Der Feststellungsantrag ist nicht begründet, so daß über den uneigentlichen Hilfsantrag nicht zu entscheiden war.
1. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der MTS kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit unmittelbar und zwingend (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG).
2. Die vom Kläger begehrte Kumulierung des Zuschlags nach Ziffer 16b Nr. 4 MTS und der Zuschläge nach Ziffer 39 MTS ist gemäß Ziffer 40 MTS ausgeschlossen. Dies ergibt die Auslegung der tariflichen Vorschriften.
a) Die tariflichen Vorschriften, soweit sie für das Verfahren von Interesse sind, haben folgenden Wortlaut:
“Arbeitszeit
Allgemeine Arbeitszeitbestimmungen
…
16. b) Von Ziffer 16. a) Abs. 1 (Anm.: dh. die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit auf Montag bis Freitag) kann durch Betriebsvereinbarung abgewichen werden:
1. Für Arbeitnehmer in dreischichtiger Arbeitsweise durch Einbeziehung des Samstags in die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit, wenn die besonderen Verhältnisse des Betriebes unter Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer dies erfordern, oder
2. für Arbeitnehmer in zweischichtiger Arbeitsweise …
3. In diesen Fällen ist eine unregelmäßige Verteilung der Wochenarbeitszeit gem. Ziffer 15 a) innerhalb von acht Wochen zulässig, wenn …
4. Für Samstagsarbeit gemäß Ziffer 16. b) wird ein Zuschlag von 20 % (bis 14.00 Uhr) bzw. 25 % (ab 14.00 Uhr) gezahlt.
Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit
…
35. Als zuschlagspflichtige Nachtarbeit im Sinne dieses Tarifvertrages gilt die in der Zeit von 20.00 bis 6.00 Uhr geleistete Arbeit.
…
Zuschläge
39. Die Zuschläge betragen:
a) |
Für Mehrarbeit bis zu |
2 Stunden täglich |
25 % |
|
ab |
3. Stunde täglich |
50 % |
b) |
für Arbeit an Samstagen, die zuschlagspflichtige Mehrarbeit ist, |
|
|
für alle Stunden bis |
12 Uhr |
25 % |
|
ab |
12 Uhr |
50 % |
c) |
für Nachtschichtarbeit und sonstige regelmäßige Nachtarbeit |
25 % |
d) |
für unregelmäßige Nachtarbeit |
30 % |
e) |
für Arbeit an Sonntagen |
100 % |
f) |
für Arbeit an gesetzlichen Feiertagen, für die ein Lohnausfallanspruch nicht besteht, sowie für Arbeiten am Oster- und Pfingstsonntag und am 24. Dezember |
100 % |
g) |
für Arbeit an lohnzahlungspflichtigen Feiertagen |
150 % |
h) |
für die Arbeitsstunden zwischen 14.00 Uhr und 20.00 Uhr Wechselschichtzuschlag |
5 % |
…
40. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen; ausgenommen hiervon ist ein Zusammentreffen des Zuschlages nach Ziffer 39. c) mit einem Zuschlag von 25 % nach Ziffer 39. a) und b) sowie dem Zuschlag von 100 % nach Ziffer 39. e).”
b) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Läßt dieser zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (Senat 9. August 2000 – 4 AZR 466/99 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Holz Nr. 21 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 35; 5. Oktober 1999 – 4 AZR 578/98 – AP TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 15 = EzA TVG § 4 Verdienstsicherung Nr. 8).
aa) Der Wortlaut des ersten Halbsatzes von Ziffer 40 spricht für die von dem Landesarbeitsgericht vertretene Auslegung. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich daraus nicht, daß er sich nur auf Zuschläge nach Ziffer 39 bezieht. Ziffer 40 MTS enthält keine derartige Einschränkung. Der Wortlaut der Regelung in Ziffer 16b Nr. 4 bietet ebenfalls keine Anhaltspunkte dafür, daß das Kumulierungsverbot für diesen Zuschlag nicht gelten soll.
bb) Entgegen der Auffassung des Klägers kann aus dem Gesamtzusammenhang und der Systematik des Tarifvertrags kein vom Wortlaut abweichendes Auslegungsergebnis abgeleitet werden. Richtig ist zwar, daß die Regelungen in Ziffer 40 und in Ziffer 39 MTS im Abschnitt “Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit”, Unterabschnitt “Zuschläge” stehen, während der Zuschlag nach Ziffer 16b Nr. 4 MTS im Abschnitt “Arbeitszeit”, Unterabschnitt “Allgemeine Arbeitszeitbestimmungen” zu finden ist. Es trifft auch zu, daß die nach Ziffer 40 folgenden Regelungen in Ziffer 41 bis 43 Sonderregelungen nur zu den Zuschlägen gem. Ziffer 39 beinhalten. Daraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß Ziffer 40 den Zuschlag nach Ziffer 16b Nr. 4 nicht erfaßt.
Denn die im MTS enthaltenen Abschnittsüberschriften besagen nicht, daß die in einem Abschnitt enthaltenen Regelungen das von der jeweiligen Überschrift erfaßte Sachgebiet erschöpfend behandeln. Das zeigt sich schon daran, daß der Zuschlag gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS eben nicht in die Regelung der sonstigen Zuschläge in Ziffer 39 MTS aufgenommen worden ist, sondern – offensichtlich wegen des engen Sachzusammenhangs – im Rahmen der Arbeitszeitregelung über die Einbeziehung des Samstags in die Verteilung der regelmäßigen Arbeitszeit bei Schichtbetrieb. Das nimmt diesen Zuschlag aber nicht den Charakter eines Zuschlages im tariflichen Sinne. Deshalb kann aus der Stellung der Zuschlagsregelung gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS unter dem Kapitel “Arbeitszeit” nicht abgeleitet werden, daß das Kumulierungsverbot gem. Ziffer 40 MTS unter der Überschrift “Zuschläge” nicht für diesen Zuschlag gilt.
cc) Der aus dem Tarifzusammenhang erkennbare Sinn und Zweck der Regelungen rechtfertigt keine einschränkende Auslegung von Ziffer 40 MTS im Hinblick auf den Zuschlag gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS. Diese Regelung, die für Samstagsarbeit im Schichtbetrieb einen Zuschlag von 20 % (bis 14.00 Uhr) bzw. von 25 % (ab 14.00 Uhr) anordnet, bezweckt erkennbar die Verteuerung der Schichtarbeit am Samstag für den Arbeitgeber auf der einen und die Schaffung eines Ausgleichs für den Freizeitverlust der von regelmäßiger Samstags-Schichtarbeit betroffenen Arbeitnehmer auf der anderen Seite. Diese Zielsetzung wird durch die Einbeziehung in das Kumulierungsverbot nach Ziffer 40 MTS nicht vereitelt. Denkbar ist zB das Zusammentreffen eines Zuschlags nach Ziffer 16b Nr. 4 MTS mit einem Zuschlag von 25 % nach Ziffer 39c MTS (Nachtschichtarbeit und sonstige regelmäßige Nachtarbeit), von 100 % nach Ziffer 39f MTS (Arbeit zB am 24. Dezember), von 150 % nach Ziffer 39g MTS (Arbeit an lohnzahlungspflichtigen Feiertagen) und von 5 % nach Ziffer 39h MTS (Wechselschichtarbeit zwischen 14.00 und 20.00 Uhr). Die Anwendung der Ziffer 40 MTS auf den Zuschlag gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS führt nicht dazu, daß dieser Zuschlag von 20 bis 25 % für die regelmäßige Samstagsarbeit unterschritten wird, sondern lediglich dazu, daß bei einem Zusammentreffen mit dem Zuschlag nach Ziffer 39c bzw. 39h MTS kein durch Kumulation höherer Zuschlag gezahlt wird und daß beim Zusammentreffen mit dem Zuschlag nach Ziffer 39f bzw. 39g MTS der insoweit höhere Zuschlag nicht noch durch den Zuschlag gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS aufgestockt wird. Dadurch wird die erkennbare Zielsetzung der Zuschlagsregelung für regelmäßige Samstagsarbeit im Schichtbetrieb nicht in Frage gestellt. Die Regelung der Kumulierung von Zuschlägen eröffnet ganz unterschiedliche und ggf. ausdifferenzierte Regelungsalternativen, von denen die Tarifvertragsparteien in Ausübung ihrer Gestaltungsfreiheit ganz unterschiedlich Gebrauch machen können und machen. Deshalb verbietet es sich, eine durch den Wortlaut und den systematischen Zusammenhang nicht gestützte Auslegung nur deshalb vorzunehmen, weil sie Regelungen in anderen Tarifverträgen entspricht oder – aus der Sicht des Klägers oder des Gerichts – “sachgerechter” erscheint.
dd) Auch die Entstehungsgeschichte der Tarifregelung spricht nicht gegen die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung. Die Regelung über den Zuschlag bei regelmäßiger Samstagsarbeit im Dreischichtbetrieb war erstmals in den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Sägeindustrie und übrigen Holzbearbeitung (BMS) vom 7. Februar 1990 aufgenommen worden, während die Regelungen über die sonstigen Zuschläge und das Kumulierungsverbot einschließlich der Ausnahmen schon im früheren BMS vom 13. März 1986 enthalten waren. Daraus kann aber entgegen der Auffassung der Revision nicht abgeleitet werden, daß die Einbeziehung des Zuschlags gem. Ziffer 16a Nr. 4 MTS in das Kumulierungsverbot ausdrücklich hätte geregelt werden müssen oder daß die Tarifvertragsparteien nicht bedacht hätten, daß das Kumulierungsverbot auch auf den Zuschlag gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS bezogen werden könnte. Denn weder der Zeitpunkt der Aufnahme der Regelung in den Tarifvertrag noch die Stellung innerhalb des Tarifvertrages ändern etwas daran, daß es sich bei dem Zuschlag gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS um einen Zuschlag im tariflichen Sinne handelt. Im übrigen haben die Tarifvertragsparteien ergänzende Regelungen zu der regelmäßigen Schichtarbeit am Samstag getroffen, zB in Ziffer 25 Abs. 1 MTS (zusätzliche bezahlte Pause), in Ziffer 26 Abs. 1 MTS (bezahlte Freischicht) und in Ziffer 76 Abs. 2 MTS (Urlaubsgewährung). Deshalb kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien die sich aus Ziffer 40 MTS ergebenden Konsequenzen bei dem Zusammentreffen des Zuschlags gem. Ziffer 16b Nr. 4 MTS mit anderen Zuschlägen nicht gewollt haben.
ee) Die ergänzende Berücksichtigung der praktischen Tarifübung (Senat 12. September 1984 – 4 AZR 336/82 – BAGE 46, 308 = AP TVG § 1 Auslegung Nr. 135 = EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 14) führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach den verbindlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann lediglich davon ausgegangen werden, daß die Beklagte bis einschließlich 1999 mindestens teilweise den Zuschlag nach Ziffer 16b MTS zusätzlich zu den sonstigen Zuschlägen nach Ziffer 39 MTS gezahlt hat. Aus dieser Handhabung bei der Beklagten als eines einzelnen Arbeitgebers kann aber nicht auf die praktische Tarifübung hinsichtlich des MTS als Verbandstarifvertrag geschlußfolgert werden.
Insoweit rügt die Revision ohne Erfolg als Verletzung von § 286 ZPO, daß das Landesarbeitsgericht nicht die auch vom Kläger zum Beweis angebotenen Tarifauskünfte eingeholt bzw. die angebotenen Zeugen gehört habe. Denn ohne substantiierten Vortrag des Klägers zur praktischen Tarifübung bestand dazu kein Anlaß. Der Kläger hat aber konkret nur zur praktischen Handhabung der Regelung in dem Betrieb der Beklagten vorgetragen. Der Vortrag zur Tarifpraxis in der Revisionsbegründung ist als neuer Tatsachenvortrag nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO nF nicht beachtlich. Im übrigen hat der Kläger die Beweisangebote ausdrücklich auf seine Behauptungen zur Entstehungsgeschichte und nicht zu der Tarifpraxis bezogen.
3. Diese vom Kläger behauptete jahrelange Praxis der Beklagten, den Zuschlag aus Ziffer 16b Nr. 4 MTS zusätzlich zu anderen Zuschlägen aus Ziffer 39 zu zahlen, hat das Landesarbeitsgericht unter dem Gesichtspunkt der Begründung einer betrieblichen Übung zutreffend als rechtlich unerheblich angesehen. Eine betriebliche Übung entsteht nicht allein schon durch die faktische Leistungsgewährung ohne Rücksicht auf deren Begründung und Anlaß (Senat 25. Oktober 2000 – 4 AZR 574/99 – nv.). Voraussetzung wäre vielmehr, daß die Beklagte in der Vergangenheit die Zuschläge erkennbar entgegen oder zumindest ohne Rücksicht auf die Regelung in Ziffer 40 MTS kumulativ zahlen wollte und bei dem Kläger und seinen Arbeitskollegen ein entsprechendes Vertrauen erweckt hätte. Dafür hat der Kläger jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen. Vielmehr hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, daß die kumulative Auszahlung der Zuschläge in der Vergangenheit, soweit sie erfolgt sei, auf einem unbewußten Abweichen von den tariflichen Regelungen beruht habe. Damit wird keine – vertragliche – Bindung iSd. betrieblichen Übung begründet (vgl. Senat 25. Oktober 2000 – 4 AZR 574/99 – nv.; 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33, 49 f. = AP BAT § 4 Nr. 12; 21. April 1982 – 4 AZR 671/79 – BAGE 38, 291, 297 = AP TVG § 1 Tarifverträge: Bundesbahn Nr. 5 = EzA TVG § 4 Eingruppierung Nr. 1).