Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung in Leistungsabteilung
Leitsatz (redaktionell)
Bearbeiter in Leistungsabteilung einer Ortskrankenkasse
Normenkette
BAT/OKK § 22 Abs. 2; BAT/OKK VergGr. 7
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 02.03.1994; Aktenzeichen 9 Sa 128/93) |
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 09.06.1993; Aktenzeichen 8 Ca 362/92) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 2. März 1994 – 9 Sa 128/93 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des bei der AOK als Sachbearbeiter beschäftigten Klägers.
Der als Industriekaufmann ausgebildete Kläger ist seit dem 1. Januar 1974 bei der Beklagten beschäftigt. Nach dem Arbeitsvertrag vom 2. Januar 1974 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag/Ortskrankenkassen (im folgenden: BAT/OKK) vom 25. August 1961 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Diese Klausel wurde auch in Änderungsverträge vom 12. November 1975 und vom 28. September 1979 übernommen. In den ersten beiden Beschäftigungsjahren erhielt der Kläger Gehalt nach VergGr. VII BAT/OKK, anschließend nach VergGr. VI b und ab 1. Oktober 1979 nach VergGr. V c BAT/OKK. Seit der Änderung der Vergütungsordnung des BAT/OKK durch den Tarifvertrag vom 6. Juli 1990, in Kraft getreten zum 1. Januar 1991, erhält der Kläger Vergütung nach VergGr. 6 BAT/OKK.
Der Kläger arbeitet in der Abteilung „Leistungen”, die neben drei weiteren Abteilungen, nämlich der „Allgemeinen Verwaltung”, dem „Finanzwesen” und der „Beitragsabteilung” besteht. Die Leistungsabteilung wiederum besteht aus verschiedenen Sachgebieten, nämlich:
- Mutterschaftshilfe,
- Zahnersatz,
- Bundesversorgungsgesetz/Zwischenstaatliches Recht,
- Leistungen,
- Ersatzwesen,
- Sozialer Dienst und
- Häusliche Pflegehilfe.
Der Kläger ist im Sachgebiet „Ersatzwesen” eingesetzt. Aufgabe dieses Sachgebiets ist es, Erstattungs- und Rückgriffsansprüche der Krankenkasse geltend zu machen und durchzusetzen. Es handelt sich insbesondere um Ansprüche gegen
- Berufsgenossenschaften,
- Rentenversicherungen,
- Arbeitgeber,
- Mitglieder,
- Schadensverursacher und
- Haftpflichtversicherungen.
In dem Sachgebiet „Ersatzwesen” sind fünf Mitarbeiter tätig. Der Sachgebietsleiter ist u.a. damit befaßt, Vergleichs- und Regulierungsverhandlungen zu führen. Widersprüche vorzubereiten, Klagen nach dem Sozialgerichtsgesetz zu führen sowie Zivil- und Arbeitsgerichtssachen in Angelegenheiten des Ersatzwesens zu bearbeiten. Ihm unterstellt sind neben dem Kläger weitere drei Sachbearbeiter. Einer von ihnen hat Ersatzansprüche aller Art zu bearbeiten und abzurechnen, ein weiterer bearbeitet Zahlungseingänge, das maschinelle Forderungsbuch, die Aktivierung sowie Zu- und Absetzung von Forderungen. Der dritte rechnet mit anderen Sozialleistungsträgern ab, bearbeitet Unfallanfragen, fordert Straf- und Gerichtsakten an und meldet Ersatzansprüche an. Die Tätigkeit des Klägers besteht aus zwei Aufgabenbereichen. Zum einen hat er Leistungen abzurechnen, die die Krankenkasse im Auftrag ausländischer Sozialversicherungsträger erbracht hat. Diese Tätigkeit nimmt etwa 35 bis 40 % seiner Arbeitszeit in Anspruch. Zum anderen sind ihm, bezogen auf das Sachgebiet, Aufgaben des Mahn- und Vollstreckungswesens übertragen, die etwa 55 % der Arbeitszeit ausfüllen. Dem Kläger obliegt es insoweit, Ansprüche weiterzuverfolgen, die von anderen Sachbearbeitern festgestellt und geltend gemacht, jedoch von den Schuldnern nicht sofort beglichen worden sind. Der Kläger mahnt den Schuldner zuerst außergerichtlich. Erhebt dieser Einwendungen, so versucht der Kläger, diese Einwendungen anhand der Akte soweit wie möglich zu entkräften. Sofern er Zweifel hat, ob der erhobene Anspruch berechtigt ist, übergibt er die Akte dem Sachgebietsleiter. Erhebt der Schuldner keine Einwendungen, schließt sich ggf. das gerichtliche Mahn- und Vollstreckungsverfahren an. Falls ein Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingeht, übernimmt der Sachgebietsleiter die weitere Bearbeitung. Der Kläger ist berechtigt, mit den Schuldnern Ratenzahlungen zu vereinbaren, sofern die Zahlungsfähigkeit angesichts der Einkommensverhältnisse zweifelhaft erscheint. Der Kläger nimmt auch insoweit Aufgaben des Mahn- und Vollstreckungswesens wahr, als er selbst Abrechnungen erstellt, nämlich über Leistungen, die die Krankenkasse im Auftrag ausländischer Sozialversicherungsträger erbracht hat.
Mit Schreiben vom 23. Oktober 1991 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos auf, ihm Gehalt nach VergGr. 7 BAT/OKK zu zahlen.
Er hat zuletzt die Auffassung vertreten, ihm seien „umfassende Aufgaben” im Sinne der VergGr. 7 Ziff. 2 BAT/OKK übertragen. Er bearbeite zwei Sachgebiete selbständig. Hinsichtlich des Tätigkeitsmerkmals „umfassende Aufgaben” seien die Arbeitsvorgänge nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT/OKK zusammen zu beurteilen.
Der Kläger hat beantragt
- festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Januar 1992 die Vergütung nach der VergGr. 7 der Anlage 1 a zu § 22 BAT/OKK zu bezahlen,
- weiter festzustellen, daß das Nettodifferenzgehalt zwischen der derzeitigen VergGr. 6 zu der VergGr. 7 ab Rechtshängigkeit mit 4 % zu verzinsen ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger nehme keine „umfassenden Aufgaben” im Sinne der VergGr. 7 BAT/OKK wahr. Dieses Tätigkeitsmerkmal liege nur dann vor, wenn der Mitarbeiter im Leistungs-, Versicherungs-, Beitrags- oder Vertragsbereich die jeweils wesentlichen Teilbereiche, auch die schwierigen Fälle eingeschlossen, abschließend bearbeite. Demgegenüber sei der Kläger innerhalb der Leistungsabteilung nur für ein Sachgebiet, also lediglich für einen relativ geringfügigen Teilbereich zuständig. Selbst innerhalb des Sachgebiets „Ersatzwesen” nehme der Kläger nicht alle anfallenden Arbeiten wahr. Die Tätigkeit des Klägers erfordere keine umfassenden, detaillierten Kenntnisse, da es sich in der Regel um routinemäßige und ständig wiederkehrende Aufgaben handele.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Er hat keinen Anspruch darauf, ab 1. Januar 1992 nach der VergGr. 7 BAT/OKK vergütet zu werden.
I. Die Klage ist zulässig.
Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z.B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Der Feststellungsantrag ist auch insoweit zulässig, als er Zinsforderungen zum Gegenstand hat (z.B. Senatsurteil vom 21. Januar 1970 – 4 AZR 106/69 – BAGE 22, 247, 249 = AP Nr. 30 zu §§ 22, 23 BAT).
II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Vergütung der VergGr. 7 BAT/OKK.
1. Dem Vergütungsanspruch steht nicht schon der Umstand entgegen, daß in dem Arbeitsvertrag vom 28. September 1979 die Vergütung der VergGr. V c BAT/OKK vereinbart ist. An die Stelle der VergGr. V c BAT/OKK trat mit dem Änderungstarifvertrag vom 6. Juli 1990 die VergGr. 6 BAT/OKK. Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen formularmäßigen Vertrag, so daß der Senat ihn selbständig auslegen kann (BAGE 24, 198, 202 = AP Nr. 2 zu § 111 BBiG, zu 2 a der Gründe; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 – ZTR 1991, 296). Wird – wie vorliegend – in einem Arbeitsvertrag auf die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen Bezug genommen, ist davon auszugehen, daß sich die Eingruppierung des Arbeitnehmers nach der zutreffenden Vergütungsgruppe richten soll. Dies gilt auch dann, wenn in einer nachfolgenden Bestimmung des Arbeitsvertrages auf eine bestimmte Vergütungsgruppe verwiesen wird. Dieser Verweisung kommt nur die Bedeutung zu festzulegen, welche Vergütungsgruppe die Parteien einmal als zutreffend angesehen haben (BAG Urteil vom 12. Dezember 1990 – 4 AZR 306/90 – EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 4 = ZTR 1991, 199; BAG Urteil vom 20. Februar 1991 – 4 AZR 377/90 – ZTR 1991, 296).
2. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet jedenfalls kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der BAT/OKK in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.
3. Für die Eingruppierung des Klägers kommt es nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/OKK darauf an, ob seine Tätigkeit zeitlich mindestens zur Hälfte aus Arbeitsvorgängen besteht, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der von ihm in Anspruch genommenen VergGr. 7 der Anlage 1 a zu § 22 BAT/OKK erfüllen.
a) Damit ist von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs auszugehen. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (vgl. Urteil des Senats vom 30. Januar 1985 – 4 AZR 184/83 – AP Nr. 101 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 23. Februar 1983 – 4 AZR 222/80 – BAGE 42, 29 = AP Nr. 70 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (vgl. Urteil des Senats vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 45/93 – AP Nr. 172 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil des Senats vom 20. März 1991 – 4 AZR 471/90 – AP Nr. 156 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
b) Das Landesarbeitsgericht hat insgesamt fünf Arbeitsvorgänge gebildet. Die Tätigkeiten des Klägers bei der Abrechnung von Leistungen, die von der Krankenkasse im Auftrag ausländischer Sozialversicherungsträger erbracht wurden, hat es als einen Arbeitsvorgang angesehen. Die Aufgaben im Mahn- und Vollstreckungswesen hat es in vier Arbeitsvorgänge unterteilt, nämlich
- die Rückstandssachbearbeitung,
- die Führung und Überwachung der Schuldnerdatei,
- die Bearbeitung der Hinweis listen aus der Ersatzleistungsdatenbank und schließlich
- die Überprüfung und Bereinigung des Forderungsbuches.
Die drei letztgenannten Tätigkeiten können nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts von der eigentlichen Rückstandssachbearbeitung getrennt werden. Es handele sich um selbständig bewertbare Arbeitseinheiten.
c) Zutreffend sieht das Landesarbeitsgericht zunächst die Abrechnung von Auftragsleistungen für ausländische Sozialversicherungsträger als einen Arbeitsvorgang an. Die im Rahmen dieser Aufgabe zu erbringenden Einzeltätigkeiten führen zu einem bestimmten Arbeitsergebnis, nämlich der Erstellung einer ordnungsgemäßen Abrechnung. Dazu gehört es u.a., dafür zu sorgen, daß nur abrechenbare Leistungen erbracht werden, und daß die Arztrechnungen sachlich und rechnerisch geprüft werden. Insofern ist die Tätigkeit des Klägers vergleichbar mit dem in Ziff. 1 der Protokollnotiz zu Abs. 2 des § 22 BAT/OKK beispielhaft genannten Arbeitsvorgang „unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs”.
Die Tätigkeiten des Klägers aus dem Bereich Mahn- und Vollstreckungswesen gehören nicht zu diesem Arbeitsvorgang, und zwar auch insoweit nicht, als die eigenen Abrechnungen gegenüber ausländischen Sozialversicherungsträgern durchzusetzen sind. Die Abrechnung eines Anspruchs und dessen Durchsetzung bilden verschiedene Arbeitsergebnisse. Dies bestätigt auch die Verwaltungsübung der Beklagten, die diese Aufgaben weitgehend auf verschiedene Sachbearbeiter verteilt hat.
d) Zweifelhaft erscheint hingegen, ob die Tätigkeit des Klägers im Mahn- und Vollstreckungswesen einen weiteren einheitlichen Arbeitsvorgang bildet oder auf vier verschiedene Arbeitsvorgänge aufzuteilen ist. Aufteilbar ist eine Tätigkeit nur dann, wenn sich verschiedene Arbeitsergebnisse feststellen lassen. Die Aufgaben des Klägers im Mahn- und Vollstreckungswesen haben das Ziel, die Ersatzansprüche der Krankenkasse durchzusetzen. Diesem Ziel dürfte auch die Überwachung und Führung der Schuldnerdatei, die Überprüfung und Bereinigung des Forderungsbuches sowie die Bearbeitung der Hinweislisten aus der Ersatzleistungsdatenbank dienen. Hierbei geht es im wesentlichen darum zu dokumentieren, welche Forderung noch offen und welche bereits beglichen sind. Ohne dies ist eine ordnungsgemäße Weiterverfolgung eines Anspruchs nicht möglich. Das Ergebnis dieser Tätigkeit ist die Einleitung von Mahn- oder Vollstreckungsmaßnahmen bzw. – nach Zahlung – die Einstellung solcher Maßnahmen.
Letztlich bedarf es jedoch, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgeht, keiner abschließenden Entscheidung darüber, wieviel Arbeitsvorgänge die Tätigkeit des Klägers im Mahn- und Vollstreckungswesen bildet. Dem Kläger steht bei jedem denkbaren Zuschnitt nach seinem eigenen Tatsachenvortrag kein Anspruch auf die Vergütung der VergGr. 7 BAT/OKK zu.
4. Die Eingruppierung des Klägers richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 a zu § 22 BAT/OKK. Maßgeblich ist zunächst die Fassung des Tarifvertrages vom 6. Juli 1990, in Kraft getreten zum 1. Januar 1991. Der Tarifvertrag hat, soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung, den folgenden Wortlaut:
„Vergütungsgruppe 5
Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordern,
zum Beispiel:
1. Angestellte im Leistungs- oder Versicherungs- oder Beitrags- oder Vertragsbereich, die
- Sachverhalte bearbeiten oder
- Abrechnungen sachlich prüfen oder
- Zahlungen sachlich feststellen
Vergütungsgruppe 6
Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordern,
zum Beispiel:
1. Angestellte im Leistungs- oder Versicherungs- oder Beitrags- oder Vertragsbereich, die
- Sachverhalte bearbeiten oder
- Abrechnungen sachlich prüfen oder
- Zahlungen sachlich feststellen,
wenn sie sich durch ihre Leistungen aus der Vergütungsgruppe 5 herausheben (Protokollnotiz)
…
Protokollnotiz zu Ziffer 1:
Die tarifschließenden Parteien sind sich einig, daß dieses Merkmal in der Regel nach zweijähriger Tätigkeit erfüllt ist.
Vergütungsgruppe 7
Angestellte mit Tätigkeiten, die gründliche und umfassende Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordern,
zum Beispiel:
- …
Angestellte der Vergütungsgruppe 6 Ziffer 1 mit zusätzlichen Aufgaben (Protokollnotiz)
oder
mit umfassenden Aufgaben
…
Protokollnotiz zu Ziffer 2:
Zusätzliche Aufgaben sind u.a.
- die wiederkehrende Vertretung anderer Angestellter auf anderen Arbeitsplätzen (§ 24 BAT/OKK bleibt unberührt)
- Unterstützung von Führungskräften bei Sonderaufgaben und/oder bei der Einarbeitung von Angestellten und/oder bei der Ausbildung
…”
Der Tarifvertrag, vom 6. Juli 1990 wurde zum 1. Januar 1993 durch den Tarifvertrag vom 7. Januar 1993 abgelöst. Die oben zitierten Eingruppierungsvorschriften wurden unverändert übernommen.
Der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des Tätigkeitsbeispiels Ziff. 2 2. Alt. noch die Voraussetzungen des Oberbegriffs der VergGr. 7 BAT/OKK.
a) Der Kläger ist nicht „mit umfassenden Aufgaben” im Sinne der VergGr. 7 Ziff. 2 2. Alt. BAT/OKK betraut.
Haben die Tarifvertragsparteien ergänzend zu den allgemeinen Tätigkeitsmerkmalen Beispielstätigkeiten aufgeführt, so ist der Arbeitnehmer bereits dann in der VergGr. eingruppiert, wenn er unter ein Beispiel fällt. Erfüllt der Arbeitnehmer keine der Beispielstätigkeiten, ist auf die allgemeinen Merkmale der begehrten VergGr. zurückzugreifen (z.B. BAG Urteil vom 15. Juni 1994 – 4 AZR 327/93 – AP Nr. 9 zu §§ 22, 23 BAT Krankenkassen).
Der Kläger erfüllt die Anforderungen der VergGr. 6 Ziff. 1. Als Angestellter im Leistungsbereich ist er damit befaßt, Sachverhalte zu bearbeiten. Des weiteren hebt er sich durch seine Leistungen aus der VergGr. 5 BAT/OKK heraus. Nach der Protokollnotiz ist dieses Merkmal in der Regel nach zweijähriger Tätigkeit erfüllt. Im übrigen geht auch die Beklagte davon aus, daß die Voraussetzungen der VergGr. 6 Ziff. 1 BAT/OKK vorliegen.
Es fehlt jedoch an den geforderten „umfassenden Aufgaben”. Der Begriff stellt auf die Größe des Aufgabengebiets ab. „Umfassend” bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch „nahezu vollständig”, „fast alles einschließend” (Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Bd. 6, 1984, S. 365, Stichwort „umfassend”). Bezogen auf die Tätigkeit eines Sachbearbeiters bedeutet das: Der Aufgabenkreis muß so groß sein, daß eine nennenswerte Steigerung nicht mehr möglich erscheint. Nur dann übt der Sachbearbeiter die für ihn in Frage kommenden Aufgaben „nahezu vollständig” aus. Nicht ausreichend ist die Wahrnehmung eines oder einzelner Aufgabengebiete eines Sachbearbeiters. Diese Normaltätigkeit wird bereits von der VergGr. 6 Ziff. 1 bzw. der VergGr. 5 Ziff. 1 BAT/OKK erfaßt. Demgegenüber handelt es sich um „umfassende Aufgaben”, wenn der Sachbearbeiter auf nahezu allen in Betracht kommenden Aufgabengebieten tätig wird.
Der Aufgabenkreis des Klägers hat jedoch nicht die tariflich geforderte Größe. Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, daß alle Arbeitsvorgänge im Hinblick auf das Tätigkeitsmerkmal „mit umfassenden Aufgaben” zusammen zu beurteilen sind. Nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 BAT/OKK ist eine solche Gesamtschau geboten, wenn die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden kann (z.B. vielseitige Fachkenntnisse). Das Tätigkeitsmerkmal „umfassende Aufgaben” ist auch bei Berücksichtigung dieser Vorschrift nicht erfüllt.
Der Kläger nimmt weder besonders viele verschiedene Aufgaben wahr noch haben die ihm übertragenen Aufgaben einen besonderen Umfang. Die Tätigkeiten beschränken sich auf zwei Aufgabengebiete, nämlich zum einen, die Abrechnung von Auftragsleistungen für ausländische Versicherungsträger und zum anderen das Mahn- und Vollstreckungswesen. Bereits in dem Sachgebiet „Ersatzwesen” fallen weitere Sachbearbeiteraufgaben an, wie z.B. die Bearbeitung und Abrechnung von Ersatzansprüchen aller Art. Insofern sind dem Kläger nicht nahezu alle in Betracht kommenden Aufgabenbereiche übertragen. Es handelt sich vielmehr um den für einen Sachbearbeiter üblichen Aufgabenzuschnitt. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß ein Sachbearbeiter zusätzlich zu den Tätigkeiten des Klägers verschiedene weitere Aufgaben wahrnimmt. Auch bei Betrachtung der einzelnen Aufgabengebiete ist ein besonderer Umfang nicht erkennbar. Auf dem Gebiet „Mahn- und Vollstreckungswesen” gibt der Kläger die zweifelhaften Fälle an den Sachgebietsleiter weiter. Er nimmt nicht „nahezu alle” Tätigkeiten wahr. Der weitere Aufgabenbereich des Klägers läßt ebenfalls keinen außergewöhnlichen Umfang erkennen.
b) Der Kläger erfüllt auch nicht die allgemeinen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. 7 BAT/OKK. Die ihm übertragenen Aufgaben erfordern keine selbständigen Leistungen im Sinne dieser Vergütungsgruppe. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zu diesem unbestimmten Rechtsbegriff sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die revisionsrechtliche Überprüfung ist bei einem solchen Rechtsbegriff darauf beschränkt, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Tatbestände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. Urteil vom 18. Juni 1975 – 4 AZR 398/74 – AP Nr. 87 zu §§ 22, 23 BAT; Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 322/84 – AP Nr. 105 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 4. August 1993 – 4 AZR 511/92 – AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Einzelhandel).
aa) Das Landesarbeitsgericht hat den Begriff der selbständigen Leistungen zutreffend bestimmt.
Zur Auslegung dieses Rechtsbegriffs im BAT/OKK kann auf die Rechtsprechung zur Vergütungsordnung des BAT zurückgegriffen werden. Die Tarifvertragsparteien verwenden in der Anlage 1 a zu § 22 BAT/OKK weitgehend dieselben Tätigkeitsmerkmale wie in der Anlage 1 a zum BAT. Anhaltspunkte für einen abweichenden Begriffsinhalt lassen sich dem BAT/OKK jedenfalls bei dem Begriff „selbständige Leistungen” nicht entnehmen. Das Tätigkeitsmerkmal „selbständige Leistungen” darf nicht mit dem Begriff „selbständig arbeiten” im Sinne von „allein arbeiten”, d.h. ohne direkte Aufsicht oder Lenkung durch Weisungen tätig zu sein, verwechselt werden. Unter selbständiger Leistung ist vielmehr eine Gedankenarbeit zu verstehen, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, wie insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert (vgl. Senatsurteile vom 9. November 1957 – 4 AZR 592/55 – AP Nr. 29 zu § 3 TOA; vom 18. Mai 1994 – 4 AZR 461/93 – AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975; vom 28. September 1994 – 4 AZR 542/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Kennzeichnend für selbständige Leistungen im tariflichen Sinne können nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vielmehr – ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe – ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses sein (vgl. BAG Urteil vom 14. August 1985 – 4 AZR 21/84 – AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Von dem Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, es werden Anforderungen an das Überlegungsvermögen gestellt; der Angestellte muß also unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen. Dieser Prozeß geistiger Arbeit kann bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen. Trotzdem bleibt das Faktum der geistigen Arbeit bestehen. Geistige Arbeit in diesem Sinne wird mithin geleistet, wenn der Angestellte sich bei der Arbeit fragen muß: Wie geht es nun weiter? Worauf kommt es nun an? Was muß als nächstes geschehen?
Diejenigen Tatsachen, die den rechtlichen Schluß auf das Vorliegen des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zulassen, hat der Kläger darzulegen und im Bestreitens falle zu beweisen (z.B. Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 – 4 AZR 47/93 – AP Nr. 173 zu §§ 22, 23 BAT 1975, zu B II 3 b der Gründe). Der Sachvortrag muß erkennen lassen, daß die auszuübenden Tätigkeiten den tariflichen Rechtsbegriff erfüllen. Bezogen auf das Merkmal „selbständige Leistungen” heißt das: Aus dem Tatsachenvortrag des Klägers muß sich u.a. ergeben, inwiefern ein Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum besteht, inwieweit Abwägungsprozesse verlangt werden, in welchem Umfang also eine eigene geistige Initiative gefordert ist.
bb) Das Landesarbeitsgericht ist bei der Subsumtion nicht von dem zutreffenden Rechtsbegriff abgewichen.
Die Tätigkeiten des Klägers auf dem Gebiet „Mahn- und Vollstreckungswesen” erfordern nach seinen Darlegungen keine den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechende Gedankenarbeit. Es ist nicht erkennbar, daß ihm ein nennenswerter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Bei der Rückstandssachbearbeitung sind die Tätigkeiten im wesentlichen vorgegeben. Der Kläger mahnt zunächst außergerichtlich. Je nach dem, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder um privatrechtliche Forderungen handelt, folgt entweder ein Vollstreckungsersuchen oder ein Antrag auf Erlaß eines Mahnbescheides. Soweit ggf. mit dem Schuldner Ratenzahlung vereinbart wird, verfügt der Kläger ebenfalls nur über einen geringfügigen Entscheidungsspielraum. Die Höhe der Raten richtet sich nach dem zur Verfügung stehenden Einkommen. Ratenzahlungsvereinbarungen dürfen zudem nur in dem vorgegebenen Umfang getroffen werden. Im übrigen entscheidet der Kläger nicht darüber, unter welchen Umständen eine Forderung wegen berechtigter Einwendungen nicht weiterverfolgt wird. Dies obliegt dem Sachgebietsleiter. Soweit der Kläger versucht, Einwendungen der Schuldner zu entkräften, fehlt es ebenfalls an dem geforderten Entscheidungsspielraum. Zweifelsfälle übergibt er dem Sachgebietsleiter. Das vom Kläger verlangte Fachwissen genügt, um die ihm übertragenen Aufgaben ausführen zu können. Aufgrund dieser Kenntnisse weiß er von vornherein, was zu tun ist. Weitergehende Abwägungsprozesse werden nicht verlangt. Diese finden erst beim Sachgebietsleiter statt. Soweit der Kläger die Schuldnerdatei zu führen und zu überwachen hat, Hinweislisten auf der Ersatzleistungsdatenbank zu bearbeiten sowie das Forderungsbuch zu überprüfen und zu bereinigen hat, fehlt es an jeglichem Vortrag zu der erforderlichen eigenen Gedankenarbeit. Der Kläger beschränkt sich hier auf die stichwortartige Bezeichnung der Tätigkeit. Daraus läßt sich aber noch nicht erkennen, inwieweit bei dieser Tätigkeit ein Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum eröffnet ist. Ob und ggf. welche Informationen zu verknüpfen und abzuwägen sind, ist nicht dargelegt.
Offenbleiben kann dabei, ob die übrigen Tätigkeiten des Klägers (Abrechnung von im Auftrag ausländischer Sozialversicherungsträger erbrachten Leistungen) „selbständige Leistungen” im tariflichen Sinne darstellen. Diese Tätigkeiten erreichen jedenfalls nicht das nach § 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT/OKK erforderliche zeitliche Maß von mindestens 50 %. Sie beanspruchen nach Angabe des Klägers lediglich 35 bis 40 % seiner Arbeitszeit.
cc) Schließlich hat das Landesarbeitsgericht weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen noch entscheidungserhebliche Umstände außer acht gelassen. Hierauf hat sich der Kläger auch nicht berufen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Bott, Schneider, Peter, Jansen, Konow
Fundstellen