Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergegangener Gehaltsanspruch und Klagerücknahme bei zweistufiger Ausschlußfrist. Erstattungspflicht des Arbeitgebers hinsichtlich des im Wege der “Gleichwohlgewährung” geleisteten Arbeitslosengeldes nach § 115 SGB X und Wirkung der teilweisen Klagerücknahme durch den Arbeitnehmer im Prozeß gegen den Arbeitgeber um Vergütung in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes bei tariflicher zweistufiger Ausschlußklausel. Auslegung einer Bezugnahmeklausel. Arbeitslohn. Ausschlußfristen. Gesetzlicher Forderungsübergang
Orientierungssatz
- “Gelten” nach dem in der Zentrale des Arbeitgebers abgeschlossenen “Angestelltenvertrag” mit einem Arbeitnehmer als Niederlassungsleiter einer Niederlassung in einem anderen Bundesland “die Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge”, so sind die Tarifverträge in Bezug genommen, die für den Hauptsitz des Arbeitgebers maßgeblich sind.
- Tarifliche Ausschlußfristen gelten auch für die Bundesanstalt für Arbeit, auf die der Gehaltsanspruch in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes im Falle der sog. “Gleichwohlgewährung” gemäß § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III, § 115 Abs. 1 SGB X, § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag übergeht.
- Verlangt die Ausschlußfrist gerichtliche Geltendmachung des Anspruchs, so entfällt die fristwahrende Wirkung der Klageerhebung, wenn die Klage zurückgenommen wird.
- Wird bei einer zweistufigen tariflichen Verfallfrist eine die Verfallfrist wahrende Klage zurückgenommen, so führt eine erneute Klage nach Ablauf der Verfallfrist nicht dazu, daß die Verfallfrist als durch die erste Klage eingehalten gilt. § 212 Abs. 2 Satz 1 BGB aF ist im Rahmen zweistufiger tariflicher Ausschlußfristen nicht entsprechend anwendbar.
Normenkette
TVG § 4 Ausschlußfristen, § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag, § 1 Tarifverträge: Gebäudereinigung; Rahmentarifvertrag vom 24. Mai 1985 für Angestellte des Gebäudereiniger-Handwerks in Bayern § 16; SGB III § 143 Abs. 3 S. 1; SGB X § 115 Abs. 1; BGB §§ 611, 412, 404, 212, 217; ZPO §§ 269, 265
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus übergegangenem Recht die Zahlung von Arbeitsentgelt von der Beklagten im Umfang des Arbeitslosengeldes, das die Klägerin dem ehemaligen Arbeitnehmer der Beklagten, P… P…, für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1999 gezahlt hat.
Die Beklagte beschäftigte seit 1. Januar 1993 den Arbeitnehmer P… P…, als Niederlassungsleiter. Im am 5. November 1992 in N… geschlossenen “Angestelltenvertrag”
“zwischen der Firma KG, straße , N…, nachfolgend Arbeitgeber oder Firma genannt, und Herrn P… P… , Straße , B…, nachfolgend Angestellter genannt”
heißt es ua.:
“§ 1 BEGINN DES ANGESTELLTENVERHÄLTNISSES
Der Angestellte wird ab 01.01.93 als Niederlassungsleiter eingestellt. Sein Arbeitsgebiet umfaßt:
Leitung der Niederlassung D…
…
§ 5 URLAUB
Der Urlaubsanspruch des Angestellten richtet sich nach den im Betrieb des Arbeitgebers getroffenen Vereinbarungen. Er beträgt demnach zur Zeit 30 Arbeitstage im Jahr, wobei als Urlaubsjahr das Kalenderjahr gilt.
Im übrigen gelten die tarifvertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen.
§ 11 HINWEISE
Für das Anstellungsverhältnis gelten außer den vorstehenden Vertragsbestimmungen die betrieblichen Vereinbarungen für Angestellte, die Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge sowie die gesetzlichen Bestimmungen.
…”
Dem Arbeitnehmer P… wurde von der Beklagten am 2. August 1999 außerordentlich und vorsorglich ordentlich zum 31. Dezember 1999 gekündigt. Mit am 23. August 1999 beim Arbeitsgericht Dresden eingegangener Klage wandte er sich gegen die Kündigung. Mit der der Beklagten am 3. November 1999 zugegangenen Klageerweiterung vom 27. Oktober 1999 erweiterte der Arbeitnehmer P… die Klage auf Verurteilung zur Gehaltszahlung für September 1999 in Höhe von 7.000,00 DM brutto sowie zur künftigen Verurteilung hinsichtlich der Gehälter für die Monate Oktober, November und Dezember 1999 in Höhe von jeweils 7.000,00 DM brutto. Sodann erhielt er für die Zeit vom 1. September 1999 bis 31. Dezember 1999 von der Klägerin Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 10.581,06 DM, und zwar am 29. November 1999 für die Zeit vom 1. September 1999 bis 30. November 1999 7.892,43 DM und am 27. Dezember 1999 2.688,63 DM für die Zeit vom 1. Dezember bis 31. Dezember 1999. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25. Januar 2000 nahm der Arbeitnehmer P… die Gehaltsklage nach richterlichem Hinweis auf die fehlende Legitimation im Umfang des Rechtsübergangs in Höhe des zwischenzeitlich bezahlten Arbeitslosengeldes zurück und beantragte ua., die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 7.000,00 DM brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes von 2.601,90 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettodifferenzbetrag ab dem 1. Oktober 1999, weitere 7.000,00 DM brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes von 2.688,63 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettodifferenzbetrag ab 1. November 1999, weitere 7.000,00 DM brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes von 2.601,90 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettodifferenzbetrag ab 1. Dezember 1999 und weitere 7.000,00 DM brutto abzüglich 2.688,63 DM netto zuzüglich 4 % Zinsen aus dem Nettodifferenzbetrag ab 1. Januar 2000 zu zahlen.
Mit Schreiben vom 24. November 1999 unterrichtete die Klägerin die Beklagte darüber, daß der Arbeitnehmer P… seit dem 1. September 1999 Arbeitslosengeld beziehe, und wies sie auf den Übergang des Gehaltsanspruchs nach § 143 Abs. 3 SGB III iVm. § 115 SGB X hin. Mit Schreiben vom 10. März 2000 bezifferte die Klägerin den übergegangenen Anspruch mit insgesamt 10.581,06 DM. Die Beklagte lehnte die Zahlung mit Schreiben vom 21. März 2000 ab unter Hinweis auf die Versäumung der zweistufigen Ausschlußfrist des auf das Arbeitsverhältnis kraft einzelvertraglicher Bezugnahme anzuwendenden Angestelltentarifvertrages für das Gebäudereiniger-Handwerk und auf die teilweise Klagerücknahme des Arbeitnehmers P….
Die Klägerin verfolgt mit ihrer am 29. Mai 2000 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage den Betrag von 10.581,06 DM nebst Zinsen weiter. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte könne sich nicht mit Erfolg auf eine Ausschlußfrist berufen. Dem Sinn und Zweck tariflicher Ausschlußfristen entsprechend habe der Arbeitnehmer mit seiner Klage beide Stufen der Ausschlußfristenregelung gewahrt. Im Hinblick auf die rechtzeitige Klageerhebung des Arbeitnehmers habe die Klägerin von einer eigenen Klageerhebung abgesehen. Die Beklagte könne sich nicht auf erst nach Übergang der Forderung entstehende Einwendungen berufen. Die Rücknahme der Klage führe nicht zur Aufhebung der fristwahrenden Wirkung. Der Arbeitnehmer habe die Klage nur insoweit zurücknehmen können, als er noch Inhaber der Forderung gewesen sei. Der Arbeitnehmer P… sei überdies leitender Angestellter, so daß eine tarifliche Regelung keine Anwendung finde.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.581,06 DM Arbeitslosengeld nebst 4 % Zinsen seit dem 10. März 2000 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, in Anwendung des Rahmentarifvertrages vom 24. Mai 1985 für Angestellte des Gebäudereiniger-Handwerks in Bayern, gültig ab 1. Januar 1985 (im folgenden: RTV Bayern) sei der Anspruch verfallen. Der RTV Bayern sei kraft einzelvertraglicher Regelung anzuwenden. Die Klägerin rücke als Rechtsnachfolgerin in die Position des Arbeitnehmers ein. Sie müsse sich auch die Rücknahme der Klage durch den Arbeitnehmer zurechnen lassen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zutreffend abgewiesen.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gehalt aus übergegangenem Recht in Höhe von 10.581,06 DM auf Grund des für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1999 an den Arbeitnehmer P… gezahlten Arbeitslosengeldes. Der Anspruch der Klägerin ist im Hinblick auf die Ausschlußfristen des § 16 RTV Bayern verfallen.
1. Das Landesarbeitsgericht hat die Klageforderung als gemäß § 16 RTV Bayern verfallen angesehen und im wesentlichen ausgeführt, der RTV Bayern sei gemäß § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages anzuwenden. Die Frist des § 16 RTV Bayern für die gerichtliche Geltendmachung der Klageforderung sei durch die von der Beklagten erhobene Klage nicht gewahrt worden. Mit der teilweisen Klagerücknahme durch den Arbeitnehmer P… am 25. Januar 2000 sei die ursprünglich fristwahrende Wirkung der Klageerhebung entfallen. Die Klägerin müsse sich die prozessualen Folgen der durch den Arbeitnehmer P… erfolgten Klagerücknahme zurechnen lassen. In Höhe des gesetzlichen Forderungsübergangs habe die Klägerin die materiell-rechtliche Stellung einer Forderungsinhaberin erlangt. Zugleich sei in den §§ 404, 412 BGB geregelt, daß der Schuldner dem neuen Gläubiger nur Einwendungen entgegensetzen könne, die zur Zeit der Abtretung der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger begründet gewesen seien. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO habe eine Abtretung auf den bereits aufgenommenen Prozeß keinen Einfluß. Das gelte auch im Falle eines gesetzlichen Forderungsübergangs. Der bisherige Gläubiger sei also, auch im Falle eines zwischenzeitlichen Forderungsübergangs, berechtigt, den von ihm begonnenen Prozeß fortzuführen. Dies schließe die Befugnis ein, Verfügungen in Bezug auf den Prozeßstoff zu treffen, also auch die von ihm erhobene Klage zurückzunehmen. Die Klägerin habe die Forderung nur unter den prozessualen Bedingungen des § 265 Abs. 2 ZPO erlangt. Der Forderung habe die Befugnis des bisherigen Gläubigers, des Arbeitnehmers P…, angehaftet, die Klage mit den damit verbundenen Folgen (§ 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO) zurückzunehmen.
2. Dem folgt der Senat im Ergebnis.
a) Der Anspruch aus abgeleitetem Recht – § 611 BGB iVm. dem Angestelltenvertrag vom 5. November 1992 iVm. § 143 Abs. 3 Satz 1 SGB III iVm. § 115 SGB X – ist dem Grunde nach nur dann gegeben, wenn Arbeitslosengeld bewilligt und, obwohl noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestehen – sog. Gleichwohlgewährung –, das Arbeitslosengeld gezahlt wurde, bevor das Arbeitsentgelt an den Arbeitnehmer ausgekehrt wurde (BSG 14. Juli 1994 – 7 RAr 104/93 – AP SGB X § 115 Nr. 8).
Ein solcher Fall liegt vor. Die Beklagte hatte das Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1999 weder ganz noch teilweise an den Arbeitnehmer P… gezahlt, bevor er das Arbeitslosengeld erhalten hat. Sonach sind Ansprüche des Arbeitnehmers P… auf Gehalt auf die Klägerin in Höhe des gezahlten Arbeitslosengeldes übergegangen.
b) Die Klageforderung besteht nicht mehr; sie ist mangels Einhaltung der tariflichen Ausschlußfrist des § 16 RTV Bayern verfallen.
Die maßgebliche tarifliche Bestimmung lautet:
“§ 16 Ausschlußfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.”
aa) Dieser Rahmentarifvertrag vom 24. Mai 1985 für Angestellte des Gebäudereiniger-Handwerks in Bayern – gültig ab 1. Januar 1985 – findet auf das Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und dem Arbeitnehmer P… Anwendung und damit sein § 16 “Ausschlußfristen”. So ist § 11 Abs. 1 des Angestelltenvertrages zu verstehen. Nach § 11 Abs. 1 des Angestelltenvertrages “gelten die Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge”. Was unter den jeweils gültigen Tarifverträgen zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.
(1) Der Arbeitnehmer P… wurde in der Zentrale der Beklagten als Niederlassungsleiter für die Niederlassung D… eingestellt und nicht etwa als Angestellter von der Niederlassung D… der Beklagten. Das läßt nur den Schluß zu, daß hauptsitzbezogene Tarifverträge in Bezug genommen wurden und nicht etwa solche, die für den Bereich des Freistaates Sachsen gelten, zumal es für Sachsen zum damaligen Zeitpunkt keine Tarifverträge für Angestellte im Gebäudereiniger-Handwerk gab.
Ob es sich bei § 11 des Angestelltenvertrages um eine Gleichstellungsklausel handelt, wie die Revision meint, kann offenbleiben. Die Beklagte kann alle mit ihr begründeten Arbeitsverhältnisse den Tarifverträgen unterwerfen, die räumlich für den Sitz der Beklagten einschlägig sind. Ob das so war, ist nicht festgestellt.
(2) Auch wenn der Arbeitnehmer P… leitender Angestellter sein sollte, wovon das Arbeitsgericht Dresden in seiner Entscheidung vom 25. Januar 2000 – 14 Ca 6279/99 – ausgegangen ist und wofür das Aktenbild spricht, und deswegen dem persönlichen Geltungsbereich des RTV Bayern nicht unterfiel, konnten die Vertragsparteien gleichwohl die Anwendbarkeit dieses RTV Bayern wirksam vereinbaren. Das erlaubt die Vertragsfreiheit.
(3) Daran ändert auch nichts, daß der RTV Bayern außer Kraft getreten ist. Er wurde zwar am 28. September 1995 zum 31. Dezember 1995 gekündigt, aber per 21. September 1999 wieder in Kraft gesetzt und durch einen ab 1. Januar 2003 geltenden Tarifvertrag ersetzt. Er konnte also am 5. November 1992 als “Vorschriften der jeweils gültigen Tarifverträge” (§ 11 Abs. 1 des Anstellungsvertrages) vereinbart werden.
bb) Weil auf das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers P… damit auch die Ausschlußfristenregelung des § 16 RTV Bayern anzuwenden ist, war diese Regelung auch von der Beklagten zu beachten. Das folgt aus § 404 BGB. Hiernach kann der Schuldner einer kraft Gesetzes übergegangenen Forderung (§§ 412, 404 BGB) – hier die Arbeitgeberin, die Beklagte – dem neuen Gläubiger, der Bundesanstalt für Arbeit, der Klägerin, die Einwendungen entgegenhalten, die zur Zeit des Übergangs der Forderung gegen den bisherigen Gläubiger – hier Arbeitnehmer P… – begründet waren. Ausschlußfristen gehören zu den Einwendungen iSd. § 404 BGB.
cc) Die Klägerin hat bereits die zweimonatige Ausschlußfrist für die schriftliche Geltendmachung der auf sie übergegangenen Teile der Gehaltsansprüche des Arbeitnehmers P… für die Monate September bis Dezember 1999 nicht gewahrt. Diese Ansprüche waren jeweils am Monatsende fällig (§ 614 BGB), der letzte am 31. Dezember 1999. Schriftlich machte die Klägerin ihre Forderung erst unter dem 10. März 2000 geltend.
Ob die Beklagte die ebenfalls zweimonatige Frist für die gerichtliche Geltendmachung gewahrt hat (Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 21. März 2000, Klageeinreichung am 29. Mai 2000), kann dahinstehen, weil die Klageforderung bereits mangels rechtzeitiger schriftlicher Geltendmachung versäumt ist.
dd) Der Klageanspruch ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht bereits deshalb gerechtfertigt, weil der Rechtsvorgänger der Klägerin, der Arbeitnehmer P…, die Ausschlußfrist des § 16 RTV Bayern gewahrt hatte. Der Arbeitnehmer P… hatte zunächst die Ausschlußfrist in ihrer ersten Stufe – schriftliche Geltendmachung – beachtet und auch ihre zweite Stufe – gerichtliche Geltendmachung – eingehalten. Dies kam auch der Klägerin zugute, da sie mit dem gesetzlichen Forderungsübergang die volle Gläubigerstellung erworben hat. Die Ausschlußfrist des § 16 RTV Bayern war für die Klägerin durch das Verhalten des Arbeitnehmers P…, ihres Rechtsvorgängers, zunächst gewahrt, und zwar zu einem Zeitpunkt, bevor die Klägerin Arbeitslosengeld gezahlt hatte und damit den Forderungsübergang nach § 115 Abs. 1 SGB X ausgelöst hatte.
In dieser damit gewonnenen Rechtsstellung war die Klägerin, solange sie den auf sie übergegangenen Forderungsteil nicht selbständig geltend machte, von vornherein von dem weiteren prozessualen Verhalten ihres Rechtsvorgängers, des Arbeitnehmers P…, abhängig. Der Arbeitnehmer P… war ungeachtet des Verlustes der materiellen Verfügungsbefugnis über den übergegangenen Forderungsteil in dem über die Forderung schwebenden Verfahren prozessual unbeschränkt verfügungsberechtigt geblieben; er konnte die Klage zurücknehmen, auch soweit sie den ihm materiell nicht mehr zustehenden Forderungsteil betraf. Die hieraus sich ergebenden materiell-rechtlichen Folgen trafen auch die Klägerin auf Grund ihrer auf abgeleitetem Recht beruhenden und daher insoweit von Beginn an eingeschränkten Rechtsstellung. Dies gilt auch für die Ausschlußfrist. Diese war zwar durch die Klage gewahrt. Diese Wirkung fällt jedoch zum Nachteil des Rechtsnachfolgers des früheren Gläubigers weg, wenn letzterer die von ihm erhobene Klage nach dem Rechtsübergang zurücknimmt. Der Arbeitnehmer P… hat hier die zunächst von ihm erhobene Klage später wieder zurückgenommen, soweit er die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis über die eingeklagte Forderung verloren hatte; dies ergibt sich aus der Ermäßigung der Klageforderung, die als teilweise Klagerücknahme aufzufassen ist. Diese rechtmäßig ausgeübte prozessuale Befugnis hat materiell-rechtlich dieselbe Folge, wie sie allgemein die Klagerücknahme auf den Lauf solcher Ausschlußfristen hat, die nur durch gerichtliche Geltendmachung der Forderung unterbrochen werden. Diese Folge besteht – analog zu § 212 Abs. 1 BGB aF – in dem völligen Wegfall der Wirkung der Unterbrechung. Mit Sinn und Zweck tariflicher – die Klageerhebung verlangender – Ausschlußfristen erscheint es als nicht vereinbar, auch der zurückgenommenen Klage die Rechtsfolge einer Wahrung der Ausschlußfrist beizulegen (vgl. BAG 24. Mai 1973 – 5 AZR 21/73 – AP TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 52 = EzA TVG § 4 Ausschlußfristen Nr. 15, zu 2 der Gründe). Mit der teilweisen Rücknahme der Klage, soweit der Anspruch auf die Klägerin übergegangen war, gilt die Klage als nicht anhängig geworden (§ 269 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. ZPO). Die zunächst fristwahrende Wirkung der rechtzeitigen Klageerhebung entfiel wieder durch die Rücknahme der Klage (vgl. BAG 11. Juli 1990 – 5 AZR 609/89 – BAGE 65, 264, 267).
Die erneute Klageerhebung durch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Arbeitnehmers P… erfolgte erst weit nach der bereits abgelaufenen zweiten Stufe der Ausschlußfrist. Eine erneute Klage nach Ablauf der Ausschlußfristen führt nicht dazu, daß die Verfallfrist als durch die erste Klage eingehalten gilt. § 212 Abs. 2 Satz 1 BGB findet keine entsprechende Anwendung (BAG 11. Juli 1990 – 5 AZR 609/89 – aaO).
ee) Die Erwägungen der Revision führen zu keinem anderen Ergebnis.
(1) Der Abtretende kann eine Klagerücknahme zu einem Teilklageanspruch erklären, dessen Inhaber er nicht mehr ist. Andere Prozeßhandlungen muß er als Prozeßstandschafter nicht vornehmen.
Der Arbeitnehmer P… konnte, wollte er eine Abweisung der Klage als unbegründet vermeiden, soweit sein Gehaltsanspruch auf die Klägerin gesetzlich übergegangen war, insoweit Auskehr an die Klägerin beantragen. Diesen Weg mußte er aber nicht gehen. Er konnte insoweit auch die teilweise Rücknahme der Klage erklären, um ihre Abweisung insoweit zu vermeiden. Das Arbeitsgericht hatte keineswegs die Klage mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, das jeweilige Monatsgehalt abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes an den Arbeitnehmer P… zu zahlen, als unbegründet abzuweisen. Der vom Arbeitnehmer P… im Kündigungsschutzprozeß zuletzt gestellte Zahlungsantrag war der richtige Antrag. Der Arbeitnehmer P… war Forderungsinhaber, soweit nicht Arbeitslosengeld als Gehaltsersatz gezahlt worden war und insoweit der Gehaltsanspruch auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen war.
Richtig ist nur, daß in dem Fall, daß die Beklagte trotz durch die Klägerin erfolgter Information über den Anspruchsübergang an den Arbeitnehmer P… die diesem zustehende Vergütung für den Zeitraum September bis Dezember 1999 voll gezahlt hätte, dies auf Grund der entsprechenden Belehrung keine schuldbefreiende Zahlung im Verhältnis zur Klägerin dargestellt hätte.
(2) Die Revision führt aus, wenn der Arbeitnehmer P… am 25. Januar 2000, dem Zeitpunkt der Klagerücknahme, sowohl die ihm zustehenden Vergütungszahlungen für die Monate September bis November 1999 in voller Höhe von seiner Arbeitgeberin entgegengenommen gehabt habe und dazu den Betrag von der Klägerin, sei der Arbeitnehmer nicht mehr Anspruchsinhaber in dieser Höhe und habe demzufolge auch keine Klagerücknahme mit den Rechtsfolgen des § 269 ZPO erklären können. Dieser Fall liegt nicht vor. Der Kläger hatte das Arbeitsentgelt von der Beklagten nicht per 25. Januar 2000 erhalten, sondern das Arbeitslosengeld von der Klägerin, und zwar am 29. November und am 27. Dezember 1999. Ein Fall der Doppelzahlung liegt nicht vor. Der Anspruch des Arbeitnehmers P… auf Gehalt war in Höhe des Arbeitslosengeldes im jeweiligen Zeitpunkt der Zahlung auf die Klägerin übergegangen. Vom Grundsatz her kann die Beklagte der Klägerin die Unkenntnis vom Forderungsübergang nicht mit Erfolg entgegenhalten. Das folgt aus der Überleitungsanzeige. Es greift aber die tarifliche Ausschlußfrist, die ursprüngliche Fristwahrung ist wegen der teilweisen Klagerücknahme wieder entfallen, wie oben ausgeführt.
(3) Die Revision führt aus, wenn die Beklagte für die Monate September bis November 1999 an den Arbeitnehmer P… nur die Vergütung abzüglich des Arbeitslosengeldes gezahlt gehabt habe, sei der Anspruchsübergang der Beklagten bekannt gewesen, dieser sei geltend gemacht und habe demzufolge nicht mehr einer Verfallfrist unterliegen können. Dieser Fall liegt nicht vor. Die Revision verkennt, daß die Beklagte im Zeitpunkt der teilweisen Klagerücknahme an den Arbeitnehmer P… die Gehälter nicht gezahlt hatte, und zwar auch keine Teilbeträge, der Arbeitnehmer P… hinsichtlich seiner Klage lediglich dem Forderungsübergang durch veränderte Antragstellung Rechnung getragen hat. Die Klägerin war gehalten, durch entsprechende Vorkehrungen ihre Rechte zu wahren. Die Klägerin konnte als Rechtsnachfolgerin den Prozeß um das Gehalt übernehmen, soweit der Gehaltsanspruch auf sie übergegangen war. Das hat sie nicht getan. Sie hätte nach Zahlung des Arbeitslosengeldes auf Grund übergegangenen Rechts selbst klagen können. Dem möglichen Einwand der Rechtshängigkeit wäre dadurch Rechnung zu tragen gewesen, daß entweder zu veranlassen gewesen wäre, Auskehr an die Klägerin zu verlangen, soweit der Anspruch übergegangen war, oder durch Übernahme des Rechtsstreits bei Rücknahme der selbst angebrachten Klage.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schliemann, Wolter, Friedrich, Jürgens, Gotsche
Fundstellen
Haufe-Index 947037 |
ARST 2004, 68 |
ZTR 2003, 628 |
EzA-SD 2003, 13 |
EzA |