Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung bei Poststreik
Leitsatz (redaktionell)
Hinweise des Senats:
Parallelsache zu 10 AZR 452/93
Normenkette
ZPO §§ 233, 85 Abs. 2; ArbGG 1979 § 66; BetrVG 1972 § 113
Verfahrensgang
LAG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 07.10.1992; Aktenzeichen 1 Sa 88/92) |
KreisG Rostock-Stadt (Urteil vom 30.01.1992; Aktenzeichen 6 Ca 353/91) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Oktober 1992 – 1 Sa 88/92 – aufgehoben.
2. Der Beklagten wird wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt; sie hat insoweit die Kosten zu tragen.
3. Die Sache wird im übrigen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Nachteilsausgleichs gemäß §§ 111, 113 BetrVG. In dem Parallelverfahren 10 AZR 452/93 steht ein Nachteilsausgleich des Ehemanns der Klägerin im Streit.
Die 1966 geborene Klägerin ist seit siebeneinhalb Jahren, zuletzt als Agro-Technikerin, bei der Beklagten beschäftigt gewesen; sie hat 754,75 DM monatlich verdient. Unter dem 27. Dezember 1990 wurde der Klägerin zum 31. März 1991 gekündigt.
Mit der Klage begehrt die Klägerin die Zahlung einer Abfindung nach § 113 BetrVG, deren Höhe vom Gericht festgesetzt werden soll. Sie ist der Auffassung, die Kündigung sei im Rahmen einer Betriebsänderung in Form einer Massenentlassung erfolgt, ohne daß mit dem nach den Maßstäben des Betriebsverfassungsgesetzes und des Einigungsvertrags rechtswirksam amtierenden Betriebsrat ein Interessenausgleich versucht worden sei. Da die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs vorlägen, komme es auf Ansprüche aus den zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat zwischenzeitlich vereinbarten Sozialplan nicht an.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie trägt vor, mit dem Betriebsrat habe vor Ausspruch der Kündigung ein Interessenausgleich stattgefunden. Außerdem sei der Sozialplan Anspruchsgrundlage für die Abfindungszahlung; danach habe die Klägerin ein Anpassungsgeld von 1.575,– DM erhalten.
Das Kreisgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Nachteilsausgleich in Höhe von 2.260,– DM zu zahlen. Dieses Urteil ist der Beklagten am 11. März 1992 zugestellt worden. Sie hat dagegen mit Schriftsatz vom 1. April 1992, beim Landesarbeitsgericht (vormals: Bezirksgericht) eingegangen am 6. April 1992, Berufung eingelegt. Am 7. Mai 1992 ging beim Bezirksgericht ein nichtunterzeichnetes Telefax der damaligen, in Hamburg ansässigen Beklagtenvertreterin mit Datum vom 30. April 1992 ein, mit dem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um 14 Tage bis zum 20. Mai 1992 beantragt wurde; das unterschriebene Originalschreiben erreichte das Bezirksgericht am 11. Mai 1992. Am 9. Mai 1992 gelangten per Telefax ein Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Berufungsbegründungsschrift zum Bezirksgericht. Bereits am 8. Mai 1992 hatte das Gericht den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und dies der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten per Telefax mitgeteilt. Die Originale des Wiedereinsetzungsantrags und der Berufungsbegründungsschrift sind am 11. Mai 1992 zum Gericht gelangt.
In der Zeit vom 24. April bis 8. Mai 1992 wurde die Post in Hamburg bestreikt.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Beklagte vorgetragen, am 30. April 1992 sei es nicht gelungen, den Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist per Telefax nach Rostock zu senden. Er sei sodann am 30. April 1992 zur Post gegeben worden und hätte unter Berücksichtigung des üblichen Postwegs spätestens am 4. Mai 1992, also drei Tage vor Fristablauf, beim Bezirksgericht eingehen müssen.
Die Beklagte hat beantragt,
- der Berufungsklägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren,
- die Klage unter Aufhebung des Urteils vom 30. Januar 1992 abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt,
- den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen,
- die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Die Klägerin ist der Ansicht, der Antrag auf Fristverlängerung sei nicht ordnungsgemäß, weil er keine Begründung enthalte. Die Beklagte sei auch nicht ohne ihr Verschulden verhindert gewesen, den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist fristgerecht beim Gericht zu stellen. Sie habe gewußt, daß die Post in Hamburg bestreikt werde. Ihre Prozeßbevollmächtigte benutze auch sonst regelmäßig ihr Telefaxgerät. Im übrigen habe diese die Pflicht, bei der Geschäftsstelle des Gerichts rechtzeitig nachzufragen, ob dem Antrag auf Fristverlängerung stattgegeben worden sei. Außerdem sei die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten am 6. Mai 1992 selbst in Rostock beim Gericht gewesen und hätte den Schriftsatz persönlich übergeben können.
Die Beklagte hält ihren Antrag für ordnungsgemäß begründet, da es eines Schlagwortes wie „Arbeitsüberlastung” nicht bedurft habe. Sie trägt vor, sie habe wegen der langen Terminierungszeiten des Bezirksgerichts mit einer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf ihren Antrag rechnen können, da das Gericht bisher Fristverlängerungsanträgen stets stattgegeben habe. Der Streik sei nicht flächendeckend, nicht täglich und seine Dauer nicht absehbar gewesen. Ihre Prozeßbevollmächtige habe überdies noch am 30. April 1992 vergeblich versucht, den Antrag per Telefax an das Gericht zu senden, sowie am 5. Mai 1992 das Gericht telefonisch zu erreichen. Am 6. Mai 1992 habe ihre Prozeßbevollmächtigte – wie diese eidesstattlich versichert hat – gegen 14.20 Uhr versucht, bei dem Vorsitzenden die Entscheidung abzufragen. Dessen Raum, wie auch der der Geschäftsstelle, seien jedoch verschlossen gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag durch Urteil zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Beklagte, die Klage unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts abzuweisen, hilfsweise die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des berufungsgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung. Die Beklagte hat zwar die Berufungsbegründungsfrist von einem Monat (§ 66 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) versäumt; diese ist mit der Einlegung der Berufung am 6. April 1992 in Lauf gesetzt worden und mit dem 6. Mai 1992 abgelaufen. Der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ist aber erst am 7. Mai 1992 (nichtunterschriebenes Telefax) bzw. am 11. Mai 1992 (unterzeichnetes Originalschreiben) beim Bezirksgericht eingegangen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten jedoch zu Unrecht unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags als unzulässig verworfen. Der Beklagten ist auf ihren Antrag vom 8. Mai 1992 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zur Klärung der Frage, ob der Klägerin eine Abfindung nach § 113 BetrVG überhaupt und in welcher Höhe zusteht, ist der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Antrag sei fristgerecht eingelegt und begründet, sowie die versäumte Prozeßhandlung, die Berufungsbegründung, rechtzeitig nachgeholt worden. Daß die Beklagte erhebliche Gründe für die beantragte Fristverlängerung nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht habe, stehe nicht entgegen, da das Landesarbeitsgericht entsprechend seiner gegenwärtig grundsätzlich geübten Praxis dem Antrag auf Fristverlängerung stattgegeben hätte. In der Sache habe der Wiedereinsetzungsantrag aber keinen Erfolg, weil die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründungsfrist schuldhaft versäumt und die Beklagte dies nach § 85 Abs. 2 ZPO zu vertreten habe. Angesichts des bereits sechs Tage andauernden Arbeitskampfes im öffentlichen Dienst habe die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nicht davon ausgehen dürfen, ihr Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist werde auf dem Postweg innerhalb der üblichen Postlaufzeiten fristgemäß beim Landesarbeitsgericht eingehen, zumal zusätzlich zu dem Poststreik mit dem 1. Mai auch noch ein Feiertag am Freitag in die Frist gefallen sei. Als ausreichende Sicherung genüge es nicht, wenn die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten am 30. April 1992 mehrfach erfolglos versucht habe, den Fristverlängerungsantrag per Telefax an das Gericht zu schicken. Das der Beklagten zuzurechnende Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten (§ 85 Abs. 2 ZPO) liege daher in der nichtvorgenommenen Sicherung des Eingangs ihres Antrags beim Berufungsgericht.
Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags vermag der Senat nicht zu folgen.
II.1. Der Beklagten ist auf ihren form- und fristgerecht gestellten Antrag wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Beklagte war ohne eigenes Verschulden oder ein Verschulden ihrer Prozeßbevollmächtigten gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten (§§ 233, 85 Abs. 2 ZPO). Dabei ist von dem von der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 30. April 1992 zur Post gegebenen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auszugehen, der am 11. Mai 1992 beim Berufungsgericht eingegangen ist. Auf das am 7. Mai 1992 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Telefax kann deshalb nicht abgestellt werden, weil dieses nicht unterschrieben ist und daher nicht die Voraussetzungen eines bestimmenden Schriftsatzes erfüllt (Thomas/Putzo, ZPO, 18. Aufl., § 129 Rz 6).
a) Mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAGE 32, 71 = AP Nr. 1 zu § 66 ArbGG 1979; BAG Urteil vom 10. September 1985, BAGE 49, 319 = AP Nr. 10 zu § 233 ZPO 1977) ist davon auszugehen, daß auch der Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist innerhalb dieser Frist beim Berufungsgericht eingehen muß. Da der Antrag der Beklagten nach Ablauf der Frist zum Gericht gelangt ist, ist ihre Berufung nur dann zulässig, wenn ihr wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.
b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der fristgerecht (§ 234 Abs. 1 ZPO) gestellte Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten nicht bereits deswegen zurückzuweisen, weil die Beklagte erhebliche Gründe für die begehrte Fristverlängerung nicht angegeben hat. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Urteil selbst ausgeführt, daß es einem fristgemäß gestellten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist stattgegeben hätte, weil eine Verzögerung des Rechtsstreits angesichts der Terminlage nicht eingetreten wäre (§ 519 Abs. 2 Satz 3 1. Alternative ZPO). Der Angabe erheblicher Gründe für die beantragte Fristverlängerung bedurfte es daher nicht, weil die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten nicht damit rechnen mußte, ihr Fristverlängerungsgesuch werde abgelehnt (BGH Beschluß vom 18. Juni 1992 – X ZB 6/92 – AP Nr. 19 zu § 233 ZPO 1977; BAG Beschluß vom 4. Februar 1994 – 8 AZB 16/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
c) Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist auch begründet, weil weder die Beklagte noch ihre Prozeßbevollmächtigte die Postverzögerung zu vertreten haben. Bei einer Aufgabe des Fristverlängerungsantrags zur Post am 30. April und einem Fristablauf am 6. Mai durften sie mit einem rechtzeitigen Eingang des Antrags beim Berufungsgericht rechnen.
aa) Gibt eine Prozeßpartei ein Schriftstück so rechtzeitig zur Post, daß es nach den üblichen Postlaufzeiten innerhalb der Frist zum Gericht gelangen müßte, so ist es von der Partei nicht zu vertreten, wenn die Verzögerung auf Umstände im Bereich der Organisation der Post oder auf Streikmaßnahmen zurückzuführen ist (BAG Beschluß vom 29. Juli 1992 – 2 AZB 21/92 – EzA § 233 ZPO Nr. 15).
Auch das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, daß im Rahmen der verfahrensrechtlichen Vorschriften über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dem Bürger Verzögerungen der Briefbeförderung oder -zustellung durch die Deutsche Bundespost nicht als Verschulden angerechnet werden dürfen. Für die Beförderung von Briefen hat die Deutsche Bundespost das gesetzliche Monopol. Der Bürger darf darauf vertrauen, daß die von dieser nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden. Versagen diese Vorkehrungen, so darf das dem Bürger, der darauf keinen Einfluß hat, im Rahmen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht als Verschulden zur Last gelegt werden (BVerfGE 53, 25, 29 = AP Nr. 74 zu § 233 ZPO; BVerfGE 62, 216, 221 = NJW 1983, 560; BVerfG Beschluß vom 27. Februar 1992 – 1 BvR 1294/91 – EzA § 233 ZPO Nr. 14; BAG Urteil vom 27. Januar 1993 – 5 AZR 397/92 – n.v.). Differenzierungen danach, ob die Verzögerung auf einer zeitweise besonders starken Beanspruchung der Leistungsfähigkeit der Post, etwa vor Feiertagen, oder auf einer verminderten Dienstleistung der Post an Wochenenden beruht, sind unzulässig. Von Verfassungs wegen ist es erforderlich, alle Fälle, in denen sich der Bürger den Diensten der Deutschen Bundespost anvertraut, gleichzubehandeln (BVerfGE 54, 80, 84; BVerfG Beschluß vom 27. Februar 1992, aaO). Dies gilt auch im Falle eines Poststreiks (BAG Beschluß vom 29. Juli 1992, aaO; BVerwG Beschluß vom 11. August 1992 – 8 B 66/92 – n.v.).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 Abs. 2 ZPO) ist die Post bereits ab dem 24. April bestreikt worden. Die Ursache für die Verzögerung des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist liegt somit im Bereich der Organisation der Post, für die ihrerseits streikbedingt Bearbeitungsverzögerungen aufgrund höherer Gewalt vorliegen (BAG Urteil vom 27. Januar 1993 – 5 AZR 397/92 – n.v.).
Diese Umstände können der Beklagten bzw. ihrer Prozeßbevollmächtigten nicht angelastet werden. Diese hatten keinen Einfluß darauf, ob der frühzeitig vor Fristablauf zur Post gegebene Fristverlängerungsantrag postalisch rechtzeitig bearbeitet wird oder nicht; sie wußten insbesondere nicht, ob trotz des Poststreiks etwa durch Beamte für eine Briefbeförderung gesorgt war oder ob überhaupt das betreffende Postamt bestreikt wurde. Diese Unsicherheiten können der Beklagten wegen der Monopolstellung der Post nicht zugerechnet werden; sie darf auch nicht auf Ausweichmöglichkeiten (z.B. Telefax) verwiesen werden. Da der Verlängerungsantrag rechtzeitig (sechs Tage) vor Fristablauf zur Post gegeben wurde, kann der Beklagten bzw. ihrer Prozeßbevollmächtigten die außergewöhnliche Postverzögerung nicht als Verschulden entgegengehalten werden.
cc) Auch wenn man mit dem Bundesgerichtshof (Beschluß vom 25. Januar 1993 – II ZB 18/92 – EzA § 233 ZPO Nr. 18) davon ausgeht, die Berufungsfrist werde dann nicht ohne Verschulden versäumt, wenn die Berufungsschrift mehr als eine Woche vor Ablauf der Monatsfrist zur Post gegeben wird, zu dieser Zeit die Briefbeförderung durch Streikmaßnahmen jedoch erheblich gestört ist und der Prozeßbevollmächtigte der Partei sich nicht rechtzeitig vor Fristablauf vergewissert, daß der Schriftsatz beim Gericht eingegangen ist, geht dies vorliegend nicht zu Lasten der Beklagten. Die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung im Termin vom 7. Oktober 1992 glaubhaft gemacht, daß sie noch am 6. Mai 1992 – also innerhalb der Berufungsbegründungsfrist – versucht hat – wenn auch erfolglos –, sich beim Vorsitzenden Richter und der Geschäftsstelle nach ihrem Antrag zu erkundigen. Darüber hinaus hat die Prozeßbevollmächtigte der Beklagten weitere umfangreiche Versuche zur Vergewisserung über ihren Fristverlängerungsantrag behauptet.
2. Der Senat kann in der Sache selbst jedoch nicht abschließend entscheiden, so daß der Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist. Das Landesarbeitsgericht hat – von seinem Standpunkt aus konsequent – keine Feststellungen zur Sache getroffen; dies ist nachzuholen.
a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob der Betriebsrat bei der Beklagten zu einem Zeitpunkt gewählt worden ist, als die Beklagte noch nicht zu den die Massenentlassung bedingenden Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen entschlossen war und mit derartigen Personalmaßnahmen begonnen hatte (BAG Beschluß vom 28. Oktober 1992 – 10 ABR 75/91 – AP Nr. 63 zu § 112 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 20. April 1982, BAGE 38, 284 = AP Nr. 15 zu § 112 BetrVG 1972).
b) Weiter hat das Landesarbeitsgericht festzustellen, ob ein Interessenausgleich, ggf. im Zusammenhang mit dem abgeschlossenen Sozialplan, vereinbart worden ist (vgl. BAG Urteile vom 20. April 1994 – 10 AZR 186/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen, und – 10 AZR 548/93 – n.v.), oder ob das Protokoll der Betriebsratssitzung vom 22. Dezember 1990 den Anforderungen an einen schriftlichen Interessenausgleich entspricht.
Dabei ist davon auszugehen, daß nach § 113 Abs. 3 BetrVG nur dann ein Anspruch auf einen Nachteilsausgleich besteht, wenn der Arbeitgeber eine geplante Betriebsänderung durchführt, ohne zuvor über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben. Inhalt des nach § 112 BetrVG geforderten Interessenausgleichs ist die Regelung der Frage, ob überhaupt, ggf. wann und in welcher Weise die vom Arbeitgeber geplante Betriebsänderung durchgeführt werden soll (BAG Beschluß vom 27. Oktober 1987, BAGE 56, 270 = AP Nr. 41 zu § 112 BetrVG 1972; BAG Beschluß vom 28. September 1988, BAGE 59, 359 = AP Nr. 47 zu § 112 BetrVG 1972). Nach § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der zwischen dem Unternehmer und dem Betriebsrat gefundene Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung schriftlich niederzulegen und von beiden Betriebspartnern zu unterschreiben. Die Wahrung dieser Schriftform ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Wirksamkeitsvoraussetzung für einen Interessenausgleich. Dabei verlangt § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht, daß der Interessenausgleich in einer gesonderten Urkunde niedergelegt und als solcher ausdrücklich bezeichnet wird. Entscheidend ist, ob die Einigung der Betriebspartner über das Ob und Wie einer geplanten Betriebsänderung oder eines Teils derselben schriftlich festgehalten ist und in dieser Urkunde mit ausreichender Deutlichkeit sichtbar wird (BAG Urteil vom 20. April 1994 – 10 AZR 186/93 –).
c) Ferner wird das Landesarbeitsgericht zu klären haben, ob die Klägerin Leistungen aus dem Sozialplan erhalten hat; insoweit stellt sich die Frage, ob die Abfindung aus dem Sozialplan, dessen nachträgliche Vereinbarung den Anspruch auf einen Nachteilsausgleich nicht beseitigt, auf eine etwaige Nachteilsausgleichsforderung anzurechnen ist (BAG Urteil vom 13. Juni 1989, BAGE 62, 88 = AP Nr. 19 zu § 113 BetrVG 1972).
III. Die Entscheidung über die Kosten der Wiedereinsetzung beruht auf § 238 Abs. 4 ZPO. Danach trägt die Beklagte die durch die Wiedereinsetzung entstandenen Kosten. Ein unbegründeter Widerspruch der Klägerin liegt nicht vor. Im übrigen wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Unterschriften
Matthes, Richter Hauck ist durch Urlaub an der Unterschrift verhindert., Böck, Matthes, Dr. Hromadka, Wolf
Fundstellen