Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusatzurlaub für Auszubildende nach dem Tarifvertrag vom 28. Februar 1986
Leitsatz (amtlich)
Auszubildende, auf die der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 Anwendung findet, haben keinen Anspruch auf Winterzusatzurlaub nach § 49 BAT in Verb. mit § 13 Erholungsurlaubsverordnung NRW. Denn § 16 des Tarifvertrags verweist nur auf die §§ 47, 48 BAT, nicht aber auf § 49 BAT.
Normenkette
Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 § 16; BAT §§ 47-49; Erholungsurlaubsverordnung Nordrhein-Westfalen § 13; TVG § 1 (Auslegung)
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 19.03.1991; Aktenzeichen 8 Sa 79/91) |
ArbG Duisburg (Urteil vom 06.11.1990; Aktenzeichen 1 Ca 1650/90) |
Tenor
- Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 19. März 1991 – 8 Sa 79/91 – wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Abgeltung von Zusatzurlaub.
Die Klägerin war vom 1. Oktober 1987 bis zum 30. September 1990 in den Städtischen Kliniken der Beklagten als Krankenpflegeschülerin tätig. Sie wurde während der Dauer von 38,5 Stunden wöchentlich gegen eine Vergütung von 1.017,-- DM brutto ausgebildet. Auf das Ausbildungsverhältnis der Parteien fand der Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schuler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden, vom 28. Februar 1986 (in Zukunft Ausbildungs-TV) kraft beiderseitiger Tarifbindung Anwendung. Dessen § 16 lautet:
“Die Schülerin/der Schüler erhält unter Fortzahlung der Ausbildungsvergütung (§ 10 Abs. 1) in jedem Kalenderjahr Erholungsurlaub in entsprechender Anwendung der Vorschriften, die für Angestellte der VergGr. Kr. III BAT – bis zum vollendeten 30. Lebensjahr – jeweils maßgebend sind.”
Die Klägerin hat gemeint, entsprechende Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung seien § 49 Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und § 13 Sonderurlaubsverordnung NRW. In diesen Vorschriften ist bestimmt:
Ҥ 49 Abs. 1 BAT
Für die Gewährung eines Zusatzurlaubs sind hinsichtlich des Grundes und der Dauer die für die Beamten des Arbeitgebers jeweils maßgebenden Bestimmungen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für Bestimmungen über einen Zusatzurlaub der in § 48a geregelten Art.”
Ҥ 13 Erholungsurlaubsverordnung NRW
Winterurlaub
Beamte, die auf Veranlassung ihres Dienstvorgesetzten aus dienstlichen Gründen ihren vollen Urlaub in der Zeit vom 01.11. bis 31.03. nehmen, erhalten einen Zusatzurlaub von fünf Arbeitstagen. Fällt der Urlaub nur zum Teil in die vorbezeichnete Zeit, so verringert sich der Zusatzurlaub entsprechend.”
Die Klägerin nahm auf Wunsch der Beklagten ihren Erholungserlaub in der Zeit vom 28. Februar 1990 bis 28. März 1990. Deshalb verlangte sie noch während der Ausbildung von der Beklagten vergeblich Zusatzurlaub und erhob Feststellungsklage. Nach Beendigung der Ausbildung hat sie ihren Antrag umgestellt und zuletzt beantragt
festzustellen, daß ihr aus 1990 ein Anspruch von fünf Tagen Sonderurlaub zusteht und daß dieser Anspruch wegen Beendigung des Ausbildungsverhältnisses am 30.09.1990 nunmehr mit DM 195,17 brutto abzugelten ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, § 16 Ausbildungs-TV verweise nur auf die §§ 47, 48 BAT.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin nur noch den Zahlungsantrag zweiter Instanz weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Zusatzurlaub nach § 16 Ausbildungs-TV erworben hat, der ihr abzugelten wäre. Die Vorschrift verweist lediglich auf die §§ 47, 48 BAT, nicht aber auf § 49 BAT.
1. Die Tarifvertragsparteien des Ausbildungstarifvertrages haben in § 16 nicht erläutert, welche Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages sie mit der Verweisung “Erholungsurlaub in entsprechender Anwendung” einbeziehen wollten. Deshalb ist die Bestimmung auszulegen.
2. Tarifvertragsnormen sind wie Gesetze auszulegen. Es ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Dabei ist jedoch über den reinen Wortlaut hinaus der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Hierzu ist auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang abzustellen, der häufig schon deswegen mitberücksichtigt werden muß, weil in daraus und nicht aus der einzelnen Tarifnorm auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien geschlossen und so nur bei Mitberücksichtigung des tariflichen Gesamtzusammenhangs der Sinn und Zweck der Tarifnormen zutreffend ermittelt werden kann (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 6. September 1990 – 6 AZR 559/88 – AP Nr. 1 zu § 1 MTV Ausbildung).
3. § 16 Ausbildungs-TV verweist auf die Erholungsurlaubsvorschriften des BAT. Das sind nach dem für die Tarifauslegung maßgeblichen Wortlaut lediglich die §§ 47 und 48 BAT. Denn nur diese Bestimmungen enthalten in der Überschrift die Bezeichnung Erholungsurlaub, während die §§ 48a, 49 und 50 mit den Begriffen Zusatzurlaub und Sonderurlaub überschrieben sind. Der Revision ist zuzugeben, daß der Zusatzurlaub genannte Urlaub des § 49 BAT von der Zweckrichtung her wie der Urlaub nach den §§ 47, 48 BAT Erholungsurlaub ist, auch wenn der Zusatzurlaub anders als der eigentliche Erholungsurlaub als Belohnung für besondere Erschwernisse gedacht ist. Deshalb ist es gedanklich nicht ausgeschlossen, daß die Tarifvertragsparteien mit der Formulierung des § 16 Ausbildungs-TV alle Urlaubsvorschriften mit diesem vorbeschriebenen Erholungswert einbeziehen wollten. Die Vorschrift des § 16 Ausbildungs-TV und die Normen des XI. Abschnitts des BAT und damit der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen lassen einen solchen Willen jedoch nicht erkennen. Vielmehr folgt aus den Vorschriften des BAT, daß die Tarifvertragsparteien deutlich zwischen Erholungsurlaub und Zusatzurlaub unterscheiden, wie § 49 Abs. 2 BAT ausweist. Als Oberbegriff für beide Urlaubsarten gebrauchen sie das Wort Gesamturlaub. Angesichts dessen hätte es nahegelegen, diesen Begriff oder wenigstens die Überschrift des XI. Abschnitts “Urlaub” in § 16 Ausbildungs-TV zu verwenden, wenn die Schüler und Schülerinnen auch einen Anspruch auf Zusatzurlaub hätten erwerben sollen. Eine der Klägerin günstige Auslegung folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck des § 16 Ausbildungs-TV. Wenn die Tarifvertragsparteien mit der Verweisungsnorm zwar eine Angleichung der Urlaubsansprüche von Schülern/Schülerinnen mit denen von Angestellten angestrebt haben sollten, waren sie nicht gehalten, alle Urlaubsvorschriften des BAT einzubeziehen. Die unterschiedliche Zielsetzung von Arbeits- und Ausbildungsverhältnissen kann sachlich rechtfertigender Grund für eine differenzierte Urlaubsregelung sein, wie sie aus dem Wortlaut des § 16 Ausbildungs-TV folgt.
Unterschriften
Dörner, Dr. Rost, Dr. Lipke, Thieß, Strümper
Fundstellen
Haufe-Index 838635 |
NZA 1992, 810 |
RdA 1992, 284 |