Entscheidungsstichwort (Thema)
Transport von Tasteninstrumenten durch Orchesterwarte
Normenkette
BAT § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Berlin (Urteil vom 03.12.1990; Aktenzeichen 12 Sa 85/90) |
ArbG Berlin (Teilurteil vom 05.07.1990; Aktenzeichen 19 Ca 37/90) |
Tenor
1. Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 3. Dezember 1990 – 12 Sa 85/90 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger als Orchesterwarte verpflichtet sind, schwere Tasteninstrumente (Klavier, Cembalo u.a.) zu transportieren.
Die Kläger sind im Dienst des beklagten Landes bei der Deutschen Oper beschäftigt. Auf ihre Arbeitsverhältnisse findet der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung. Die hier maßgebliche Protokollnotiz Nr. 21 zu Abschn. H des Teils II der Anlage 1 a BAT (fortan: Protokollnotiz) lautet wie folgt:
„Orchesterwarte sind Arbeitnehmer, denen die Bereitstellung und das Einsammeln der Noten und Pulte sowie der größeren Instrumente bei Proben und Aufführungen verantwortlich übertragen sind. Vielfach sind ihnen auch die Verwaltung und die Pflege der Materialien, an einigen kleineren Bühnen auch die Verwaltung des gesamten Notenfundus, übertragen.”
Über die hier streitige Frage und eine zusätzliche Vergütungspflicht für Transporte dieser Art haben die Parteien in der Vergangenheit mehrere Rechtsstreite geführt. In einem rechtskräftigen Teilanerkenntnisurteil vom 11. August 1986 hat das Arbeitsgericht Berlin (20 Ca 68/86) entschieden:
„Es wird festgestellt, daß die Kläger nicht verpflichtet sind, Klavier, Cembalo, Harmonium, Celesta, Flügel und Orgel zu transportieren, wenn der Transport nicht über gleiche Ebenen durchgeführt und auch keine gleichen Ebenen durch das Fahren von Podien, Fahrstühlen und Lastaufzügen hergestellt werden können und wenn das Instrument auf eine andere Ebene gehoben oder gesetzt werden muß, die einen Höhenunterschied von 10 cm oder mehr zu der bisherigen Ebene aufweist.”
Im vorliegenden Rechtsstreit meinen die Kläger, sie seien nicht verpflichtet, die in diesem Teilanerkenntnisurteil bezeichneten Instrumente überhaupt zu transportieren. Sie haben beantragt
festzustellen, daß sie auch dann nicht verpflichtet sind, Klavier, Cembalo, Harmonium, Celesta, Flügel und Orgel zu transportieren, wenn die besonderen Voraussetzungen des Tenors zu 1) des Teilanerkenntnisurteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. August 1986 – 20 Ca 68/86 – nicht vorliegen.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Kläger müßten nach dem Tarifvertrag die genannten Arbeiten verrichten, soweit das rechtskräftige Teilanerkenntnisurteil nicht entgegenstehe.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der durch den erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger den Klageanspruch weiter, während das beklagte Land um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Verpflichtung der Kläger ergebe sich aus der Protokollnotiz, weil die im Klageantrag genannten Tasteninstrumente „größere Instrumente” i.S. dieser Tarifnorm seien.
Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Die Kläger sind tarifvertraglich verpflichtet, Klavier, Cembalo, Harmonium, Celesta, Flügel und Orgel zu transportieren. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß diese Tasteninstrumente „größere Instrumente” i.S. der Protokollnotiz sind.
1. Die Protokollnotiz bestimmt den Aufgabenbereich von Orchesterwarten. Danach obliegt diesen „die Bereitstellung und das Einsammeln der Noten und Pulte sowie der größeren Instrumente bei Proben und Aufführungen”. Die Auslegung des tariflichen Begriffs „Bereitstellung der größeren Instrumente” ergibt, daß die Kläger zum Transport der genannten Tasteninstrumente verpflichtet sind.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die Tarifauslegung, entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung, zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Tarifwortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. BAG Urteil vom 9. März 1983 – 4 AZR 61/80 – BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 9. Juli 1980 – 4 AZR 560/78 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt; BAG Urteil vom 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung). Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen. Verbleiben hingegen bei entsprechender Auswertung des Tarifwortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs im Einzelfall noch Zweifel, so kann zur Ermittlung des wirklichen Willens der Tarifvertragsparteien auf die Tarifgeschichte, die praktische Tarifübung und die Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrages zurückgegriffen werden. Ein Vertragswille, der im Tarifvertrag keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat, ist für die Anwendung tariflicher Normen bedeutungslos (vgl. BAG Urteil vom 17. September 1957 – 1 AZR 312/56 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Auslegung).
b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht ausgeführt, daß der Wortlaut der Protokollnotiz für eine Ausgrenzung der Tasteninstrumente keine Anhaltspunkte enthält. Das Tarifmerkmal „größere Instrumente” bezeichnet vom Umfang her größere und schwere Musikinstrumente, die von besonderen Arbeitnehmern, eben den Orchesterwarten, bewegt werden müssen. Um solche Instrumente handelt es sich bei den im Klageantrag genannten.
c) Sinn und Zweck der Tarifvorschrift bestätigen diese Auslegung. Durch die Wortwahl „größere Instrumente” tragen die sachkundigen Tarifvertragsparteien dem Umstand Rechnung, daß kleinere Instrumente, wie Geigen, Klarinetten, Hörner, üblicherweise von den Musikern selbst mitgebracht und mitgenommen werden, somit von diesen „bereitgestellt” werden. Durch die Tarifvorschrift wird bezweckt, daß die Gerätschaften, die von den Musikern üblicherweise selbst nicht mitgebracht werden oder aufgrund Größe oder/und Schwere nicht mitgebracht werden können, wie Pulte, Noten und eben größere Instrumente, von den Orchesterwarten bereitgestellt und eingesammelt, d.h. weggeschafft, werden. Jedenfalls ist ein anderer Wille der Tarifvertragsparteien nicht zum Ausdruck gekommen und damit unbeachtlich (vgl. BAG Urteil vom 17. September 1957, a.a.O.).
2. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht eine den Tarifvertragsparteien bekannte und praktizierte Tarifübung, nach der der Transport großer Tasteninstrumente nicht zu den Pflichten eines Orchesterwarts gehört. Eine solche Übung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Daran ist der Senat nach § 561 Abs. 1 ZPO gebunden.
Der Hinweis der Revision auf das erstinstanzliche Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 26. Juni 1990 (S. 3 ff.) stellt keine zulässige Rüge der Verletzung des § 286 Abs. 1 ZPO dar. An der genannten Stelle haben die Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, daß es sich bei den Tasteninstumenten nicht um Orchesterinstrumente handele. Tatsachen, aus denen sich ergibt, warum das Berufungsgericht durch die Nichtbeachtung dieses Beweisantrags das Verfahren verletzt hat (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b ZPO), enthält der Revisionsvortrag der Kläger nicht.
3. Die in der Vergangenheit an die Kläger für diesen Transport gezahlte zusätzliche Vergütung spricht nicht gegen die Tarifauslegung durch das Berufungsgericht. Diese Zahlungen beruhten nach der unangefochtenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts auf der unzutreffenden Auslegung der Protokollnotiz durch das beklagte Land.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Richter Prof. Dr. Jobs befindet sich in Erholungsurlaub und kann deshalb seine Unterschrift nicht beifügen. Dr. Peifer, Dr. Armbrüster, Wax, Ramdohr
Fundstellen