Entscheidungsstichwort (Thema)
Hausarbeitstag und Tarifurlaub im Ausbildungsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. § 1 HArbTG NW ist derzeit auf verheiratete Frauen mit eigenem Hausstand noch anzuwenden. Die vom Bundesverfassungsgericht im Beschluß vom 13. November 1979 1 BvR 631/78 (BVerfGE 52, 369 = AP Nr 28 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen) ausgesprochene Anwendungssperre betrifft lediglich alleinstehende Frauen mit eigenem Hausstand.
2. Krankenpflegeschüler, deren Ausbildungsverhältnis dem Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse für Lernschwestern und Lernpfleger (BAT/KF) unterliegt, haben Anspruch auf den vollen tariflichen Jahresurlaub. Dieser wird nicht durch § 10 Nr 1 KrPflG eingeschränkt. Diese Vorschrift regelt lediglich, welche Unterbrechungen auf die Dauer des Lehrgangs anzurechnen oder der Gesamtausbildung zuzurechnen sind.
3.Eine Krankenpflegeschülerin, deren Ausbildungsverhältnis wegen Unterbrechung durch Schwangerschaft entsprechend verlängert worden ist, kann den vollen Tarifurlaub beanspruchen.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 03.07.1980; Aktenzeichen 9 Sa 179/80) |
ArbG Herne (Entscheidung vom 11.12.1979; Aktenzeichen 3 Ca 2145/79) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit von Oktober 1979 bis März 1980 Abgeltung für drei Urlaubs- und sechs Hausarbeitstage in der rechnerisch nicht bestrittenen Höhe von 400,-- DM zusteht.
Nach dem zwischen den Parteien am 8. November 1976 geschlossenen Vertrag wurde die Klägerin vom 1. Oktober 1976 bis zum 31. August 1979 bei der Beklagten als Krankenpflegeschülerin ausgebildet. Die Ausbildungszeit wurde aufgrund einer Schwangerschaft der Klägerin bis zum 31. März 1980 verlängert. In dem Ausbildungsvertrag haben die Parteien, soweit hier von Bedeutung, folgendes vereinbart:
"II. Dauer der Ausbildung
--------------------
Die Ausbildung erfolgt in einem dreijährigen
Lehrgang.
Sie endet am 30.8.1979.
Auf die Dauer des Lehrganges werden angerechnet
(§ 10 Krankenpflegegesetz in der Fassung vom
20. September 1965):
a) Unterbrechung durch Ferien bis zu vier Wochen
jährlich und
b) Unterbrechung wegen Erkrankung oder Schwanger-
schaft bis zur Gesamtdauer von zwölf Wochen.
...
Die Verlängerung der Ausbildung aus besonderen
Gründen bleibt vorbehalten.
...
III. Durchführung der Ausbildung
---------------------------
Für das Ausbildungsverhältnis des Krankenpflege-
schülers/der Krankenpflegeschülerin gelten
a) die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere
des Krankenpflegegesetzes vom 20.9.1965 so-
wie die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für
Krankenschwestern, Krankenpfleger und Kinder-
krankenschwestern vom 2.8.1966 und der Tarif-
vertrag (BAT/FK) zur Regelung der Rechtsver-
hältnisse für Lernschwestern und Lernpfleger,
vom 1.1.1967 in der jeweils gültigen Fassung,
...
IV. Ausbildungsgeld - Urlaubsregelung
---------------------------------
...
Die monatliche Ausbildungsbeihilfe sowie die
Urlaubsregelung richten sich nach dem Tarif-
vertrag (BAT/KF) zur Regelung der Rechtsver-
hältnisse für Lernschwestern und Lernpfleger
vom 1.1.1967 in der jeweils gültigen Fassung.
Der Urlaub wird zeitlich entsprechend dem je-
weils gültigen praktischen Einsatzplan für den
gesamten Kurs gewährt.
..."
Die Klägerin ist verheiratet und unterhält einen eigenen Hausstand. Ihr Ehemann ist berufstätig.
Die Klägerin hatte in der Ausbildungszeit in der Doppelwoche 80 Stunden zu arbeiten, und zwar von Montag der einen bis zum Freitag der nächsten Woche, also an zwölf aufeinanderfolgenden Tagen. Bei dieser Arbeitszeitgestaltung wird dem übrigen Krankenpflegepersonal der Hausarbeitstag nach dem Hausarbeitsgesetz von Nordrhein-Westfalen gewährt. Der Klägerin wurde der Hausarbeitstag mit dem Hinweis darauf verweigert, daß sie als Krankenpflegeschülerin keine Arbeitsleistung im Sinne des Hausarbeitstagsgesetzes erbringe.
Auf das Ausbildungsverhältnis fand der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Lernschwestern und Lernpfleger vom 1. Januar 1967 in der Fassung vom 28. April 1978 Anwendung. Dieser Tarifvertrag sieht für das Urlaubsjahr 1979 und für das Urlaubsjahr 1980 einen Urlaubsanspruch von je 22 Arbeitstagen vor. Unter Urlaubsjahr ist das Ausbildungsjahr zu verstehen. Der Klägerin wurden von der Beklagten für das Urlaubsjahr 1978/79 20 Urlaubstage und für das halbe Urlaubsjahr 1979/80 zehn Urlaubstage gewährt. Drei weitere tarifliche Urlaubstage wurden der Klägerin unter Hinweis auf § 10 KrankenpflegeG verweigert.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe nach § 1 HausarbTagsG NRW Anspruch auf den Hausarbeitstag. Bei einer 40-Stunden-Woche und 400 Unterrichtsstunden im Jahr sei sie während der Ausbildung überwiegend praktisch tätig gewesen. Sie sei voll in den Stellen- und Dienstplan des Krankenhauses eingegliedert gewesen und habe bei Bedarf Überstunden und Bereitschaftsdienste zu leisten gehabt. Damit sei ihre Ausbildung einheitlich als betriebliche Ausbildung anzusehen.
Die Klägerin hat ferner die Auffassung vertreten, der ihr nach dem Tarifvertrag zustehende Jahresurlaub könne nicht im Hinblick auf § 10 KrankenpflegeG gekürzt werden. Diese Vorschrift enthalte lediglich eine Regelung über die Dauer des Ausbildungslehrgangs und darüber, wie Unterbrechungen anzurechnen seien.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 400,-- DM
brutto zu verurteilen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe während der Ausbildung zur Krankenpflegerin keinen Anspruch auf Hausarbeitstage gehabt. Die Klägerin habe nicht 80 Stunden in der Doppelwoche gearbeitet. Nach § 11 KrankenpflegeG seien darin jährlich mindestens 400 Unterrichtsstunden enthalten. Selbst wenn die praktische Ausbildung als Arbeit anzusehen sei, verbleibe unter Abzug der Unterrichtszeit lediglich eine Arbeitszeit von 32 bis 30 Stunden in der Woche.
Die Beklagte hat weiter die Auffassung vertreten, der tarifliche Jahresurlaub von 22 Arbeitstagen sei nach § 10 KrankenpflegeG um zwei Tage zu kürzen. Nach dieser Vorschrift könne das Ausbildungsziel der dreijährigen Krankenpflegeausbildung nur dann erreicht werden, wenn die Lehrgänge lediglich bis zu vier Wochen jährlich unterbrochen werden. Damit werde auch der Jahresurlaub der Klägerin auf maximal 20 Arbeitstage beschränkt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat der Klägerin zu Recht für sechs Hausarbeitstage und drei Urlaubstage eine Abgeltung in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 400,-- DM brutto zugesprochen.
I. Die Klägerin konnte in der Zeit von Oktober 1979 bis März 1980 monatlich einen Hausarbeitstag beanspruchen.
1. Der Anspruch ergibt sich aus § 1 HausarbTagsG NRW. Der Senat ist im vorliegenden Fall nicht gehindert, diese Gesetzesvorschrift anzuwenden. Für eine Aussetzung des Verfahrens besteht kein Anlaß.
a) Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings mit Beschluß vom 13. November 1979 (BVerfGE 52, 369 = AP Nr. 28 zu § 1 Hausarb-TagsG Nordrh.-Westfalen) entschieden, es sei mit Art. 3 Abs. 2 GG unvereinbar, wenn alleinstehenden Frauen mit eigenem Hausstand, nicht aber Männern in gleicher Lage ein Anspruch auf den monatlichen Hausarbeitstag gewährt werde. Das Bundesverfassungsgericht hat sich jedoch auf die Feststellung der Verfassungswidrigkeit beschränkt und § 1 HausarbTagsG NRW nicht etwa für nichtig erklärt. In der Begründung hat es darauf hingewiesen, dem Gesetzgeber stünden verschiedene Wege offen, die von der Verfassung geforderte Gleichheit herzustellen. Der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daraufhin mit Beschluß vom 26. Januar 1982 (BAG 37, 352 = AP Nr. 29 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen) ein Verfahren ausgesetzt, in dem eine alleinstehende Arbeitnehmerin den Hausarbeitstag gefordert hat.
b) Im vorliegenden Fall wird die Rechtsstellung der Klägerin durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht berührt. Die Klägerin ist nicht alleinstehend, sondern verheiratet. Ob auch die Begünstigung verheirateter Frauen gegen Art. 3 Abs. 2 GG verstößt, hat das Bundesverfassungsgericht bisher nicht entschieden. Es hat diese Frage in dem angeführten Beschluß vielmehr ausdrücklich offengelassen (vgl. BVerfGE, aaO, zu B II 2 b der Gründe). In solchen Fällen besteht die vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene Anwendungssperre des § 1 HausarbTagsG NRW nicht (vgl. Heussner, NJW 1982, 257, 258). Der Senat ist daher nicht daran gehindert, über den Anspruch einer verheirateten Arbeitnehmerin auf den Hausarbeitstag nach der zur Zeit gegebenen Gesetzeslage zu entscheiden. Insoweit ist nach dem gegenwärtigen Rechtszustand noch von der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Hausarb-TagsG NRW auszugehen.
c) Der Senat ist nicht gehalten, die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit des § 1 HausarbTagsG NRW mit Art. 3 Abs. 2 GG im Hinblick auf eine ungerechtfertigte Bevorzugung verheirateter Arbeitnehmerinnen zu prüfen und diese Rechtsfrage gegebenenfalls dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG zur Entscheidung vorzulegen.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 1 HausarbTagsG NRW könnten im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 GG vorliegend nur darin bestehen, daß verheiratete Arbeitnehmer im Gegensatz zu verheirateten Arbeitnehmerinnen von der im Gesetz vorgesehenen Vergünstigung ausgeschlossen sind. Diese Bedenken führen aber nicht zwangsläufig dazu, § 1 HausarbTagsG NRW als nichtig und damit als unanwendbar anzusehen. Mit Rücksicht auf die gesetzgeberische Gestaltungsbefugnis müßte sich das Bundesverfassungsgericht auch in diesem Falle darauf beschränken, die Vorschrift als unvereinbar mit dem Grundgesetz zu erklären; die Beseitigung des Gleichheitsverstoßes müßte es dem Gesetzgeber überlassen (BVerfGE 37, 217, 260; 39, 316, 332).
Vorliegend ist jedoch nicht darüber zu entscheiden, ob durch die noch bestehende Gesetzesvorschrift (§ 1 HausarbTagsG NRW) verheiratete Männer im Vergleich zu verheirateten Frauen benachteiligt sind. Solange die gesetzliche Regelung noch besteht und über ihre Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz aus Anlaß einer Benachteiligung von Männern noch nicht entschieden ist, muß sie von den Gerichten angewendet werden (vgl. dazu auch BVerfG Beschluß vom 24. Januar 1984 - 1 BvL 7/82 - NJW 1984, 1675).
2. Die Klägerin erfüllte in der Zeit von Oktober 1979 bis März 1980 die Voraussetzungen, nach denen ihr ein Hausarbeitstag zu gewähren ist. Das Berufungsgericht hat ihr zu Recht einen Anspruch auf Abgeltung von sechs Hausarbeitstagen zuerkannt.
a) Nach § 1 HausarbTagsG NRW haben in Betrieben und Verwaltungen aller Art Frauen mit eigenem Hausstand, die im Durchschnitt wöchentlich mindestens 40 Stunden arbeiten, Anspruch auf einen arbeitsfreien Wochentag (Hausarbeitstag) im Monat. Die Klägerin hat diese Voraussetzungen während ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin bei der Beklagten erfüllt. Sie war an durchschnittlich 40 Stunden in der Woche beschäftigt, ohne an vier Werktagen im Monat üblicherweise von der Arbeit freigestellt zu sein. Sie hatte ferner einen eigenen Hausstand, in dem sie die üblichen Hausarbeiten ohne ausreichende Hilfe verrichten mußte (vgl. BAG 13, 1, 15 f. = AP Nr. 19 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen, zu B II 5 der Gründe; BAG 31, 105, 108 f. = AP Nr. 27 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen, zu I 1 und 2 der Gründe).
b) Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung ist das HausarbTagsG NRW auf das Ausbildungsverhältnis der Klägerin anzuwenden.
Nach den von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts war das Ausbildungsverhältnis der Klägerin überwiegend praktisch ausgestaltet; es ist daher als arbeitsrechtlich betriebliches Ausbildungsverhältnis anzusehen, für das die Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes gelten (vgl. hierzu BAG 28, 269, 274 = AP Nr. 3 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis, zu I 1 a) u. b) der Gründe; BAG 33, 213, 217 = AP Nr. 4 zu § 611 BGB Ausbildungsverhältnis).
Nach § 3 Abs. 2 BBiG sind auf den Ausbildungsvertrag, soweit sich aus seinem Wesen und Zweck nichts anderes ergibt, die für den Arbeitsvertrag geltenden Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze anzuwenden. Das gilt auch für die arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften, soweit das Berufsbildungsgesetz hierzu keine Sonderregelungen enthält (vgl. Weber, BBiG, § 3 Anm. 2; Gedon/-Spiertz, Berufsbildungsrecht, § 3 Anm. 2; Natzel, Berufsbildungsrecht, 3. Aufl., S. 106 ff.). Eine Ausnahme besteht nur da, wo das Gesetz wegen fehlenden Sachzusammenhangs nicht anwendbar ist (Natzel, aaO, S. 122).
Das Hausarbeitstagsgesetz ist ein Arbeitsschutzgesetz im engeren Sinne (BAG 13, 1, 4 = AP Nr. 19 zu § 1 HausarbTagsG Nordrh.-Westfalen, zu B I 2 der Gründe). Es ist daher auf arbeitsrechtlich-betrieblich ausgestaltete Ausbildungsverhältnisse anzuwenden. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, eine dem Berufsbildungsgesetz unterliegende Frau von diesem Schutzgesetz auszuschließen. Durch das HausarbTagsG NRW soll die berufstätige Frau bei ihrer Doppelaufgabe von Berufstätigkeit und Haushaltsführung entlastet werden. Diesen Belastungen ist eine Auszubildende ebenso ausgesetzt wie eine in einem Arbeitsverhältnis stehende Frau.
c) Die von der Revision erhobenen Bedenken gegen die Anwendung des Hausarbeitstagsgesetzes auf Krankenpflegeschülerinnen greifen nicht durch. Die Revision meint, den Krankenpflegeschülerinnen könne der Hausarbeitstag nicht gewährt werden, weil sie sich in einem Schulverhältnis befänden. Hierbei übersieht die Revision, daß die Ausbildung in einer "Krankenpflegeschule" dann nicht als Schulverhältnis angesehen werden kann, wenn die Ausbildung, wie vorliegend der Fall, überwiegend betrieblich ausgestaltet ist.
II. Der Klägerin stand auch ein Anspruch auf den ungekürzten tariflichen Jahresurlaub zu. Sie kann daher auch Abgeltung für zwei Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 1978/79 und einen Urlaubstag für das halbe Urlaubsjahr 1979/80 verlangen.
1. Nach § 48 Abs. 1 BAT/KF hat die Klägerin im Urlaubsjahr Anspruch auf 22 Urlaubstage. Entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung wird dieser tarifliche Anspruch nicht durch § 10 Nr. 1 KrankenpflegeG eingeschränkt.
Das Krankenpflegegesetz trifft in den §§ 9 und 10 Regelungen über die Dauer der Ausbildung. Danach dauern die Lehrgänge in der Krankenpflege drei Jahre. In § 10 ist bestimmt, welche Unterbrechungen auf die Dauer des Lehrgangs anzurechnen sind, nämlich Unterbrechungen durch Ferien bis zu vier Wochen jährlich und Unterbrechungen wegen Erkrankung oder Schwangerschaft bis zur Gesamtdauer von 12 Wochen. § 10 KrankenpflegeG enthält damit nur eine modifizierende Aussage über die Lehrgangsdauer. Nach dem Sinn der Vorschrift sollen Unterbrechungen von einem bestimmten zeitlichen Umfang nicht auf die Lehrgangsdauer angerechnet werden, weil sonst erfahrungsgemäß die Gefahr besteht, daß das Ausbildungsziel nicht erreicht werden könnte. Die Vorschrift verhindert jedoch nicht, daß gesetzliche, tarifliche oder ausbildungsrechtliche Bestimmungen eine Unterbrechung des Lehrgangs auch für längere Dauer vorsehen; sie trifft lediglich eine Regelung darüber, ob diese Zeiten auf die Lehrgangsdauer angerechnet werden oder der Gesamtausbildung hinzuzurechnen sind. Im letzteren Falle verlängert sich die dreijährige Ausbildung entsprechend (Kilian, Kommentar zum Krankenpflegegesetz, § 10 Anm. II; Eichholz/Bernhardt, Kommentar zum Krankenpflegegesetz, 4. Aufl., § 10 Anm. 1; zum Rechtscharakter des § 10 KrankenpflegeG vgl. auch den Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. Januar 1983 - GmS - OGB 2/82 = AP Nr. 4 zu § 14 BBiG, zu III 4 der Gründe).
2. Daß § 10 KrankenpflegeG lediglich die Dauer des Lehrgangs regelt und nicht zu einer Kürzung des gesetzlichen bzw. tariflichen Jahresurlaubs führen kann, ergibt sich aus einem Vergleich mit anderen gesetzlichen Urlaubsbestimmungen:
a) Das Jugendarbeitsschutzgesetz sieht in § 19 Abs. 2 für die 15 bis 17jährigen Jugendlichen einen Jahresurlaub zwischen 30 und 25 Werktagen vor. Der Zweck dieser Sonderregelung besteht darin, dem Jugendlichen eine den körperlichen und geistigen Anforderungen des Berufslebens entsprechende Entspannung durch eine längere Erholungszeit zu gewährleisten, um ihn vor gesundheitlichen Schäden zu bewahren und die Arbeitsfähigkeit zu erhalten (vgl. Molitor/Volmer/Germelmann, JArbSchG, 2. Aufl., § 19 Rz 2; Zmarzlik, JArbSchG, 2. Aufl., § 19 Rz 2). Dieser besondere Schutz darf nicht durch Verkürzung des Jahresurlaubs eingeschränkt werden.
b) Ähnlich verhält es sich mit § 44 SchwbG. Nach dieser Bestimmung besteht für den Schwerbehinderten ein Anspruch auf Zusatzurlaub, der gemeinsam mit dem gesetzlichen oder tariflichen Urlaub einen Urlaubsanspruch über die Dauer von vier Wochen hinausgehend begründet. Der Zusatzurlaub dient dem besonderen Erholungsbedürfnis des Schwerbehinderten und soll die ohnehin durch die Behinderung gefährdete Arbeitskraft erhalten (Wilrodt/Neumann, SchwbG, 6. Aufl., § 44 Rz 6). Der Zusatzurlaub des Schwerbehinderten kann daher auch durch die Regelung des § 10 Nr. 1 KrankenpflegeG nicht eingeschränkt werden.
c) Nichts anderes kann für die zwingenden tariflichen Urlaubsregelungen gelten, die den Umfang der nach § 10 Nr. 1 KrankenpflegeG nicht anrechenbaren Ferienzeit ausdehnen. Auch mit diesen Vorschriften wird dem besonderen Urlaubsbedürfnis des Arbeitnehmers Rechnung getragen.
d) Die Auffassung der Revision, wonach § 10 Nr. 1 KrankenpflegeG den tariflichen Bestimmungen vorgehen soll, würde schließlich auch zu einer Einschränkung des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) führen, dem nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Verfassungsrang zukommt (BAG 10, 247, 256 = AP Nr. 2 zu § 4 TVG Angleichungsrecht). Denn einer Krankenpflegeschülerin wäre es dann verwehrt, trotz der günstigeren tarifvertraglichen Regelung einen längeren Urlaubsanspruch als 22 Werktage geltend zu machen. Ein derartiger Regelungsumfang kann dem § 10 KrankenpflegeG nicht unterstellt werden.
Dr. Gehring Michels-Holl Schneider
Dr. Krems Pallas
Fundstellen
Haufe-Index 440150 |
BAGE 47, 187-195 (LT1-3) |
BAGE, 187 |
DB 1985, 1031-1031 (LT1-3) |
NJW 1985, 2493 |
NJW 1985, 2493-2494 (LT1) |
EzB Hausarbeitstagsgesetz (NRW) § 1, Nr 1 (LT1-3) |
EzB TVG § 1, Nr 11 (L1-3) |
FamRZ 1985, 594-595 (LT1-3) |
ARST 1985, 186-187 (LT2-3) |
JR 1986, 176 |
AP § 611 BGB Ausbildungsverhältnis (LT1-3), Nr 9 |
AR-Blattei, Krankenpflege- und Heilhilfspersonal Entsch 6 (LT2-3) |
PersR 1985, 76-78 (LT1-3) |
Streit 1985, 55 |
ZfA 1985, 584-585 (T) |