend seiner eingeschränkten Einsatzmöglichkeit zuteilen zu können. Schließlich könne die Beklagte nach § 2 Abs. 3 der Satzung die Hafeneinzelbetriebe auch anweisen, die Zuteilung des Klägers trotz seiner eingeschränkten Einsatzmöglichkeit zu akzeptieren. Die leidensgerechte Einteilung des Klägers bedeute für die Beklagte auch keine unzumutbare wirtschaftliche oder organisatorische Belastung. Sie könne im Rahmen des bestehenden Einteilungssystems durch Anweisung an die Hafeneinzelbetrieb dafür sorgen, daß bei den Anforderungen angegeben werde, ob in der anstehenden Schicht für den angeforderten Hafenarbeiter dauerhaftes Heben oder Tragen bestimmter Gewichte anfalle.
Diese rechtliche Würdigung von Tarif- und Satzungsrecht durch das Landesarbeitsgericht berücksichtigt die vom Schwerbehindertengesetz verfolgten Ziele des Schutzes leistungseingeschränkter Arbeitnehmer und läßt eine Rechtsverletzung nicht erkennen.
III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Beklagte aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges (§ 615 BGB) zur Lohnzahlung für den Monat September 1991 verurteilt hat, ist dieser Entscheidung beizupflichten. Die Einwendungen der Revision hinsichtlich der Einsatzfähigkeit des Klägers überhaupt sind, wie oben dargestellt, nicht begründet.
Auch den restlichen Jahresurlaub verlangt der Kläger von der Beklagten zu Recht. Bei ihrer Weigerung kann sich die Beklagte nicht auf die fehlende tatsächliche Arbeitsleistung des Klägers berufen (vgl. BAGE 45, 199, 202 = AP Nr. 15 zu § 13 BUrlG, zu 1 b der Gründe), abgesehen davon, daß sie aufgrund ihrer besonderen Fürsorgepflicht (§ 14 Abs. 2 und Abs. 3 SchwbG) gehalten war, den Kläger nach Maßgabe seiner Einsetzbarkeit zu beschäftigen. Soweit die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe zu diesem Streitpunkt das verspätete Vorbringen des Klägers nicht zulassen dürfen, bleibt auch diese Rüge ohne Erfolg. Die Zulassung verspäteten Vorbringens durch das Berufungsgericht kann mit der Revision nicht gerügt werden. Dagegen spricht bereits die praktische Erwägung, daß die Aufhebung und Zurückverweisung einer Sache mit dem Ziele, ein vom Berufungsgericht für erheblich erachtetes Vorbringen wieder aus dem Prozeßstoff auszuschalten, mit einer sinnvollen und vernünftigen Prozeßführung schlechthin unvereinbar wäre (vgl. BAGE 42, 244, 256 f.= AP Nr. 2 zu § 21 TVAL II, zu IV der Gründe; BAG Urteil vom 31. Oktober 1984 – 4 AZR 604/82 – AP Nr. 3 zu § 42 TVAL II, letzter Absatz, jeweils mit weiteren Nachweisen).
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Düwell, Arntzen, Kessel
Fundstellen