Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsgeld, Mutterschaftsurlaub
Orientierungssatz
Zum Anspruch auf Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.3.1988 in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr 2 vom 21.5.1980 bei Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub und Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Ablauf des Mutterschaftsurlaubs.
Normenkette
TVG § 1; MuSchG §§ 13-14
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin war seit 1. Januar 1979 bei dem beklagten Land als Verwaltungsangestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis waren der Bundes-Angestelltentarifvertrag und der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte in der Fassung des Änderungstarifvertrages Nr. 2 vom 21. Mai 1980 (UrlGTV) anzuwenden.
§ 1 UrlGTV lautet :
"Anspruchsvoraussetzungen
(1) Der Angestellte erhält in jedem Kalenderjahr ein
Urlaubsgeld, wenn er
1. am 1. Juli im Arbeitsverhältnis steht und
2. seit dem 1. Juli des Vorjahres ununterbrochen
als Angestellter, Arbeiter, Beamter, Richter,
Soldat auf Zeit, Berufssoldat, Auszubildender,
Medizinalassistent, Praktikant, Lernschwester,
Lernpfleger oder Schülerin (Schüler) in der Kranken-
pflegehilfe im öffentlichen Dienst gestanden hat und
3. mindestens für einen Teil des Monats Juli Anspruch
auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge
hat.
Ist die Voraussetzung des Unterabsatzes 1 Nr. 3 nur
wegen Ablaufs der Bezugsfristen für die Krankenbezüge
oder wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld nicht
erfüllt, genügt es, wenn ein Anspruch auf Bezüge für
mindestens drei volle Kalendermonate des ersten Kalender-
halbjahres bestanden hat.
Ist nur wegen des Bezuges von Mutterschaftsgeld auch die
Voraussetzung des Unterabsatzes 2 nicht erfüllt, ist
dies unschädlich, wenn die Angestellte in unmittel-
barem Anschluß an den Ablauf der Schutzfristen bzw.
an den Mutterschaftsurlaub nach dem Mutterschutzgesetz
die Arbeit wieder aufnimmt.
(2) ..."
Die Klägerin hat am 22. Februar 1983 ein Kind geboren. Vom 2. Januar 1983 bis 22. April 1983 hat sie wegen der Mutterschutzfristen nicht gearbeitet. In dieser Zeit erhielt sie Mutterschaftsgeld und den Zuschuß des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld. Im Anschluß an die Mutterschutzfrist hatte die Klägerin bis zum 21. August 1983 Mutterschaftsurlaub. An diesem Tage endete das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Klägerin.
Mit ihrer Klage hat die Klägerin u.a. Urlaubsgeld für 1983 begehrt.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 300,-- DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht für das Jahr 1983 kein Urlaubsgeld zu.
1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß die Klägerin keinen Anspruch nach § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 UrlGTV hat, weil sie im Juli 1983 keinen Anspruch auf Vergütung, Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge hatte.
Die Klägerin hatte im Monat Juli 1983 Mutterschaftsurlaub und erhielt Mutterschaftsgeld nach § 13 MuSchG i. V. mit § 8 a MuSchG. Das Mutterschaftsgeld ist keine Vergütung i.S. von § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 UrlGTV. Während des Mutterschaftsurlaubs ist die Arbeitnehmerin von ihrer Arbeitspflicht freigestellt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, das Arbeitsentgelt fortzuzahlen.
2. Dem Landesarbeitsgericht ist zuzustimmen, daß die in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 UrlGTV enthaltene Ausnahmeregelung keinen Anspruch für die Klägerin begründet, weil sie keinen Anspruch auf Bezüge für mindestens drei volle Kalendermonate des ersten Kalenderhalbjahres hatte.
Die Klägerin hat vom 2. Januar 1983 bis 22. April 1983 während der Mutterschutzfristen nur Mutterschaftsgeld nach § 13 MuSchG und den Zuschuß des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG erhalten. Diese Leistungen sind nicht Bezüge i. S. des § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 UrlGTV. Hierzu zählen nur die Vergütung, die Urlaubsvergütung oder Krankenbezüge. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Nr. 3 UrlGTV, in der diese Ansprüche im einzelnen aufgezählt sind. Mit der Sammelbezeichnung Bezüge in § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 UrlGTV werden die zuvor genannten Ansprüche zusammengefaßt. Zutreffend hat bereits das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, daß hierdurch nicht weitere Leistungen des Arbeitgebers hinzugefügt worden sind (vgl. Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, Bd. III Teil VI - Erläuterungen zu den Urlaubsgeldtarifverträgen Rz 3 - S. 347 -, Stand: Februar 1987; vgl. auch BAGE 40, 221 = AP Nr. 114 zu § 611 BGB Gratifikation). Im übrigen ist dies für das Mutterschaftsgeld in § 1 Abs. 1 Unterabs. 3 UrlGTV noch einmal ausdrücklich klargestellt. Aus dieser Bestimmung folgt, daß bei Bezug von Mutterschaftsgeld der Anspruch nach der vorangehenden Regelung des § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 UrlGTV gerade nicht entstehen kann.
Der Hinweis der Revision auf den Wortlaut von § 36 BAT kann ein anderes Ergebnis nicht rechtfertigen. Zwar wird auch dort die Bezeichnung Bezüge gebraucht. Die Revision übersieht aber, daß kein Anhaltspunkt ersichtlich ist, der die Auslegung von § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 UrlGTV aus jener Bestimmung nahelegt. Zu Recht hat die Beklagte der Auffassung der Revision entgegengehalten, daß § 1 Abs. 1 Unterabs. 2 UrlGTV eine gegenüber § 36 BAT speziellere Regelung enthält.
3. Schließlich rechtfertigt auch § 1 Abs. 1 Unterabs. 3 UrlGTV den Anspruch der Klägerin nicht, da sie in unmittelbarem Anschluß an den Mutterschaftsurlaub die Arbeit nicht wieder aufgenommen, sondern das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Mutterschaftsurlaubs durch eigene Kündigung beendet hat.
4. Die Regelung des § 1 Abs. 1 UrlGTV ist entgegen der Auffassung der Revision nicht unwirksam.
Das tarifliche Urlaubsgeld ist eine zusätzliche Leistung, die zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt hinzutritt. Den Tarifvertragsparteien steht es frei zu bestimmen, für welchen Personenkreis ein Anspruch auf Urlaubsgeld entstehen soll. Eine Verpflichtung der Tarifvertragsparteien, auch den Mutterschaftsurlaub mit den Tatbeständen gleichzubehandeln, für die das Urlaubsgeld gezahlt wird, besteht nicht. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Urlaubsgeld beim Schwerbehindertenurlaub. So hat der Senat entschieden (BAGE 52, 301, 304 = AP Nr. 7 zu § 44 SchwbG, zu 2 der Gründe), daß es einer ausdrücklichen Regelung bedarf, um für den dem Schwerbehinderten zusätzlich zu gewährenden Urlaub einen Anspruch auf Zahlung eines tariflichen Urlaubsgeldes zu begründen.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, § 1 Abs. 1 UrlGTV verstoße gegen zwingende Schutzbestimmungen des Mutterschutzgesetzes. Die Klägerin hat nur deshalb für das Jahr 1983 keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, weil sie im Anschluß an den Mutterschaftsurlaub die Arbeit nicht mehr aufgenommen hat. Gegen eine solche Tarifregelung bestehen keine Bedenken. Die Mutter, die den Mutterschaftsurlaub in Anspruch nimmt, tut dies unter Abwägung der damit für sie verbundenen Vor- und Nachteile (BAGE 45, 155, 159 = AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968, zu II 1 der Gründe). Die Klägerin kann sich demgegenüber auch nicht auf die Entscheidung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAGE 40, 221 = AP Nr. 114 zu § 611 BGB Gratifikation) berufen. Danach darf eine jährlich zu zahlende Sonderleistung wegen Fehlzeiten, die durch Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen (§ 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 MuSchG) entstehen, nicht anteilig gekürzt werden. Dies bezieht sich nur auf Fehlzeiten wegen der Mutterschutzfrist und nicht auf solche wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs (vgl. BAG aaO, unter III 1 und 2).
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Wittek
Harnack Hennecke
Fundstellen
Haufe-Index 441671 |
ZTR 1989, 154-155 (ST1) |
EzBAT, TV Urlaubsgeld Nr 2 (T) |