Entscheidungsstichwort (Thema)
Leitung einer Redaktion
Leitsatz (redaktionell)
Tätigkeitsmerkmal „Gehobene Redakteure mit mehrjähriger Berufserfahrung als Redakteur, die eine Redaktion leiten, die auch Teil einer größeren Redaktion sein kann” (VergGr. 3 der VergO NDR).
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Rundfunk
Verfahrensgang
LAG Hamburg (Urteil vom 04.06.1991; Aktenzeichen 6 Sa 69/89) |
ArbG Hamburg (Urteil vom 10.03.1989; Aktenzeichen 3 Ca 276/88) |
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hainburg vom 4. Juni 1991 – 6 Sa 69/89 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung Klägerin in die Vergütungsgruppen der bei dem Beklagten gültigen Vergütungsordnung.
Die Klägerin, die keine journalistische Ausbildung besitzt, ist seit dem 1. November 1975 Angestellte des Beklagten. Sie arbeitete zunächst als Redaktionssekretärin. Seit dem 1. November 1977 ist sie als Redakteurin beim Schulfunk tätig, der nach dem Organisationsplan des Beklagten vom 1. April 1988 direkt dem Programmdirektor Hörfunk untersteht. Die Klägerin betreut im wesentlichen die Sendereihen „Schulfunk mit Gästen”, „Schulfunk für alle”. „Kulturgeschichte des Alltags” und „Stichwort Kunst” sowie die Erarbeitung eines ehemals als „Lehrerbegleitheft” und nunmehr als „Programmheft” bezeichneten Heftes zur Sendereihe „Kulturgeschichte des Alltags”. Zur Erfüllung dieser Aufgaben steht der Klägerin kein ihr ständig zugeordneter Mitarbeiterstab zur Verfügung. Sie arbeitet deshalb entweder mit von ihr für die jeweilige Aufgabe ausgewählten freien Redakteuren oder Mitarbeitern aus anderen Abteilungen des Beklagten zusammen.
Seit dem Ausscheiden des ehemaligen Leiters des Schulfunks arbeitet sie nicht mehr nach Anweisungen, sondern selbständig und eigenverantwortlich. Weder der Prograltundirektor Hörfunk noch der kommissarische Leiter des Schulfunks geben ihr Anweisungen hinsichtlich der Gestaltung der Sendungen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin finden gem. § 11 Abs. 3 des Arbeitsvertrages vom 24. September/3. Oktober 1975 u.a. der 2. Änderungstarifvertrag zur Vergütungsordnung in der Fassung vom 1. Juli 1974, im folgenden als Vergütungsordnung bezeichnet, sowie der Manteltarifvertrag vom 1. Januar 1983, im folgenden als Manteltarifvertrag (MTV) bezeichnet, Anwendung.
Seit dem 1. April 1977 wird die Klägerin nach VergGr. 4 der Vergütungsordnung vergütet. Von den acht Redakteuren des Schulfunks sind die Klägerin und ein weiterer Redakteur in die VergGr. 4 eingestuft. Von den übrigen Redakteuren erhalten fünf Redakteure Bezahlung nach VergGr. 2 und eine Redakteurin nach VergGr. 3. Diese letztere Eingruppierung erfolgte im Rahmen des Wirtschaftsplanes 1987/88 im sog. „Soweit-nicht-Wege”. Die Eingruppierung der in die VergGr. 2 eingruppierten Redakteure erfolgte ebenfalls im „Soweit-nicht-Wege”. Einer der in VergGr. 2 eingruppierten Redakteure fungiert als kommissarischer Leiter des Schulfunks.
Nachdem die Klägerin seit Januar 1987 sich vergeblich außergerichtlich um die Einstufung in die VergGr. 3 bemüht hat, hat sie unter dem 4. Juli 1988 die vorliegende Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, sie leite seit dem Ausscheiden des ehemaligen Leiters des Schulfunks eine Redaktion, die Teil einer „größeren Redaktion” sei. Dabei sei die Redaktion „Schulfunk” die „größere Redaktion” im Sinne der VergGr. 3 der Vergütungsordnung. Die besondere Bedeutung des Schulfunks folge aus dem Umstand, daß dieser nicht in eine Hauptabteilung eingegliedert, sondern unmittelbar dem Programmdirektor Hörfunk zugeordnet sei. Darüber hinaus ergebe sich dies auch aus dem Umfang und der Bedeutung des Schulfunks im Programmplan sowie der Anzahl der produzierten Sendungen.
Zwar verfüge sie nicht über einen festen Stamm von bei dem Beklagten festangestellten Mitarbeitern, sondern greife für die einzelnen von ihr betreuten Sendereihen auf sog. freie Mitarbeiter des Beklagten zurück. Dies sei jedoch unschädlich. Denn die Tarifvertragsparteien hätten weder den Begriff der Redaktion noch den der größeren oder den der besonders hervorgehobenen Redaktion dahingehend dahin definiert, daß es allein auf die Kopfzahl der in dieser organisatorischen Einheit als Redakteure tätigen Mitarbeiter, die Unterscheidung zwischen freien und angestellten Mitarbeitern ankomme; ferner sei nicht maßgeblich, daß die organisatorische Einheit „Redaktion” mehr als einen Redakteur beschäftige. Vielmehr seien auch die Bedeutung der organisatorischen Einheit im Programmgefüge und die Zahl der produzierten Sendungen zu beachten.
Die danach bestehende „Ein-Personen-Redaktion” werde auch von ihr geleitet, denn sie übe bei der Planung und Durchführung ihrer Aufgaben arbeitgeberähnliche Weisungs- und Leitungsfunktionen gegenüber den ihr zur Erfüllung ihrer Redaktionsaufgaben zeitweilig unterstellten Mitarbeitern des Beklagten, wie z.B. Technikern, Producern, Sekretariatsmitarbeitern und freien Redakteuren aus. Diese Weisungs- und Leitungsfunktionen nehme sie im besonderen für die Sendung „Schulfunk mit Gästen” wahr. Bei dieser Sendung vertrete sie auch den Beklagten gegenüber Dritten.
Im Rahmen ihrer Arbeit schließe sie eigenverantwortlich eine Vielzahl von Vertragen mit freien Mitarbeitern und honoriere deren Leistungen im Rahmen der vom Beklagten vorgegebenen Eckwerte für derartige Leistungen zwischen 1.800,– DM und 2.400,– DM.
Weiterhin macht die Klägerin geltend, der Beklagte verstoße mit seiner Weigerung, sie höher einzugruppieren, sowohl gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz als auch gegen eine bei ihm bestehende betriebliche Übung. Denn der Beklagte vergüte regelmäßig vergleichbare Tätigkeiten in der Abteilung Schulfunk nach der im Tarifvertrag in der VergGr. 3 Abs. 2 bzw. VergGr. 2 Abs. 2 vorgesehenen „Soweit-nicht-Klausel” überwiegend sogar nach der VergGr. 2, wobei andere Redakteure in der Regel auf diesem Wege bereits nach etwa einjähriger Tätigkeit höhergruppiert worden seien, während sie selbst noch nach ca. 12-jähriger Tätigkeit in die VergGr. 4 eingestuft sei. Insgesamt seien in der Programmdirektion Hörfunk ca. 130 Redakteure tätig. Lediglich 19 von diesen seien in die VergGr. 4 eingestuft, davon seien allerdings fünf Hörfunkproducer im Sinne der VergGr. 4, im übrigen handele es sich überwiegend um Redakteure, die Tätigkeiten entsprechend den Richtbeispielen dieser Vergütungsgruppen ausübten.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, sie seit dem 1. Januar 1987 nach der VergGr. 3 Stufe 4 und ab 1. November 1989 in die VergGr. 3 Stufe 5 der geltenden und maßgeblichen Vergütungsordnung einzustufen, entsprechend zu vergüten und die Differenzbeträge jeweils ab Fälligkeit mit 4 % zu verzinsen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin leite keine Redaktion, die Teil einer größeren Redaktion sei. Redaktion im Sinne der Vergütungsordnung sei eine organisatorische Einheit, die im Organisationsplan und/oder Stellenplan als Redaktion bezeichnet sei und der bestimmte Aufgaben zugewiesen seien. Ausweislich des Organisationsplanes sei im Programmbereich Hörfunk zwar der Hörfunk als Redaktion ausgewiesen, nicht jedoch Tätigkeiten, die der Klägerin direkt zugeordnet werden könnten.
„Größere” Redaktion könne nur eine größere organisatorische Einheit sein. Ihr müßten mehrere Redakteure angehören, weil anderenfalls die nach der Vergütungsordnung vorausgesetzten Leitungsfunktionen nicht anfielen. Die Kopfzahl einer Redaktion könne aber nicht immer allein entscheidend für die Klassifizierung als Redaktion gemäß der Vergütungsordnung sein. Es wäre eine willkürliche Entscheidung, wenn etwa eine Redaktion mit drei Redakteuren und drei weiteren Mitarbeitern noch eine Redaktion der VergGr. 3 sei, eine Redaktion mit vier Redakteuren dagegen bereits eine größere Redaktion.
Auch der Umstand, daß die Klägerin eine Anzahl freier Mitarbeiter zur Erfüllung ihrer Aufgaben einsetze, ändere hieran nichts. Denn freie Mitarbeiter bildeten keine organisatorische Einheit. Darüber hinaus werde „leitend” nur tätig, wer teilweise Arbeitgeberfunktionen, im besonderen administrative Weisungs- und Kontrollbefugnisse ausübe. Leitungsfunktionen setzten demnach ein Über-/Unterordnungsverhältnis voraus. Davon zu unterscheiden seien organisatorische Maßnahmen bei der Planung und Durchführung einzelner Sendungen. Diese erfolgten auf einer Ebene der Gleichrangigkeit und hätten koordinierenden Charakter. Solchen Maßnahmen fehle sowohl das für Arbeitgeberfunktionen typische Über- und Unterordnungsverhältnis als auch der administrative Charakter der Leitungsfunktion. Dementsprechend werde in der. Praxis für die Leitung einer Redaktion im Sinne der VergGr. 3 die Leitungsfunktion (Weisungs- und Kontrollbefugnis) gegenüber mindestens einem weiteren Redakteur sowie redaktionellen Mitarbeitern vorausgesetzt.
Die Klägerin habe nicht einmal gegenüber den von ihr eingesetzten freien Mitarbeitern Weisungsbefugnisse in diesem Sinne; denn Merkmal eines freien Mitarbeiters sei gerade, keinen Weisungsbefugnissen zu unterfallen, vielmehr für die von ihm zu erbringenden Leistungen allein verantwortlich zu sein. Die Klägerin könne auch keine Aufträge an freie Mitarbeiter erteilen, dies sei allein Aufgabe der Abteilung „Honorare und Lizenzen”.
Da nach Nr. 6 der Erläuterungen zur Vergütungsordnung kein tarifrechtlicher Anspruch auf eine Höhergruppierung nach dem „Soweit-nicht-Wege” in die Gruppe 3 bestehe, könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht hieraus herleiten. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liege schon deshalb nicht vor, da der Beklagte keineswegs länger beschäftigte Redakteure regelmäßig höhergruppiere.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin unter Beschränkung des Zinsanspruchs auf Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat den von ihr geltend gemachten Anspruch auf Vergütung nach VergGr. 3.
I. Die Feststellungsklage der Klägerin ist zulässig. Es handelt sich um eine der im öffentlichen Dienst allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen, die auch für Arbeitnehmer von Rundfunkanstalten in Betracht kommen (vgl. BAGE 30, 281, 285 = AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Rundfunk, m.w.N.).
II.1. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts findet auf das Arbeitsverhältnis aufgrund der Vereinbarung in § 11 des Arbeitsvertrages von 24. September/3. Oktober 1975 der Manteltarifvertrag in der Fassung vom 1. Januar 1983 sowie die dazugehörige Vergütungsordnung in der Fassung vom 1. Juli 1974 Anwendung.
Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es daher auf die folgenden Tarifbestimmungen an:
MTV
Ziff. 512.1 |
Die Grundvergütung richtet sich nach der Vergütungsordnung. |
|
Für die Eingruppierung nach der Vergütungsordnung ist die überwiegend ausgeübte Tätigkeit, mindestens aber die im Arbeitsvertrag festgelegte Tätigkeit maßgebend. |
Ziff. 514.11 |
Innerhalb der Vergütungsgruppe, in die der Arbeitnehmer eingruppiert ist, wird die Grundvergütung bis zur Endstufe alle zwei Jahre (Turnus) um die aus der Vergütungsordnung ersichtlichen Steigerungsbeiträge erhöht. Bei der Festsetzung des turnusmäßigen Steigerungstermins ist jeweils von dem 1. des Monats auszugehen, in dem die Einstellung oder Höhergruppierung wirksam wird. |
Ziff. 515.1 |
Bei Höhergruppierung wird für den Arbeitnehmer diejenige Steigerungsstufe der höheren Gruppe wirksam, mit der mindestens eine Erhöhung seiner Grundvergütung um eine Steigerungsstufe der bisherigen Gruppe verbunden ist. |
Vergütungsordnung
a) Erläuterungen:
Die fachlichen Voraussetzungen sind die Anforderungen, die zur Eingruppierung in eine Vergütungsgruppe erfüllt sein sollen; sie können durch eine andere Ausbildung oder Fortbildung oder durch entsprechende berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten ersetzt werden. Werden innerhalb einer Laufbahn in den höheren Vergütungsgruppen fachliche Voraussetzungen nicht angegeben, gelten die fachlichen Voraussetzungen der nächstunteren Vergütungsgruppe dieser Laufbahn, in der fachliche Voraussetzungen genannt sind.
Die Erfüllung der fachlichen Voraussetzungen allein begründet keinen Anspruch auf höhere Eingruppierung.
- Die Richtbeispiele kennzeichnen für die Wertigkeit einer Tarifposition typische Arbeitsplätze. Sie setzen den Maßstab für die Bewertung von nicht aufgeführten Arbeitsplätzen. Bei den Richtbeispielen sind jeweils die Tätigkeiten angegeben, die dem Arbeitsplatz das Gepräge geben.
- Die Art der Tätigkeit umschreibt die Tätigkeiten, die Arbeitsplätzen einer Tarifposition das Gepräge geben. Für die Eingruppierung ist es nicht erforderlich, daß alle aufgeführten Tätigkeiten an einem Arbeitsplatz ausgeübt worden.
- Mehrjährig bedeutet mindestens zwei Jahre, langjährig mindestens drei Jahre.
- …
- Die in der Vergütungsordnung bei einigen Tarifpositionen verwendete Formulierung „soweit nicht in Vergütungsgruppe …” bedeutet, daß ein tarifrechtlicher Anspruch auf Eingruppierung in diese Tarifposition nicht geltend gemacht werden kann.
b) Vergütungsgruppen:
Vergütungsgruppe 1
Erste Redakteure auch als Leiter einer besonders herausgehobenen Redaktion.
Vergütungsgruppe 2
Redakteure mit besonderen Aufgaben mit langjähriger Berufserfahrung, die
- eine größere Redaktion leiten,
- als Dienstleiter Nachrichten tätig sind.
Gehobene Redakteure und Redakteure soweit nicht in Vergütungsgruppe 3.
Vergütungsgruppe 3
Gehobene Redakteure mit mehrjähriger Berufserfahrung als Redakteur, die
- eine Redaktion leiten, die auch Teil einer größeren Redaktion sein kann,
- als Nachrichten-Redakteure des Hörfunks überwiegend selbständig Nachrichtensendungen zu verantworten haben, ohne Dienstleiter zu sein.
Redakteure, soweit nicht in Vergütungsgruppe 4.
Vergütungsgruppe 4
Redakteure mit wissenschaftlicher oder journalistischer Ausbildung oder mit einer Ausbildung, die dem übertragenen Aufgabengebiet entspricht und mit Berufserfahrung, die Sendungen oder Beiträge zu Sendungen erarbeiten.
Richtbeispiele:
- Nachrichten-, Film- und Bildredakteure in den Nachrichten-Redaktionen des Hörfunks und des Fernsehens.
- Redakteure, die Musiksendungen und/oder Wortmusiksendungen zusammenstellen, redaktionell Produktionen vorbereiten und überwachen und auf dem Gebiet der Musik bei der Auswahl von Programmbeiträgen und von Industrietonträgern mitwirken.
- Redakteure, die Sendungen oder Sendereihen grundsätzlich nach Anweisung oder in Abstimmung mit dem Redakteur einer höheren Vergütungsgruppe erarbeiten.
2. Danach kommt es gemäß Ziff. 512.1 MTV für die zutreffende Eingruppierung der Klägerin auf die von ihr ausgeübte überwiegende Tätigkeit an.
a) Das Landesarbeitsgericht hat keine besonderen Feststellungen dazu getroffen, welche Tätigkeiten die Klägerin überwiegend ausübt. Nachdem jedoch zwischen den Parteien unstreitig ist, daß die Klägerin im Rahmen der Schulfunkredaktion ausschließlich die Sendereihen „Schulfunk mit Gästen”, „Schulfunk für alle”, „Kulturgeschichte des Alltags” und „Stichwort Kunst” betreut sowie das Programmheft zur Sendereihe „Kulturgeschichte des Alltags” erarbeitet, kann der Senat selbst als überwiegende Tätigkeit der Klägerin die „journalistische Erarbeitung und Betreuung der Realisierung bestimmter Sendereihen im Rahmen des Schulfunks” feststellen (zur Bildung von Arbeitsvorgängen durch den Senat vgl. ständige Rechtsprechung, z.B. BAG Urteil vom 27. Juni 1984 4 AZR 284/82 – AP Nr. 92 zu §§ 22, 23 BAT 1975, m.w.N.).
b) Die Klägerin besitzt die für die von ihr begehrte Vergütungsgruppe 3 erforderliche, mehrjährige Berufserfahrung. Denn nach Buchst. a) Nr. 4 der Erläuterungen zur Vergütungsordnung genügt hierfür eine mindestens zwei jährige Berufserfahrung. Nachdem die Klägerin seit 1. November 1977 als Redakteurin beschäftigt wird, besitzt sie für den Klagezeitraum ab 1. Januar 1987 diese geforderte mehrjährige Berufserfahrung.
c) Die Klägerin leitet auch eine Redaktion im Sinne der Vergütungsordnung. Die Tarifvertragsparteien haben nicht selbst definiert, was sie unter einer Redaktion verstehen. Der Begriff ist daher aufzulegen.
aa) Ausgehend von den vom Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung zur Auslegung von Tarifverträgen entwickelten Grundsatzen (vgl. hierzu BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223, 224 = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation) hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß nach dem allgemeinen Wortsinn unter „Redaktion” entgegen den Ausführungen der Revision nicht nur eine organisatorische Zusammenfassung mehrerer Redakteure und redaktioneller Mitarbeiter zu verstehen ist. Vielmehr bedeutet nach Duden, Deutsches Wörterbuch, 2. Aufl. 1989. Redaktion: „1. Tätigkeit eines Redakteurs; das Redigieren, Herausgeben von Texten; 2.a) Gesamtheit der Redakteure (einer Zeitung, einer Rundfunkanstalt o.ä.): ein Mitglied der Redaktion; b) Raum oder Räume für die Arbeit der Redakteure; c) Abteilung, Geschäftsstelle, Büro bei einer Zeitung, einem Verlag, einer Rundfunkanstalt o.ä., in dem Redakteure arbeiten: die politische Redaktion einer Zeitschrift; 3. (Fachspr.) Veröffentlichung (bestimmte) Ausgabe eines Textes”. Ebenso wird nach Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 5. Bd. 1983, entgegen dem Zitat der Revision unter Redaktion an erster Stelle verstanden: „die Tätigkeit des Redakteurs, das Redigieren, Bearbeitung von Beiträgen, die Veröffentlichung: die Redaktion des Beitrags des Werks ist noch nicht abgeschlossen” und erst an zweiter Stelle, wie von der Revision zitiert „die Gesamtheit der Redakteure”. Ebenso hat die Revision die Begriffsbestimmung in Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Bd. 19 1977, nur teilweise zitiert. Nach diesem Nachschlagewerk ist nämlich bei dem Stichwort „Redaktion” unter 2. ausgeführt: „Bezeichnung für die Tätigkeit eines Redakteurs (das Redigieren)”. Auch das Zitat aus Brockhaus, Enzyklopädie Bd. 15, hilft der Revision nicht weiter. Die zitierte Stelle befindet sich nämlich unter dem Stichwort Redakteur und ist auch nicht vollständig wiedergegeben.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat sich mit dem Begriff der Redaktion noch nicht befaßt. Sämtliche von der Revision zitierten Urteile befassen sich entgegen deren Angabe gerade nicht damit, was eine Redaktion ist, sondern definieren allein den Begriff des Redakteurs.
Aus alledem folgt, daß der Begriff der Redaktion nach seinem Wortsinn sowohl die Bearbeitung und Verarbeitung von Texten, also einen Tätigkeitsvorgang umfaßt, wie die Organisation dieser Arbeit.
bb) Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob bei Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs des MTV und der Vergütungsordnung (vgl. hierzu BAG, a.a.O.) nicht gleichwohl davon auszugehen ist, daß die Tarifvertragsparteien mit dem Begriff der Redaktion allein eine Organisationseinheit gemeint haben. Denn selbst wenn man dies mit dem Beklagten unterstellt, folgt daraus nicht, daß eine Redaktion in diesem Sinne nur vorliegt bei der organisatorischen Zusammenfassung mehrerer Redakteure. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, daß der Tarifvertrag nichts über eine bestimmte (Mindest-)Zahl der für eine Redaktion erforderlichen Redaktionsmitarbeiter aussagt, also auch eine „Ein-Personen-Redaktion” mit umfaßt. Insbesondere besagt er nichts darüber, ob die journalistischen Aufgaben mit Festangestellten, freien Mitarbeitern oder anderen Personen bewältigt werden und ob es sich um einen festen oder jeweils zur Erfüllung der einzelnen Aufgabe ad hoc zusammengestellten Mitarbeiterstab handeln muß.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, ohne daß dies von der Revision gerügt wird, daß die Klägerin im Rahmen der Schulfunkredaktion bestimmte, nach Fachgebieten abgegrenzte journalistische Aufgaben selbständig erfüllt. Dieser abgegrenzte Aufgabenbereich kann als organisatorische Einheit „Redaktion” innerhalb der größeren Redaktion „Schulfunk” angesehen werden.
d) Die Klägerin leitet auch diese Redaktion.
Der Begriff der Leitung einer Redaktion umfaßt sowohl die Fachaufsicht wie die Dienstaufsicht.
Aus dem Tarifvertrag ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision nichts dafür, daß der Leiter einer Redaktion sowohl die Fach- wie die Dienstaufsicht über evtl. unterstellte Mitarbeiter auszuüben befugt sein muß.
Entscheidend ist vielmehr, ob der betreffende Angestellte die ihm jeweils gestellte abgegrenzte Aufgabe selbständig verrichtet und ob er die Verantwortung dafür trägt. Hierfür spricht im konkreten Fall insbesondere, daß ein selbständig und eigenverantwortlich arbeitender Redakteur Anforderungen erfüllt, die über die Tätigkeitsmerkmale und insbesondere auch die Richtbeispiele der Vergütungsgruppe 4 hinausgehen. Wäre die Ausübung auch von dienstrechtlichen Leitungsfunktionen gegenüber anderen Mitarbeitern aber Voraussetzung für die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 3 entstände für die Vielzahl der selbständig und verantwortlich arbeitenden Redakteure eine Tariflücke, wenn man nicht davon ausgehen will, die Tarifvertragsparteien hätten deren Eingruppierung vollständig in das Ermessen des Arbeitgebers stellen wollen. Selbst wenn der Begriff „Leitung” in Vergütungsgruppe 3 auch Lenkungsaufgaben gegenüber anderen Mitarbeitern erfordert, ist darunter aber weder die Ausübung allein disziplinarrechtlicher Leitungsbefugnisse zu verstehen noch müssen solche Befugnisse nur gegenüber festangestellten Mitarbeitern des Beklagten ausgeübt werden. Vielmehr genügt die Fachaufsicht über freie Mitarbeiter.
Das Landesarbeitsgericht hat hierzu festgestellt, die Klägerin sei für die Auswahl der freien Mitarbeiter und für die Erfüllung ihres Aufgabenbereichs auch durch die freien Mitarbeiter verantwortlich. Dies genügt, um das Merkmal der „Leitung” einer Redaktion bejahen zu können.
e) Die von der Klägerin geleitete Redaktion in diesem Sinne ist auch „Teil einer größeren Redaktion”, nämlich der Schulfunkredaktion. Dabei kann es. wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, dahingestellt bleiben, ob der Begriff „größere Redaktion” schlicht quantitativ in dem Sinne zu verstehen ist, daß mit 3 a) die Leitung einer Teilredaktion gemeint ist, oder ob damit ein besonderer für den Bereich der Vergütungsordnung des Beklagten geltender Begriff der „größeren Redaktion” geschaffen worden ist. Denn trifft ersteres zu, ist der journalistische Aufgabenbereich der Klägerin ohne weiteres als Teil einer „größeren Redaktion Schulfunk” anzusehen. Im zweiten Fall folgt aus dem Gesamtzusammenhang der Vergütungsordnung und deren unwidersprochenen Handhabung durch den Beklagten, daß der Schulfunk, wenn nicht sogar als „besonders herausgehobene Redaktion” im Sinne der Vergütungsgruppe 1 so doch zumindest als „größere Redaktion” im Sinne der Vergütungsgruppen 2 und 3 anzusehen ist. Dem entspricht auch der Organisationsplan des Beklagten, da der Schulfunk zusammen mit vier anderen Bereichen direkt dem Programmdirektor Hörfunk unterstellt und in keine weiteren Bereiche aufgeteilt ist.
Auch diese Beurteilung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei dem Begriff der „größeren” Redaktion handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, so daß dessen Anwendung durch das Landesarbeitsgericht nur auf Rechtsfehler (Verstoß gegen Denkgesetze, Außerachtlassung wesentlicher Umstände) überprüfbar ist. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts aber stand; denn danach zu berücksichtigende Rechts fehler sind weder ersichtlich noch von der Revision aufgezeigt worden.
3. Die von dem Beklagten in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge nach § 139 ZPO ist bereits unzulässig, denn der Beklagte hat nicht ausgeführt, was er bei einer entsprechenden Fragestellung im einzelnen vor dem Landesarbeitsgericht ausgeführt hätte (vgl. BAGE 13, 340, 344 = AP Nr. 37 zu § 233 ZPO). Darüber hinaus ist sie auch unbegründet. Denn das Landesarbeitsgericht hat den Beklagten durch seinen Beschluß vom 3. April 1990 (Bd. II, Bl. 296 ff. VorA) genügend deutlich auf seine Rechtsansicht hingewiesen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Etzel, Schneider, Müller-Tessmann, Wehner
Fundstellen