Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Erschwerniszuschlag für Arbeiten mit Röhrenlötzinn

 

Orientierungssatz

Anspruch auf tariflichen Erschwerniszuschlag für Arbeiten mit Röhrenlötzinn gemäß dem Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (Bestätigung der Rechtsprechung des Senats vom 23. Juni 1993 - 10 AZR 177/92 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen.

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 13.10.1992; Aktenzeichen 3 Sa 396/91)

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 11.04.1991; Aktenzeichen 1 Ca 2211/90)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob den Klägern für die Durchführung von Lötarbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn ein Erschwerniszuschlag zu zahlen ist.

Die Kläger sind bei der Beklagten als Fernmeldehandwerker beschäftigt und zwar der Kläger zu 1) seit dem 30. August 1979 (Er steht seit dem 1. Januar 1990 im Beamtenverhältnis), der Kläger zu 2) seit dem 24. November 1972, der Kläger zu 3) seit dem 25. Februar 1977 und der Kläger zu 4) seit dem 1. Dezember 1976. Sie sind im Fernmeldeamt M , Dienststelle "Montage für fernmeldetechnische Inneneinrichtungen" (MgF), eingesetzt. Zu ihren Tätigkeiten gehört die Durchführung von Lötarbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn.

Auf die Arbeitsverhältnisse der Kläger findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV-Arb) nebst Anlagen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

In § 10 TV-Arb wird neben allgemeinen Grundsätzen der Entlohnung die Gewährung von Zulagen und Zuschlägen geregelt. Die einschlägigen Absätze in der bis einschließlich 31. Dezember 1987 gültigen Fassung lauteten wie folgt:

"§ 10 II Lohnbildung

Abs. 7: Für besonders schmutzige oder gesund- heitsgefährdende Arbeiten sowie für Arbeiten, die unter erschwerten Bedingungen zu verrichten sind, werden nach den Bestimmungen der Anlage 4 Er- schwerniszuschläge gezahlt.

Abs. 8: Die Berechnung der Erschwerniszuschläge und des Zeitlohnzuschlages nach § 14 Abs. 6 richtet sich nach der "Bemessungsgrundlage". Ihre Höhe ist aus der Anlage 3 ersichtlich."

Seit 1. Januar 1988 sind die Absätze 7 und 8 durch folgende Regelungen ersetzt:

"§ 10 III Zulagen und Zuschläge

Für neben dem Monatslohn zu zahlende und in Monatsbeträgen festgelegte Zulagen und Zuschläge gelten Abschnitt I Abs. 8 und 9 und Abschnitt II entsprechend."

In Anlage 4 sind die Bestimmungen über die Gewährung eines Erschwerniszuschlages enthalten. Unter "II. Erschwerniszuschlag für sonstige Arbeitserschwernisse" heißt es dort:

"Abs. 1: Arbeiter, die an einem Tag eine oder mehrere der in nachstehendem Abs. 7 aufgeführten Arbeiten verrichten, erhalten einen Erschwerniszuschlag für den Tag. ...

Abs. 2: Der Erschwerniszuschlag beträgt

a) 40 v.H. der Bemessungsgrundlage, wenn zuschlagsberechtigende Arbeiten insgesamt bis zu vier Stunden,

b) 75 v.H. der Bemessungsgrundlage, wenn zuschlagsberechtigende Arbeiten insgesamt mehr als vier Stunden am Tag verrichtet werden.

...

Abs. 4: Der Erschwerniszuschlag nach Abs. 2 bzw. Abs. 3 wird nicht gewährt, wenn die nach Abs. 2 bzw. Abs. 3 zu dem Zuschlag berechtigenden Arbeiten weniger als 10 Minuten am Tag verrichtet werden.

Abs. 6: Der Erschwerniszuschlag wird für den Tag von 0 bis 24 Uhr nur einmal gezahlt; dabei sind die auf diesen Tag entfallenden zuschlagsberechtigenden Arbeitszeiten zusammenzurechnen. Die zuschlagsberechtigende Arbeitszeit wird durch kurzfristige, durch den Arbeitsablauf bedingte Unterbrechungen der zuschlagsberechtigenden Arbeit nicht beeinflußt, wenn die jeweilige Unterbrechung nicht länger als 30 Minuten dauert.

Abs. 7: Der Erschwerniszuschlag wird für folgende Arbeiten gewährt:

...

38. Arbeiten mit Blei, stark bleihaltigen Materialien, Kupferoxyden und Kupfervitriol.

...

86. Arbeiten in Räumen, in denen sich gesundheitsschädliche ätzende oder giftige Dämpfe oder Gase entwickeln.

..."

Mit ihren jeweils am 19. Dezember 1990 eingereichten Klagen, die das Arbeitsgericht mit Verfügung vom 20. Dezember 1990 verbunden hat, begehren die Kläger die Zahlung des tarifvertraglichen Erschwerniszuschlags nach Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 Nr. 38 bzw. 86 zum TV-Arb. Der Kläger zu 1) verlangt den Erschwerniszuschlag für die Zeit vom 1. Mai 1988 bis 31. Dezember 1989 in Höhe von 899,22 DM gemäß seiner Aufstellung vom 6. Dezember 1990 hinsichtlich der zuschlagspflichtigen Arbeiten und Tage, der Kläger zu 2) für die Zeit vom 1. Mai 1988 bis zum 30. November 1990 in Höhe von 1.707,53 DM gemäß seiner Aufstellung vom 7. Dezember 1990, der Kläger zu 3) für die Zeit vom 1. August 1988 bis zum 30. November 1990 in Höhe von 1.920,51 DM gemäß seiner Aufstellung vom 6. Dezember 1990 und der Kläger zu 4) für die Zeit vom 1. August 1988 bis zum 30. November 1990 in Höhe von 1.907,75 DM gemäß seiner Aufstellung vom 6. Dezember 1990.

Die Beklagte zahlte gemäß Schreiben des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 5. November 1979 (Az.: 322-3 A 6474-2/1) den Erschwerniszuschlag für Arbeiten mit Röhrenlötzinn ab dem 1. Oktober 1979. Dieses Schreiben hatte folgenden Wortlaut:

"Röhrenlötzinn ist eine Legierung, deren Bleian- teil mindestens 38 v.H. beträgt. Ich erkenne daher den Röhrenlötzinn als "stark bleihaltiges Material" im Sinne der Nr. 38 a.a.O. an mit der Folge, daß für Arbeiten mit diesem Röhrenlötzinn bei Berücksichtigung der zeitlichen Voraussetzungen der entsprechende Erschwerniszuschlag zu zahlen ist.

Diese Regelung gilt mit Wirkung vom 1.10.79; soweit bereits vorher hiernach verfahren wurde, hat es damit sein Bewenden.

Es ist vorgesehen, diese Verfügung in den Teil C des TV Arb aufzunehmen.

..."

Mit Verfügung des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen vom 19. April 1988 (Az.: 322-3 A 6474-2/1) wurde die Zahlung dieses Erschwerniszuschlags eingestellt, nachdem ein im Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (- 3 AZR 570/81 -) eingeholtes Sachverständigengutachten (Prof. Dr. med. Gerhard L , Zentralinstitut für Arbeitsmedizin, H , vom 16. Dezember 1987) zu dem Ergebnis gelangt war, daß durch den Umgang mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn keine solchen Gesundheitsgefahren zu erwarten seien, wie sie beim Umgang mit reinem Blei entstünden, und die Zahlung eines tariflichen Erschwerniszuschlags daher nicht gerechtfertigt sei.

Die Kläger sind der Auffassung, die von ihnen zeitweise verrichteten Arbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn seien sowohl nach Ziffer 38 als auch nach Ziffer 86 der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb zuschlagspflichtig. Es handele sich um Arbeiten mit "stark bleihaltigen Materialien" im Sinne der Nr. 38, wie sich aus dem Wortlaut der Tarifbestimmung und aus der langjährigen tariflichen Auslegungspraxis der Beklagten gemäß der Verfügung des Bundespostministers vom 5. November 1979 ergebe. Bei dem von der Beklagten herangezogenen Sachverständigengutachten sei bereits die Ausgangsfragestellung, nämlich die Frage der Vergleichbarkeit der Arbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn mit Arbeiten mit reinem Blei, fehlerhaft. Eine mögliche Gesundheitsgefährdung sei durch das Gutachten letztlich auch nicht verneint worden. Außerdem sei festzustellen, daß sich sowohl durch das Löten selbst als auch durch die Einwirkung entsprechender Dämpfe auf den Körper und die Atemwege der Arbeitnehmer besondere Arbeitserschwernisse ergäben, die die Zahlung des tariflichen Erschwerniszuschlags rechtfertigten. Im übrigen komme es auf eine Gesundheitsgefährdung nur dann an, wenn diese ausdrücklich in der entsprechenden Fallgruppe der Anlage 4 zum TV-Arb genannt sei. In den anderen Fällen sei allein an die objektiv ausgeübte Tätigkeit anzuknüpfen. So sei z.B. bei Nr. 86 das Entweichen gesundheitsschädlicher Dämpfe oder Gase als Voraussetzung ausdrücklich genannt. Das arbeitsmedizinische Sachverständigengutachten vom 16. Dezember 1987 biete jedoch auch insoweit keine ausreichende Aussage, ob eine Gesundheitsgefährdung nicht doch vorliege; dabei sei zu bedenken, daß die Kläger in geschlossenen Räumen mit mangelhafter Belüftung mit einer Löttemperatur von ca. 300 Grad an Teilen arbeiten müßten, die teilweise schon über 30 Jahre alt und dementsprechend verschmutzt seien, so daß die beim Löten einschließlich der mitverbrennenden Verschmutzungen aufsteigenden Lötdämpfe Augenbrennen, Augentränen, Husten und Reizungen der Atemwege verursachten.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, im einzelnen

dem Kläger zu 1. an diesen 899,22 DM,

dem Kläger zu 2. an diesen 1.707,53 DM,

dem Kläger zu 3. an diesen 1.920,51 DM und

dem Kläger zu 4. an diesen 1.907,75 DM

Erschwerniszuschlag gemäß Anlage IV Abschnitt II TV-Arb DBP jeweils zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 02.01.1991 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, die Arbeiten der Kläger mit Röhrenlötzinn fielen weder unter Nr. 38 noch unter Nr. 86 der Anlage 4 Abschnitt II Absatz 7 des TV-Arb, da hierfür eine Gesundheitsgefährdung erforderlich sei, die jedoch - wie sich aus dem arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten ergebe - nicht vorliege. Bei den Arbeiten der Kläger handele es sich auch nicht um Arbeiten mit "stark bleihaltigen Materialien" i.S. von Nr. 38 des Erschwerniszuschlagskatalogs. Insoweit lasse sich das Tatbestandsmerkmal "stark bleihaltig" nur am Maß der gesundheitsgefährdenden Wirkungen der Arbeiten mit Röhrenlötzinn bestimmen. Soweit im Zuschlagskatalog teils auf die Kriterien "gesundheitsgefährdend" bzw. "gesundheitsschädigend" abgestellt werde, teils - wie bei Nr. 38 - aber nicht, beruhe dies darauf, daß in den dies voraussetzenden Fallgruppen evtl. gesundheitsgefährdende oder gesundheitsschädigende Stoffe nicht konkret bezeichnet seien, einziger Anknüpfungspunkt vielmehr die potentielle gesundheitsgefährdende oder gesundheitsschädigende Wirkung sei. Bei Arbeiten mit Röhrenlötzinn sei jedoch eine potentielle Gesundheitsgefährdung aufgrund des eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens auszuschließen. Daher könne der geltend gemachte Erschwerniszuschlag auch nicht auf Nr. 86 des Zuschlagskatalogs gestützt werden. Eine auch nach den Aussagen des arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens gegebene Reizwirkung auf die Schleimhäute des Atemtraktes und der Augen sei eine geringere Beeinträchtigung als eine "Ätzung", die nach Nr. 86 des Zuschlagskatalogs vorliegen müsse, um den Erschwerniszuschlag auszulösen. Bei den Arbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn würden daher auch keine gesundheitsschädlichen Gase oder Dämpfe freigesetzt. Nach einer 1989 beim Fernmeldeamt II in B durchgeführten Gefahrstoffmessung würden die maßgeblichen MAK-Werte (MAK-Wert bedeutet die Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz, bei der im allgemeinen die Gesundheit der Arbeitnehmer nicht beeinträchtigt wird, bezogen auf eine achtstündige Exposition bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden) bzw. die raumlufthygienischen Grenzwerte (Der raumlufthygienische Grenzwert oder Innenraumgrenzwert geht von einer 24-stündigen Exposition aus und zwar von älteren Personen, Kindern und Kranken) nicht überschritten; eine Gesundheitsschädigung könne daher ausgeschlossen werden. Die Höhe der geltend gemachten Ansprüche sei zu bestreiten, da eine Erwiderung hierauf mangels von der Dienststelle geführter Aufzeichnungen nicht möglich sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils der Klage stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit dieser begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils, während die Kläger um Zurückweisung der Revision bitten.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Den Klägern stehen die geltend gemachten Erschwerniszuschläge für die Arbeiten mit Röhrenlötzinn zu.

1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht zur Begründung seiner den Klageanträgen stattgebenden Entscheidung ausgeführt, die Kläger hätten auf der Grundlage des § 10 TV-Arb i. Verb. m. der Anlage 4 Abschnitt II Absatz 7 Ziffer 38, § 611 BGB einen Anspruch auf Zahlung der geforderten Erschwerniszuschläge. Aus der Auslegung des TV-Arb folge, daß die Kläger die Voraussetzungen für die Zahlung des Erschwerniszuschlags erfüllten. Danach sei festzuhalten, daß das Arbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn ein Arbeiten mit bleihaltigem Material darstelle, da das Röhrenlötzinn neben anderen Zusatzstoffen wie Zinn, Blei enthalte, wobei der Bleigehalt von 38 % den Arbeitsstoff als "stark bleihaltiges Material" i.S. von Nr. 38 des Zuschlagskatalogs ausweise. Auch die Tarifvertragsparteien seien bei der Abfassung des Zuschlagskatalogs einig gewesen, daß unter dem Begriff "stark" nicht "überwiegend" zu verstehen sei; nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei dann ein Bleigehalt eines Arbeitsmaterials von 38 % aber als "stark" zu bezeichnen. Der Begriff "stark bleihaltig" sei dabei nicht am Maß einer evtl. Gesundheitsgefährdung zu bestimmen. Nr. 38 sehe ein entsprechendes tatbestandliches Erfordernis nicht vor. Auf die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale, die auch besonders schmutzige, sowie Arbeiten unter erschwerten Bedingungen als zuschlagsberechtigt auswiesen, könne insoweit nicht zurückgegriffen werden. Wenn in Ziffer 38 des Zuschlagskatalogs von einer tatbestandsmäßig erforderlichen Gesundheitsgefährdung nicht die Rede ist, hätten die Tarifvertragsparteien offensichtlich das Arbeiten mit stark bleihaltigen Arbeitsmaterialien ungeachtet einer konkreten Gesundheitsgefährdung als zuschlagsauslösend erfassen wollen und das Arbeiten mit "stark bleihaltigem" Röhrenlötzinn als ausreichendes Erschwernis angesehen. Dies entspreche auch der Tarifübung, wie sie von der Beklagten aufgrund der Verfügung des Bundespostministers vom 5. November 1979 über Jahre hinweg beibehalten worden sei.

Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergebe sich die Höhe des den Klägern zustehenden Erschwerniszuschlages aus ihren Aufstellungen. Das einfache Bestreiten der Beklagten, daß die Kläger in entsprechendem zeitlichen Umfang erschwerniszuschlagsauslösende Arbeiten mit 38 % bleihaltigem Röhrenlötzinn verrichtet haben, genüge nicht den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten. Bei der Beschäftigung der Kläger durch Arbeiten mit Röhrenlötzinn handele es sich um einen Vorgang, der der tatsächlichen Wahrnehmung der Beklagten zugänglich sei. Insoweit seien daher der Beklagten nähere Angaben über die Verrichtung von Arbeiten mit Röhrenlötzinn möglich und zuzumuten. Es sei somit von der Richtigkeit der vorgelegten Zusammenstellungen der Kläger auszugehen.

2. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts ist zuzustimmen. Den Klägern stehen die begehrten Erschwerniszuschläge in der jeweils geltend gemachten Höhe zu. Dabei ist die Entscheidung des Senats zur gleichen Rechtsfrage vom 23. Juni 1993 (- 10 AZR 177/92 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) zugrundezulegen. In dieser Entscheidung hat der Senat ausgeführt, daß einem Fernmeldehandwerker in einem Fernmeldezeugamt, zu dessen Tätigkeitsbereich u.a. Lötarbeiten mit Röhrenlötzinn, das einen Bleigehalt von 38 % aufweist, gehört, der Erschwerniszuschlag für Arbeiten mit stark bleihaltigem Material nach Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 Nr. 38 zum TV-Arb zusteht.

a) Danach hat das Landesarbeitsgericht den Klägern im Ergebnis zutreffend die geltend gemachten Erschwerniszuschläge zugesprochen. Zutreffend hat es aufgrund der von ihm vorgenommenen Tarifauslegung festgestellt, daß es sich bei der Tätigkeit der Kläger mit Röhrenlötzinn um "Arbeiten mit stark bleihaltigen Materialien" i.S. der Nr. 38 der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb handelt.

Es ist bei der Tarifauslegung - entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung - zunächst von dem Tarifwortlaut ausgegangen und hat den maßgeblichen Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB) festgestellt. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus hat es dabei den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und den damit von ihnen beabsichtigen Sinn und Zweck der Tarifnorm mitberücksichtigt, soweit diese in den tariflichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben (BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 9. Juli 1980 - 4 AZR 560/78 - AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, m.w.N.). Mit dem Landesarbeitsgericht und der Entscheidung des Senats vom 23. Juni 1993 (aaO) ist davon auszugehen, daß ein Material mit 38 % Bleigehalt "stark bleihaltig" ist.

b) Darauf, ob die "Arbeiten mit stark bleihaltigen Materialien" zusätzlich auch gesundheitsgefährdend sind, kommt es nicht an. Weder die Anlage 4 zu TV-Arb noch der TV-Arb selbst sehen ein derartiges Erfordernis bei den "Arbeiten mit stark bleihaltigen Materialien" vor. Wie der Senat in seinem Urteil vom 23. Juni 1993 (aaO) festgestellt hat, folgt das für die Anlage 4 zum TV-Arb daraus, daß bei einzelnen erschwerniszuschlagsberechtigenden Arbeiten das Erfordernis einer Gesundheitsschädigung oder -gefährdung ausdrücklich angesprochen ist (z.B. Nr. 68: Arbeiten mit gesundheitsschädigenden, ätzenden oder giftigen Stoffen ...; Nr. 75: Arbeiten in Lichtpausereien, wenn nicht durch mechanische Einrichtungen eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen ist ...; Nr. 77: Instandsetzen oder Überprüfen von Feuerlöschern mit gesundheitsschädlichen Füllungen; Nr. 79: Anstreich-, Maler- oder Lackierarbeiten mit gesundheitsschädigenden Farben ...; Nr. 81: Lack-Spritz-Arbeiten mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Farbstoffen und Lösungsmitteln; Nr. 86: Arbeiten in Räumen, in denen sich gesundheitsschädliche, ätzende oder giftige Dämpfe oder Gase entwickeln), in anderen Fällen, wie z.B. Nr. 38 jedoch nicht. Für den TV-Arb ergibt sich das daraus, daß die Bezugnahme auf "gesundheitsgefährdende Arbeiten" mit der Streichung des Abs. 7 in § 10 II weggefallen ist.

c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht festgestellt, daß die Anspruchsvoraussetzungen hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Erschwerniszuschläge vorliegen. Die Kläger haben die die Anspruchshöhe begründenden Tatsachen schlüssig vorgetragen. Das Bestreiten der Beklagten ist unbeachtlich. Der Umstand, daß die Beklagte keine Aufzeichnungen über die Arbeit der Kläger mehr hat, kann nicht zu Lasten der Kläger gehen (BAG Urteil vom 23. Juni 1993, aaO), da seit 1987 die Frage, ob für Lötarbeiten mit Röhrenlötzinn Zuschläge zu zahlen sind, streitig war und die Beklagte allen Grund hatte, solche Aufzeichnungen zu fertigen und aufzubewahren, wenn sie Ansprüche auf einen Erschwerniszuschlag nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe bestreiten wollte.

e) Da die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche bereits aus Nr. 38 der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb folgen, kann dahingestellt bleiben, ob der Klageanspruch auch aus der Nr. 86 begründet wäre.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Matthes Dr. Freitag Hauck

Weinmann Bacher

 

Fundstellen

Dokument-Index HI436590

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge