Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermögenswirksame Leistung bei Wegfall der Lohnfortzahlung

 

Orientierungssatz

Nach § 7 (Vermögenswirksame Leistungen) des Rahmentarifvertrages für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe vom 1.1.1980 ist ein Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen im Gegensatz zur Regelung anderer Tarifverträge allein vom Bestand des Arbeitsverhältnisses von mindestens drei Wochen Dauer im Kalendermonat abhängig.

 

Normenkette

TVG § 1; VermBG § 2; VermBG 3 § 2

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 11.07.1983; Aktenzeichen 7 Sa 113/83)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 06.01.1983; Aktenzeichen 18 Ca 129/82)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger nach Ablauf der Lohnfortzahlungsfrist einen tariflichen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen hat. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1968 als Schiffsführer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe (RTV) in der ab 1. Januar 1980 gültigen Fassung Anwendung.

Dieser hat - soweit es hier interessiert - folgenden Wortlaut:

"§ 7

Vermögenswirksame Leistungen

1. Die Hafenarbeiter erhalten von ihrem Arbeit-

geber vermögenswirksame Leistungen gemäß den

nachfolgenden Bestimmungen nach Maßgabe der

Bestimmungen des Dritten Vermögensbildungs-

gesetzes vom 27. Juni 1970.

2. .....

3. Die vermögenswirksame Leistung wird mit

DM 52,-- für jeden Kalendermonat gezahlt, in

dem das Arbeitsverhältnis mindestens drei

Wochen besteht.

4. Der Zahlungsanspruch auf die vermögenswirksame

Leistung entsteht erstmals mit Beginn des

7. Kalendermonats eines ununterbrochenen Be-

sitzes einer Hafenarbeitskarte. Die Wartezeit

entfällt nach Beendigung einer Berufsausbil-

dung im Hafen.

5. .....

6. Beim Ausscheiden aus dem Betrieb endet der

Anspruch mit dem letzten vollen Kalendermonat

der Beschäftigung.

7. .....

9. Soweit Ansprüche des Hafenarbeiters von der

Höhe des Arbeitsentgelts abhängen, wird die

vermögenswirksame Leistung nicht mitgerechnet.

.....

§ 10

Fortzahlung

des Arbeitsentgelts im Krankheitsfalle

1. Die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krank-

heitsfalle regelt sich nach dem Lohnfortzahlungs-

gesetz vom 27. Juli 1969 (s. Anhang), sofern

nicht in diesem Tarifvertrag etwas abweichendes

bestimmt ist.

.....

3. .....

Der Durchschnittsverdienst wird dadurch ermit-

telt, daß der Gesamtbruttoverdienst des Arbeit-

nehmers als Hafenarbeiter im vorangegangenen

Jahr durch die Zahl der gearbeiteten Tage ge-

teilt wird.

Schmutzgelder,

Kühlzuschläge,

Essensgelder,

erstatteter Fahrgeldaufwand,

Auslösungen

sowie Gratifikationen (z.B. 13. Monatslohn,

vermögenswirksame Leistungen), Beihilfen und

sonstige einmalige Zahlungen bleiben bei der

Errechnung des Gesamtbruttoverdienstes außer

Ansatz."

Der Kläger war vom 26. April bis zum 8. September 1981 arbeitsunfähig krank. Im Juli und August 1981 erhielt er keine Lohnfortzahlung von der Beklagten. Für diese beiden Monate zahlte die Beklagte vermögenswirksame Leistungen in Höhe von je 52,-- DM, behielt diese aber später von dem Lohn wieder ein, weil sie die Auffassung vertrat, dem Kläger stünden für diese beiden Monate vermögenswirksame Leistungen nicht zu. Im September 1981 machte der Kläger die vermögenswirksamen Leistungen für die Monate Juli und August 1981 geltend.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den

Kläger 104,-- DM netto nebst 4 % Zinsen

seit dem 1. Oktober 1981 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei nach dem Tarifvertrag nicht verpflichtet, vermögenswirksame Leistungen auch für solche Zeiträume zu erbringen, in denen der Kläger keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung habe, da vermögenswirksame Leistungen arbeitsrechtlich Bestandteil des Lohnes seien. In dem von der Krankenkasse gezahlten Krankengeld seien die vermögenswirksamen Leistungen rechnerisch anteilig enthalten, der Kläger erhielte diese Leistungen also doppelt, wenn sie ebenfalls zur Zahlung verpflichtet wäre.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Der Kläger hatte in den Monaten Juli und August 1981 einen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen.

I. 1. Die Beklagte hat in den Monaten Juli und August - offenbar in der Absicht, die Ansprüche des Klägers auf eine staatliche Sparzulage nicht zu beeinträchtigen - die vermögenswirksame Leistung erbracht und später mit den Lohnansprüchen verrechnet. Damit stellt sich die Klage als Lohnklage dar, und die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob die Beklagte an den Kläger auch für die Zeit vermögenswirksame Leistungen erbringen muß, in der er keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung mehr hat.

2. Mit Recht nimmt das Landesarbeitsgericht an, die hier zu entscheidende Rechtsfrage sei nicht nach den Bestimmungen des 3. Vermögensbildungsgesetzes zu beurteilen. Das im Anspruchszeitraum geltende 3. Vermögensbildungsgesetz vom 15. Januar 1975 (BGBl. I S. 258) setzt vielmehr nur den Rahmen, innerhalb dessen die Tarifvertragsparteien ihrerseits entsprechende tarifliche Regelungen treffen können (BAG Urteil vom 9. November 1977 - 4 AZR 374/76 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie).

3. Nach § 7 Ziff. 1 RTV erhalten die Hafenarbeiter von ihrem Arbeitgeber vermögenswirksame Leistungen "gemäß den nachfolgenden Bestimmungen nach Maßgabe des Dritten Vermögensbildungsgesetzes vom 27. Juni 1970". Damit stellt der RTV zunächst klar, daß die nach ihm zu gewährenden vermögenswirksamen Leistungen solche im Sinne des 3. Vermögensbildungsgesetzes sein sollen. Dies ist bei der Auslegung des Tarifvertrages zu berücksichtigen.

Nach § 7 Ziff. 1 RTV "erhalten" die Hafenarbeiter von ihrem Arbeitgeber eine vermögenswirksame Leistung. Nach dem daraus ersichtlichen Willen der Tarifvertragsparteien und nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung sollen die anspruchsberechtigten Arbeitnehmer grundsätzlich vermögenswirksame Leistungen erhalten, sofern nicht der RTV selbst Ausnahmen vorsieht. Dies bestätigt auch die allgemeine Bezugnahme auf das 3. Vermögensbildungsgesetz in § 7 Ziff. 1 RTV (vgl. hierzu BAG Urteil vom 9. November 1977 - 4 AZR 374/76 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Textilindustrie).

4. Einschränkungen der grundsätzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers, vermögenswirksame Leistungen zu gewähren, enthält der RTV zunächst in § 7 Ziff. 3. Danach wird die vermögenswirksame Leistung für jeden Kalendermonat gezahlt, in dem das Arbeitsverhältnis mindestens drei Wochen besteht.

Entgegen der Rechtsauffassung der Revision wollten die Tarifvertragsparteien mit dieser Vorschrift den grundsätzlich uneingeschränkt gewährten Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung der vermögenswirksamen Leistungen ersichtlich und ausnahmsweise nur in dem Fall beschränken bzw. wegfallen lassen, in dem das Arbeitsverhältnis weniger als drei Wochen im Monat besteht. Irgend einen Hinweis darauf, daß mit dieser Regelung ausschließlich der Beginn der Zahlungsverpflichtung gemeint sei, enthält der RTV nicht. Im Gegensatz zur Auffassung der Revision ist der Beginn der Zahlungsverpflichtung auch nicht in § 7 Ziff. 3 RTV, sondern in § 7 Ziff. 4 RTV geregelt, wenn es dort heißt "der Zahlungsanspruch auf die vermögenswirksame Leistung entsteht erstmals ...". Wollte man mit der Revision in der Vorschrift des § 7 Ziff. 3 eine Regelung des Beginns der Zahlungsverpflichtung sehen, dann würde § 7 Ziff. 4 RTV diese Vorschrift zumindest für die ersten sechs Kalendermonate des Bestandes eines Arbeitsverhältnisses ausschließen, da nach § 7 Ziff. 3 RTV schon nach Ablauf der ersten drei Wochen eines Arbeitsverhältnisses "die vermögenswirksame Leistung gezahlt wird".

Nach alledem läßt sich aus den Regelungen des § 7 RTV nur entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien einen Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen im Gegensatz zur Regelung anderer Tarifverträge allein von dem Bestand eines Arbeitsverhältnisses von mindestens drei Wochen Dauer im Kalendermonat abhängig machen wollten.

II. Die Ansicht der Beklagten, der Kläger erhalte die vermögenswirksame Leistung bei der hier vertretenen Auslegung des § 7 RTV doppelt, da diese auch anteilig bei der Höhe des Krankengeldes berücksichtigt werde, trifft nicht zu.

Zwar gehören die vermögenswirksamen Leistungen zu dem Arbeitsentgelt im Sinne von § 182 Abs. 4 und 5 RVO in Verb. mit § 14 SGB IV. Sie sind daher auch in die Berechnung des Krankengeldes mit einzubeziehen und können - soweit nicht die Beitragsbemessungsgrenze nach § 182 Abs. 9, § 180 Abs. 1 Satz 3 RVO eingreift - auch dessen Höhe beeinflussen. Die Beklagte übersieht jedoch, daß der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 189 RVO ruht, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt von dem Arbeitgeber erhält. Da es sich bei den vermögenswirksamen Leistungen nach § 7 RTV aber um Arbeitsentgelt handelt, ruht der Anspruch des Klägers auf Krankengeld, soweit er von der Beklagten diese Leistung erhält. Ein Doppelbezug scheidet damit aus. Im übrigen ist es nicht ungewöhnlich, daß der Arbeitgeber durch Tarifvertrag verpflichtet wird, derartige Zusatzleistungen auch im Fall länger andauernder Krankheit und dadurch bedingter Arbeitsunfähigkeit weiter zu erbringen, solange nur das Arbeitsverhältnis seinem rechtlichen Band nach fortbesteht (vgl. BAG Urteil vom 29. August 1979 - 5 AZR 293/79 - AP Nr. 103 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG 40, 214 ff. = AP Nr. 113 zu § 611 BGB Gratifikation).

Dr. Gehring Michels-Holl Schneider

Döring Fischer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI440157

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