Entscheidungsstichwort (Thema)
Mandantenübernahmeklausel. Umgehung der Pflicht zur Karenzentschädigung. Wettbewerbsverbot. Arbeitsvertragsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die arbeitsvertragliche Verpflichtung einer Steuerassistentin, im Falle des Ausscheidens für fünf Jahre 20 % des Jahresumsatzes mit solchen Mandanten an ihren ehemaligen Arbeitgeber als Entschädigung abzuführen, die sie von diesem übernommen hat, stellt als verdeckte Mandantenschutzklausel eine Umgehung iSv. § 75d Satz 2 HGB dar. Der ehemalige Arbeitgeber kann deshalb aus einer solchen Vereinbarung keine Ansprüche herleiten.
Orientierungssatz
- Eine sogenannte Mandantenübernahmeklausel, die es einer Steuerassistentin für die Zeit nach ihrem Ausscheiden zwar erlaubt, Mandanten ihres früheren Arbeitgebers zu übernehmen, sie aber gleichzeitig verpflichtet, einen angemessenen Anteil des Umsatzes mit diesen Mandanten an ihren früheren Arbeitgeber als Entschädigung abzuführen, ist grundsätzlich zulässig; sie darf jedoch einen Bindungszeitraum von zwei Jahren nicht überschreiten.
- Eine längere Bindung beschränkt die Arbeitnehmerin in unzulässiger Weise in ihrer beruflichen Tätigkeit; die geltungserhaltende Reduktion einer solchen Klausel auf eine zweijährige Bindung ist nicht möglich.
Normenkette
HGB §§ 74 ff.
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Beklagte war gemäß Anstellungsvertrag vom 6./8. Januar 1988 ab 1. April 1988 für den Rechtsvorgänger und jetzigen Vorstand der Klägerin als Fachgehilfin in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen (Steuerassistentin) tätig. Ihr Aufgabengebiet umfaßte Buchführungsarbeiten, Lohnabrechnungen, Jahresabschlüsse, Steuererklärungen und alle sonstigen Beratungsaufgaben.
In Ziff. 10 des Anstellungsvertrages heißt es unter der Überschrift “Entschädigung”:
“Übernehmen Sie bei oder im Zusammenhang mit Ihrem Ausscheiden aus den Diensten meiner Praxis unmittelbar oder mittelbar Mandate meiner Praxis, so werden Sie als Entschädigung für einen Zeitraum von 5 Jahren seit dem Ausscheiden einen Betrag in Höhe von 20 % Ihres Gesamtumsatzes mit dem betreffenden Mandanten an mich abführen. Die Zahlungen sind jeweils am 1. März eines Jahres für den Jahresumsatz des vorangegangenen Kalenderjahres fällig.”
Die Beklagte bestand im Jahr 1998 das Steuerberaterexamen und schied als Arbeitnehmerin zum 31. Januar 1999 bei der Klägerin aus. Bis August 1999 war die Beklagte für die Klägerin noch als freie Mitarbeiterin tätig. Am 2. Februar 1999 wurde der Klägerin ein Antrag der Beklagten auf Übertragung der bei der Datev gespeicherten Daten von fünf bislang von der Beklagten betreuten Mandanten der Klägerin vorgelegt, dem diese zustimmte.
Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 27. September 2000 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihr bis zum 12. Oktober 2000 Auskunft über die übernommenen Mandate gem. der Ziff. 10 des Anstellungsvertrages vom 6./8. Januar 1988 zu erteilen sowie die vereinbarte Zahlung auf das ihr bekannte Konto zu leisten. Diese Aufforderung wiederholte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 13. Oktober 2000 unter Fristsetzung bis 24. Oktober 2000. Unter dem 3. November 2000 wies die Beklagte durch ihren Prozeßbevollmächtigten die Forderung der Klägerin ua. mit Hinweis auf die Sittenwidrigkeit der in Ziff. 10 des Anstellungsvertrages getroffenen Regelung zurück.
Mit ihrer am 13. Dezember 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Auskunftsverlangen im Rahmen einer Stufenklage geltend gemacht und dazu vorgetragen, die in Ziff. 10 des Anstellungsvertrages enthaltene Klausel sei damals in Richtlinien der Wirtschaftsprüferkammer empfohlen worden. Sie sei nicht darauf gerichtet, die Beklagte als Konkurrentin auszuschalten. Dieser habe es freigestanden, die Beziehungen zu nutzen, die sie während ihrer bisherigen Tätigkeit geknüpft habe. Damit entfalle aber ein wichtiger Grund, der die Rechtsprechung bei der allgemeinen Mandantenschutzklausel dazu bewogen habe, insbesondere § 74 Abs. 2 HGB analog anzuwenden. Der Schutzbereich der §§ 74 ff. HGB sei bei Mandantenübernahmeklauseln nur tangiert, wenn der abzuführende Honoraranteil unangemessen hoch sei. Dies sei bei der zwischen den Parteien vereinbarten Mandantenübernahmeklausel gerade nicht der Fall. Der Beklagten verbleibe nämlich nach Abführung des Honoraranteils eine Gewinnspanne, die die Bearbeitung der Mandate durch sie weiterhin lohne. Auf Grund der Kündigungen bzw. des Ausbleibens von Mandanten nach dem Ausscheiden der Beklagten fehle ihr, der Klägerin, ein Jahresumsatz in Höhe von ca. 120.000,00 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, ihr Auskunft über die Mandanten, die sie bis zu ihrem Ausscheiden am 31. Januar 1999 bei ihr betreut hat und die sie seit dem Ausscheiden bis heute noch betreut oder betreut hat, und über den Umsatz mit diesen Mandanten zu erteilen,
- erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides statt zu versichern,
- an sie einen Geldbetrag entsprechend der Klausel 10 des Anstellungsvertrages vom 6. Januar 1988 zwischen ihr und der Beklagten nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag geltend gemacht, die streitige Regelung im Anstellungsvertrag vom 6./8. Januar 1988 sei unwirksam. Diese sei zwischen den Parteien zu einer Zeit getroffen worden, als die berufsrechtlichen Voraussetzungen für die Betreuung von Steuerberatungsmandaten bei ihr noch nicht vorgelegen hätten. Derartige Klauseln dürften aber zwischen nicht gleichberechtigten Partnern nicht vereinbart werden, weil sie sittenwidrig seien. Die Klausel selbst sei zudem völlig unpräzise formuliert, soweit auch “mittelbare” Mandate zu einer Ausgleichspflicht führen sollten. Um eine Mandantenübernahmeklausel gehe es im übrigen deshalb nicht, weil zwischen ihr und der Klägerin keine Vereinbarungen über eine Übernahme von Mandanten getroffen worden seien; vielmehr seien die Mandanten von sich aus an sie herangetreten und hätten sie mandatiert. Die Klausel hätte allenfalls dann wirksam sein können, wenn ihr die Klägerin bzw. ihr Rechtsvorgänger eine Entschädigung dafür zugesagt und gezahlt hätte, daß sie nicht in Wettbewerb zu ihr bzw. ihm trete. Selbst wenn man aber die grundsätzliche Zulässigkeit einer solchen Klausel unterstellen würde, wäre die geforderte Ausgleichszahlung wesentlich zu hoch. Sie, die Beklagte, habe im streitigen Zeitraum lediglich einen Gewinn von unter 30 % erzielt. Daraus folge schon, daß eine Gewinnabschöpfung von 20 % nicht zulässig sein könne. Für sie wäre eine Mandatsübernahme unter diesen Umständen wirtschaftlich uninteressant, weil die Entschädigung unangemessen hoch sei und ihr vielleicht noch ein Gewinn zwischen 5 und 10 % verbliebe.
Das Arbeitsgericht hat die Auskunftsklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin den Auskunftsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Beklagte mit Recht nicht zur Auskunftserteilung verurteilt, weil sich die Klägerin auf Ziff. 10 des Anstellungsvertrages nicht berufen kann.
Unterschriften
Dr. Freitag, Fischermeier, Marquardt, Burger, Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 838703 |
BAGE 2004, 145 |
BB 2002, 2386 |
DB 2002, 2224 |
NWB 2002, 3756 |
EBE/BAG 2002, 166 |
ARST 2003, 101 |
EWiR 2002, 1049 |
FA 2003, 23 |
FA 2003, 29 |
NZA 2002, 1282 |
SAE 2003, 231 |
ZAP 2002, 1405 |
ZIP 2002, 1957 |
AP, 0 |
EzA-SD 2002, 5 |
EzA |
MDR 2003, 33 |
AUR 2002, 437 |
ArbRB 2002, 322 |
KP 2003, 39 |
PP 2002, 32 |
SPA 2002, 7 |