Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinstellungszusage im Sozialplan
Normenkette
BetrVG § 112 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 28. November 1996 – 8 Sa 1286/96 – hinsichtlich der Zahlungsanträge zu 2 und 3 aufgehoben.
II. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 23. Februar 1996 insoweit abgeändert und unter Zurückweisung der Berufung im übrigen insgesamt wie folgt neu gefaßt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 9.300,00 DM brutto abzüglich 4.396,32 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Netto-Differenzbetrag seit dem 28. November 1995 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 9.300,00 DM brutto abzüglich 4.396,32 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Netto-Differenzbetrag ab dem 23. Februar 1996 zu zahlen.
- Im übrigen wir die Klage abgewiesen.
III. Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
IV. Die Parteien haben jeweils die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Wiedereinstellungsanspruch.
Der Kläger war seit 1980 als Werkzeugmacher bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens Anwendung. Der Kläger war zuletzt in die Lohngruppe 8 des Lohnrahmenabkommens vom 19. Februar 1975 in der Fassung vom 16. Mai 1991 für die gewerblichen Arbeitnehmer eingruppiert.
Die Beklagte hatte mit dem Betriebsrat im November 1993 einen Sozialplan vereinbart, nach dessen Nr. 3 alle betroffenen Mitarbeiter die Zusage der bevorzugten Wiedereinstellung erhielten.
Der Kläger schloß im Anschluß an eine ihm nach Abschluß des Sozialplans ausgesprochene ordentliche, betriebsbedingte Kündigung mit der Beklagten am 7. Dezember 1993 einen Aufhebungsvertrag zum 31. Mai 1994. Darin war u.a. bestimmt, daß mit Erfüllung des Vertrages keine weiteren wechselseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und dessen zukünftiger Beendigung mehr bestehen. Bei seinem Ausscheiden erhielt der Kläger die vereinbarte Abfindung in Höhe von 43.300,00 DM.
Die Beklagte stellte zum 1. August 1995 einen Maschinenschlosser in der Montage befristet bis zum 31. Juli 1996 ein. Die Befristung erfolgte zur Vertretung für einen Mitarbeiter, der bis 1997 Erziehungsurlaub genommen hatte. Der neueingestelle Mitarbeiter erhielt Vergütung aus der Lohngruppe 7.
Der Kläger hat von der Beklagten vergeblich Wiedereinstellung unter Hinweis auf die Einstellungszusage im Sozialplan vom 26. November 1993 verlangt.
Er hat beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers gemäß Einstellungsbegehren vom Juli 1995 auf Abschluß eines Arbeitsvertrages ab 1. August 1995 zu den Bedingungen des zwischen den Parteien bis zum 31. Mai 1994 bestandenen Arbeitsvertrages anzunehmen;
- hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, das Angebot des Klägers gemäß Einstellungsbegehren vom Juli 1995 auf Abschluß eines Arbeitsvertrages ab 1. August 1995 zu den Bedingungen des zwischen ihr und Herrn Hartmut B. am … 25. Juli 1995 abgeschlossenen Arbeitsvertrages anzunehmen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 9.300,– DM abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.396,32 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Netto-Differenzbetrag ab Zustellung des Schriftsatzes vom 22. November 1995 zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 9.300,– DM brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld in Höhe von 4.396,32 DM netto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Netto-Differenzbetrag ab 23. Februar 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Kläger könne sich auf die Wiedereinstellungszusage im Sozialplan nicht berufen, weil dessen Regelungen nur bis zum 31. Dezember 1994 gegolten hätten. Im übrigen habe der Kläger in Nr. 5 des Aufhebungsvertrags vom 7. Dezember 1994 auf einen etwaigen Wiedereinstellungsanspruch verzichtet. Darüber hinaus beschränke sich die Wiedereinstellungsklausel auf neu geschaffene vergleichbare Arbeitsplätze.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist hinsichtlich der Anträge auf Abgabe einer Willenserklärung unbegründet, hinsichtlich seiner Zahlungsanträge jedoch begründet. Die Beklagte ist dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet, weil sie es schuldhaft unterlassen hat, den Kläger befristet wieder einzustellen.
I. Der Kläger hatte gegen die Beklagte einen für die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Juli 1996 befristeten Anspruch, zu den Bedingungen des zwischen der Beklagten und ihrem Arbeitnehmer B. vereinbarten Bedingungen wiedereingestellt zu werden. Der Anspruch beruht auf der Nr. 3 des von der Beklagten und ihrem Betriebsrat geschlossenen Sozialplans vom 26. November 1993.
1. Der Senat folgt der Auslegung des Landesarbeitsgerichts, daß es sich bei der vom Kläger in Anspruch genommenen Regelung um eine anspruchsbegründende Norm und nicht nur um eine unverbindliche Absichtserklärung handelte. Die Beklagte hat in der Revision ihre vormalige Rechtsauffassung nicht wiederholt oder ergänzt, so daß der Senat keine Veranlassung sieht, zusätzliche Ausführungen zu machen.
2. Dasselbe gilt für die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zum zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans und zur Bedeutung der Erledigungserklärung in der Nr. 5 des Aufhebungsvertrags. Die Auslegung der Nr. 11 des Sozialplans nach den Grundsätzen der Auslegung von Normen ist von den Parteien zu Recht nicht beanstandet worden. Sie enthält keinen revisiblen Rechtsfehler. Die Unvereinbarkeit einer allgemeinen vertraglichen Erledigungsklausel mit dem Gebot des § 77 Abs. 4 Satz 2 BetrVG ist bei einer Auslegung, wonach die Bestimmung auch künftig entstehende Ansprüche erfassen sollte, ebenfalls zu Recht festgestellt worden. Der Senat merkt ergänzend an, daß die Auslegung der Vereinbarung sogar ergeben könnte, daß erst unter künftig denkbaren Voraussetzungen entstehende Ansprüche wie der Anspruch auf Wiedereinstellung bei Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten überhaupt nicht von der Erledigungsvereinbarung erfaßt sein sollten. Dann wäre sie für den hier geltend gemachten Anspruch erst recht ohne Bedeutung.
3. Der Senat stimmt ferner der Auffassung des Landesarbeitsgericht zu, daß der Anspruch des Klägers nicht auf Wiedereinstellung bei jeder Beschäftigungsmöglichkeit und auf einem beliebig frei gewordenen Arbeitsplatz gerichtet ist. Vielmehr ist der Wiedereinstellungsanspruch auf einen vergleichbaren Arbeitsplatz derselben Ebene in der Betriebshierarchie beschränkt. Zu Unrecht verneint das Landesarbeitsgericht aber die Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze, weil der Kläger in der Lohngruppe 8 eingruppiert war und der anderweit besetzte Schlosserarbeitsplatz der Lohngruppe 7 unterfällt. Das Landesarbeitsgericht verkennt, daß die Tätigkeiten beider Gruppen dem Facharbeiterbereich zugeordnet sind und die Tätigkeiten der Gruppe 8 schwieriger Art sind, deren Ausführung, Fertigkeiten und Kenntnisse erfordert, die über jene der Gruppe 7 wegen der notwendigen mehrjährigen Erfahrungen hinausgehen. Der Mitarbeiter, der in der Lohngruppe 8 eingruppiert ist, muß also notwendiger Weise die Tätigkeiten der Gruppe 7 beherrschen. Beide Tätigkeiten sind nach ihrem Anforderungsprofil innerhalb einer Ebene angesiedelt und daher miteinander vergleichbar.
4. Dieser Rechtsfehler führt allerdings nicht zur Aufhebung des Urteils. Denn das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend erkannt, daß der Kläger nicht stets Wiedereinstellung geltend machen kann, wenn ein vergleichbarer Arbeitsplatz frei geworden ist. Vielmehr bedeutet die Zusage der bevorzugten Wiedereinstellung, daß die Beklagte vor der Einstellung eines Arbeitnehmers zwischen den externen Bewerbern und den vormaligen Mitarbeitern eine sachgerechte Auswahlentscheidung treffen mußte. Wie die Revision zu Recht rügt, hat das Landesarbeitsgericht allerdings in entscheidungserheblicher Weise verkannt, daß die Beklagte Tatsachen für eine von ihr normativ geforderte Auswahlentscheidung nicht vorgetragen hat.
a) Die Beklagte hat in den Instanzen gemeint, der Kläger habe aus Rechtsgründen keinen Anspruch auf Wiedereinstellung. Sie war sich bei der Einstellung der Vertretungskraft nicht bewußt, zu einer Auswahlentscheidung verpflichtet zu sein. Daran ändert auch die mehrfach gebrauchte Wendung über die „Ermessensentscheidung” nichts. Auch damit verkennt die Beklagte die ihr obliegende Pflicht aus dem Sozialplan. Denn sie versteht unter Ermessensentscheidung eine Entscheidung außerhalb einer rechtsverbindlichen Norm. Soweit sie in ihrem Revisionsvortrag andeuten will, sie habe den ihr zustehenden Ermessensspielraum im Sinne einer normativen Auswahlentscheidung getroffen, erschöpft sich ihr Vorbringen in einer substanzlosen Ergebnismitteilung.
b) Die Revision rügt schließlich zu Recht, daß das Landesarbeitsgericht das unstreitig gebliebene klägerische Vorbringen zu den Äußerungen des Betriebsleiters T. zum Wiedereinstellungsverlangen des Klägers nicht berücksichtigt hat. Dieser hat darauf hingewiesen, daß man einen Mitarbeiter, dem man vor etwas mehr als einem Jahr eine großzügige Abfindung gezahlt habe, nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder einstelle. Daraus folgt, daß die Beklagte mit sachfremden Überlegungen von der gebotenen Auswahlentscheidung abgesehen hat. Die Beklage hat ersichtlich angenommen, die an den Kläger geleistete Abfindung sei Ausgleich für eine dauerhafte Trennung der Parteien. Das zeigt auch ihr Hinweis auf die fehlende Rückzahlungsregelung bei der Wiedereinstellungsnorm im Revisionsverfahren. Damit hat sie Sinn und Zweck von Interessenausgleich und Sozialplan verkannt, der die mit den personellen Maßnahmen verbundenen Nachteile regelmäßig nur mindern soll, nicht aber die mit dem auch nur vorübergehenden Verlust des Arbeitsplatzes verbundenen Nachteile ausgleichen kann.
5. Der Anspruch des Klägers war allerdings zu keiner Zeit auf eine Wiedereinstellung zu den früheren Arbeitsbedingungen begründet, wie die zutreffende Auslegung der Sozialplannorm durch das Landesarbeitsgerichts ergibt. Vielmehr konnte nur der Anspruch auf Wiedereinstellung zu den Bedingungen des Mitarbeiters B. Erfolg haben. Insofern haben die Vorinstanzen den Hauptantrag zu 1 zu Recht zurückgewiesen.
6. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis auch den Hilfsantrag zu 1 zu Recht abgewiesen. Zu den Bedingungen des Arbeitsvertrags der Beklagten mit dem Mitarbeiter B. gehörte auch die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Damit war der Anspruch des Klägers für die Zeit vom 1. August 1995 bis zum 31. Juli 1996 befristet. Eine Klage auf Abgabe einer für einen späteren Zeitraum wirkenden Willenserklärung kann deshalb nicht begründet sein.
II. Der Kläger hat jedoch gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch nach § 284 Abs. 1, § 285, § 280 Abs. 1, § 287 Satz 2, § 251 BGB.
1. Die Beklagte befand sich seit Juli 1995 im Verzug, nachdem der Kläger in diesem Monat bei der Beklagten vorgesprochen, seine Arbeitskraft angeboten und die Beklagte zur Willenserklärung aufgefordert hatte, § 284 Abs. 1 BGB, deren Abgabe die Beklagte bewußt abgelehnt hatte, § 285 BGB.
2. Die Leistung, hier die Abgabe der verlangten Willenserklärung, ist während des Verzugs im Laufe des Rechtsstreits wegen Zeitablaufs unmöglich geworden. Die Beklagte hat dem Kläger den durch die Nichterfüllung entstehenden Schaden zu ersetzen, § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 287 Satz 2 BGB.
3. Der Schadensersatz ist in Geld zu leisten, § 251 Abs. 1 BGB, weil eine Naturalrestitution nach § 249 BGB ebenfalls wegen Zeitablaufs nicht mehr möglich ist.
4. Die Geldentschädigung berechnet sich nach dem entgangenen Verdienst (BAG Urteil vom 12. November 1997 – 7 AZR 422/96 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu A III der Gründe). Die Beklagte hat im übrigen zur Höhe keine Einwendungen erhoben. Die Entschädigungssumme ist gesetzlich zu verzinsen, § 288 Abs. 1 BGB.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Gräfl, Zumpe, Bea
Fundstellen