Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnnachweiskarte im Baugewerbe. unzulässiger Feststellungsantrag
Leitsatz (amtlich)
Stimmen im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren prozessualer Antrag und materielles Prozeßziel nicht überein, muß in den Tatsacheninstanzen darauf hingewirkt werden, daß die Parteien sachdienliche, ihrem materiellen Ziel entsprechende Anträge stellen.
Unterläßt dies das Landesarbeitsgericht, muß schon deshalb eine Entscheidung aufgehoben werden, wenn dieser Verfahrensverstoß gerügt wird (im Anschluß an BAG Beschluß vom 27. März 1979 – 6 ABR 15/77 – AP Nr. 7 zu § 80 ArbGG 1953).
Normenkette
ZPO §§ 139, 256 Abs. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2; Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 i.d.F. vom 6. Januar 1989 (VTV) § 6
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 06.11.1989; Aktenzeichen 7 Sa 565/89) |
ArbG Koblenz (Urteil vom 31.05.1989; Aktenzeichen 2 Ca 426/89) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. November 1989 – 7 Sa 565/89 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 31. Mai 1989 – 2 Ca 426/89 – abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger stand bis zum 31. März 1989 in einem Arbeitsverhältnis als Bauarbeiter zur Gemeinschuldnerin. Die Gemeinschuldnerin unterfiel den Tarifverträgen der Bauwirtschaft.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte als Konkursverwalter in der für den Kläger nach § 6 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 in der Fassung vom 6. Januar 1989 zu führenden Lohnnachweiskarte Urlaubstage als gewährt und Urlaubsentgelt als erhalten ausweisen darf. Die Gemeinschuldnerin stellte wegen Zahlungsunfähigkeit den Kläger ab 8. Dezember 1988 im Zusammenhang mit einer allen gewerblichen Arbeitnehmern gegenüber ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ohne Vergütung von der Arbeit frei. Für den noch offenen Urlaub erhielt der Kläger nur Konkursausfallgeld von der Bundesanstalt für Arbeit.
Auf den am 7. Dezember 1988 gestellten Antrag der Gemeinschuldnerin ordnete das Amtsgericht Koblenz am 16. Dezember 1988 die Sequestration an und eröffnete am 1. Februar 1989 den Konkurs über das Vermögen der Gemeinschuldnerin. Zum Sequester und späteren Konkursverwalter wurde der Beklagte bestellt. Mit einem weiteren Schreiben vom 19. Dezember 1988 teilte die Gemeinschuldnerin dem Kläger mit, daß die ihm ab 8. Dezember 1988 durch Freistellung zur Verfügung stehende Freizeit als Urlaub zu betrachten sei. Für den Zeitraum der Kündigungsfrist trug der Beklagte für 1988 2.520,24 DM an Urlaubsentgelt und 756,07 DM an zusätzlichem Urlaubsgeld in die Lohnnachweiskarte des Klägers ein; für 1989 kam es zu weiteren Eintragungen in Höhe von 1.913,60 DM Urlaubsentgelt und 574,08 DM zusätzlichem Urlaubsgeld.
Hiergegen richtet sich die am 6. März 1989 erhobene Klage.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte nicht berechtigt ist, in dem Zeitraum der Freistellung des Klägers nach der Kündigung bis Vertragsablauf Urlaub auf der Lohnnachweiskarte im Baugewerbe als tatsächlich gewährt anzurechnen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des Beklagten wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsziel weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat Erfolg, denn die Klage ist unzulässig.
1. Die Revision des Beklagten ist zulässig, obgleich der Beklagte es versäumt hat, in seiner Revisionsschrift das Landesarbeitsgericht konkret zu benennen, dessen Urteil er anfechten will. §§ 72 Abs. 5 ArbGG, 553 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bestimmen insoweit, daß die Revisionsschrift die genaue Bezeichnung des angefochtenen Urteils enthalten muß.
Nach dem übrigen Inhalt der Revisionsschrift ist jedoch ersichtlich, daß sich die Revision gegen eine Berufungsentscheidung wendet, die zu einer erstinstanzlichen Erkenntnis des Arbeitsgerichts Koblenz ergangen ist. Es läßt sich daher feststellen, daß ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz angefochten wird. Damit ist das angefochtene Urteil ausreichend gekennzeichnet (BAG Beschluß vom 18. Februar 1972 – 5 AZR 5/72 – AP Nr. 3 zu § 553 ZPO).
2. Die Revision des Beklagten ist begründet. Die vom Kläger erhobene Feststellungsklage ist unzulässig. Klageantrag und klagebegründender Sachverhalt stimmen nicht überein. Auch nach Auslegung ist der Klageantrag nicht hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
a) Die allgemeinen und besonderen prozessualen Voraussetzungen einer Feststellungsklage sind in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Bei ungenügender Bestimmtheit des Klageantrags ist die Klage als unzulässig abzuweisen (BAG Urteil vom 2. November 1961 – 5 AZR 148/60 – AP Nr. 8 zu § 253 ZPO; BAG Beschluß vom 3. Mai 1984 – 6 ABR 68/81 – DB 1984, 2413; BGH Urteil vom 10. Januar 1983 – VIII ZR 231/81 – NJW 1983, 2247, 2250).
b) Während der Antrag des Klägers darauf zielt, vom Arbeitgeber gewährte Freistellungszeiträume ab 8. Dezember 1988 nicht als Urlaubserfüllung gelten zu lassen, verhält sich die Klagebegründung zu den auf der Lohnnachweiskarte eingetragenen Zahlungen an den Kläger, die er nicht als Urlaubsentgelt gewertet wissen will.
Geht es dem Kläger um eine Berichtigung der Eintragungen des Beklagten in den Lohnnachweiskarten 1988/1989, müßte er seinen Antrag mangels Feststellungsinteresses in eine vorrangige Leistungsklage kleiden. Eine solche Klageänderung wäre indessen in der Revisionsinstanz unstatthaft. Will er dagegen den Umfang seines Urlaubsanspruchs bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses klären, so wäre eine Feststellungsklage zwar nach § 256 ZPO grundsätzlich zulässig (BAGE 54, 212), der Sachvortrag des Klägers deckt einen solchen Antrag indessen nicht.
Diesen Umstand hat auch das Landesarbeitsgericht übersehen. Es hätte nach § 139 ZPO darauf hinwirken müssen, daß der Kläger einen nach dem vorgetragenen Sachverhalt sachdienlichen Antrag stellt (vgl. BAG Beschluß vom 27. März 1979 – 6 ABR 15/77 – AP Nr. 7 zu § 80 ArbGG 1953; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 139, Anm. 2b, bb). Dies hat der Kläger jedoch nicht gerügt, so daß eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht unterbleiben mußte.
c) Doch selbst bei einer dem Kläger günstigen Auslegung seines Klagevortrags bliebe sein Feststellungsantrag unzulässig.
aa) Von einem hinreichend bestimmten Klageantrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist dann auszugehen, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis abgrenzt (§ 308 ZPO), den Inhalt und den Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen läßt und das Risiko des Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt (vgl. BAG Urteil vom 8. September 1983 – 6 AZR 48/82 – n. v.; Zöller/Stephan, ZPO, 16. Aufl., § 253 Rz 13, § 256 Rz 15).
Würde dem Feststellungsantrag des Klägers entsprochen, wie es das Landesarbeitsgericht getan hat, so bliebe ungewiß, in welchem Umfang ihm bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zur Gemeinschuldnerin noch Urlaub zustand.
bb) In einer leugnenden Feststellungsklage sind überdies bezifferbare Ansprüche zu benennen, um Klarheit über den Umfang der Rechtskraft zu schaffen (Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 20. Aufl., § 256 Rz 110, 112).
Ein solcher Feststellungsantrag scheitert hier daran, daß aus dem Vorbringen des Klägers weder zu entnehmen ist, in welchem Umfang er noch Urlaub beansprucht noch welcher konkreten Urlaubserfüllung sich der Beklagte berühmt (vgl. Zöller/Stephan, aaO, § 256 Rz 15). Die angegebenen Freistellungszeiträume lassen sich nicht mit den unbezifferten, aus der Sicht des Beklagten gewährten, Urlaubstagen gleichsetzen. Die nach Auffassung des Klägers zu Unrecht eingetragenen Urlaubstage auf den Lohnnachweiskarten können ebensowenig mit Hilfe des tarifvertraglich vorgegebenen Verhältnisses von Urlaubsentgelt und Dauer des Jahresurlaubs (§ 8 Nr. 5.1 Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe – BRTV – vom 3. Februar 1981 i. d. F. vom 29. April 1988) ermittelt werden, denn die Dauer des tariflichen Jahresurlaubs und die Höhe des Urlaubsprozentsatzes sind veränderlich. Den Urlaubsentgelteintragungen auf der Lohnnachweiskarte ist dazu nichts zu entnehmen.
d) Es ist nicht ersichtlich, warum die besonderen tariflichen Gegebenheiten der Bauwirtschaft den Kläger gehindert haben sollten, seinen Antrag den Anferderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügend zu formulieren. Ohne konkrete Zahlenvorgaben kann der Feststellungsantrag des Klägers in der Sache nicht beurteilt werden.
3. Der Kläger hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechts-
streits zu tragen.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Dr. Lipke, Schulze, Dr. Bächle
Fundstellen
NZA 1992, 472 |
RdA 1992, 159 |