Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung der Zuwendung bei Arbeitgeberwechsel
Normenkette
BAT 1975 §§ 22-23; GG Art. 3, 12; BGB § 242
Verfahrensgang
LAG Hamm (Urteil vom 01.10.1993; Aktenzeichen 10 Sa 596/93) |
ArbG Gelsenkirchen (Urteil vom 02.12.1992; Aktenzeichen 1 Ca 1952/92) |
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. Oktober 1993 – 10 Sa 596/93 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision trägt die Klägerin.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Klägerin, eine gewährte tarifliche Zuwendung zurückzuzahlen.
Die Klägerin war seit dem 1. April 1991 bei der Beklagten als Erzieherin beschäftigt. Gemäß § 2 ihres schriftlichen Arbeitsvertrages vom 2. April 1991 richtete sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23. Februar 1961 (BAT), des Bezirks-Zusatztarifvertrages (BZT-A/NRW) und der diese Tarifverträge ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung.
Im November 1991 zahlte die Beklagte an die Klägerin nach dem Tarifvertrag über eine Zuwendung für Angestellte vom 12. Oktober 1973 (im folgenden: Zuwendungs-TV) eine Zuwendung in Höhe von 2.253,65 DM brutto.
Am 11. Februar 1992 kündigte die Klägerin ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten fristgerecht zum 31. März 1992 und nahm ab dem 1. April 1992 eine Tätigkeit bei der Arbeiterwohlfahrt auf. Auf Grund des Ausscheidens der Klägerin brachte die Beklagte die ausbezahlte Zuwendung beim Gehalt der Klägerin für März 1992 wieder in Abzug und zahlte ihr lediglich 697,75 DM netto aus.
Die Klägerin ist der Meinung, nach § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV stehe ihr die Zuwendung trotz ihres Ausscheidens zum 31. März 1992 zu, weil sie in unmittelbarem Anschluß an ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Arbeitsverhältnis übernommen worden sei. Ihre Beschäftigung bei der Arbeiterwohlfahrt sei als eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst anzusehen, weil die Arbeiterwohlfahrt überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert werde. Diese Ansicht rechtfertigt die Klägerin mit der Bekanntmachung des Bundesministers des Innern vom 13. November 1973 (– D III 1–220 238/77 –). In dieser Bekanntmachung heißt es bezüglich des Zuwendungs-TV u.a.:
„Im Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen erkläre ich mich damit einverstanden, daß bei der Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Nr. 1 des Tarifvertrages auch die Beschäftigung bei einem Zuwendungsempfänger als öffentlicher Dienst im Sinne der Protokollnotiz angesehen wird, sofern der Zuwendungsempfänger ausschließlich oder überwiegend aus Mitteln des Bundes oder eines oder mehrerer Länder finanziert wird.”
Die Klägerin meint weiter, die Rückzahlungsverpflichtung stelle eine unzulässige Kündigungsbeschränkung dar und differenziere willkürlich zwischen Angestellten, die zu Arbeitgebern des öffentlichen Dienstes und solchen, die zu privaten Arbeitgebern gewechselt seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.253,65 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 14. März 1992 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie beruft sich darauf, daß die Arbeiterwohlfahrt nicht als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV und der einschlägigen Protokollnotiz Nr. 2 zu betrachten sei. Deshalb sei die Klägerin wegen ihres Ausscheidens auf eigenen Wunsch zum 31. März 1992 gemäß § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV zur Rückzahlung der Zuwendung verpflichtet.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Im Hinblick auf ein etwaiges Aufrechnungsverbot hat die Beklagte Anschlußberufung eingelegt und hilfsweise Widerklage in Höhe von 1.381,45 DM erhoben. Bei diesem Betrag handelt es sich um den nach Meinung der Beklagten unpfändbaren Teil des Gehalts der Klägerin für März 1992.
Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 427,48 DM netto an die Klägerin und auf die Hilfswiderklage die Klägerin zur Zahlung von 2.253,65 DM brutto abzüglich 830,20 DM netto an die Beklagte verurteilt.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision wendet sich die Klägerin gegen die Verurteilung zur Rückzahlung der Zuwendung und verlangt die Zahlung ihres vollen Gehaltes für März 1992. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht der Widerklage stattgegeben, da die Klägerin zur Rückzahlung der Zuwendung verpflichtet ist. Die geltend gemachten Beträge sind unstreitig.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin sei nach § 1 Abs. 5 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV verpflichtet, die für das Jahr 1991 gewährte Zuwendung zurückzuzahlen, da sie auf eigenen Wunsch zum 31. März 1992 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sei. Der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV greife zugunsten der Klägerin nicht ein, weil sie nicht im unmittelbaren Anschluß an ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übernommen worden sei. Die Arbeiterwohlfahrt, bei der die Klägerin ab 1. April 1992 tätig sei, sei ein privatrechtlicher Verein und damit kein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV und der einschlägigen Protokollnotiz Nr. 2. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Bekanntmachung des Bundesministers des Innern vom 13. November 1973 berufen. Die Gerichte für Arbeitssachen seien bei der Beurteilung, ob eine Beschäftigung im öffentlichen Dienst im Sinne der Protokollnotiz Nr. 2 zu § 1 Zuwendungs-TV vorliege, nicht an die Auffassung des Bundesministers des Innern gebunden.
Die Rückzahlungsklausel enthalte keine nach Art. 12 Abs. 1 GG, § 242 BGB unzulässige Kündigungsbeschränkung. Die Tarifvertragsparteien hätten auch nicht dadurch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, daß sie Angestellten, die im unmittelbaren Anschluß an ein Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes von demselben Arbeitgeber oder einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes übernommen werden, von der Rückzahlungsverpflichtung ausgenommen hätten. Insoweit sei das Prinzip der Einheit des öffentlichen Dienstes ein zulässiges Unterscheidungskriterium.
II. Diesen Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist im Ergebnis und auch weitgehend in der Begründung zuzustimmen.
1. Die Klägerin hat gemäß § 1 Abs. 5 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV die für 1991 gewährte Zuwendung zurückzuzahlen.
a) Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterfällt dem Zuwendungs-TV. Bei diesem Tarifvertrag handelt es sich um einen den BAT ergänzenden Tarifvertrag (BAG Urteil vom 23. Juni 1993 – 10 AZR 567/92 – AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT Zuwendungs-TV). Da sich nach § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen schriftlichen Arbeitsvertrages vom 2. April 1991 das Arbeitsverhältnis u.a. auch nach den Bestimmungen des BAT und der diesen ergänzenden Tarifverträge richtet, findet der Zuwendungs-TV somit auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung.
b) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Zuwendungs-TV hätte die Klägerin für das Jahr 1991 keinen Anspruch auf eine Zuwendung gehabt, weil sie auf eigenen Wunsch bis einschließlich 31. März 1992 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschieden ist.
Die nicht vom Arbeitgeber veranlaßte Eigenkündigung der Klägerin stellt ein Ausscheiden auf eigenen Wunsch im Sinne dieser Tarifnorm dar.
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. März eines Kalenderjahres führt dazu, daß der Arbeitnehmer „bis einschließlich 31. März” des Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, weil das Arbeitsverhältnis gemäß § 188 Abs. 1 BGB mit Ablauf des 31. März endet (vgl. BAG Urteil vom 9. Juni 1993 – 10 AZR 529/92 – AP Nr. 150 zu § 611 BGB Gratifikation).
c) Die Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV greift nicht ein. Nach diesen Tarifbestimmungen besteht eine Verpflichtung des Angestellten zur Rückzahlung der Zuwendung u.a. dann nicht, wenn er im unmittelbaren Anschluß an sein Arbeitsverhältnis von einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes in ein Arbeitsverhältnis übernommen wird.
Was die Tarifvertragsparteien unter „Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes” im Sinne dieser tariflichen Regelung verstehen, haben sie in Ziff. 2 der Protokollnotizen zu § 1 Zuwendungs-TV niedergelegt.
Zu Recht kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß es sich bei der Arbeiterwohlfahrt, der neuen Arbeitgeberin der Klägerin ab dem 1. April 1992, um keinen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Sinne des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV handelt.
Die Arbeiterwohlfahrt wird in der Rechtsform eines privatrechtlichen Vereins betrieben. Die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber, der in einer privatrechtlichen Rechts form organisiert ist, gilt nach der Protokollnotiz Nr. 2 nicht als Beschäftigung bei einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, weil es sich bei diesem Arbeitgeber weder um eine der in Nr. 2 a der Protokollnotizen genannten Körperschaften noch um eine sonstige Körperschaft, Stiftung oder Anstalt des öffentlichen Rechts im Sinne der Nr. 2 b der Protokollnotizen handelt.
d) Die Klägerin kann sich nicht auf die Bekanntmachung des Bundesministers des Innern vom 13. November 1973 berufen. Nach dieser erklärt sich der Bundesinnenminister damit einverstanden, daß bei der Anwendung des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV auch die Beschäftigung bei einem Zuwendungsempfänger als öffentlicher Dienst im Sinne der Protokollnotiz angesehen wird, sofern der Zuwendungsempfänger ausschließlich oder überwiegend aus Mitteln des Bundes oder eines oder mehrerer Länder finanziert wird.
Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen dieser Bekanntmachung bei der Arbeiterwohlfahrt vorliegen, kann die Klägerin aus der Bekanntmachung alleine deshalb keine Rechte herleiten, weil der Bundesminister des Innern nur für die seinem Geschäftsbereich unterfallenden Einrichtungen verbindliche Erklärungen abgeben kann, nicht jedoch für die Beklagte als selbständige Gemeinde.
2. Die Tarifvertragsparteien haben mit ihrer Regelung auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.
Die unterschiedliche Behandlung von Angestellten, die zu einem Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes und denjenigen, die zu einem sonstigen Arbeitgeber wechseln, ist nicht willkürlich.
Mit dieser Regelung trägt der Zuwendungs-TV dem Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes Rechnung (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1983 – 5 AZR 5/82 –, n.v.).
Sinn der Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 4 Nr. 1 Zuwendungs-TV ist es, einem Angestellten, der innerhalb des als Einheit gesehenen öffentlichen Dienstes seinen Arbeitgeber wechselt, die Zuwendung zu belassen (so auch: BAG Urteil vom 23. Januar 1985 – 5 AZR 552/83 – AP Nr. 122 zu § 611 BGB Gratifikation). Dieser Sinn und Zweck der tariflichen Regelung stellt einen sachlichen Grund für die bevorzugte Behandlung von Angestellten dar, die zu einem anderen Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes wechseln.
Auch die Tatsache, daß es Einrichtungen gibt, die zwar einerseits öffentliche Aufgaben wahrnehmen, andererseits aber aus historischen oder sonstigen Gründen privatrechtlich organisiert sind, aber gleichwohl den BAT oder wesensgleiche Tarifverträge kraft einzelvertraglicher Vereinbarung anwenden, führt nicht dazu, die tarifliche Regelung als gesetzes- oder verfassungswidrig anzusehen. Mit der Differenzierung nach der Rechtsform des jeweiligen Arbeitgebers haben die Tarifvertragsparteien ersichtlich ein einfaches und leicht zu handhabendes Unterscheidungsmerkmal gewählt, um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, ob der neue Arbeitgeber öffentliche Aufgaben wahrnimmt oder nicht. Die Differenzierung nach der Rechts form ist danach jedenfalls nicht willkürlich, sondern sachlich vertretbar. Sie verstößt somit nicht gegen Art. 3 GG (vgl. BAG Urteil vom 7. Dezember 1983 – 5 AZR 5/82 –).
3. Die tarifliche Regelung des § 1 Abs. 5 Zuwendungs-TV über die Verpflichtung zur Rückzahlung der Zuwendung beim Ausscheiden des Angestellten bis zum 31. März des Folgejahres führt auch nicht zu einer unzulässig langen Bindung des Angestellten an sein Arbeitsverhältnis.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anerkannt, daß Tarifverträge nur im beschränkten Umfange der gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, da sie von gleichberechtigten Partnern des Arbeitslebens ausgehandelt werden und eine Institutionsgarantie nach Art. 9 Abs. 3 GG genießen. Sie sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen die Verfassung, zwingendes
Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (ständige Rechtsprechung; für alle: BAGE 31, 113 = AP Nr. 98 zu § 611 BGB Gratifikation).
Aus diesem Grunde hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Gratifikationsrechtsprechung die Grundsätze über die zulässigen Bindungsfristen für unterschiedlich hohe Gratifikationen dann nicht für maßgeblich erklärt, wenn die Gratifikationsregelung auf einem Tarifvertrag beruht (BAGE 18, 217 = AP Nr. 54 zu § 611 BGB Gratifikation; BAG Urteil vom 23. Februar 1967 – 5 AZR 234/66 – AP Nr. 57 zu § 611 BGB Gratifikation und BAG Urteil vom 16. November 1967 – 5 AZR 157/67 – AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation).
Da die Tarifvertragsparteien im Zuwendungs-TV eine Regelung getroffen haben, die dazu führt, daß der Arbeitnehmer eine jährliche Zuwendung erhält, die in etwa einem Monatsverdienst zum Auszahlungszeitpunkt entspricht, haben die Tarifvertragsparteien ein angemessenes Verhältnis zwischen der Bindungsdauer und der Höhe der dem Angestellten gewährten Zuwendung gewahrt.
III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Unterschriften
Matthes, Hauck, Böck, Schaeff, Schlaefke
Fundstellen