Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Anl. I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 27.10.1993; Aktenzeichen 6 Sa 132/93) |
ArbG Chemnitz (Urteil vom 16.12.1992; Aktenzeichen 12 Ca 6001/91) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 27. Oktober 1993 – 6 Sa 132/93 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin arbeitete ab 1960 als Unterstufenlehrerin. Von 1969 bis 1971 war sie stellvertretende Direktorin einer Oberschule. Ein anschließendes Studium am Institut für Leitung und Organisation in Potsdam schloß sie als Diplompädagogin ab. Die Klägerin wurde Fachlehrerin für Staatsbürgerkunde. Seit 1972 arbeitete sie als Kreisschulinspektorin, später als Leiterin der Schulinspektion in der Abteilung Volksbildung des Rates des Kreises F. Sie erwarb an der pädagogischen Hochschule Potsdam den akademischen Grad „Dr. paed.” und wurde 1983 zum ersten Stellvertreter des Kreisschulrates berufen. Ab 1984 war sie ferner ehrenamtlicher SED-Parteisekretär beim Rat des Kreises F.,1988 ging sie mit ihrem Ehemann nach Äthiopien und war dort als Hochschullehrerin tätig. Nach ihrer Rückkehr wurde sie ab 1. Oktober 1989 als Mitarbeiterin für Sonderpädagogik beim Rat des Kreises F., Abteilung Volksbildung, beschäftigt. Seit 1. Dezember 1990 wurde die Klägerin wieder als Lehrerin eingesetzt. Seit 18. März 1990 ist die Klägerin mit Mandat der PDS Mitglied der Stadtverordnetenversammlung F. und des Kreistages.
Mit Schreiben vom 25. September 1991, das der Klägerin am 30. September 1991 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 1991 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.
Die Klägerin hat geltend gemacht, allein aus ihren in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen könne nicht auf ihre fehlende persönliche Eignung geschlossen werden. Die Schuladministration der ehemaligen DDR habe auch Aufgaben zu erfüllen gehabt, wie sie in den alten Bundesländern bestünden. Der Beklagte verstoße in seiner Kündigungspraxis gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Durch ihre Tätigkeit als Abgeordnete und Vorsitzende des Rechnungsprüfungsausschusses des Stadtparlaments F. sowie als Abgeordnete und Mitglied des Bildungsausschusses des Kreistages seien etwaige Zweifel an ihrem Einsatz für die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgeräumt.
Eine ordnungsgemäße Beteiligung der Personalvertretung habe nicht stattgefunden. Zudem sei die Kündigung nicht fristgerecht erfolgt.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch erheblich, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. September 1991 nicht aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestehe.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe sich durch die von ihr in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen mit den Zielen des SED-Staates in hohem Maße identifiziert. Deshalb könne sie nun nicht den Schülern die Werte des Grundgesetzes glaubwürdig vermitteln und sei für den Lehrerberuf ungeeignet. Mangels Existenz einer für die Beteiligung zuständigen Stufenvertretung könne die Wirksamkeit der Kündigung nicht an einer fehlerhaften Personalratsbeteiligung scheitern.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Feststellungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung vom 25. September 1991 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht zum 31. Dezember 1991 aufgelöst. Die Klägerin entspreche im Sinne der Bestimmungen des Einigungsvertrags nicht den Anforderungen, die an einen Lehrer zu stellen seien. Dies ergebe sich aus einer Gesamtwürdigung der von der Klägerin in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen und Positionen. Ihre Tätigkeit als Schulinspektorin, Leiterin der Schulinspektion und stellvertretende Kreisschulrätin in Verbindung mit ihrer Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär beim Rat des Kreises F. in der Zeit von 1984 bis 1988 begründeten die Annahme einer mangelnden Eignung für den Lehrerberuf. Die Klägerin habe demgegenüber keine Umstände vorgetragen, die geeignet wären, ihre besondere Identifikation mit dem SED-Staat zu entkräften und ihre nunmehrige Eignung zu belegen. Insofern könne sich die Klägerin auf ihre fachliche Qualifikation nicht berufen. Die Mitwirkung der Klägerin als Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung F. und des Kreistages mit Mandat der PDS sagten nichts über eine gewandelte Einstellung der Klägerin gegenüber den Grundwerten der Verfassung aus. Vielmehr habe es die Klägerin auffällig vermieden, einen solchen Wandel ihrer Auffassung zu behaupten. In jedem Falle seien bestehende Zweifel nicht ausgeräumt worden. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt worden.
Die Kündigung sei auch nicht nach §§ 79 Abs. 4, 108 Abs. 2 PersVG-DDR unwirksam, denn bei Ausspruch der Kündigung habe noch keine Stufenvertretung bestanden. Die Kündigung sei fristgerecht gemäß § 55 Abs. 2 AGB-DDR ausgesprochen worden.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Der Feststellungsantrag der Klägerin umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4,7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 25. September 1991 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrages ergibt daher, daß die Klägerin nur eine Kündigungsschutzklage, jedoch keine weitergehende Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969).
II. Die Kündigung vom 25. September 1991 ist wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 31. Dezember 1991 aufgelöst.
1. Der Wirksamkeit der Kündigung stehen personalvertretungsrechtliche Gründe nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat eine Unwirksamkeit der Kündigung aus personalvertretungsrechtlichen Gründen mit Recht verneint. Beim Oberschulamt Chemnitz bestand bei Ausspruch der Kündigung keine Stufenvertretung. Deshalb entfiel die Beteiligung eines Personalrats. Wie der Senat in vergleichbaren Fällen wiederholt entschieden hat, war keine andere Vertretung, etwa nach § 82 Abs. 6, § 116 b Abs. 2 Nr. 5 PersVG-DDR zu beteiligen (u.a. Senatsurteile vom 9. Juni 1993 – 8 AZR 659/92 – nicht veröffentlicht, zu B II der Gründe; vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – nicht veröffentlicht, zu B I der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 194/93 – nicht veröffentlicht, zu B II der Gründe).
2. Die Kündigung ist nach Abs. 4 Ziff. 1 EV gerechtfertigt.
a) Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage I vereinbarten Regelungen. Die Klägerin arbeitete aufgrund eines mit dem Rat des Kreises F. geschlossenen Arbeitsvertrages seit dem 1. Oktober 1989 und damit auch zum Zeitpunkt des Beitritts als Referent für sonderpädagogische Einrichtungen. Sie gehörte damit dem öffentlichen Dienst im Sinne von Art. 20 Abs. 1 EV an. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, daß die Klägerin am 28. November 1990 einen Arbeitsvertrag als Lehrerin ab 1. Dezember 1990 und am 29. November 1990 einen Aufhebungsvertrag zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum Landkreis F. geschlossen hat. Damit wurde ab 1. Dezember 1990 das Arbeitsverhältnis der Klägerin im öffentlichen Dienst nicht neu begründet. Die Klägerin wurde lediglich im öffentlichen Dienst weiterverwendet. Eine solche Weiterverwendung im öffentlichen Dienst auch in einem anderen Verwaltungsbereich und bei einem anderen Arbeitgeber nach dem 3. Oktober 1990 schließt die Anwendung des Sonderkündigungsrechts nach dem Einigungsvertrag nicht aus (vgl. Urteil des Senats vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 274/93 – BAGE 75, 284 = AP Nr. 10 zu Art. 20 Einigungsvertrag).
Der Beklagte hat durch die Weiterverwendung der Klägerin das Kündigungsrecht nach Abs. 4 Ziff. 1 EV auch nicht verwirkt. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, der Beklagte habe vor Abschluß des Arbeitsvertrages zum 28. November 1990 ihre persönliche Eignung als Lehrerin im Sinne des Abs. 4 Ziff. 1 EV überprüft.
b) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – BAGE 72, 361 = AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und – 8 AZR 127/93 – BAGE 75, 46 = AP Nr. 18, a.a.O., jeweils m.w.N.) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit den Zielen der SED identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweis last findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22, a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 3 b der Gründe).
c) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht schon früher durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hatte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.).
d) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Tätigkeiten der Klägerin als Schulinspektorin, Leiterin der Schulinspektion und stellvertretende Kreisschulrätin in Verbindung mit ihrer vierjährigen Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär beim Rat des Kreises rechtfertigten den Schluß, die Klägerin habe sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert und sei deshalb für den Lehrerberuf persönlich ungeeignet. Dieses Ergebnis ist bereits deshalb zutreffend, weil allein die Tätigkeit der Klägerin als Schulinspektorin und Leiterin der Schulinspektion des Kreises F. nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 658/92 –, zu B II 3 der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 194/93 –, zu B I 2 der Gründe; vom 30. Juni 1994 – 8 AZR 254/93 –; vom 27. April 1995 – 8 AZR 275/93 – jeweils nicht veröffentlicht) eine mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV indiziert.
aa) Die Funktionen eines Schulinspektors und des Leiters der Schulinspektion wurden durch die „Anweisung über die Stellung, die Vollmachten und die Tätigkeit der Schulinspektion und Berufsschulinspektion – Inspektionsordnung” vom 15. September 1961 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung vom 20. November 1961 Nr. 22 S. 287 ff.) geprägt. Aus § 2 Abs. 1 Buchst. a, b und Abs. 2 Inspektionsordnung folgte die Pflicht zu einer politischen Überwachung und Anleitung der Schulen (Direktor, Lehrer, weitere Funktionsträger, Schüler) nebst regelmäßiger Berichtspflicht nach oben. Nach der Zusammenstellung der auf dem Gebiet der Volksbildung geltenden Rechtsvorschriften vom 2. Januar 1985 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung vom 30. Januar 1985 Nr. 1 S. 1 ff.) sowie der entsprechenden letztmaligen Zusammenstellung aus dem Jahre 1988 (VuM vom 6. Februar 1989 Nr. 1 S. 1 ff.) ist von der weiteren Gültigkeit der Inspektionsordnung aus dem Jahre 1961 auszugehen.
Die „Standpunkte und Hinweise zur Arbeitsweise der Kreisschulinspektion (Arbeitsmaterial für Schulräte und Schulinspektoren)”vom Oktober 1983 füllten die Schulinspektionsordnung aus und bestätigten sie. Danach diente die Kontroll- und Anleitungstätigkeit der Kreisschulinspektoren der Durchsetzung der schulpolitischen Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der darauf beruhenden gesetzlichen Bestimmungen und den zentralen Weisungen. Als Kreisschulinspektoren sollten parteiverbundene und in der Leitungstätigkeit erfahrene Kader eingesetzt werden. Die Kontrolle, Anleitung und Hilfe der Kreisschulinspektoren sollte sich auf die Führungstätigkeit der Direktoren bei der Entwicklung einer schöpferischen politisch-pädagogischen Atmosphäre in den Pädagogenkollektiven konzentieren. Insbesondere hatten die Kreisschulinspektoren zu kontrollieren, in welcher Qualität und mit welcher Wirksamkeit durch die gesamte politisch-pädagogische Arbeit an der Schule die Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse vermittelt und angeeignet sowie an der Herausbildung des Klassenstandpunktes gearbeitet wurde.
bb) Die Kläerin hat diese der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED dienenden Positionen nach ihrer eigenen Sachdarstellung nahezu 16 Jahre ausgeübt. Die dadurch begründete Indizwirkung hat sie nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenen Wertung des Berufungsgerichts nicht erschüttert. Ihr Fortbildungsengagement auf dem Gebiet des „Rehabilitationstrainings” und der „Sporttherapie” lassen keine Schlüsse auf die Haltung der Klägerin zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu. Ebenso besagt die Mitwirkung der Klägerin als Abgeordnete der Stadtverordnetenversammlung und des Kreistages mit PDS-Mandat noch nichts über eine gewandelte Einstellung der Klägerin gegenüber den Grundwerten der Verfassung. Insofern hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß es die Klägerin im ganzen Verlauf des Rechtsstreits auffällig vermieden hat, überhaupt einen solchen Wandel ihrer Auffassung zu behaupten.
e) Die mangelnde Eignung der Klägerin für den Lehrerberuf wird darüber hinaus durch ihre nahezu vierjährige Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär beim Rat des Kreises F. in den Jahren 1984 bis 1988 indiziert. Auch insofern hat die Klägerin die gegebene Indizwirkung nicht durch konkreten Sachvortrag entkräften können. Da ihre mangelnde Eignung bereits aus ihrer Tätigkeit als Schulinspektorin und Leiterin der Schulinspektion folgt, kommt es aber zur Begründung der mangelnden Eignung für den Lehrerberuf nicht darauf an, ob dieser im Kündigungsschreiben nicht angesprochene Tatbestand der mehrjährigen Tätigkeit als ehrenamtlicher Parteisekretär wegen zwischenzeitlich erfolgter erstmaliger Wahl des Bezirkspersonalrats unberücksichtigt zu bleiben hat.
f) Soweit die Klägerin mit ihrer Revisionsrüge, ihr sei wegen Ausübung des kommunalen Ehrenamtes gekündigt worden, das Kündigungsverbot gemäß § 22 Abs. 9 Satz 2 des Gesetzes über die Selbstverwaltung der Gemeinden und Landkreise in der DDR vom 17. Mai 1990 (GBl. I S. 255) anspricht, berührt dies die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht. Nach dieser Bestimmung des DDR-Kommunalrechts, die gemäß Art. 9 Abs. 2 EV in Verbindung mit Anlage II Kapitel II Sachgebiet B Abschnitt I EV nach dem Beitritt der ehemaligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland als Landesrecht fortgegolten hat, ist es unzulässig, „aufgrund des Ehrenamtes” zu kündigen. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 30. Juni 1994 (– 8 AZR 94/93 – AP Nr. 9 zu Art. 9 Einigungsvertrag, zu B I der Gründe, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) bedeutet dieses, daß nur durch die Ausübung des kommunalen Ehrenamtes veranlaßte Kündigungen verboten sind. Dieses ist bereits nach der Darlegung der Klägerin nicht der Fall, denn sie äußert insofern lediglich eine Vermutung und befaßt sich im übrigen in der Sache mit den vom Beklagten vorgetragenen Kündigungsgründen, die das Ehrenamt der Klägerin gerade nicht einbeziehen. Vielmehr ist es die Klägerin, die meint, ihre kommunale ehrenamtliche Tätigkeit sei geeignet, ihre Eignung für den Lehrerberuf zu belegen.
III. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Kündigungsfrist entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach fand weder die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte noch die des § 53 Abs. 2 BAT-O Anwendung (vgl. nur Senatsurteil vom 28. April 1994, a.a.O., zu B III der Gründe). Der Beklagte hat die gemäß § 55 Abs. 2 AGB-DDR maßgebende dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres eingehalten.
C. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Rödder, Hennecke
Fundstellen