Entscheidungsstichwort (Thema)
Karenzentschädigung. Anrechnung von Überbrückungsgeld. Anrechnung von Überbrückungsgeld gem. § 57 SGB III auf eine Karenzentschädigung
Orientierungssatz
- Der einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot unterliegende (ehemalige) Arbeitnehmer muss sich das von der Bundesagentur für Arbeit gem. § 57 SGB III geleistete Überbrückungsgeld auf die ihm vom Arbeitgeber jeweils zu zahlenden Karenzentschädigungen anrechnen lassen.
Normenkette
HGB § 74c Abs. 1; SGB III § 57
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung für die Zeit von Januar bis März 2004.
Der Kläger war vom 1. Juli 2001 bis zum 30. September 2003 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Die Parteien schlossen am 11. April 2002 eine Wettbewerbsvereinbarung, die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
“1. GELTUNGSBEREICH
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, während der Dauer von einem Jahr nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht in selbständiger, unselbständiger oder sonstiger Weise für ein Unternehmen tätig zu werden, welches mit dem Arbeitgeber in direktem oder indirektem Wettbewerb steht oder mit einem Wettbewerbsunternehmen verbunden ist.
…
2. ENTSCHÄDIGUNG
Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer für die Dauer des Wettbewerbsverbots eine Entschädigung in Höhe von 50 % der zuletzt von ihm bezogenen Leistungen. Die Entschädigung wird jeweils am Schluss eines Monats gezahlt.
Auf die Entschädigung ist anderweitiger Erwerb sowie böswillig unterlassener Erwerb nach Maßgabe des HGB anzurechnen.
…”
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30. September 2003. Der Kläger nahm danach eine Tätigkeit als freiberuflicher Handelsvertreter auf. Für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 31. März 2004 wurde ihm von der Bundesagentur für Arbeit ein monatliches Überbrückungsgeld in Höhe von 2.493,12 Euro bewilligt.
Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses errechnete die Beklagte anhand der zuletzt von ihr gezahlten Vergütung eine monatliche Karenzentschädigung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.326,23 Euro und zahlte diese an den Kläger für die Monate Oktober, November und Dezember 2003. Für die Zeit ab Januar 2004 verweigerte die Beklagte die Zahlung mit der Begründung, das Überbrückungsgeld sei auf die Karenzentschädigung anzurechnen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, das Überbrückungsgeld diene der Sicherung des Lebensunterhalts und stelle keine Lohnersatzleistung dar. Deshalb könne es – anders als Arbeitslosengeld – nicht angerechnet werden. Der Empfänger von Überbrückungsgeld stehe dem Arbeitsmarkt im Sinne einer Vermittlungsmöglichkeit durch die Arbeitsagentur nicht zur Verfügung. Darüber hinaus komme dem Überbrückungsgeld ein anderer Zweck zu als der nach §§ 74 ff. HGB zu zahlenden Karenzentschädigung. Diese diene nicht der Sicherung des Lebensunterhalts, sondern solle den Arbeitnehmer vor einer übermäßigen Einschränkung seiner Freiheit schützen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.978,69 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz jeweils aus 1.326,23 Euro seit dem 1. Februar 2004, 1. März 2004 und 1. April 2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag mit der Anrechnung des Überbrückungsgeldes begründet. Dieses nehme Lohnersatzfunktion ein. Der Kläger habe den Anspruch auf das Überbrückungsgeld durch die Verwertung seiner Arbeitskraft erworben. Unerheblich sei, ob er dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Nicht nur der Arbeitnehmer, sondern auch der Selbständige brächten ihre Arbeitskraft in den Wirtschaftskreislauf ein. Das Überbrückungsgeld diene einerseits dem finanziellen Anreiz für die Wahl der Selbständigkeit sowie der finanziellen Unterstützung der Leistungen der eigenen Arbeitskraft und solle andererseits den Lebensunterhalt bei den ersten Schritten der Selbständigkeit sichern. Bei Nichtanrechnung bezöge der Kläger im Ergebnis höhere Einkünfte als wenn er als Arbeitnehmer während der Karenzzeit einer ihm nicht verbotenen Arbeit nachgegangen wäre.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat teilweise Erfolg. Dem Kläger steht auf Grund der Wettbewerbsabrede der Parteien vom 11. April 2002 für die Monate Januar bis März 2004 Karenzentschädigung in Höhe von jeweils 1.273,74 Euro zu. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Da die Differenz zwischen dem Überbrückungsgeld und 110 % der letzten vertraglichen Bezüge (2.652,46 Euro × 110 % = 2.917,70 Euro) 424,58 Euro und damit für sechs Monate (Oktober 2003 bis März 2004) 2.547,48 Euro betrage, die Beklagte jedoch bereits in den Monaten Oktober bis Dezember 2003 insgesamt 3.978,69 Euro gezahlt habe, könne dem Kläger ein weiterer Anspruch nur zustehen, wenn das Überbrückungsgeld nicht auf die Karenzentschädigung anzurechnen sei. Bei der Anrechnung von Sozialleistungen auf die Karenzentschädigung sei danach zu differenzieren, ob diese Lohnersatzfunktion hätten. Das Bundesarbeitsgericht habe dies unter Schließung einer Regelungslücke in § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB für das Arbeitslosengeld angenommen, damit ein Arbeitnehmer sich nicht arbeitslos melde, um neben dem Arbeitslosengeld Karenzentschädigung zu beziehen und damit die Einnahmen gegenüber denjenigen aus dem Arbeitsverhältnis zu erhöhen. Auch das Überbrückungsgeld habe Lohnersatzfunktion. Zwar beschränke sich sein Zweck nicht auf den Lohnersatz, sondern diene auch der Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Sicherung des Existenzgründers und seiner Angehörigen in der Zeit nach der Existenzgründung. Andererseits unterscheide es sich dadurch von den echten Sozialleistungen, dass es unabhängig von der Bedürftigkeit des Beziehers gewährt werde und damit vorrangig eine Leistung der aktiven Arbeitsförderung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 SGB III sei, die gerade zur Vermeidung der sonst erforderlichen Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts (§ 5 SGB III) gewährt würden. Erhebliche Unterschiede zwischen dem Überbrückungsgeld und dem Arbeitslosengeld, die eine Anrechnung ausschließen würden, bestünden nicht. Auch wenn der Kläger als Bezieher von Überbrückungsgeld dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden habe, weil er seine Arbeitskraft zum Aufbau seiner selbständigen Tätigkeit benötigt habe, so habe er diese allein deshalb aufnehmen können, weil das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten beendet gewesen sei. Die Situation stelle sich daher nicht anders dar, als wenn er den Verdienst aus einer anderweitigen Verwendung seiner Arbeitskraft bezogen hätte. Dass die Gewährung des Überbrückungsgeldes unter einem Ermessensvorbehalt stehe, habe für den Charakter der Leistung als Lohnersatzleistung keinen Aussagewert.
II. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat zwar mit Recht erkannt, dass das Überbrückungsgeld auf die Karenzentschädigung anzurechnen ist. Für die Anrechnung ist jedoch nicht der Gesamtbetrag des im Karenzzeitraums bezogenen Überbrückungsgeldes maßgebend. Die Anrechnung erfolgt entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts monatsbezogen, so dass dem Kläger die Differenzbeträge für die Monate Januar bis März 2004 zustehen.
1. Der Kläger hat für die streitigen Monate Januar bis März 2004 einen Anspruch auf Karenzentschädigung. Dies ergibt sich aus der zwischen den Parteien am 11. April 2002 getroffenen Wettbewerbsvereinbarung. Danach hat sich der Kläger verpflichtet, während der Dauer von einem Jahr nach Ende des Arbeitsverhältnisses in kein Wettbewerbsverhältnis zu der Beklagten zu treten. Diese schuldet ihm dafür eine Karenzentschädigung in Höhe von 50 Prozent der zuletzt bezogenen Leistungen. Die Karenzentschädigung in insoweit rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.326,23 Euro ist gem. Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 der Wettbewerbsvereinbarung der Parteien jeweils am Ende eines Monats an den Kläger zu zahlen.
2. Der Kläger ist jedoch nach der Wettbewerbsvereinbarung der Parteien verpflichtet, sich auf diese Entschädigung einen “anderweitigen Erwerb … nach Maßgabe des HGB” anrechnen zu lassen. Ein solcher anderweitiger Erwerb ist auch das ihm von der Agentur für Arbeit gezahlte Überbrückungsgeld. Der durch die vertragliche Vereinbarung in Bezug genommene § 74c HGB normiert sowohl die Art des anzurechnenden Einkommens als auch die rechnerische Durchführung. Unter Anwendung dieser Vorschrift ist auf die Karenzentschädigung monatlich ein Betrag von jeweils 901,65 Euro anzurechnen.
a) Nach § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB muss sich der Handlungsgehilfe auf die fällige Karenzentschädigung anrechnen lassen, was er während des Zeitraums, für den die Entschädigung gezahlt wird, durch anderweitige Verwertung seiner Arbeitskraft erwirbt. Hierzu gehört auch das gem. § 57 SGB III in der Fassung vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4607; im Folgenden: SGB III 2003) gezahlte Überbrückungsgeld.
aa) Aus der Verwertung der Arbeitskraft erzielte Erlöse sind alle geldwerten Leistungen zur Abgeltung der Arbeitsleistung (BAG 7. November 1989 – 3 AZR 796/87 – BAGE 63, 206, 209). Davon ist zunächst die unmittelbare Erzielung von Entgelt für die Erbringung von Arbeitsleistungen, in der Regel im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsvertrages, umfasst. Aber auch Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ist anrechenbar (BAG 13. November 1975 – 3 AZR 38/75 – AP HGB § 74c Nr. 7 = EzA HGB § 74c Nr. 16). Dabei geht es in der Regel um Erträge, die der Selbständige als Anbieter auf dem Markt durch Verkäufe von Waren oder durch Dienstleistungen erzielt. Der Wortlaut des § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB zwingt jedoch nicht zu der Annahme, dass nur solche Erträge eines Selbständigen erfasst werden. § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB stellt nicht auf die unmittelbare Herkunft der Zahlungen ab, sondern auf die Verwertung der Arbeitskraft. Maßgeblich ist dabei, dass es sich um das Ergebnis eines persönlichen Arbeitseinsatzes handelt, der durch die Beendigung des vorhergehenden Arbeitsverhältnisses erst möglich geworden ist.
bb) In diesem Verständnis ist auch das Überbrückungsgeld gem. § 57 SGB III 2003 Entgelt für eine selbständige Tätigkeit. Wesentliche Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Überbrückungsgeld ist der Einsatz der eigenen Arbeitskraft für den Aufbau einer selbständigen wirtschaftlichen Existenz. Nach § 57 Abs. 1 SGB III 2003 konnten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beendeten oder vermieden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Überbrückungsgeld erhalten. Danach war die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit Voraussetzung für die Bewilligung von Überbrückungsgeld. Diese selbständige Tätigkeit musste in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Leistungsbezug aufgenommen werden. Der Gesetzgeber ging von einer Frist von einem Monat aus (BT-Drucks. 14/873 S. 12). Der Existenzgründer musste dabei zwingend im Geschäftsverkehr nach außen auftreten (LSG Baden-Württemberg 11. März 1997 – L 13 Ar 2633/96 – E-LSG Ar-141, zur insoweit wortgleichen Vorschrift des § 55a Abs. 1 Satz 1 AFG). Erforderlich war formal sodann eine Gewerbeanmeldung (Winkler in Gagel SGB III Stand Oktober 2005 § 57 Rn. 20). Im Zusammenhang mit § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III 2003 ergab sich ferner eine bezifferbare Untergrenze der vom Leistungsempfänger zu erbringenden wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden. Da die selbständige Tätigkeit zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit führen musste (§ 57 Abs. 1 SGB III 2003), schlossen sich Arbeitslosigkeit und eine selbständige Tätigkeit nach § 57 SGB III 2003 gegenseitig aus. Wer selbständig in einem bestimmten Umfange tätig war, war nicht arbeitslos. Der konkrete Umfang der selbständigen Tätigkeit, die zur Beendigung oder zum Nichteintritt von Arbeitslosigkeit führte, war in § 118 Abs. 2 Satz 1 SGB III 2003 mit mindestens 15 Wochenstunden angegeben (vgl. dazu auch Winkler in Gagel aaO, § 57 Rn. 22; Petzold in Hauck/Noftz SGB III Stand Oktober 2005 § 57 Rn. 6).
Damit ist in der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden ein Einsatz der eigenen Arbeitskraft zu sehen, dem für den gesetzlich vorgesehenen Zeitraum von sechs Monaten das Überbrückungsgeld gegenübersteht. Es ist zwar auf einem Sozialrechtsverhältnis begründet und nicht synallagmatisch; das hindert die Annahme der Kausalität des Arbeitseinsatzes für den Anspruch auf die Leistung nicht. Die anzurechnende Leistung muss nicht als unmittelbare oder gar angemessene Gegenleistung für den Arbeitseinsatz im Sinne einer proportionalen Vergütung gezahlt werden. Der Erlös aus der unternehmerischen Tätigkeit stellt sich bei Beginn der Selbständigkeit regelmäßig erst nach einer gewissen Zeit ein (vgl. dazu Bauer/Diller Wettbewerbsverbote 3. Aufl. Rn. 526, 552; Westerfelhaus DB 1975, 1185). Hier stellt das Überbrückungsgeld in der Sache einen Zuschuss zur Überbrückung desjenigen Zeitraums dar, in dem die unternehmerische Tätigkeit noch nicht zu einem unmittelbaren oder jedenfalls ausreichenden Einkommen führt. Es erfolgt aber nach den Tatbestandsvoraussetzungen des § 57 SGB III 2003 nur bei tatsächlichem persönlichen, unternehmerischen Arbeitseinsatz und ist daher dem Erwerb aus einer unmittelbaren Verwertung der Arbeitskraft zuzurechnen.
Entscheidend ist, dass die eigene Arbeitsleistung durch Einsatz der eigenen Arbeitskraft kausal für die anzurechnende Gegenleistung, hier: die Bewilligung und Zahlung des Überbrückungsgeldes, ist und dass diese Arbeit in einem zeitlichen Umfang erfolgt, der ohne die Aufgabe der bisherigen Tätigkeit nicht hätte erfolgen können. Einkünfte außerhalb der beruflichen Betätigung des Arbeitnehmers sind nicht anzurechnen (BAG 25. Juni 1985 – 3 AZR 305/83 – BAGE 49, 109, 115); wegen der Notwendigkeit der Erfüllung der dargelegten Voraussetzungen einer nach § 57 SGB III geförderten Selbständigkeit gehört diese aber zur beruflichen Betätigung des Leistungsempfängers, hier: des Klägers.
cc) Entgegen der Auffassung des Klägers ist ohne Bedeutung, dass die Entscheidung über die Bewilligung in der am 1. Oktober 2003 geltenden Fassung des § 57 Abs. 1 SGB III eine Ermessensentscheidung war. Ohne die Verwertung der eigenen Arbeitskraft und die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit durfte Überbrückungsgeld nicht bewilligt werden. Insoweit bestand kein Ermessensspielraum der Arbeitsagentur.
dd) Da für die Anrechnung des Überbrückungsgeldes die Verwertung der eigenen Arbeitskraft durch die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit maßgebend ist, ist die von den Parteien aufgeworfene Frage, ob § 74c HGB auch nach der ersatzlosen Streichung von § 148 SGB III (Art. 1 Nr. 82 des Gesetzes vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848) auf Arbeitslosengeld noch anzuwenden ist (zur früheren Rechtslage grdl. BAG 25. Juni 1985 – 3 AZR 305/83 – BAGE 49, 109; 22. Mai 1990 – 3 AZR 373/88 – AP HGB § 74c Nr. 19 = EzA HGB § 74c Nr. 28), für die Entscheidung des Rechtsstreits ohne Bedeutung.
b) Die Anrechnung des Überbrückungsgeldes führt zu einem verbleibenden monatlichen Anspruch des Klägers auf Karenzentschädigung in Höhe von 424,58 Euro.
Der Arbeitgeber wird von der Leistung zur Karenzentschädigung frei, soweit sie zusammen mit dem anderweitigen Einkommen durch Verwertung der Arbeitskraft einen Betrag von 110 Prozent des bisherigen Einkommens übersteigt. Das bis zum 30. September 2003 erzielte Einkommen des Klägers bei der Beklagten betrug 2.652,46 Euro. 110 Prozent dieser Summe ergeben eine Obergrenze von 2.917,70 Euro monatlich. Der Kläger erhielt von der Agentur für Arbeit ein monatliches Überbrückungsgeld von 2.493,12 Euro, so dass die Beklagte nur noch die Differenz von 424,58 Euro monatlich zu zahlen hat. Daraus ergibt sich ein Zahlungsanspruch des Klägers für die drei streitigen Monate in Höhe von insgesamt 1.273,74 Euro.
3. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht bei der Anrechnung des Überbrückungsgeldes den Gesamtbetrag zu Grunde gelegt.
a) Die Karenzentschädigung ist monatlich zu zahlen. Das haben die Parteien in Ziff. 2 Abs. 1 Satz 2 der Vereinbarung vom 11. April 2002 ausdrücklich vereinbart und entspricht auch der gesetzlichen Regelung in § 74b Abs. 1 HGB.
b) § 74c Abs. 1 Satz 1 HGB, auf den die Parteien in ihrer Wettbewerbsvereinbarung Bezug genommen haben, bestimmt, dass auf die für einen bestimmten Zeitraum (hier: für einen Monat) zu zahlende Karenzentschädigung das in dieser Zeit anderweitig erzielte Einkommen aus der Verwertung der Arbeitskraft angerechnet wird. Damit ist eine Gegenüberstellung der Einnahmen aus anderweitiger Tätigkeit einerseits und der zu zahlenden Karenzentschädigung andererseits für einen größeren oder den gesamten Zeitraum des Wettbewerbsverbots nicht zulässig; die Anrechnung erfolgt pro rata temporis, anders als bei der Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes nach § 615 Satz 2 BGB (BAG 16. Mai 1969 – 3 AZR 137/68 – BAGE 22, 6, 14 f.; 23. Februar 1999 – 9 AZR 739/97 – BAGE 91, 56, 62 f.; MünchKomm-HGB/von Hoyningen-Huene 2. Aufl. § 74c Rn. 22). Die durch das Landesarbeitsgericht vorgenommene “Gesamtabrechnung” unter Einbeziehung des Zeitraums von Oktober bis Dezember 2003 ist daher nicht zulässig.
c) Selbst wenn eine etwaige Überzahlung in den Monaten Oktober bis Dezember 2003 einen bereicherungsrechtlichen Anspruch auf entsprechende Rückzahlung (vgl. dazu Ebenroth/Boujong/Joost/Boecken HGB § 74c Rn. 24) begründete, hätte es einer Aufrechnungserklärung der Beklagten bedurft. Eine solche hat dem Gegner gegenüber zu erfolgen, § 388 Satz 1 BGB. Zwar kann eine Aufrechnung auch konkludent erklärt werden; der Aufrechnungswille muss jedoch klar erkennbar sein (BAG 25. September 2002 – 10 AZR 7/02 – BAGE 103, 1, 7; Mikosch AR-Blattei SD Aufrechnung im Arbeitsverhältnis Rn. 18). Daran fehlt es. Außergerichtlich hat die Beklagte sich in ihrem vom Syndikusanwalt unterzeichneten Schreiben vom 8. März 2004 gegenüber der Forderung des Klägers nach Zahlung der vollen Karenzentschädigung für die Monate ab Januar 2004 lediglich auf die Möglichkeit der Anrechnung des Überbrückungsgeldes berufen. Die Geltendmachung eines Gegenanspruchs oder auch nur eine Bezugnahme auf den Zeitraum vor dem 1. Januar 2004 ist nicht erfolgt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Brühler, Creutzfeldt, Zwanziger, Böhlo, H. Schwitzer
Fundstellen
DB 2006, 1275 |
NJW 2006, 3227 |
FA 2007, 90 |
EzA-SD 2006, 6 |
EzA |
SPA 2006, 7 |
info-also 2006, 185 |