Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung im Gebäudereinigerhandwerk
Leitsatz (redaktionell)
Ein Beschäftigter ist mit von ihm tatsächlich überwiegend ausgeübten Tätigkeiten allein in einer “Beschäftigungsart” bzw. in einem “Tätigkeitsbereich” oder “Arbeitsbereich” – dies sind nach der Terminologie des RTV 2003 Synonyme (vgl. § 7 Ziff. 2) – der Gebäudereinigung in Lohngruppe 7 einzugruppieren, wenn für den Tätigkeitsbereich die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden.
Normenkette
TVG § 1 Auslegung; Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 4. Oktober 2003 (RTV 2003) § 7
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 24. November 2005 – 18 Sa 1529/05 – aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die tarifgerechte Entlohnung des Klägers.
Der Kläger hat bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der G… & Co. KG, in der Zeit vom 1. April 1959 bis 31. März 1962 den Beruf des Gebäudereinigers erlernt und am 11. April 1962 erfolgreich mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Im Anschluss daran wurde er von der Rechtsvorgängerin der Beklagten in seinem Beruf weiterbeschäftigt. Die Beklagte, seit einem von den Parteien nicht vorgetragenen Zeitpunkt Arbeitgeberin des Klägers, befasst sich mit Hauswartdienstleistungen einschließlich der Aufgangsreinigung und der Reinigung der Verkehrsflächen sowie der Außenanlagen. Für das Arbeitsverhältnis gelten die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Gebäudereinigung. Dies war bis zum 31. März 2004 ua. der Rahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Gebäudereiniger-Handwerk Berlin vom 12. November 2002 (RTV Berlin 2002). Der RTV Berlin 2002 wurde mit Wirkung vom 1. April 2004 durch den (allgemeinverbindlichen) Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung vom 4. Oktober 2003 (RTV 2003) abgelöst, dessen Regelungen zur Eingruppierung der Beschäftigten grundlegend von denjenigen des RTV Berlin 2002 abweichen und keine Übergangsregelung enthalten.
Bis zum 31. März 2004 erhielt der Kläger, der Betriebsratsmitglied ist, den Gebäudereiniger-Gesellen-Ecklohn für den Tätigkeitsbereich (1) – Gebäudereinigung, Glasreinigung und Gebäude-Außenreinigung (§ 21 Ziff. 1 RTV Berlin 2002) in Höhe von zuletzt 11,28 Euro brutto pro Stunde. Unter dem 6. April 2004 wandte sich die Beklagte wegen der von ihr beabsichtigten Umgruppierung des Klägers als Folge der Tarifänderung vom 1. April 2004 an den bei ihr gebildeten Betriebsrat und bat diesen um Stellungnahme zur beabsichtigten Umgruppierung des Klägers in die neue Lohngr. 6 RTV 2003. Für die von ihr beabsichtigte Umgruppierung führte sie folgende “Kurzbegründung” an:
“Aufgrund des zum 01.04.2004 geltenden Tarifvertrages und der tatsächlich ausgeübten Arbeitsaufgabe in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung (vgl. beiliegende Übersicht der Arbeitsablauforganisation) hat der Arbeitnehmer, ungeachtet vorhandener Qualifikation, nur Anspruch auf Lohn nach erbrachter Leistung.
In der Glasabteilung werden keine Reinigungsarbeiten ausgeführt, die zwingend eine dreijährige Berufsausbildung erfordern.”
Unter dem 23. April 2004 stimmte der Betriebsrat der Umgruppierung des Klägers zu. Dementsprechend vergütet die Beklagte den Kläger ab 1. April 2004 mit dem Lohn der Lohngr. 6 RTV 2003 in Höhe von 10,18 Euro brutto in der Stunde.
Der Kläger nimmt die Beklagte für die Zeit ab 1. Juni 2004 auf Zahlung von Lohn nach Lohngr. 7 in Anspruch. Mit seiner Zahlungsklage erstrebt er deren Verurteilung zur Zahlung der Vergütungsdifferenz zur gezahlten Vergütung bis Dezember 2004 in rechnerisch unstreitiger Höhe von 778,36 Euro sowie für die Zeit ab 1. Januar 2005 die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihn nach Lohngr. 7 RTV 2003 zu entlohnen.
Der Kläger hat vorgetragen, er erfülle die Voraussetzungen der Eingruppierung in die Lohngr. 7, da diese vor dem Hintergrund der Änderung der Handwerksordnung dahin auszulegen sei, dass zumindest diejenigen, die einen entsprechenden Abschluss in der Gebäudereinigung hätten, von dieser Lohngruppe erfasst würden, auch wenn sie jeweils nur in Teilbereichen tätig seien. Dies folge auch aus § 7 Ziff. 6 RTV 2003, in der festgelegt sei, dass nach erfolgreicher Gesellenprüfung Lohn nach Lohngr. 7 zu zahlen sei. Es sei der ausdrückliche Wille der Tarifvertragsparteien gewesen, dass Arbeitnehmer, die zum Zeitpunkt des Tarifabschlusses den “Ecklohn A…” erhalten hätten, in Lohngr. 7 des neuen Tarifvertrags überführt würden, also Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung unabhängig vom Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in Lohngr. 7 einzugruppieren seien. Ab 1. Januar 2004 werde er in einer Kolonne eingesetzt, die nicht nur Glasreinigungs-, sondern auch Fassaden-, Gebäudeinnenwand-, Edelstahlverkleidungs- und Lampenreinigungsarbeiten ausführe sowie mit der Reinigung und dem Einpflegen von Aufzügen befasst sei. Bei der Glas- und Außenreinigung handele es sich um Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich seien, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt würden. Dies ergebe sich aus der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger sowie dem dazugehörigen Ausbildungsrahmenplan.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab 1. Januar 2005 Vergütung nach Lohngr. 7 des Rahmentarifvertrags für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung, gültig ab 1. April 2004, zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 778,36 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 77,22 Euro seit dem 4. August 2004 und auf weitere 701,14 Euro seit dem 22. Januar 2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, nach dem RTV 2003 bestimme sich die Eingruppierung des Beschäftigten allein nach der von ihm überwiegend tatsächlich ausgeübten Tätigkeit. Die Regelung in § 7 Ziff. 6 RTV 2003 sei eine Ausnahmeregelung für den kurzen Übergangszeitraum am Ende der Berufsausbildung nach bestandener Prüfung. Der Kläger sei zutreffend in Lohngr. 6 eingruppiert, da er ausschließlich in der Glas- und Außenreinigung eingesetzt sei, die lediglich einen Teilbereich des Tätigkeitsspektrums des Gebäudereinigers darstelle und für die eine dreijährige Berufsausbildung nicht erforderlich sei. Bis Oktober 2004 sei der Kläger innerhalb der Glasabteilung im sog. Tourenbereich tätig gewesen und habe schwerpunktmäßig Schaufenster gereinigt. Danach sei er einer Arbeitsgruppe zugeordnet worden, die ebenfalls Glasreinigungsarbeiten verrichte.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. Entgegen seiner Auffassung ist die Lohngr. 7 des RTV 2003 nicht allein dem auf allen Tätigkeitsbereichen des Gebäudereinigerhandwerks eingesetzten Beschäftigten (sog. Allrounder) vorbehalten. Da die Sache unter Zugrundelegung der zutreffenden Tarifauslegung nicht entscheidungsreif ist, war sie gem. § 563 Abs. 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
I. Als einzige Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren kommt § 7 Ziff. 3 RTV 2003 in Betracht.
1. Für die Parteien gelten, wovon diese auch übereinstimmend ausgehen, gem. § 5 Abs. 4 TVG unmittelbar und zwingend (vgl. § 4 Abs. 1 TVG) die Normen des RTV 2003, da dieser ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens am 1. April 2004 für allgemeinverbindlich erklärt worden ist.
2. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es vorrangig auf § 7 RTV 2003 an. Soweit für die Entscheidung des Rechtsstreits von Interesse lautet dieser:
Ҥ 7
Lohn und Eingruppierung
…
3. Lohngruppen
3.1 Eingruppierungsgrundsätze
3.1.1 Der/die Beschäftigte werden aufgrund ihrer überwiegenden Tätigkeit in eine Lohngruppe dieses Tarifvertrages eingruppiert. Für die Eingruppierung ist ausschließlich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend.
…
3.2 Lohngruppen
Lohngruppe 1
Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten
Lohngruppe 2
OP-, Isolier-, Intensiv-Räume, sowie TBC-Krankenstationen, Isotopenlabors (Qualifizierte Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten)
Lohngruppe 3
Innen- und Unterhaltsreinigungsarbeiten, die eine zusätzliche, anerkannte Qualifizierung erfordern (Desinfektor/in, Schädlingsbekämpfer/in, Strahlenschutz-, Gift- und Umweltschutz- Beauftragte/r)
Lohngruppe 4
Bauschlussreinigungsarbeiten und Vorarbeiter/innen* in der Innen- und Unterhaltsreinigung
Lohngruppe 5
Hilfsarbeiten in der Glas- und Außenreinigung
Lohngruppe 6
Reinigungsarbeiten in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung
Lohngruppe 7
Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden
Lohngruppe 8
Geselle/Gesellin mit Ausbildereignungsprüfung, dem/der die Verantwortung für die Lehrlingsausbildung übertragen worden ist
Lohngruppe 9
Fachvorarbeiter/in* in der Glas- und Außenreinigung
4. Lohn jugendlicher Beschäftigter
Beschäftigte ohne abgeschlossene Ausbildungszeit erhalten bis zum vollendeten 18. Lebensjahr 70 v. H. des Tarifstundenlohnes gemäß Eingruppierung § 7 Ziff. 3.2.
5. Ausbildungsvergütungen
Die Ausbildungsvergütungen werden im Lohntarifvertrag geregelt.
6. Lohn vor und nach abgeschlossener Ausbildung
6.1 Beschäftigte, deren Ausbildungszeit abgelaufen ist und die aus Gründen, die sie nicht zu vertreten haben, noch keine Gesellenprüfung ablegen konnten, haben Anspruch auf 95 % des Lohnes der Lohngruppe 7. Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Lohn und dem Lohn der Lohngruppe 7 ist ihnen nach bestandener Gesellenprüfung vom Ablauf der Ausbildungsvertragszeit an nachzuzahlen.
6.2 Wird die Gesellenprüfung erfolgreich vor Ablauf des Ausbildungsverhältnisses abgelegt, so ist der Lohn der Lohngruppe 7 vom Tage der Gesellenprüfung an zu zahlen.
…
* Das sind Beschäftigte, die vom Arbeitgeber schriftlich zum/zur Fachvor- bzw. Vorarbeiter/in ernannt worden sind.”
3. Das Landesarbeitsgericht hat – kurz zusammengefasst – ausgeführt, für die Eingruppierung des Beschäftigten nach dem RTV 2003 komme es nach dem klaren Tarifwortlaut auf die tatsächlich überwiegend ausgeübte Tätigkeit des Beschäftigten an. Dies gelte entgegen der Auffassung des Klägers auch für die Eingruppierung in Lohngr. 7. Diese sei dem sog. Allrounder vorbehalten, also dem Beschäftigten mit Tätigkeiten, die überwiegend das gesamte Spektrum der Gebäudereinigungstätigkeiten abdecken. Da der Kläger unstreitig jedenfalls nicht Tätigkeiten der Bauschlussreinigung ausübe, sei er nicht in Lohngr. 7 eingruppiert.
4. Diese Auslegung ist rechtsfehlerhaft. Es ist ausreichend, wenn der Beschäftigte Tätigkeiten, für die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung benötigt wird, in nur einem Tätigkeitsbereich/Arbeitsbereich der Gebäudereinigung ausübt. Deren Ausübung auf allen Feldern des Gebäudereinigerberufs – sog. “Allroundereinsatz” – ist in dem Eingruppierungsmerkmal nicht gefordert.
a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 26. Januar 2005 – 4 AZR 6/04 – BAGE 113, 291, 299 mwN).
b) Aus Wortlaut, Gesamtzusammenhang und Tarifgeschichte als den vorrangig für die Tarifauslegung maßgeblichen Kriterien folgt, dass ein Beschäftigter in Lohngr. 7 eingruppiert ist, wenn er tatsächlich überwiegend Tätigkeiten ausübt, die Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern, für die eine dreijährige Berufsausbildung benötigt wird; dabei genügt es, wenn sich seine Tätigkeiten auf einen Tätigkeitsbereich der Gebäudereinigung, wie etwa den der Glasreinigung, beschränken.
aa) Das Tätigkeitsmerkmal der Lohngr. 7 erfordert zunächst nicht, dass der Beschäftigte für die Eingruppierung in diese Lohngruppe über eine erfolgreich abgeschlossene Ausbildung zum Gebäudereiniger/zur Gebäudereinigerin verfügen muss. Das folgt schon aus dem Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals der Lohngr. 7 selbst. Dieses stellt nicht auf die Anforderung der abgeschlossenen Berufsausbildung als Gebäudereiniger ab, sondern fordert die Ausübung von Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden. Demgegenüber erfordert die Eingruppierung in Lohngr. 8 die abgeschlossene Berufsausbildung. Denn dort ist die Anforderung “Geselle/Gesellin” (mit Ausbildereignungsprüfung) aufgestellt. Die Tarifgeschichte bestätigt die Entbehrlichkeit der abgeschlossenen Berufsausbildung für Lohngr. 7. Denn der durch den RTV 2003 abgelöste Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereinigerhandwerk für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Landes Berlin vom 16. August 2000 (RTV 2000) stellte in § 7 Ziff. 3 für den Anspruch auf den Ecklohn des Facharbeiters/der Facharbeiterin im Tätigkeitsbereich (1) – Glasreinigung und Gebäude-Außenreinigung folgende Voraussetzungen auf: “Das sind Beschäftigte mit abgeschlossener Berufsausbildung und Beschäftigte, die erfolgreich die Gesellenprüfung abgelegt haben und in allen Fachbereichen des Gebäudereiniger-Handwerks eingesetzt werden können.” Eine entsprechende Regelung enthielt § 22 Ziff. 1.1 RTV Berlin 2002. Die formale Qualifikation ist aber nicht mehr Anknüpfungspunkt für die Eingruppierung in die Lohngr. 7 nach dem RTV 2003. Auch der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks, Bonn, führt in einem Schreiben an die Gebäudereiniger Innung Düsseldorf vom 18. Mai 2005 zur Lohngr. 7 aus: “Die neuen Eingruppierungs- und Entlohnungsgrundsätze lassen es im Gegensatz zu früher nun auch zu, besonders qualifizierten Mitarbeitern, die durch erhebliche Erfahrung überwiegend mit Tätigkeiten befasst sind, für die an sich eine dreijährige Ausbildung erforderlich ist, diese aber nicht besitzen, dort einzugruppieren und zu entlohnen.” Die Beklagte macht ebenfalls nicht geltend, die Eingruppierung in Lohngr. 7 setze die erfolgreiche Ablegung der Gesellenprüfung nach erforderlicher mindestens dreijähriger Berufsausbildung voraus.
bb) Andererseits ist ein Beschäftigter entgegen der Auffassung des Klägers nicht – unabhängig von der Art der von ihm überwiegend ausgeübten Tätigkeit – bereits dann in Lohngr. 7 eingruppiert, wenn er über eine abgeschlossene mindestens dreijährige Ausbildung zum Gebäudereiniger verfügt. Dies folgt aus dem klaren Wortlaut des § 7 Ziff. 3.1.1 Satz 2 RTV 2003: “Für die Eingruppierung ist ausschließlich die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit maßgebend.” Das Tarifrecht der Gebäudereinigung hat mit dieser Regelung eindeutig Abschied von der Bezahlung allein nach der formalen Qualifikation des Gebäudereinigergesellen genommen, wie sie noch der RTV 2000 vorsah. Die Tarifauslegung, es komme für die Eingruppierung in Lohngr. 7 nach wie vor allein auf die formale Qualifikation als Gebäudereinigergeselle an, wird auch nicht durch die Regelung in § 7 Ziff. 6 “Lohn vor und nach abgeschlossener Ausbildung” gestützt. Dabei handelt es sich um eine Sonderregelung der Vergütung für den Zeitraum des Wechsels des Auszubildenden zum Gebäudereiniger aus dem Ausbildungsverhältnis in das Arbeitsverhältnis. Diese Sonderregelung war auch schon gleichlautend in § 7 Ziff. 7 RTV 2000 und mit davon leicht abweichendem Inhalt in § 26 RTV Berlin 2002 enthalten. Die Systematik des § 7 RTV 2003 weist aus, dass es sich bei der Bestimmung des § 7 Ziff. 6 nach dem Verständnis der Tarifvertragsparteien nicht um eine Eingruppierungsregelung handelt. Mit der Eingruppierung in die Lohngruppen des RTV 2003 befasst sich allein und abschließend § 7 Ziff. 3. In Ziff. 3.1 sind die Eingruppierungsgrundsätze des RTV 2003, in Ziff. 3.2 die Tätigkeitsmerkmale der insgesamt neun Lohngruppen geregelt. Die Bestimmungen der nachfolgenden Ziff. 4 bis 8 des § 7 befassen sich demgegenüber nicht mit der Eingruppierung des Beschäftigten. Insbesondere in § 7 Ziff. 6 RTV 2003 ist nicht bestimmt, dass die dort aufgeführten Beschäftigten in Lohngr. 7 “eingruppiert” werden müssen.
cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Beschäftigter mit von ihm tatsächlich überwiegend ausgeübten Tätigkeiten allein in einer “Beschäftigungsart” bzw. in einem “Tätigkeitsbereich” oder “Arbeitsbereich” – dies sind nach der Terminologie des RTV 2003 Synonyme (vgl. § 7 Ziff. 2) – der Gebäudereinigung in Lohngr. 7 einzugruppieren, wenn für den Tätigkeitsbereich die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt werden. Die Eingruppierung in Lohngr. 7 setzt also nicht die tatsächliche Ausübung der Facharbeitertätigkeit als Gebäudereinigergeselle in allen Tätigkeitsbereichen der Gebäudereinigung, wie sie in § 1 II RTV 2003 aufgeführt sind, voraus. Die Lohngr. 7 ist damit nicht dem sog. “Allrounder” vorbehalten, wie die umfassend in allen Tätigkeitsbereichen der Gebäudereinigung eingesetzten Beschäftigten mit Gesellentätigkeit im Eingruppierungsrecht der Branche kurz bezeichnet werden.
(1) Mit Recht macht die Beklagte geltend, dass es für die Eingruppierung in Lohngr. 7 nicht ausreicht, wenn ein Beschäftigter zwar Kenntnisse und Fertigkeiten benötigt, die zwar in einer mindestens dreijährigen Berufsausbildung auch vermittelt werden, das volle Qualifikationsniveau des Ausbildungsberufs durch diese Tätigkeit dem Beschäftigten aber nicht abgefordert wird. Nimmt man den Text des Tätigkeitsmerkmals der Lohngr. 7 wörtlich, würden bereits die für eine Tätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten, die in den ersten sechs Monaten der Berufsausbildung vermittelt werden, also Anfängerkenntnisse des Berufs, für die Eingruppierung in Lohngr. 7 ausreichen, sofern sie für die ausgeübte Tätigkeit erforderlich sind. Denn auch dies sind Kenntnisse und Fertigkeiten, “die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden”. Gleichwohl ist klar, was die Tarifvertragsparteien bestimmen wollten, nämlich dass die Eingruppierung in die Lohngr. 7 die Ausübung von Tätigkeiten voraussetzt, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, für deren Erwerb eine mindestens dreijährige Berufsausbildung “benötigt wird”. Das Tätigkeitsmerkmal hätte auch nach dem Vorbild zahlreicher in der Vergütungsordnung zum BAT enthaltener Eingruppierungsmerkmale dahin gefasst werden können: “Gebäudereinigergesellen mit abgeschlossener dreijähriger Berufsausbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die auf Grund gleichwertiger Kenntnisse und Fertigkeiten entsprechende Tätigkeiten ausüben”.
(2) Es ist aber ausreichend, wenn der Beschäftigte die Tätigkeit, die derjenigen eines Gebäudereinigergesellens mit dreijähriger Ausbildung entspricht, nur in einem “Tätigkeitsbereich” iSv. § 7 Ziff. 2 RTV 2003, also auf einem Teilgebiet der Gebäudereinigung ausübt.
(aa) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des Tätigkeitsmerkmals. Darin wird nicht die Anforderung aufgestellt, dass für die Tätigkeit der Lohngr. 7 “alle” oder “sämtliche” Kenntnisse und Fertigkeiten gefordert werden, “die durch eine mindestens dreijährige Berufsausbildung vermittelt werden”. Eine solche Auslegung würde auch nicht zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führen. “Der Aufgabenbereich des Gebäudereinigers ist außerordentlich vielseitig” (so die Blätter zur Berufskunde 1-XI B 201 Gebäudereiniger/Gebäudereinigerin Stand: April 2000 unter 1.1 Aufgaben). Nach der Regelung des betrieblichen Geltungsbereichs in § 1 II RTV 2003 sind der Gebäudereinigung im Sinne des Tarifvertrags die folgenden Tätigkeiten zuzurechnen:
“…
1. Reinigung, pflegende und schützende Nachbehandlung von Außenbauteilen an Bauwerken aller Art,
2. Reinigung, pflegende und schützende Behandlung von Innenbauteilen an Bauwerken aller Art, Gebäudeeinrichtungen, haustechnischen Anlagen sowie von Raumausstattungen und Verglasungen,
3. Reinigung und Pflege von maschinellen Einrichtungen sowie Beseitigung von Produktionsrückständen,
4. Reinigung und Pflege von Verkehrsmitteln, von Verkehrsanlagen und -einrichtungen sowie von Beleuchtungsanlagen,
5. Reinigung von Verkehrs- und Freiflächen einschließlich der Durchführung des Winterdienstes,
6. Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen,
7. Durchführung von Desinfektions- und Schädlingsbekämpfungsmaßnahmen sowie von Arbeiten der Raumhygiene.
…”
Müsste der Beschäftigte in der Gebäudereinigung für die Eingruppierung in Lohngr. 7 – bei Erfüllung der sonstigen dort genannten Voraussetzungen – “Allrounder” sein, also tatsächlich Tätigkeiten eines Gebäudereinigergesellen auf allen Tätigkeitsbereichen des Berufs ausüben, könnte zB ein Gebäudereinigergeselle in einem Betrieb, der sich nicht mit der Durchführung von Dekontaminationsmaßnahmen befasst, nicht in Lohngr. 7 eingruppiert werden. Denn dies ist gem. § 1 II Ziff. 6 RTV 2003 eine der Gebäudereinigung zuzurechnende Tätigkeit. In kleinen, nicht in allen Tätigkeitsbereichen der Branche arbeitenden Unternehmen gäbe es daher nicht den tariflichen Anspruch auf Eingruppierung in die Lohngr. 7. In Großunternehmen mit Spezialisierung des Personals für bestimmte Tätigkeitsbereiche des Berufs wiederum würde die Eingruppierung des Gebäudereinigergesellen mit einer seinem Ausbildungsberuf entsprechenden Tätigkeit in Lohngr. 7 bei dieser Tarifauslegung daran scheitern, dass er nicht als Allrounder eingesetzt ist. Die Lohngr. 7 RTV 2003 wäre daher qualifikationsgemäß eingesetzten Gebäudereinigergesellen nur in einer geringen Anzahl von Fällen eröffnet.
(bb) Zudem wäre es bei Beschäftigten, die Gesellenarbeit in der Glas- und Außenreinigung ausüben, widersinnig, für deren Eingruppierung in Lohngr. 7 zu fordern, dass sie auch in allen anderen Tätigkeitsbereichen ihres Berufs dessen Anforderungen entsprechend tatsächlich tätig sein müssen. Denn die Lohngruppenregelung in § 7 Ziff. 3.2 RTV 2003 weist aus, dass die Tarifvertragsparteien Tätigkeiten in der Glas- und Außenreinigung eingruppierungsrechtlich am höchsten bewerten. Allein für diese Tätigkeitsbereiche, soweit in diesen Hilfsarbeiten oder Reinigungsarbeiten in deren fachlichen Teilbereichen ausgeübt werden, haben sie die Eingruppierung in die Lohngr. 5 bzw. 6 eröffnet, während derartige Tätigkeiten in den anderen Tätigkeitsbereichen nur eine niedrigere Eingruppierung begründen können. Dieses Bewertungsverhältnis gilt auch für die Facharbeiterebene. Denn allein dem Facharbeiter in der Glas- und Außenreinigung ist die Eingruppierung in Lohngr. 9 eröffnet. Es macht daher keinen Sinn, für die Eingruppierung eines Gesellenarbeit ausübenden Beschäftigten in Lohngr. 7 zu fordern, dass dieser nicht nur in der von den Tarifvertragsparteien in der Lohngruppensystematik am höchsten bewerteten Glas- und Außenreinigung arbeitet, sondern auch in Tätigkeitsbereichen, welche die Tarifvertragsparteien – zT deutlich – geringer bewerten.
(3) Glas- und Außenreinigung im Sinne des § 7 Ziff. 2 RTV 2003 und damit der Tätigkeitsmerkmale des § 7 Ziff. 3.2 RTV 2003 sind jedoch nicht ein einheitlicher Tätigkeitsbereich, sondern zwei verschiedene Tätigkeitsbereiche. Denn die “Reinigung, pflegende und schützende Nachbehandlung von Außenbauteilen an Bauwerken aller Art” sind in der Bestimmung der “der Gebäudereinigung zuzurechnenden Tätigkeiten” in § 1 II RTV 2003 als Ziff. 1 aufgeführt. Dazu zählen nicht Glasflächen an Außenbauteilen, was sich daraus ergibt, dass in der Tätigkeitsbereichsregelung des § 1 II Ziff. 2 RTV 2003 neben den “Innenbauteilen an Bauwerken aller Art” als Gegenstand der Reinigung sowie pflegenden und schützenden Behandlung ausdrücklich “Verglasungen” genannt sind. Dies wäre nicht erforderlich, wenn Verglasungen an Innenbauteilen bereits von dem Tarifbegriff der “Innenbauteile” erfasst wäre. Für denjenigen der “Außenbauteile” kann daher nichts anderes gelten. Diese Regelung verbietet es, Glasreinigungsarbeiten als Bestandteil eines einheitlichen Tätigkeitsbereichs “Glas- und Außenreinigung” zu verstehen. Die tarifliche Differenzierung zwischen dem Tätigkeitsbereich der Glasreinigung einerseits und dem der Außenreinigung andererseits entspricht dem Zuschnitt der Lernfelder der Berufsausbildung zum Gebäudereiniger. Dort wird das “Reinigen von Glasflächen” als eigenständiges Lernfeld Nr. 3 aufgeführt. Als eigenständiges Lernfeld Nr. 8 wird das “Behandeln von Fassaden” genannt; in der Darstellung der Inhalte dieses Lernfeldes ist die Glasreinigung nicht aufgeführt (Rahmenlehrplan zu der Verordnung über die Berufsausbildung zum Gebäudereiniger/zur Gebäudereinigerin Teil V: Lernfelder). Daher genügt es für die Eingruppierung in die Lohngr. 7, wenn der Beschäftigte in einem der hier behandelten Tätigkeitsbereiche die Tätigkeit eines Gebäudereinigergesellen ausübt.
(4) Der allein in einem Tätigkeitsbereich der Gebäudereinigung arbeitende Beschäftigte ist nur dann in Lohngr. 7 einzugruppieren, wenn er für diese Beschäftigungsart die Kenntnisse und Fertigkeiten in der vollen Breite und Tiefe des Ausbildungsberufs des Gebäudereinigerhandwerks benötigt. Dies ist für die Eingruppierung in die Lohngr. 6 nicht gefordert. Denn der Beschäftigte muss für die Eingruppierung in diese Lohngruppe nicht alle Tätigkeiten “der Glas- und Außenreinigung” ausführen. Dies könnte dann tariflich gefordert sein, wenn das Tätigkeitsmerkmal lauten würde: Reinigungsarbeiten in “den” fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung; das Ganze wäre bei diesem Wortlaut das gesamte Spektrum des Gebäudereinigerhandwerks. Wäre dies gemeint gewesen, hätten die Tarifvertragsparteien im Sinne ihrer eigenen Begriffsbestimmung in § 7 Ziff. 2 RTV 2003 zudem statt des Begriffs “Teilbereich” den Begriff “Tätigkeitsbereich” oder den einer der dort genannten Synonyme verwenden müssen. Hingegen sind bei der Fassung “in fachlichen Teilbereichen der Glas- und Außenreinigung” die genannten Tätigkeitsbereiche “Glas- und Außenreinigung” – jeweils – das Ganze, welches durch die Tätigkeit des Beschäftigten für die Eingruppierung in Lohngr. 6 nicht in vollem Umfange ausgefüllt werden muss. Das ist für die Eingruppierung in Lohngr. 7 nicht mehr ausreichend.
II. Ob der Kläger nach Maßgabe dieser Tarifauslegung mit der von ihm tatsächlich überwiegend ausgeübten Tätigkeit die Anforderungen der Lohngr. 7 erfüllt, kann der Senat auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Insoweit bedarf es der weiteren Sachaufklärung durch das Landesarbeitsgericht, so dass die Sache an dieses zurückzuverweisen war.
Es bedarf zunächst der Klärung, welche Tätigkeiten der Kläger im streitigen Anspruchszeitraum ausgeübt hat. Zudem obliegt es dem Kläger, näher darzulegen, dass diese die Anforderungen der Lohngr. 7 erfüllen. Der Umstand, dass bereits das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, die Lohngr. 7 sei allein dem sog. Allrounder vorbehalten, könnte den Blick des Klägers darauf verstellt haben, dass er nicht nur diese – fehlerhafte – Tarifauslegung bekämpfen muss, sondern auch die Erfüllung der Anforderungen der Lohngr. 7 auf den Teilgebieten des Berufs, auf denen er arbeitet, darlegen und beweisen muss. Letzteres gilt auch für die Anforderung des Überwiegens der der Lohngr. 7 entsprechenden Tätigkeit. Insoweit verweist der Senat auf seine ebenfalls am 9. Mai 2007 ergangene Entscheidung in der Sache – 4 AZR 757/06 –, in der der Senat dargelegt hat, nach welchen Grundsätzen sich die Erfüllung der Voraussetzung der “überwiegenden” Tätigkeit iSv. § 7 Ziff. 3.1.1 Satz 1 RTV 2003 richtet.
Unterschriften
Bepler, Wolter, Bott, Hannig, Grimm
Fundstellen