Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausbildungsvergütung

 

Leitsatz (amtlich)

1) Umschülerinnen in einem Umschulungsverhältnis zum Beruf der Hebamme haben einen Anspruch auf Ausbildungsvergütung gegen den Träger der Ausbildung.

2) Dieser Anspruch geht regelmäßig nicht auf die Bundesanstalt für Arbeit über, wenn diese Unterhaltsgeld gewährt hat. (Rev. zug.)

 

Normenkette

HebG § 611 Abs. 1, §§ 15, 20; BBiG § 47

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 30.04.1991; Aktenzeichen 5 Ca 237/90)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Anschlußberufung wird auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Arbeitsgerichts in Kassel vom 30. April 1991 – 5 Ca 237/90 – teilweise abgeändert:

Die Klage wird hinsichtlich des Klageantrags zu II. abgewiesen.

Die Berufung im übrigen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt; die Kosten der Streithilfe hat für den gesamten Rechtsstreit die Streithelferin zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von Ausbildungsvergütung.

Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 01. April 1988 bis zum 31. März 1991 in dem von der Beklagten bis zum 31. Dez. 1991 in der Form eines Eigenbetriebs unterhaltenen Stadtkrankenhaus … in der Ausbildung zur Hebamme. Das Rechtsverhältnis der Parteien richtete sich nach dem „Umschulungsvertrag” vom 18./21. April 1988. Die „Umschulung” wurde von dem Stadtkrankenhaus der Beklagten aufgrund eines mit der Bundesanstalt für Arbeit, Arbeitsamt …, vereinbarten und seit 1987 mit mehr als 100 Personen – im Sommer 1990 107 – abgewickelten Programms zur Ausbildung Erwachsener zur Krankenschwester, zum Krankenpfleger und zur Hebamme durchgeführt und von Letzterer gefördert. Die Klägerin erhielt von der Bundesanstalt für Arbeit kein Unterhaltsgeld, aber Lehrgangsgebühren und weitere Lehrgangskosten gewährt (Ablehnungs- und Bewilligungsbescheid des Arbeitsamtes … vom 14. Juni 1988, Bl. 14–16 d.A.). Die Beklagte bezahlte der Klägerin während der Dauer der „Umschulung” keine Vergütung. Die Klägerin ist seit dem 01. Juli 1990 Mitglied der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV, Bl. 40 d.A.). Die Beklagte gehört dem Hess. Arbeitgeberverband der Gemeinden und Kommunalverbände an. Die Berechnung der von der Klägerin begehrten Ausbildungsvergütung einschl. Zuwendungen ergibt sich in rechnerischer unstreitiger Höhe aus der Aufstellung auf S. 7 u. 8 der Klageschrift (7 u. 8 d.A.).

Die Beklagte hat der Bundesanstalt für Arbeit den Streit verkündet; diese ist auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, ihr stehe aufgrund der unabdingbaren Regelung in § 15 Hebammengesetz eine Ausbildungsvergütung zu. Diese sei nach den einschlägigen tariflichen Bedingungen zu bemessen. Über die von ihr geleisteten Sonderdienste habe sie keine Aufzeichnungen, so daß sie ihren Klageanspruch insoweit nicht beziffern könne; jedoch verfüge die Beklagte über Schichtpläne. Die Klägerin hat mit der am 09. Juli 1990 zugestellten Klageschrift beantragt,

I. die Beklagte zu verurteilen,

  1. an die Klägerin für die Zeit vom 01. April 1988 bis zum 30. Juni 1990 Ausbildungsvergütung zu zahlen in Höhe von 23.984,67 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus den jeweiligen Nettobeträgen jeweils seit dem 15. des Auszahlungsmonats aus monatlich jeweils 810,00 DM brutto von April bis Dez. 1988, aus monatlich 821,34 DM brutto von Jan. bis März 1989, aus monatlich jeweils 912,60 DM brutto für April bis Dez. 1989, aus monatlich 928,11 DM brutto von Jan. bis März 1990 und aus monatlich jeweils 1.077,64 DM brutto von April bis Juni 1990;
  2. an die Klägerin Sonderzuwendungen zu zahlen in Höhe von 1.520,10 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag von 607,50 DM brutto seit dem 02. Dez. 1988 sowie aus dem Nettobetrag von 912,60 DM brutto seit dem 02. Dez. 1989;
  3. an die Klägerin 600,00 DM brutto Urlaubsgeld zu zahlen nebst jeweils 4 % Zinsen seit dem 15. Juli 1989 aus dem Nettobetrag von 300,00 DM sowie seit dem 15. Juli 1990 aus dem Nettobetrag von weiteren 300,00 DM brutto;

II. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, rückwirkend seit dem 01. April 1988 und fortlaufend zukünftig für die Dauer der Ausbildung Bereitschaftsdienst-, Rufbereitschaft-, Samstags-, Sonntags-, Nacht- und Feiertagszulagen sowie Schichtzulagen zu zahlen i. S. des § 11 Abs. 1–3 des „Manteltarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen und Schüler, die nach Maßgabe des Krankenpflegegesetzes oder des Hebammengesetzes ausgebildet werden” vom 28. Febr. 1986 in der jeweils geltenden Fassung.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

hilfsweise für den Fall des Unterlegens,

die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen.

Sie ist der Meinung gewesen, die Klägerin sei von ihr nicht i. S. des Tarifvertrages über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Schülerinnen/Schüler, die nach Maßgabe des Hebammen-/Krankenpflegegesetzes ausgebild...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?