Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag mit wissenschaftlichem Assistenten. Verlängerung des befristeten Arbeitsverhältnisses eines Personalratsmitglieds im Hochschulbereich auf Grund landesgesetzlicher Bestimmung. Vereinbarkeit des § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg mit Hochschulrahmengesetz. Befristungsrecht
Leitsatz (amtlich)
- § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg normiert die kraft Gesetzes eintretende Verlängerung befristeter Arbeitsverhältnisse von Personalratsmitgliedern im Hochschulbereich.
- Die Frist des § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG zur gerichtlichen Geltendmachung der Unwirksamkeit der vereinbarten Befristung wird erst mit Ablauf des kraft Gesetzes verlängerten Arbeitsverhältnisses in Lauf gesetzt.
- Es bleibt dahingestellt, ob § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg mit den Bestimmungen des Hochschulrahmengesetzes vereinbar oder nach Art. 31 GG unwirksam ist.
Orientierungssatz
- Es spricht manches dafür, daß § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg mit zwingenden, abschließenden Regelungen des Hochschulrahmengesetzes, darunter insbesondere § 48 Abs. 1 Satz 4 HRG aF, unvereinbar und daher gemäß Art. 31 GG unwirksam ist.
- Die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG ist nur zulässig, wenn im Ausgangsverfahren die Entscheidung bei Gültigkeit der fraglichen Norm anders ausfallen würde als bei deren Unwirksamkeit.
Normenkette
LPVG Brandenburg § 90 Abs. 2, § 63 Abs. 1 Nr. 4, § 61; HRG (in der bis 22. Februar 2002 geltenden Fassung, aF) § 48 Abs. 1 Sätze 1-4, Abs. 3 Sätze 1-2, § 50 Abs. 3-4, § 57c; HRG (in den vom 22. Dezember 1990 bis 24. August 1998 geltenden Fassungen) § 50 Abs. 3, 34; GG Art. 31, 100 Abs. 1 Sätze 1-2; BeschFG § 1 Abs. 5 S. 1; BGB § 625
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 16.01.2001; Aktenzeichen 2 Sa 585/00) |
ArbG Cottbus (Urteil vom 16.08.2000; Aktenzeichen 6 Ca 1828/00) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 16. Januar 2001 – 2 Sa 585/00 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis auf Grund Befristung am 30. September 2000 geendet hat.
Der Kläger war beim beklagten Land an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus (BTU) vom 1. Oktober 1993 bis 30. September 2000 als wissenschaftlicher Assistent beschäftigt. Zunächst wurde er mit Arbeitsvertrag vom 1. Oktober 1993 befristet für die Zeit bis zum 30. September 1996 “als wissenschaftlicher Assistent gemäß §§ 47 und 48 HRG” eingestellt. Nach dem Vertrag hatte er wissenschaftliche Dienstleistungen in Forschung und Lehre zu erbringen und es gab die Beschäftigung Gelegenheit zur Promotion. Mit am 6. Mai/13. Juni 1996 geschlossenen Änderungsvertrag wurde das Arbeitsverhältnis um drei Jahre bis zum 30. September 1999 verlängert. Der Kläger wurde weiterhin vertragsgerecht als wissenschaftlicher Assistent beschäftigt. Der Kläger war Mitglied des an der BTU gebildeten Personalrats für das wissenschaftliche Personal. Er war nicht freigestellt. Mit Schreiben an die Personalabteilung der BTU vom 22. September 1998 verlangte der Kläger die Verlängerung seines Anstellungsvertrags nach § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg. Mit Schreiben vom 7. Mai 1999 teilte die Kanzlerin der BTU dem Kläger mit:
“Sehr geehrter Herr G.…,
hierdurch teile ich Ihnen mit, dass Ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 90 Absatz 2 Personalvertretungsgesetz des Landes Brandenburg (BbgPersVG) bis zum 30.09.2000 fortbesteht, sofern Ihre Mitgliedschaft im Personalrat bis zum Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages am 30.09.1999 andauert.
Das Arbeitsverhältnis wird nicht vertraglich verlängert, sondern besteht lediglich kraft Gesetzes fort.
Darüber hinausgehende Ansprüche sind ausgeschlossen.”
Der Kläger wurde über den 30. September 1999 bis zum 30. September 2000 weiter beschäftigt.
Mit seiner am 30. Mai 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat sich der Kläger gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2000 gewandt. Er ist der Auffassung, die nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 HRG (in der bis 22. Februar 2002 geltenden Fassung, aF) für die befristeten Arbeitsverhältnisse von wissenschaftlichen Assistenten geltende zeitliche Höchstgrenze von sechs Jahren sei überschritten. Die letzte befristete Verlängerung des Vertrags könne nicht auf § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg gestützt werden. Diese Bestimmung sei wegen Verstoßes gegen zwingendes Bundesrecht unwirksam.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auf Grund der Befristung nicht zum 30. September 2000 endet,
- das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger über den 30. September 2000 hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluß des vorliegenden Verfahrens als wissenschaftlichen Assistenten weiterzubeschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Das beklagte Land beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
- Die Klage ist zulässig. Der Kläger begehrt mit ihr die in § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG (in der vom 1. Oktober 1996 bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung; seitdem: § 17 Satz 1 TzBfG) vorgesehene gerichtliche Feststellung, sein Arbeitsverhältnis habe nicht auf Grund Befristung am 30. September 2000 geendet. Gegenstand der Feststellungsklage ist damit nur die Frage, ob das Arbeitsverhältnis zu diesem Zeitpunkt geendet hat. Dagegen bildet eine etwa bereits früher eingetretene Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen selbständigen Streitgegenstand des Verfahrens.
Die Klage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat spätestens am 30. September 2000 geendet. Die Frage, ob es bereits am 30. September 1999 geendet und danach nur noch als faktisches Arbeitsverhältnis fortbestanden hat, konnte dahinstehen. Auch kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht darauf an, ob § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg wirksam oder wegen Verstoßes gegen zwingendes Bundesrecht unwirksam ist. Die Klage ist sowohl im Falle der Wirksamkeit als auch im Falle der Unwirksamkeit der landesrechtlichen Bestimmung unbegründet.
- Nach § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg bleiben die befristeten Arbeitsverhältnisse der Mitglieder von Personalräten im Hochschulbereich “unbeschadet der vereinbarten Befristung für die Dauer bestehen, für die ein Kündigungsschutz in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis bestanden hätte, höchstens jedoch für die Dauer eines Jahres”. Diese landesrechtliche Bestimmung ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich. Es spricht manches dafür, daß sie mit zwingendem Bundesrecht unvereinbar und daher gemäß Art. 31 GG unwirksam ist. Die im Hochschulrahmengesetz enthaltenen Bestimmungen über die Befristung der Arbeitsverhältnisse – ua. – von wissenschaftlichen Assistenten und über die Möglichkeiten der Verlängerung dürften ein in sich geschlossenes, abschließendes und zwingendes Regelungssystem darstellen, das keinen Raum läßt für abweichendes Landesrecht (vgl. zur entsprechenden Problematik des § 57c HRG aF – für das in § 57a Satz 1 HRG aF genannte Personal, insbesondere BAG 14. Februar 1996 – 7 AZR 613/95 – BAGE 82, 173 ff. = AP HRG § 57c Nr. 4). Hierfür spricht insbesondere auch § 48 Abs. 1 Satz 4 HRG aF, der abgesehen von den in § 50 Abs. 3 HRG aF genannten Fällen eine weitere Verlängerung des schon einmal gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 HRG aF verlängerten Vertrags eines wissenschaftlichen Assistenten ausdrücklich für nicht zulässig erklärt. § 48 Abs. 1 Satz 4 HRG aF dürfte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht nur die vertragliche, sondern jegliche im Hochschulrahmengesetz nicht vorgesehene weitere Verlängerung erfassen. Vieles spricht dafür, daß § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg eine derartige, gemäß § 48 Abs. 1 Satz 4 HRG aF nicht zulässige Verlängerung normiert. Denn ohne Rücksicht auf die im Hochschulrahmengesetz genannten zeitlichen Grenzen bestimmt die landesgesetzliche Norm den Fortbestand der Arbeitsverhältnisse befristet beschäftigter Mitglieder von Personalräten im Hochschulbereich und macht die Verlängerung nicht von den im Hochschulrahmengesetz genannten Voraussetzungen abhängig. Insbesondere setzt § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg anders als § 50 Abs. 4 iVm. Abs. 3 HRG (in den vom 22. Dezember 1990 bis 24. August 1998 geltenden Fassungen), bzw. § 50 Abs. 4 iVm. Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 HRG aF keine Freistellung des Personalratsmitglieds voraus.
Der Senat mußte vorliegend die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 90 Abs. 2 LPVG Brandenburg nicht abschließend beurteilen und keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG zur Vereinbarkeit der jüngeren, am 17. September 1993 in Kraft getretenen landesrechtlichen Bestimmung mit dem damals bereits geltenden Hochschulrahmengesetz herbeiführen (vgl. zur Begrenzung des Verwerfungsmonopols des Bundesverfassungsgerichts auf diese zeitliche Abfolge von Bundes- und Landesrecht BVerfG 6. Oktober 1959 – 1 BvL 13/58 – BVerfGE 10, 124, 127 f.; BAG 14. Februar 1996 – 7 AZR 613/95 – BAGE 82, 173 ff. = AP HRG § 57c Nr. 4, zu II 4 der Gründe).
- Der Weiterbeschäftigungsantrag fiel dem Senat nicht zur Entscheidung an. Der Antrag ist ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellt und außerdem nur auf die Zeit bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits gerichtet.
- Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Linsenmaier, Bea, Willms
zugleich für die wegen Urlaubs an der Unterschrift verhinderten Richterin Gräf
Fundstellen
ARST 2003, 188 |
ZTR 2003, 200 |
AP, 0 |
NJ 2003, 223 |
NZA-RR 2004, 501 |
PersV 2003, 259 |
ZfPR 2003, 112 |
Tarif aktuell 2003, 5 |