Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätete Urteilsabsetzung
Normenkette
ZPO § 551 Nr. 7
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. Mai 1994 – 2 Sa 123/93 – aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Änderungskündigung vom 17. Mai 1993, die der Beklagte darauf stützt, die Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin als Fahrerin bei der Beförderung von behinderten Kindern und Schülern sei u.a. infolge des kostengünstigeren Einsatzes von Zivildienstleistenden entfallen; ihr werde jedoch eine Beschäftigungsmöglichkeit im hauswirtschaftlichen Bereich angeboten.
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses durch den Beklagten gewandt. Sie hat geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil Gründe im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG, die sie rechtfertigen könnten, nicht vorlägen.
Die Klägerin hat beantragt.
- festzustellen, daß durch die Kündigung des Beklagten vom 17. Mai 1993, zugegangen am 18. Mai 1993, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum 30. Juni 1993 aufgelöst worden ist, sondern fortbesteht,
- den Beklagten zu verurteilen, sie, die Klägerin, als Fahrerin weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgebracht, die zunehmend knapper werdenden Finanzmittel hätten ihn gezwungen, seine Aktivitäten zu konzentrieren. Da aufgrund dessen eine erhebliche Zahl von Fahrleistungen entfallen sei, sei es unvermeidlich geworden, auch die Zahl der Mitarbeiter im Fahrdienst zu verringern. Ab dem Schuljahr 1993/1994 seien insgesamt acht Fahrtrouten weggefallen, darunter auch die von der Klägerin bediente.
Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen. Das am 11. Mai 1994 verkündete Urteil ist mit den Unterschriften der Richter versehen nicht vor dem 11. November 1994 zur Geschäftsstelle gelangt; ausgefertigt ist es am 25. November 1994. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Sie rügt u.a. die Verletzung von § 551 Nr. 7 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, weil der absolute Revisionsgrund gemäß § 551 Nr. 7 ZPO vorliegt. Das angefochtene Urteil ist als Urteil ohne Entscheidungsgründe anzusehen.
I. Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat mit Beschluß vom 27. April 1993 (– GmS-OGB 1/92 – AP Nr. 21 zu § 551 ZPO) erkannt, daß abweichend von der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefaßtes Urteil i.S.v. § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen anzusehen ist, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen (BAG Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 501/92 – AP Nr. 22 zu § 551 ZPO, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Senatsurteile vom 7. Oktober 1993 – 2 AZR 293/93 –, n.v. und vom 12. Januar 1995 – 2 AZR 408/94 –, n.v.).
II. Das angefochtene Urteil vom 11. Mai 1994 ist erst nach dem 11. November 1994 ordnungsgemäß unterzeichnet zur Geschäftsstelle gelangt, wie sich aus dem Schreiben des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 11. November 1994 an den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin ergibt. Das angefochtene Urteil, das danach nicht innerhalb von fünf Monaten nach seiner Verkündung mit Tatbestand und Entscheidungsgründen von allen Richtern unterschrieben zur Geschäftsstelle des Landesarbeitsgerichts gelangt ist, gilt nach dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts i.S.v. § 551 Nr. 7 ZPO als nicht mit Gründen versehen. Es ist deshalb auf die entsprechende ordnungsgemäße Verfahrens rüge der Klägerin hin ohne weitere Sachprüfung gemäß §§ 564, 565 ZPO aufzuheben.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier, Strümper, Piper
Fundstellen