Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubsanspruch und Mutterschaftsurlaub
Orientierungssatz
1. Parallelsache zu BAG Urteil vom 11.8.1987 8 AZR 242/85.
2. Auslegung der §§ 16 - 18 des Manteltarifvertrages vom 31.3.1982 für die Mitarbeiter der co-op Unternehmen (Einzelhandelsbereich).
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 08.11.1985; Aktenzeichen 12 Sa 45/85) |
ArbG Hameln (Entscheidung vom 05.02.1985; Aktenzeichen 1 Ca 421/84) |
Tatbestand
Die Klägerin war bei der Beklagten in einer Niederlassung zunächst als Kassiererin, später als Packerin tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis war der Manteltarifvertrag vom 31. März 1981 für die Mitarbeiter der co op-Unternehmen (Einzelhandelsbereich) (MTV) anzuwenden.
§ 16 Abs. 2 MTV lautet:
"Der Mitarbeiter hat in jedem Kalenderjahr Anspruch
auf Erholungsurlaub unter Fortzahlung
des Arbeitsentgelts. Der Urlaub darf nicht in
Geld abgegolten werden."
In § 17 Abs. 4 MTV ist bestimmt:
"Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Bei der Ermittlung
des Lebensalters gilt der 30. Juni als
Stichtag. Für Jugendliche im Sinne des Gesetzes
zum Schutze der arbeitenden Jugend (Jugendarbeitsschutzgesetz)
gilt als Stichtag der 1. Januar."
§ 18 MTV enthält folgende Regelung:
"Der Urlaubsanspruch entfällt mit Ablauf des
Kalenderjahres, es sei denn, daß der Urlaub aus
betrieblichen oder aus zwingenden persönlichen
Gründen bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommen
werden konnte. In diesem Falle hat eine Regelung
zwischen den Beteiligten bis zum 31. März des
folgenden Jahres zu erfolgen."
Die Klägerin wurde im Februar 1983 schwanger. Das Kind ist am 15. November 1983 geboren. Während der Schwangerschaft war die Klägerin mehrfach arbeitsunfähig krank, ununterbrochen vom 20. Juni bis zum Beginn der Schutzfrist am 4. Oktober 1983. Nach Ablauf der Mutterschutzfrist erhielt die Klägerin bis zum 14. Mai 1984 Mutterschaftsurlaub. An diesem Tag endete auch das Arbeitsverhältnis.
Mit ihrer am 26. September 1984 erhobenen Klage hat die Klägerin die Abgeltung von 33 Urlaubstagen für das Jahr 1983 in der unstreitigen Höhe von 1.412,07 DM begehrt.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.412,07 DM zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin stehen die von ihr begehrten Urlaubstage nicht zu. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, daß der Urlaubsanspruch erloschen ist.
1. Nach § 18 MTV entfällt der Urlaubsanspruch mit Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, daß der Urlaub aus betrieblichen Gründen oder aus zwingenden persönlichen Gründen bis zu diesem Zeitpunkt nicht genommen werden konnte. Die Klägerin hat den Urlaub erst nach dem 31. März 1984 als Abgeltungsanspruch geltend gemacht. In diesem Zeitpunkt war der Urlaubsanspruch aus dem Jahre 1983 bereits verfallen.
2. Der Verfall des Urlaubsanspruchs ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Klägerin durch Krankheit daran gehindert war, den Urlaub zu nehmen.
Die Mutterschutzfrist endete am 10. Januar 1984. Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin unstreitig arbeitsfähig. Der Zeitraum bis zum 31. März 1984 hätte ausgereicht, den Urlaubsanspruch zu erfüllen. Eine andere Regelung i. S. des § 18 Satz 2 MTV haben die Parteien nicht getroffen.
Daran ändert nichts, daß die Klägerin im Anschluß an die Mutterschutzfrist den Mutterschaftsurlaub nach § 8 a MuSchG genommen hat. Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 14. Mai 1986 (- 8 AZR 498/84 - AP Nr. 3 zu § 8 d MuSchG 1968, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt) sowie in den Entscheidungen vom 25. Februar 1987 (- 8 AZR 395/85 und 8 AZR 404/85 -) dargelegt, daß die Nichtverwirklichung des Urlaubs wegen Krankheit und wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubs nicht miteinander gleichgesetzt werden können. Die Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub i. S. von § 8 a MuSchG geschieht im Unterschied zur Erkrankung aufgrund der Entscheidung des Arbeitnehmers. Ebenfalls ist ohne Bedeutung, daß die Klägerin nach § 8 a Abs. 1 Satz 1 MuSchG den Mutterschaftsurlaub im Anschluß an die Schutzfrist antreten mußte, nachdem sie sich hierfür entschieden hatte.
3. Eine Regelung über den Fortbestand des Urlaubsanspruchs, der wegen der Gewährung von Mutterschaftsurlaub nicht hat genommen werden können, ist auch in den Vorschriften über den Mutterschaftsurlaub nicht enthalten. Aus § 8 d MuSchG muß das Gegenteil der von der Klägerin vertretenen Auffassung gefolgert werden: Diese Bestimmung, die eine Kürzungsmöglichkeit für den der Arbeitnehmerin zustehenden Urlaubsanspruch zum Inhalt hat, ist an § 4 ArbPlSchG orientiert (vgl. den Bericht des BT-Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 8/2797). Während § 4 Abs. 2 ArbPlSchG eine Regelung über die Fortdauer von Urlaub enthält, der dem Wehrpflichtigen nicht oder nicht vollständig vor der Einberufung gewährt worden ist, fehlt eine solche Bestimmung in § 8 d MuSchG, so daß es bei der Befristung des Anspruchs nach § 18 MTV zu verbleiben hat (vgl. hierzu auch BAGE 45, 155 = AP Nr. 1 zu § 8 d MuSchG 1968).
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Peifer
Wittendorfer Harnack
Fundstellen