Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgeld - Gleichbehandlung
Orientierungssatz
Aus Sinn und Zweck des Tarifvertrages über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes idF vom 23.6.1995 läßt sich kein Grund entnehmen, einen Mitarbeiter von der Leistung auszuschließen, nur weil der im Laufe des Berechnungszeitraumes teilweise kein Bruttogehalt, sondern eine Honorarvergütung erhielt, da er tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hat.
Tenor
1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 25. März 1999 - 11 Sa
2023/98 - aufgehoben.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des
Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. August 1998 - 10 Ca 8643/96
- wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte hat die Kosten der Berufung und der Revision
zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz nur noch über die Zahlung eines Weihnachtsgeldes für das Kalenderjahr 1996.
Die Klägerin arbeitete seit dem Jahr 1994 ununterbrochen als Sekretärin für die Beklagte. Das Vertragsverhältnis wurde als freies Mitarbeiterverhältnis durchgeführt und auf der Grundlage einer Stundenvergütung von 28,00 DM zzgl. Mehrwertsteuer abgerechnet.
Die Beklagte gewährte ihren Mitarbeitern im Kalenderjahre 1996 entsprechend dem Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens für die Angestellten des Baugewerbes vom 27. April 1990 in der Fassung vom 23. Juni 1995 (im Folgenden: TV 13. ME) ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes, unabhängig davon, ob Tarifbindung bestand oder nicht.
Mit der am 5. Dezember 1996 beim Arbeitsgericht Düsseldorf eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat die Klägerin ua. geltend gemacht, daß das Vertragsverhältnis seit dem Jahr 1994 ein Arbeitsverhältnis gewesen sei. Durch rechtskräftiges Teilurteil vom 10. September 1997 (10 Ca 8643/96) ist festgestellt worden, daß zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht.
Mit einem beim Arbeitsgericht am 13. Dezember 1996 eingereichten Schriftsatz hat die Klägerin ihre Klage erweitert und begehrt nunmehr auch die Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die mündliche Kündigung der Beklagten vom 27. November 1996 nicht beendet worden sei. Am 4. März 1998 haben die Parteien dann folgenden Teilvergleich geschlossen:
1. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das zwischen
ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 27.
November 1996 nicht aufgelöst worden ist.
2. Die Parteien sind sich darüber einig, daß das monatliche
Bruttogehalt der Klägerin 3.600,00 DM beträgt. ...
Die Klägerin hat als Weihnachtsgeld für das Kalenderjahr 1996 zuletzt mit Schriftsatz vom 20. April 1998 3.600,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1996 begehrt.
Die Klägerin ist der Auffassung, auch sie habe das Weihnachtsgeld für das Kalenderjahr 1996 zu beanspruchen, da sie mit ihren Kollegen gleichbehandelt werden müsse.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie DM 3.600,00 brutto
Weihnachtsgeld 1996 nebst 4 % Zinsen seit dem 01.12.1996 und ab
dem 10.07.1998 Zinsen in Höhe von 11 % aus dem sich daraus
ergebenden Nettobetrag zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, die Klägerin habe sich am Stichtag, dem 30. November 1996, noch nicht zwölf Monate in einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis befunden. Dies ergebe sich auch nicht aus dem rechtskräftigen Teilurteil des Arbeitsgerichts.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Anspruch auf ein Weihnachtsgeld in Höhe von 3.600,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 1. Dezember 1996 und 11% Zinsen seit dem 10. Juli 1998.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
Zwar könne zugunsten der Klägerin angenommen werden, daß ihre Tätigkeit als Sekretärin seit 1994 in einem Arbeitsverhältnis stattgefunden habe. Dies ergebe sich aus dem rechtskräftigen Teilurteil des Arbeitsgerichts. Die Klägerin könne sich hierauf jedoch nicht berufen, da beide Parteien das Rechtsverhältnis irrtümlich als freies Mitarbeiterverhältnis angesehen und abgewickelt hätten. Ein solcher Wegfall der Geschäftsgrundlage führe nicht ohne weiteres zur Abänderung des Vertrages. Es sei nicht davon auszugehen, daß der Beklagten als Schuldnerin des Weihnachtsgeldanspruchs die Erfüllung des Vertrages auf der bisherigen Grundlage unzumutbar geworden wäre. Selbst wenn aber eine Anpassung an die veränderten Verhältnisse vorzunehmen sei, komme dies nur für die Zukunft in Betracht. Die Parteien hätten in dem Teilvergleich vom 4. März 1998 die monatliche Arbeitsvergütung erst ab dem 1. Oktober 1996 auf 3.600,00 DM festgelegt. Die Klägerin verhalte sich rechtsmißbräuchlich, wenn sie sich darauf berufe, daß zwischen dem 30. November 1995 und dem 30. November 1996 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe. Sie habe durch ihr Verhalten, mit dem sie das Rechtsverhältnis ebenfalls als freies Mitarbeiterverhältnis behandelt habe, bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen darauf erzeugt, daß eine bestimmte Rechtslage bestehe. Mit dem geschlossenen Teilvergleich hätten sich die Parteien zumindest stillschweigend darauf verständigt, daß das Bruttogehalt von 3.600,00 DM erst ab dem 1. Oktober 1996 an die Klägerin gezahlt werden solle und es für die Vergangenheit bei der Honorarzahlung von 28,00 DM pro Stunde bleibe. Auch deshalb verhalte sie sich widersprüchlich.
II. Dieser Begründung folgt der Senat nicht. Die Klägerin hat einen Anspruch auf das begehrte Weihnachtsgeld, weil die Beklagte verpflichtet ist, sie genauso zu behandeln wie die anderen Arbeitnehmer.
1. Die Beklagte gewährte sämtlichen Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld nach den tariflichen Vorschriften. Diese lauten idF des Änderungstarifvertrages vom 23. Juni 1995, soweit hier von Interesse:
§ 2
13. Monatseinkommen
(1) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am 30. November des
laufenden Kalenderjahres (Stichtag) mindestens zwölf Monate
ununterbrochen besteht, haben Anspruch auf ein 13.
Monatseinkommen. Es beträgt 100 v. H. ihres Tarifgehalts.
(2) Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis am Stichtag noch
nicht zwölf Monate ununterbrochen besteht, haben für jeden
vollen Beschäftigungsmonat, den sie bis zum Stichtag
ununterbrochen im Betrieb zurückgelegt haben, Anspruch auf ein
Zwölftel des 13. Monatseinkommens gemäß Absatz 1, wenn das
Beschäftigungsverhältnis am Stichtag mindestens drei Monate
ununterbrochen besteht.
...
(4) Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen gemäß den Absätzen 1
bis 3 haben nur diejenigen Arbeitnehmer, die im
Berechnungszeitraum eine Arbeitsleistung von mindestens 10
Arbeitstagen erbracht haben oder wegen kurzarbeitsbedingten
Arbeitsausfalls und/oder krankheitsbedingter
Arbeitsunfähigkeit, die auf einen Arbeitsunfall bei ihrer
Tätigkeit zurückzuführen ist, nicht erbringen konnten.
§ 6
Fälligkeit
(1) Das 13. Monatseinkommen gemäß § 2 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 2
Satz 1 ist am 1. Dezember fällig; das 13. Monatseinkommen
gemäß § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2 Satz 2 ist mit Beendigung des
Arbeitsverhältnisses fällig.
Dieser Tarifvertrag ist zwar nicht unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar. Die Beklagte gewährt ihren Arbeitnehmern jedoch die darin enthaltenen Leistungen. Dann gebietet der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz dem Arbeitgeber jedoch, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer gleich zu behandeln. Ausgeschlossen ist nicht nur die mögliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (BAG 27. Oktober 1998 - 9 AZR 299/97 - BAGE 90,85 mwN; 17. Dezember 1992 - 10 AZR 306/91 - AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 105 = EzA BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 55).
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen, die der Tarifvertrag an die Zahlung eines 13. Monatseinkommens knüpft, und somit die Voraussetzungen, die auch die Beklagte als allgemeine Regel aufgestellt hat. Von dieser selbst gesetzten Ordnung darf sie die Klägerin nicht ausnehmen. Die Klägerin war am 30. November des laufenden Kalenderjahres 1996 zwölf Monate ununterbrochen in einem Arbeitsverhältnis bei der Beklagten tätig. Dies steht aufgrund des rechtskräftigen Teilurteils vom 10. September 1997 - 10 Ca 8643/96 - fest. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt hat, erfaßt die Rechtskraft des Urteils nicht nur das Bestehen des Arbeitsverhältnisses für die Zeit ab Verkündung des Urteils, sondern für den gesamten Zeitraum des seit dem Jahre 1994 bestehenden Rechtsverhältnisses.
Daran ist der Senat gebunden. Auf die Frage, ob das Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage anzupassen gewesen wäre, kommt es daher entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht an. Die Rechtslage ist durch das arbeitsgerichtliche Urteil gestaltet.
Die durch den Änderungstarifvertrag vom 23. Juni 1995 eingefügten Einschränkungen des § 2 Abs. 4 TV 13. ME, wonach eine Mindestarbeitsleistung von zehn Tagen im Berechnungszeitraum erbracht werden mußte, erfüllt die Klägerin ebenfalls. Aufgrund der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, daß sie im gesamten Berechnungszeitraum ihre Arbeitsleistung erbracht hat. Selbst wenn aber mit dem Landesarbeitsgericht nur von einem unzweifelhaften Zeitraum der Erbringung einer Arbeitsleistung ab 1. Oktober 1996 aufgrund des Teilvergleichs vom 4. März 1998 auszugehen wäre, so hätte die Klägerin auch diese Voraussetzung erfüllt, da sie dann mindestens im Oktober und November 1996 eine Arbeitsleistung, die über zehn Arbeitstage hinausging, erbracht hätte.
Der Teilvergleich vom 4. März 1998 ändert an dieser Lage nichts. Es kann dahinstehen, ob die Parteien damit stillschweigend geregelt haben, daß vor dem 1. Oktober 1996 das Arbeitsverhältnis betreffend die Vergütung nicht mehr angetastet werden sollte. Der Wortlaut des Vergleiches stützt diese Annahme nicht. Jedenfalls sind Form und Art der Vergütung in den tariflichen Vorschriften nicht zur Voraussetzung erhoben worden. Über den Charakter des Vertragsverhältnisses haben die Parteien in dem Teilvergleich vom 4. März 1998 nicht anders befunden als dies durch das zeitlich früher liegende Teilurteil des Arbeitsgerichts vom 10. September 1997 bereits geschehen war. Sie haben vielmehr in Ziffer 1 des Vergleiches darauf hingewiesen, daß das zwischen ihnen bestehende "Arbeitsverhältnis" nicht durch die Kündigung vom 27. November 1996 aufgelöst worden sei.
Die Klägerin hat durch Schreiben vom 22. November 1996, also vor Fälligkeit des Anspruchs auf Weihnachtsgeld, durch anwaltliches Schreiben die Beklagte darauf hingewiesen, daß sie sich in einem Arbeitsverhältnis befinde, ihrem insoweit unbestrittenen Vortrag zufolge auch zuvor schon mündlich.
2. Die Klägerin verhält sich nicht widersprüchlich und daher rechtsmißbräuchlich (§ 242 BGB), wenn sie den Anspruch auf das Weihnachtsgeld auf die Begründung stützt, ab dem 30. November 1995 habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Es handelt sich nicht um eine unzulässige Rechtsausübung. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß es auf das Verhalten oder die Wünsche der Klägerin zurückzuführen gewesen sei, daß das Arbeitsverhältnis entgegen der Einschätzung der Beklagten als freies Mitarbeiterverhältnis geführt worden sei (vgl. BAG 11. Dezember 1996 - 5 AZR 708/95 - AP BGB § 242 Unzulässige Rechtsausübung-Verwirkung Nr. 36 = EzA BGB § 242 Rechtsmißbrauch Nr. 2). Der erst- und zweitinstanzliche Sachvortrag der Parteien spricht im Gegenteil dafür, daß es die Beklagte war, die entgegen dem Wunsch der Klägerin das Arbeitsverhältnis nicht als solches durchführen wollte. Weiterhin sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß eine besonders hohe Vergütungsabrede zusätzliche Leistungen bereits umfaßt hätte. Die Vergütung der Klägerin war auch in der Zeit, in der sie kein Bruttogehalt erhielt, unter Berücksichtigung der dann von ihr allein zu tragenden Steuern und Versicherungsbeiträge nicht wesentlich höher, als es bei der Zugrundelegung eines Bruttogehalts gewesen wäre.
Aus Sinn und Zweck des 13. Monatseinkommens läßt sich kein Grund entnehmen, die Klägerin von der Leistung auszuschließen, nur weil sie im Laufe des Berechnungszeitraumes teilweise kein Bruttogehalt, sondern eine Honorarvergütung erhielt, da sie tatsächlich Arbeitsleistungen erbracht hat.
3. Der Zinsanspruch folgt für die Zeit vom 1. Dezember 1996 aus den §§ 284 Abs. 2 und 288 Abs. 1 BGB, für die Zeit ab dem 10. Juli 1998 aus den §§ 291, 288 Abs. 2 BGB.
III. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 ZPO).
Dr. Jobs Böck Marquardt
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