Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorarbeiterzulage bei den alliierten Streitkräften
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 9.4.1986 4 AZR 125/85.
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 17.07.1984; Aktenzeichen 3 Sa 348/83) |
ArbG Mainz (Entscheidung vom 13.01.1983; Aktenzeichen 3 Ca 1553/82) |
Tatbestand
Der Kläger, der Mitglied der ÖTV ist, war seit dem 1. August 1964 bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften als Vorarbeiter beschäftigt und erhielt Lohn nach Lohngr. 6 der Lohngruppeneinteilung A für Arbeiter des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II). Er ist von Beruf Bauschlosser und führte Instandsetzungsarbeiten in Gebäuden aus. Zu seiner Arbeitsgruppe gehörten zwei Bauschlosser, die Lohn nach Lohngr. 6 erhielten. Am 31. Januar 1984 endete das Arbeitsverhältnis aus Altersgründen.
Die Durchführung der zu erledigenden Arbeiten erfolgte in der Weise, daß dem Kläger von seinem Vorgesetzten ein Arbeitsauftrag erteilt wurde. Ihm oblag dann die Arbeitsvorbereitung einschl. aller terminlichen Absprachen und die Anforderung etwa erforderlicher Ergänzungsleistungen durch andere Bedienstete. Er verteilte die Arbeit an die Gruppenmitglieder, überwachte die Einhaltung der Termine und stellte die Ursachen fest, wenn der gesetzte Zeitraum überschritten wurde. Er erstellte Tages- und Wochenberichte sowie Reparaturzettel und forderte Material an. Außerdem überwachte er die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften. Nach Beendigung der Arbeiten prüfte er die Vollständigkeit und die Richtigkeit der Erledigung des Auftrags und meldete dies seinem Vorgesetzten.
Mit Wirkung vom 1. August 1981 stellte die Beklagte die bis dahin gewährte Zahlung des Vorarbeiterzuschlags nach § 57 Nr. 2 b (1) TVAL II ein. Nachdem der Kläger die Zahlung des Vorarbeiterzuschlags für die Monate August bis Oktober 1981 gerichtlich geltend gemacht hatte, kamen die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich am 14. Januar 1982 überein, dem Kläger bis zum 31. Januar 1982 den Vorarbeiterzuschlag und ab 1. Februar 1982 anstelle des Vorarbeiterzuschlags eine Besitzstandszulage in Höhe des Vorarbeiterzuschlags zu zahlen. Die Besitzstandszulage wurde mit späteren Tariflohnerhöhungen verrechnet.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, daß ihm über den 1. August 1981 hinaus ein Anspruch auf Zahlung des Vorarbeiterzuschlags zugestanden habe, da seine Tätigkeit die tariflichen Anforderungen nach § 57 Nr. 1 TVAL II erfüllt habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß er ab 1. August 1981 bis
31. Januar 1984 als Vorarbeiter einzusetzen und
zu bezahlen war.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, daß die Tätigkeit des Klägers die Zahlung des Vorarbeiterzuschlags nicht gerechtfertigt habe. Dem Kläger seien nur zwei Arbeiter unterstellt gewesen, während nach langjähriger Praxis bei den amerikanischen Stationierungsstreitkräften der Vorarbeiter eine Arbeitsgruppe von mindestens drei Arbeitern leiten müsse. Außerdem habe der Kläger die Arbeitsgruppe auch nicht in fachlicher Hinsicht verantwortlich geleitet. Ihm habe nicht die Arbeitszuweisung oblegen, sondern er habe die Arbeit nur auf die beiden Gruppenmitglieder verteilt. Ferner habe er keine fachliche Aufsicht ausgeübt. Die beiden Gruppenmitglieder seien erfahrene Fachkräfte gewesen, die ebenso wie der Kläger Lohn nach Lohngr. 6 erhalten hätten. Sie hätten selbständig gearbeitet und keiner fachlichen Anleitung und Aufsicht bedurft. Der Kläger sei daher kein Vorarbeiter, sondern Teamleader i. S. der Sonderbestimmung A für Arbeiter I Nr. 4 b zum TVAL II gewesen. Er habe sich im Rahmen eines Einsatzplanes an den vorgeschriebenen Reparaturarbeiten beteiligt, ihm sei aber die fachliche Beaufsichtigung eines Instandhaltungstrupps nicht übertragen worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers hinsichtlich des Zeitraumes bis zum 31. Januar 1982 zurückgewiesen und der Klage im übrigen stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte auch insoweit die Zurückweisung der Berufung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß dem Kläger über den 1. Februar 1982 hinaus bis zum 31. Januar 1984 ein Vorarbeiterzuschlag nach § 57 Nr. 2 b TVAL II zustand.
Für die Klage besteht ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO, da das Klagebegehren die Feststellung des Status des Klägers im streitbefangenen Zeitraum mit den sich daraus ergebenden tariflichen Folgerungen, wie der Erhöhung der Grundvergütung nach § 16 Nr. 1 a (6) TVAL II und möglichen Auswirkungen auf seine Altersversorgung umfaßt. Demzufolge ist der Antrag des Klägers in Bezug auf seinen Einsatz als Vorarbeiter nur eine Erläuterung seines Klagebegehrens und begründet keinen gesonderten Streitgegenstand.
Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß auf das Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (TVAL II) unmittelbar und zwingend Anwendung fand (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Es hat angenommen, daß dem Kläger nach § 57 Nr. 2 b TVAL II ein Vorarbeiterzuschlag in Höhe von 1O v. H. seines Tabellenlohnes zustand, da er als Vorarbeiter i. S. § 57 Nr. 1 TVAL II anzusehen war. Damit sind folgende Vorschriften anzuwenden:
"1. Vorarbeiter sind Arbeiter,
die einem Meister oder einem anderen Aufsicht-
führenden unterstellt sind und eine Arbeitsgruppe
in fachlicher Hinsicht verantwortlich leiten, oder
die mit der fachlichen Leitung einer Arbeits-
gruppe in eigener Verantwortung beauftragt sind.
Zum Aufgabenbereich des Vorarbeiters gehören die
Arbeitszuweisung und die Aufsicht.
2. a) Der Vorarbeiter wird zumindest in diejenige
Lohngruppe eingruppiert, in der sich der
höchst eingruppierte Arbeiter der Arbeits-
gruppe befindet. Außerdem erhält er einen
Vorarbeiterzuschlag.
b) (1) Der Vorarbeiterzuschlag beträgt 1O v.H.
seines Tabellenlohnes (§ 16 Ziffer 1 a
(1) )."
Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, daß die Arbeitsgruppe, die der Vorarbeiter leite, aus mindestens zwei Arbeitern bestehen müsse. Vorliegend habe sie sogar aus drei Mitgliedern bestanden, da der Kläger zur Arbeitsgruppe gehört habe. Die Arbeitsgruppe sei vom Kläger auch in fachlicher Hinsicht verantwortlich geleitet worden. Ihm habe sowohl die Arbeitszuweisung als auch die Aufsicht oblegen. Es sei nicht erforderlich, daß der Vorarbeiter eine höhere fachliche Qualifikation als die Gruppenmitglieder habe oder diese bei der Ausführung ihrer Arbeit einer fachlichen Anleitung bedürften.
Diese Begründung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand. Zwar kann der Vorarbeiter selbst bei der Bestimmung der Mindestzahl der Mitglieder der Arbeitsgruppe nicht mitgerechnet werden, da es nach dem Wortlaut des Tarifvertrages gerade darauf ankommt, daß er die Arbeitsgruppe leitet. Der Tarifvertrag stellt damit auf die Anzahl der dem Vorarbeiter unterstellten Arbeiter ab. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht jedoch erkannt, daß eine solche Arbeitsgruppe nur aus zwei Arbeitern zu bestehen braucht.
Die Tarifvertragsparteien können allerdings - wie z. B. in § 3 Abs. 2 des Lohngruppenverzeichnisses zum MTL II und in § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 des Lohngruppenverzeichnisses zum MTB II - die Mindestzahl der Mitglieder der Arbeitsgruppe auf jeweils zwei ausdrücklich festlegen. Fehlt es jedoch, wie vorliegend, an einer derartigen ausdrücklichen Bestimmung oder sonstigen Anhaltspunkten zur Begriffsbestimmung im TVAL II und lassen sich zur Auslegung der Begriffe des TVAL II nach der Rechtsprechung des Senats auch nicht ohne weiteres die in anderen Tarifverträgen verwendeten Begriffe heranziehen (BAG Urteil vom 31. Oktober 1984 - 4 AZR 604/82 - AP Nr. 3 zu § 42 TVAL II), so ist nach den Grundsätzen der Tarifauslegung zunächst vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen (BAG Urteil vom 19. Juni 1963 - 4 AZR 125/62 - AP Nr. 116 zu § 1 TVG Auslegung). Danach ist unter einer Gruppe eine kleine Anzahl von Menschen zu verstehen (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch). Diese kann demnach nach der allgemeinen Wortbedeutung auch aus zwei Personen bestehen. Gleiches hat der Senat für eine "Gruppe von Handwerkern" i. S. der VergGr. VII Teil II Abschnitt Q der Anlage 1 a zum BAT angenommen (BAG Urteil vom 23. Januar 1985 - 4 AZR 547/83 - AP Nr. 1OO zu §§ 22, 23 BAT 1975). Soweit die Beklagte demgegenüber darauf verweist, daß im Bereich der amerikanischen Stationierungsstreitkräfte seit langem die Auffassung bestehe, daß die dem Vorarbeiter unterstellte Arbeitsgruppe aus mindestens drei Arbeitern bestehen müsse, so hat diese im Wortlaut des Tarifvertrages keinen erkennbaren Ausdruck gefunden.
Der Kläger, der einem Vorgesetzten unterstellt war, leitete nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, die von der Revision nicht angegriffen wurden, die Arbeitsgruppe in fachlicher Hinsicht verantwortlich. Zu seinem Aufgabenbereich gehörten die Arbeitszuweisung und die Aufsicht. Eine verantwortliche Leitung einer Arbeitsgruppe in fachlicher Hinsicht liegt vor, wenn der Vorarbeiter den Gruppenmitgliedern die Arbeit zuteilt, die Ausführung der Arbeit koordiniert und überwacht und gegenüber seinem Vorgesetzten nicht nur für die zeitgerechte Ausführung der Arbeit, sondern auch dafür einzustehen hat, daß die Arbeit in fachlicher Hinsicht ordnungsgemäß erledigt wird. Der Vorarbeiter ist damit für die Arbeitsleistung der gesamten Gruppe verantwortlich, d. h. er hat die Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, daß die zu erledigenden Arbeiten von der Arbeitsgruppe pünktlich und in fachlicher, handwerklicher Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführt werden. Seine Tätigkeit ist maßgeblich durch Leitungs-, Koordinierungs- und Überwachungsfunktionen gekennzeichnet. Diese Aufgaben sollen mit der Zahlung des Vorarbeiterzuschlags abgegolten werden (vgl. BAG Urteil vom 20. Juli 1983 - 4 AZR 23/81 - AP Nr. 1 zu § 9 MTL II; Urteil vom 10. Juni 197O - 4 AZR 341/69 - AP Nr. 1 und Urteil vom 11. Juni 198O - 4 AZR 437/78 - AP Nr. 6, jeweils zu § 9 MTB II; Urteil vom 22. Februar 1978 - 4 AZR 553/76 - AP Nr. 3 zu § 21 MTB II). Das traf hier für den Kläger zu.
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, übte er eine entsprechende Tätigkeit aus. Der Kläger erhielt von seinem Vorgesetzten einen Arbeitsauftrag, den er mit den zur Arbeitsgruppe gehörenden Bauschlossern auszuführen hatte. Er plante die Durchführung des Auftrags in zeitlicher Hinsicht, auch wenn der Vorgesetzte festlegen konnte, in welcher Reihenfolge mehrere dem Kläger erteilte Arbeitsaufträge durchgeführt werden sollten. Der Kläger bestimmte dann, welche Arbeit von welchem Gruppenmitglied auszuführen war. Er wies damit die Arbeit im Tarifsinne zu. Wenn die Beklagte demgegenüber darauf verweist, daß der Kläger die Arbeit nur "verteilt" habe, so ist dies, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausführt, sachlich kein Unterschied. Der Kläger überwachte ferner die Ausführung der Arbeit durch die Gruppenmitglieder in zeitlicher Hinsicht und prüfte die Ordnungsmäßigkeit der Ausführung der Arbeit in fachlicher Hinsicht. Für beide Bereiche hatte er gegenüber seinem Vorgesetzten, dem er die Beendigung der Arbeit zu melden hatte, einzustehen, d. h. er war ihm gegenüber verantwortlich. Damit leitete der Kläger eine Arbeitsgruppe in fachlicher Hinsicht verantwortlich.
Der Kläger bedurfte als Vorarbeiter, entgegen der Auffassung der Beklagten, auch keiner höheren fachlichen Qualifikation als die Mitglieder der Arbeitsgruppe, soweit sich diese durch die Lohngruppe, in die sie eingruppiert waren, bestimmen läßt. Dies folgt schon aus § 57 Nr. 2 a TVAL II, der bestimmt, daß der Vorarbeiter zumindest in diejenige Lohngruppe eingruppiert wird, in der sich der höchst eingruppierte Arbeiter der Arbeitsgruppe befindet. Außerdem sollen mit der Vorarbeiterzulage die Leitungs-, Koordinierungs- und Überwachungsfunktionen, die beim Vorarbeiter zusätzlich anfallen, abgegolten werden. Es kommt damit weder darauf an, ob der Vorarbeiter eine höhere Qualifikation hat als die Mitglieder der Arbeitsgruppe noch ob er die gleiche Qualifikation hat (BAG Urteil vom 2O. Juli 1983 - 4 AZR 23/81 - AP Nr. 1 zu § 9 MTL II). Es ist deshalb auch nicht erforderlich, daß der Vorarbeiter den Mitgliedern der Gruppe Weisungen über die fachliche Ausführung der zu verrichtenden Arbeit selbst erteilt. Seine wesentliche Aufgabe liegt vielmehr in der allgemeinen Aufsicht und der Koordinierung der Aufgaben der Gruppe (vgl. BAG Urteil vom 10. Juni 1970 - 4 AZR 341/69 - AP Nr. 1 zu § 9 MTB II). Diese Aufgabe war vom Kläger entgegen der Auffassung der Beklagten auch gegenüber selbständig arbeitenden, erfahrenen Fachkräften auszuüben.
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts oblagen dem Kläger nicht die Aufgaben eines Teamleaders i. S. der Sonderbestimmungen A für Arbeiter I Nr. 4 b zum TVAL II. Der Kläger wurde anders als ein Teamleader nicht im Rahmen eines vorgegebenen Einsatzplanes tätig, sondern stellte diesen für seine Arbeitsgruppe selbst auf. Außerdem oblag ihm auch die fachliche Aufsicht über die Arbeitsgruppe.
Der tarifliche Anspruch des Klägers auf Zahlung des Vorarbeiterzuschlags nach § 57 Nr. 2 b TVAL II bestand trotz des gerichtlichen Vergleichs vom 14. Januar 1982 über den 1. Februar 1982 hinaus. Zwar hat der Kläger in diesem Vergleich auf die Zahlung des Vorarbeiterzuschlags verzichtet und an seiner Stelle eine mit künftigen Tariflohnerhöhungen verrechenbare Besitzstandszulage vereinbart. Der Verzicht auf die Zahlung des Vorarbeiterzuschlags ist jedoch nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG rechtsunwirksam (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 339)
Die Revision war damit mit der Kostenfolge nach § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Hamm Dr. Kiefer
Fundstellen