Entscheidungsstichwort (Thema)
Weihnachtsgeld für Zeitungszusteller
Leitsatz (amtlich)
Es verstößt nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn der Arbeitgeber den im Zeitungsvertrieb beschäftigten Innendienstangestellten ein Weihnachtsgeld zahlt, den Zeitungszustellern jedoch nicht. Diese Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt, weil die Zeitungszusteller anders als die Innendienstangestellten die Möglichkeit haben, zur Weihnachtszeit von den Abonnenten ein jedenfalls nicht unerhebliches Trinkgeld zu erhalten. Darauf, ob das gezahlte Weihnachtsgeld in seiner Höhe dem zumindest durchschnittlichen Trinkgeldbezug in etwa entspricht, kommt es nicht an.
Normenkette
BGB §§ 242, 611; BeschFG 1985 § 2; EWGVtr Art. 119
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Weihnachtsgeldes für die Jahre 1990, 1991 und 1992.
Die Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 1. September 1962 bis zum 31. Oktober 1992 als Zeitungszustellerin teilzeitbeschäftigt tätig. Sie erhielt zuletzt einen Monatsbruttolohn von 500,00 DM zuzüglich einer Beilagen sowie Feiertagsvergütung und eines Nachtzuschlages.
Bei der Beklagten, die nicht tarifgebunden ist, sind etwa 220 teilzeitbeschäftigte Zeitungszusteller nebenberuflich sowie jeweils zwei vollzeitbeschäftigte Vertriebshelfer und Vertriebsinspektoren angestellt.
Die Zeitungszusteller haben die Aufgabe, an sechs Tagen in der Woche in den ihnen zugewiesenen Zustellbezirken die Tageszeitungen bis 6.30 Uhr auszutragen. Die Zeitungen liegen ab 2.00 Uhr an den Ablage- bzw. Übergabestellen für sie bereit. Darüber hinaus kassieren die Zusteller von den wenigen Abonnenten, die bar bezahlen, das Zeitungsgeld.
Die Vertriebshelfer haben eine tägliche Arbeitszeit von 3.00 Uhr bis 11.00 Uhr, und zwar an fünf Tagen in der Woche. Sie haben sich ab 3.00 Uhr am Geschäftssitz der Beklagten bereit zu halten und bei plötzlicher Verhinderung eines Zustellers für eine Vertretung zu sorgen. Gelingt das nicht, müssen sie die Zustellungen selbst vornehmen. Auf die Reklamation eines Zustellers haben die Vertriebshelfer im Falle einer fehlerhaften Auslieferung durch den Spediteur die Zeitungspakete nachzuliefern bzw. auszutauschen. Auf die Reklamation eines Abonnenten müssen sie eine Zeitung aus- bzw. nachliefern, unabhängig vom Zustellbezirk. Des weiteren verrichten die Vertriebshelfer Botengänge, bringen Abrechnungen mit Bezugsgeldlisten, Leserlisten, Botenbücher, Arbeitsmaterialien (wie Tragetaschen, Regenbekleidung, Abfallsäcke) zu den Zustellern und holen bei diesen die zu entsorgenden Abfallsäcke ab. Außerdem gehört es zu den Aufgaben der Vertriebshelfer, für die einzelnen Zustellbezirke Botenbücher zu erstellen, die Ablagestellen zu überwachen, bei Anschriftenänderungen von Abonnenten Nachforschungen zu betreiben, die Leserlisten zu überprüfen und zu beschriften, Unterlagen für die Boten zusammenzustellen, Reklamationen entgegenzunehmen und weiterzuleiten, die Aufteilung von großen in kleinere Zustellbezirke vorzubereiten sowie die firmeneigenen Kraftfahrzeuge zu pflegen.
In Anlehnung an den Manteltarifvertrag für die kaufmännischen Angestellten in den Verlagen von Tageszeitungen im Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1989 gewährt die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin ihren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern zumindest seit 1990 jährlich mit der November-Lohnabrechnung ein Weihnachtsgeld in Höhe einer Monatsvergütung. Die Klägerin erhielt lediglich einmal im Jahre 1991 ein Weihnachtsgeld von 120,72 DM.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Anspruch auf ein Weihnachtsgeld in Höhe ihres Monatseinkommens. Für die Gewährung des Weihnachtsgeldes seien neben der für die Beklagte geleisteten Tätigkeit keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Es sei deshalb nicht sachgerecht, zwischen den teilzeitbeschäftigten Zeitungszustellern und den vollzeitbeschäftigten Vertriebshelfern und -inspektoren zu differenzieren.
Eine Regelung, die Teilzeitbeschäftigten von dem Weihnachtsgeld ausschließe, stelle eine mittelbare Diskriminierung von Frauen dar, denn Teilzeitbeschäftigte seien mehrheitlich Frauen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.254,28 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus 879,28 DM ab dem 28. Oktober 1992 sowie aus 375,00 DM ab dem 6. Januar 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, Zeitungszusteller und Vertriebshelfer übten keine gleiche oder ähnliche Tätigkeit aus. Die Zeitungszusteller hätten die Möglichkeit, um die Weihnachtszeit in “ihrem” Bezirk bei “ihren” Abonnenten ein Trinkgeld, das sogenannte “Neujährchen” zu kassieren, das den Betrag eines Monatseinkommens übersteige. Zu diesem Zweck drucke sie jährlich auf Wunsch der Zusteller rund 20,000 Glückwunschkarten, die diese den Abonnenten überreichen könnten. Die Vertriebshelfer und -inspektoren hätten diese Möglichkeit nicht. In ihrem Betrieb beschäftige sie jeweils etwa zur Hälfte Frauen und Männer.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, auch den Zeitungszustellern ein Weihnachtsgeld zu zahlen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne ihr Begehren nicht auf § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 stützen, weil sie nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber den Vollzeitbeschäftigten benachteiligt werde. Ihre Tätigkeit sei nicht mit der der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, insbesondere nicht mit der der von ihr herangezogenen Vertriebshelfer, vergleichbar. Die Differenzierung zwischen den teilzeitbeschäftigten Zustellern und den vollzeitbeschäftigten Vertriebshelfern und -inspektoren sei auch deshalb sachlich gerechtfertigt, weil allein die Zusteller mit Hilfe der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Weihnachtskarten die Möglichkeit hätten, von den Abonnenten das sogenannte “Neujährchen” zu erhalten, was keine unerhebliche Einnahmemöglichkeit sei.
Ein Anspruch der Klägerin ergebe sich auch nicht aus Art. 3 GG i.V.m. § 611a Abs. 1 Satz 1 BGB und Art. 119 EWG-Vertrag und der EWG-Richtlinie 75/117. Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergäben sich keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Beklagte differenziere in unzulässiger Weise zwischen weiblichen und männlichen Arbeitnehmern.
Diese Begründung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
II. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zahlt die Beklagte ihren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern in Anlehnung an den Manteltarifvertrag für die kaufmännischen Angestellten in den Verlagen von Tageszeitungen im Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Mai 1989 ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Monatseinkommens. Die nicht tarifgebundene Beklagte zahlt mithin nach dem Vorbild des vorbezeichneten Manteltarifvertrages freiwillig ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zumindest seit 1990 an die Vollzeitarbeitnehmer ein Weihnachtsgeld. Sie ist dazu nicht aufgrund eines Tarifvertrages, einer Betriebsvereinbarung oder Rechtsvorschrift verpflichtet.
In diesem Zusammenhang behandelt sie die Klägerin wie alle teilzeitbeschäftigten Zeitungszusteller im Vergleich zu den vollzeitbeschäftigten Vertriebshelfern und -inspektoren unterschiedlich. Denn die Klägerin hat, mit Ausnahme des Jahres 1991 (nähere Umstände dazu sind nicht vorgetragen), kein Weihnachtsgeld erhalten.
1. Nach § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 darf der Arbeitgeber einen teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht wegen der Teilzeitarbeit gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern unterschiedlich behandeln, es sei denn, daß sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Damit verbietet das Gesetz nur die unterschiedliche Behandlung wegen “Teilzeitarbeit”, nicht aber eine Differenzierung aus anderen Gründen. Es erlaubt auch eine unterschiedliche Behandlung wegen der Teilzeitbeschäftigung, wenn sachliche Gründe, beispielsweise unterschiedliche Arbeitsleistungen, Qualifikationen, Berufserfahrungen, Arbeitsplatzanforderungen oder eine unterschiedliche soziale Lage, vorliegen (BAG Urteil vom 9. Februar 1989, BAGE 61, 77 = AP Nr. 4 zu § 2 BeschFG 1985; BAG Urteil vom 6. Dezember 1990, BAGE 66, 314 = AP Nr. 12 zu § 2 BeschFG 1985). Das in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 normierte Gebot der Gleichbehandlung erstreckt sich sowohl auf eine einseitige Maßnahme des Arbeitgebers, wie die Gewährung einer freiwilligen Leistung, als auch auf vertragliche Vereinbarungen (BAG Urteil vom 25. Januar 1989, BAGE 61, 43 = AP Nr. 2 zu § 2 BeschFG 1985, zu II. 1 der Gründe) und setzt dabei ungeschrieben voraus, daß Teilzeitbeschäftigte und Vollzeitbeschäftigte von der Funktion ihrer Tätigkeit her vergleichbar sind (BAG Urteil vom 9. Februar 1989, BAGE 61, 77, aaO).
Wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis seiner Beweisaufnahme festgestellt hat, sind die teilzeitbeschäftigten Zusteller und die vollzeitbeschäftigten Vertriebsangestellten von ihren Tätigkeiten her nicht vergleichbar. Diese beiden Gruppen üben keine vergleichbaren Tätigkeiten aus. Das gilt auch, obwohl die Vertriebshelfer in Ausnahmefällen selbst Zustellungen vornehmen. Die Zustellung von Zeitungen in Vertretung eines teilzeitbeschäftigten Zustellers stellt nur eine der Aufgaben der Vertriebshelfer dar, prägt ihre Tätigkeit aber nicht und macht sie nicht zu einer mit der Tätigkeit der teilzeitbeschäftigten Zeitungszusteller vergleichbaren Tätigkeit. Beide Tätigkeiten unterscheiden sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die das Revisionsgericht nach § 561 Abs. 2 ZPO binden, in ihren einzelnen Aufgaben und Anforderungen maßgeblich. Die Tätigkeit der Zusteller beschränkt sich fast ausschließlich auf die Zustellung der Zeitungen in der Zeit von 2.00 Uhr bis 6.30 Uhr. Nur in wenigen Fällen wird noch Zeitungsgeld kassiert. Die Tätigkeit der Vertriebshelfer ist vielfältiger und von den Anforderungen her anspruchsvoller. Sie dient der Organisation des Zustellbetriebes und erfordert ein hohes Maß an Flexibilität. Wie das Landesarbeitsgericht in Würdigung seines Beweisergebnisses zutreffend ausführt, rechtfertigen diese unterschiedlichen Tätigkeiten auch eine unterschiedliche Behandlung der teilzeitbeschäftigten Zeitungszusteller und der vollzeitbeschäftigten Vertriebshelfer. Die Beklagte verstößt daher nicht gegen das in § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 normierte Gebot der Gleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten.
2. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch einen auf Art. 119 EWG-Vertrag gestützten Anspruch der Klägerin auf Weihnachtsgeld wegen mittelbarer Geschlechtsdiskriminierung verneint.
Ein solcher Anspruch könnte unter den Bedingungen des vorliegenden Falles nur dann in Betracht kommen, wenn die Praxis der Beklagten – den vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld zu zahlen, den teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmern jedoch nicht – erheblich mehr Frauen als Männer nachteilig treffen würde (ständige Rechtsprechung des BAG; für alle: BAG Urteil vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 152/92 – AP Nr. 38 zu Art. 119 EWG-Vertrag = AP Nr. 28 zu § 23a BAT). Da die für den Tatbestand einer mittelbaren Geschlechtsdiskriminierung erforderliche stärkere nachteilige Betroffenheit eines Geschlechts durch eine Regelung bzw. einseitige Maßnahme des Arbeitgebers voraussetzt, daß der Anteil der Angehörigen dieses Geschlechts unter den nachteilig Betroffenen erheblich höher ist als unter den von der Regelung bzw. Maßnahme Begünstigten, hätte die Klägerin dartun müssen, daß wesentlich mehr oder überwiegend Arbeitnehmerinnen von der Zahlung des Weihnachtsgeldes ausgeschlossen sind als männliche Zusteller (EuGH Urteil vom 17. Oktober 1989 – Rs 109/88 – AP Nr. 19 zu Art. 119 EWG-Vertrag; BAG Urteil vom 23. September 1992 – 4 AZR 30/92 – AP Nr. 33 zu Art. 119 EWG-Vertrag = AP Nr. 1 zu § 612 BGB Diskriminierung). Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen, daß gerade die Beklagte als teilzeitbeschäftigte Zeitungszusteller erheblich mehr Frauen beschäftigt. Sie behauptet nur pauschal, Teilzeitarbeitnehmer seien stets überwiegend Frauen und leitet hieraus deren mittelbare Diskriminierung durch die Beklagte ab. Das aber reicht nicht aus.
3. Die Beklagte verstößt auch nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn sie den Vertriebshelfern und Vertriebsinspektoren ein Weihnachtsgeld zahlt, den Zeitungszustellern dagegen nicht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verwehrt der Gleichbehandlungsgrundsatz es dem Arbeitgeber, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemein begünstigenden Regelungen auszunehmen und schlechter zu stellen (für alle; BAG Urteil vom 25. Januar 1984, BAGE 45, 86 = AP Nr. 68 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Gewährt ein Arbeitgeber nach einem erkennbaren und generalisierenden Prinzip Leistungen, so muß er die Leistungsvoraussetzungen so abgrenzen, daß kein Arbeitnehmer hiervon aus sachfremden oder willkürlichen Gründen ausgeschlossen bleibt (ständige Rechtsprechung; BAG Urteil vom 6. Oktober 1993 – 10 AZR 450/92 – AP Nr. 107 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entfällt dabei allerdings nicht schon deshalb, weil die begünstigte Gruppe kleiner als die benachteiligte Gruppe ist (BAG Urteil vom 25. Januar 1984, BAGE 45, 76 = AP Nr. 67 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Ein freiwillig gewährtes Weihnachtsgeld soll, sofern nichts anderes verlautbart oder aus den Bedingungen, unter denen es zugesagt wird, zu entnehmen ist, dazu dienen, in der Vergangenheit geleistete Dienste zusätzlich zu vergüten und zu den anläßlich des Weihnachtsfestes entstehenden besonderen Aufwendungen der Arbeitnehmer beitragen. Geht man von diesen Zwecken aus, so ist es nicht sachgerecht, Arbeitnehmer allein wegen ihrer unterschiedlichen Tätigkeit zu begünstigen oder vom Weihnachtsgeld auszuschließen. Zusätzliche Aufwendungen fallen bei allen Arbeitnehmern des Betriebes an und alle haben in der Vergangenheit ihre Arbeitsleistungen erbracht (BAG Urteil vom 25. Januar 1984, BAGE 45, 86, aaO). Die unterschiedliche Tätigkeit der Vertriebsangestellten und der Zusteller ist daher kein sachlich zulässiger Differenzierungsgrund.
Der Arbeitgeber kann mit der Auszahlung von Gratifikationen und ähnlichen Sonderzuwendungen jedoch verschiedene Zwecke verfolgen. Er kann die Voraussetzungen seiner Leistungen so abgrenzen, daß diese zum gewünschten Erfolg führen. Eine Ungleichbehandlung verschiedener Arbeitnehmergruppen ist immer dann mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar, wenn sie nach dem Zweck der Leistung sachlich gerechtfertigt ist (BAG Urteil vom 5. März 1980, BAGE 33, 57 = AP Nr. 44 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Die Beklagte hat vorgetragen, sie zahlte den Vertriebsangestellten deswegen ein Weihnachtsgeld, weil diese – anders als die Zeitungszusteller – nicht die Möglichkeit hätten, von den Abonnenten zur Weihnachtszeit ein Trinkgeld in Form des sog. “Neujährchen” zu erhalten. Das Trinkgeld stelle für die Zeitungszusteller ein zusätzliches Einkommen aus ihrer Tätigkeit dar, das in der Regel die Höhe eines Monatsgehaltes übersteige. Diesen Unterschied in der Vergütung habe sie mit der Zahlung des Weihnachtsgeldes an die Vertriebsangestellten ausgleichen wollen.
Gemessen an diesem Zweck des von der Beklagten gezahlten Weihnachtsgeldes ist die Differenzierung zwischen den Zeitungszustellern und den Vertriebsangestellten sachlich gerechtfertigt. Der Senat hat in anderem Zusammenhang entschieden, daß es nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, wenn der Arbeitgeber mit der Gewährung einer höheren Weihnachtsgratifikation an eine Gruppe von Arbeitnehmern den Zweck verfolgt, Einkommensunterschiede auszugleichen, die darauf beruhen, daß die andere Gruppe übertarifliche Zulagen erhalten hat (Urteil des Senats vom 30. März 1994 – 10 AZR 681/92 – AP Nr. 113 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Dem steht nicht entgegen, daß die Trinkgelder den Zeitungszustellern nicht von der Beklagten, sondern von ihren Abonnenten gewährt werden. Daß zur Weihnachtszeit Trinkgelder von den Abonnenten gezahlt werden, ist mit der Zustellung von Zeitungen typischerweise verbunden. Die Übernahme einer solchen Tätigkeit folgt auch im Hinblick darauf, daß neben dem eigentlichen Arbeitsentgelt ein zusätzlicher “Verdienst” durch diese Trinkgelder erzielt werden kann. Wenn die Beklagte darüber hinaus ihren Zeitungszustellern noch kostenlos die Glückwunschkarten zur Verfügung stellt, die die Möglichkeit, ein Trinkgeld zu bekommen noch verstärken, dann ist es sachgerecht, wenn die Beklagte im Hinblick auf diese auch von ihr noch geförderte und mit der Tätigkeit verbundene Verdienstmöglichkeit der Zeitungszusteller den Vertriebsangestellten zum Ausgleich dafür ein Weihnachtsgeld gewährt, den Zeitungszustellern hingegen nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat für den Senat bindend festgestellt, daß die Zusteller der Beklagten die Möglichkeit haben, von den Abonnenten das sog. “Neujährchen” zu erhalten, daß die Zusteller von der Beklagten kostenlos die Glückwunschkarten erhalten, die den Abonnenten überreicht werden und auch entsprechend der Verkehrssitte als indirekte Aufforderung zur Zahlung des “Neujährchens” verstanden werden sollen. Es hat weiter festgestellt, daß sich für die Zusteller dadurch nicht unerhebliche Einnahmemöglichkeiten auftun.
Wenn in diesem Zusammenhang nicht feststeht, in welcher Höhe dieses Trinkgeld gezahlt wird, ob überhaupt alle Zeitungszusteller ein Trinkgeld und wenn ja in ungefähr welcher Höhe erhalten und ob auch die Klägerin solche Trinkgelder bekommen hat, so ist dies unerheblich. Aufgrund der Feststellung des Landesarbeitsgerichts und der auch für den Senat offenkundigen Tatsache, daß Zeitungszusteller zur Weihnachtszeit von den Abonnenten – sei es aufgrund solcher überreichter Glückwunschkarten, sei es auch ohne solche “Aufforderungen” – ein Trinkgeld erhalten, stellen diese Trinkgelder jedenfalls keinen äußerst geringen und daher zu vernachlässigenden zusätzlichen Verdienst dar. Die Beklagte hat keine Möglichkeit zu erfahren, in welcher zumindest durchschnittlichen Höhe ihre Zusteller solche Trinkgelder erhalten. jeder Betrag, den sie ihren Vertriebsangestellten als Ausgleich für diese ihnen fehlende Verdienstmöglichkeit zahlt, ist daher mehr oder weniger gegriffen und kann die den Zustellern gezahlten Trinkgelder über- oder unterschreiten. Von daher ist es weder willkürlich noch unverhältnismäßig, wenn die Beklagte bei ihrer Differenzierung allein darauf abstellt, daß die Zeitungszusteller aufgrund der für ihren Betrieb festgestellten Praxis die Möglichkeit haben, ihren Verdienst durch nicht unerhebliche Trinkgelder zu erhöben.
4. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf abgestellt hat, daß die Beklagte der Klägerin den Grund für die unterschiedliche Behandlung der Vertriebsangestellten und Zeitungszusteller nicht rechtzeitig mitgeteilt habe, handelt es sich um das Vorbringen neuer Tatsachen, die in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Lindemann, Großmann
Fundstellen
Haufe-Index 870876 |
BB 1995, 2272 |
NJW 1995, 3406 |
NZA 1995, 985 |
AfP 1995, 695 |