Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. dauernde Leistungsunfähigkeit. Ordentliche krankheitsbedingte Kündigung. dauernde Arbeitsunfähigkeit (24 Monate/Prognose). betriebliche Störungen: Möglichkeit der Vertretung des Langzeit-Erkrankten aus Personalüberhang nach Umstrukturierung (uU auch länger als 24 Monate wegen längerer Laufzeit eines Interessenausgleichs?)
Orientierungssatz
1. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt – erste Stufe –, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist – zweite Stufe – und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen – dritte Stufe –.
2. Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen.
3. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz – ggf. auch zu geänderten Bedingungen – schließt eine krankheitsbedingte Kündigung aus. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, führt die Krankheit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen.
4. Im Rahmen der Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten kommen jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur solche in Betracht, die entweder gleichwertig mit der bisherigen Beschäftigung sind oder geringer bewertet sind. Das Kündigungsschutzgesetz schützt das Vertragsverhältnis in seinem Bestand und seinem bisherigen Inhalt, verschafft aber keinen Anspruch auf Beförderung.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 14. September 2005 – 2 Sa 15/05 – aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 26. Oktober 2004 – 2 Ca 2148/03 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten auf Gründe in der Person des Klägers (lang anhaltende Arbeitsunfähigkeit) gestützten ordentlichen Kündigung.
Der 1971 geborene Kläger trat 1989 in die Dienste der Beklagten und war seit 1993 als Fachhandwerker/Schlosser beschäftigt. Er ist seit dem 7. Januar 2002 ununterbrochen arbeitsunfähig erkrankt. Zuvor waren seit 1998 folgende Krankheitszeiten und Lohnfortzahlungskosten zu verzeichnen:
Jahr |
AU-Tage mit Entgeltfortzahlung |
ohne Entgeltfortzahlung |
Kosten der Entgeltfortzahlung |
ohne Arbeitgeberanteil SV |
mit Arbeitgeberanteil SV |
1998 |
46 |
0 |
6215,83 € |
7469,22 € |
1999 |
50 |
0 |
6560,33 € |
7829,83 € |
2000 |
54 |
0 |
7377,09 € |
8829,60 € |
2001 |
50 |
27 |
6694,44 € |
8022,05 € |
2002 |
30 |
seit 18.2. |
4052,66 € |
4866,76 €. |
Der Kläger war in der Fachklinik F… in einer Rehabilitationskur. Am 24. Juli 2002 wurde er als arbeitsunfähig entlassen. Der Entlassungsbericht kam ua. zu dem Ergebnis, der Kläger traue sich die bisherige Tätigkeit nicht mehr zu und könne sie auf Grund eines Wirbelsäulenleidens nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich ausüben.
Am 30. Januar 2003 erteilte Herr Dr. med. S…, Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin eine fachorthopädische Bescheinigung, die ua. wie folgt lautet:
“Auch durch eine Heilbehandlung unter stationären Bedingungen konnte das Beschwerdebild nicht soweit gebessert werden, dass die Arbeitsfähigkeit für die bisherige berufliche Tätigkeit wiederhergestellt werden konnte. Auf Grund der derzeitigen Befunde und des langen Verlaufes sind auf Dauer nur noch leichte Arbeiten mit wechselnder Tätigkeit zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen und ohne häufiges Bücken und Tragen von schweren Gegenständen zumutbar. Andernfalls ist bei Wiederaufnahme der Arbeit mit kurzfristiger Beschwerdezunahme und damit wieder begründeter Arbeitsunfähigkeit zu rechnen.”
Die Beklagte befindet sich in einem Umstrukturierungsprozess. Mit den Betriebsräten wurde ein Interessenausgleich unter dem 25. Februar 2003 abgeschlossen, der in § 4 die Einrichtung einer Fachgruppe Sonderaufgaben regelt. In dieser Fachgruppe wurden Mitarbeiter aufgefangen, deren Arbeitplätze auf Grund der Umstrukturierung unmittelbar oder mittelbar entfallen waren und die auf keinen adäquaten Positionen eingesetzt werden konnten. Die Fachgruppe arbeitet im Rahmen des Teams “übergreifende Serviceleistungen” im Bereich technischer Service. Sie sollte ua. für das Nacharbeiten von noch offenen Punkten aus der Zertifizierung, für Urlaubsvertretungen und die Vertretung von Langzeitkranken zuständig sein. In § 4 Abs. 3 des Interessenausgleichs wird festgehalten, dass die Fachgruppe spätestens mit Beendigung des Interessenausgleichs aufgelöst wird. Nach § 7 gilt der Interessenausgleich mindestens bis zum 31. Dezember 2007.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte der Beklagten mit Schreiben vom 12. Juni 2003 mit, der Kläger sei ab 12. Juni 2003 nicht mehr arbeitsunfähig krankgeschrieben. Er könne zwar auf seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr arbeiten, wohl aber im Rahmen der in der ärztlichen Bescheinigung vom 30. Januar 2003 beschriebenen Möglichkeiten.
Bereits im Februar 2003 hatte sich der Kläger auf mehrere innerbetriebliche Stellenausschreibungen als Fachgruppenleiter für die Bereiche Gas, Wasser und Wärme beworben, wurde jedoch nach einem Auswahlverfahren (“Assessment-Center”) ua. wegen nach Auffassung der Beklagten fehlender Führungsbefähigung nicht berücksichtigt. Die betreffenden Stellen sind höher dotiert als die des Klägers.
Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger durch Schreiben vom 28. Juni 2003 zum 31. Dezember 2003.
Der Kläger hält die ausgesprochene Kündigung für sozialwidrig. Bezüglich seines Gesundheitszustandes könne keine negative Prognose gestellt werden. Die Beklagte könne ihn in vielen Bereichen weiterbeschäftigen. Zu Unrecht habe die Beklagte seine Bewerbungen nicht berücksichtigt. Schon seit Sommer 2002 habe die Beklagte sich um eine leidensgerechte Beschäftigung bemühen müssen.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28. Juni 2003 sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis dadurch nicht zur Auflösung kommt, sondern über den 31. Dezember 2003 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, den ärztlichen Bescheinigungen könne nur entnommen werden, dass der Kläger dauerhaft die von ihm geschuldete Arbeitsleistung als Fachhandwerker bzw. Schlosser nicht erbringen könne. Für die Beklagte habe keine Möglichkeit bestanden, den Kläger auf einen anderen freien Arbeitsplatz umzusetzen, für den er geeignet sei und auf dem keine betrieblichen Beeinträchtigungen mehr zu erwarten seien. Der Kläger könne nicht der Fachgruppe Sonderaufgaben zugeordnet werden. Die Beklagte habe den Kläger auch nicht auf einer der neu geschaffenen Fachgruppenleiterstellen beschäftigen können. Die im Assessment-Auswahlverfahren ausgewählten Mitarbeiter seien von ihrer Ausbildung und Qualifikation nicht mit dem Kläger vergleichbar gewesen. Dem Kläger mangele es an den erforderlichen Führungsqualitäten. Frühere Umsetzungsversuche seien gescheitert.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin eine Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Der Kläger könne zwar mit körperlich leichteren Tätigkeiten betraut werden, sei aber unstreitig infolge seiner gesundheitlichen Einschränkungen auf Dauer nicht in der Lage, die bisherige Tätigkeit als Fachhandwerker/Schlosser auszuüben. Damit sei eine negative Gesundheitsprognose gegeben, wenn man sie allein auf die bisher ausgeübte Arbeit beziehe. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen bestehe ungeachtet dessen deshalb nicht, weil die Beklagte auf Grund des Interessenausgleichs die Möglichkeit habe, die Vertretung des Klägers durch die Fachgruppe Sonderaufgaben zu gewährleisten. Zwar sei nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen schon dann anzunehmen, wenn – was hier der Fall sei – innerhalb von 24 Monaten nicht mit einer geänderten Prognose gerechnet werden könne. Indes habe das Bundesarbeitsgericht diesen Zeitraum gewählt, weil der Arbeitgeber in der Regel das Arbeitsverhältnis mit einem ersatzweise eingestellten Arbeitnehmer auf höchstens 24 Monate befristen könne. Da die Beklagte durch die Existenz der Fachgruppe Sonderaufgaben, die ausdrücklich auch zur Vertretung langzeitig erkrankter Arbeitnehmer dienen solle, bis ins Jahr 2007 etwaigen Vertretungsbedarf abdecken könne, lägen betriebliche Beeinträchtigungen hier nicht vor. Die Beklagte habe jedenfalls nicht vorgetragen, dass eine solche Vertretung durch die Fachgruppe nicht möglich gewesen wäre. Die Belastung der Beklagten liege allenfalls darin, dass sie während des Vertretungszeitraums bei der Besetzung freier Stellen mit leichterer körperlicher Arbeit immer prüfen müsse, ob sie für den Kläger in Betracht kämen. Letztlich gehe auch die Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten aus. Der Kläger habe sein gesamtes Berufsleben bei der Beklagten verbracht. Der Kläger habe – von der Beklagten unbestritten – vorgetragen, die Arbeitsbedingungen bei der Beklagten hätten seine Krankheit zumindest mitverursacht. Die Chancen des Klägers auf dem Arbeitsmarkt seien nicht gut. Bezogen auf einen Einsatz in der freilich höherwertigen Stellung eines Fachgruppenleiters sei übrigens keine negative Prognose gegeben. Diese Arbeit könne der Kläger auch von seiner Qualifikation her verrichten. Demgegenüber reiche der Hinweis der Beklagten darauf, der Kläger habe sich im Bewerbungsverfahren als nicht geeignet herausgestellt, nicht aus. Die Beklagte habe lediglich die nicht näher konkretisierten Angaben des Assessment-Centers übernommen, ohne sie selbst zu bewerten.
B. Dem kann der Senat nur in einem Teil der Begründung zustimmen.
I. Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt nicht die Schlussfolgerung, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.
1. Im Ansatz zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur sozialen Rechtfertigung von Kündigungen ausgegangen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden. Danach ist eine dreistufige Prüfung vorzunehmen. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt – erste Stufe –, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist – zweite Stufe – und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen – dritte Stufe – (st. Rspr. des BAG zB 12. April 2002 – 2 AZR 148/01 – BAGE 101, 39; 29. April 1999 – 2 AZR 431/98 – BAGE 91, 271; 21. Februar 1992 – 2 AZR 399/91 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (vgl. KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 376; APS/Dörner 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 192; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 404). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (BAG 12. April 2002 – 2 AZR 148/01 – aaO).
2. Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht in allen Punkten zutreffend angewandt.
a) Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei auf Dauer nicht mehr in der Lage, die bisherige Tätigkeit auszuüben – erste Stufe –. Es hat sich auf die ärztliche Stellungnahme des Dr. S… bezogen, der angesichts des Wirbelsäulenleidens des Klägers und einer eingehenden Beschäftigung mit den körperlichen Anforderungen der bisherigen Arbeit (insbesondere häufige Zwangshaltungen und beträchtliche Kraftanstrengungen) zu dem Ergebnis gekommen ist, der Kläger könne der vertraglich geschuldeten Leistungspflicht nicht mehr genügen. Der vom Landesarbeitsgericht angedeuteten Auffassung, es könne in diesem Zusammenhang – erste Prüfungsstufe – bei der Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung – nicht auf die bisher ausgeübte, sondern eine andere Tätigkeit ankommen, kann der Senat allerdings nicht beipflichten. Vom Schutz des Kündigungsschutzgesetzes erfasst werden Bestand und Inhalt des Arbeitsvertrags in dem bei Zugang der Kündigung bestehenden Zustand. Bei der personenbedingten Kündigung kommt es deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer zur vertraglich vereinbarten Leistung in der Lage ist oder ob insoweit eine Äquivalenzstörung eingetreten ist (vgl. Greiner RdA 2007, 22). In diesem Sinn hat der Senat auch bisher andere Beschäftigungsmöglichkeiten entweder im Rahmen der Prüfung der betrieblichen Beeinträchtigung oder aber bei der Interessenabwägung erörtert, nicht aber im Rahmen der ersten Stufe (24. November 2005 – 2 AZR 514/04 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51).
b) Der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, es fehle an einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen, folgt der Senat nicht.
aa) Das Landesarbeitsgericht hat die dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers festgestellt. Für diesen Fall hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, die erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege auf der Hand (vgl. zuletzt 18. Januar 2007 – 2 AZR 759/05 –). Daran hält der Senat fest. Der Arbeitgeber nimmt Einstellungen vor, um durch sie einen bestimmten Arbeitsbedarf abzudecken. Bei dauernder Leistungsunfähigkeit steht fest, dass dieses unternehmerische Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Etwaige Vertretungsmöglichkeiten können daran nichts ändern. Die wirtschaftliche Erwartung, aus der heraus das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Inhalt eingegangen wurde, ist endgültig gescheitert. Dass im dauerhaften Scheitern des vertraglichen Leistungsaustauschs in aller Regel eine erhebliche Beeinträchtigung der auf Vertragserfüllung gerichteten Erwartung des Arbeitgebers liegt, sollte nicht in Abrede gestellt werden können (vgl. Greiner RdA 2007, 22). Nicht überzeugen kann die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, weil der Senat eine mit Rücksicht auf die Möglichkeit befristeter Einstellung von Vertretungskräften negative Prognose für 24 Monate gefordert habe und im vorliegenden Fall eine längere Vertretungsmöglichkeit bestehe, müsse diese zugrunde gelegt werden. Die auf 24 Monate bezogene negative Prognose hat der Senat nur für den Fall gefordert, dass die dauernde Leistungsunfähigkeit gerade nicht feststeht, sondern ungewiss ist. In solchen Fällen steht, im Unterschied zum vorliegenden Fall, noch nicht fest, dass der vertraglich vorgesehene Leistungsaustausch endgültig gescheitert ist. Nur dann kann es auch sinnvoll sein, dass der Arbeitgeber sich mit einer vorübergehenden Vertretung behilft. Steht aber, wie hier, die dauernde Leistungsunfähigkeit fest, kann es auf etwaige Vertretungsmöglichkeiten regelmäßig nicht mehr ankommen.
bb) Die Kündigung ist entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts auch nicht wegen der Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung unwirksam.
(1) Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz – ggf. auch zu geänderten Bedingungen (Senat 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – BAGE 47, 26) – schließt eine krankheitsbedingte Kündigung aus (Senat 24. November 2005 – 2 AZR 514/04 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 43 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 51; BAG 22. Februar 1980 – 7 AZR 295/78 – BAGE 33, 1; 7. Februar 1991 – 2 AZR 205/90 – BAGE 67, 198, 204 f.; 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 5). Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, führt die Krankheit nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen (Senat 24. November 2005 – 2 AZR 514/04 – aaO; 2. November 1989 – 2 AZR 366/89 – RzK III 1b 13; KR-Griebeling 8. Aufl. § 1 KSchG Rn. 346).
(2) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts handelt es sich bei den Arbeitsplätzen der Gruppenleiter um höher als die bisherige Tätigkeit bewertete Stellungen. Im Rahmen der Prüfung anderweitiger Beschäftigungsmöglichkeiten kommen jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nur solche in Betracht, die entweder gleichwertig mit der bisherigen Beschäftigung sind oder geringer bewertet sind. Das hat der Senat nicht nur im Rahmen betriebsbedingter Kündigungen bei Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit (23. November 2004 – 2 AZR 38/04 – BAGE 112, 361; 10. November 1994 – 2 AZR 242/94 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 65 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77), sondern auch bei krankheitsbedingten Kündigungen angenommen (7. Februar 1991 – 2 AZR 205/90 – BAGE 67, 198 am Ende). Daran hält der Senat fest. Das Kündigungsschutzgesetz schützt das Vertragsverhältnis in seinem Bestand und seinem bisherigen Inhalt, verschafft aber keinen Anspruch auf Beförderung.
c) Der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Interessenabwägung vermag der Senat gleichfalls nicht zu folgen.
aa) Nicht zu beanstanden ist zwar die Berücksichtigung der erheblichen Beschäftigungsdauer des Klägers, ferner seiner schlechten Arbeitsmarktchancen und des Umstandes, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch die berufliche Tätigkeit mitverursacht worden sind.
bb) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht entscheidende Bedeutung der nach seiner Auffassung bestehenden Möglichkeit der Beschäftigung des Klägers als Gruppenleiter beigemessen. Da diese Auffassung nicht zutrifft, kann die Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts keinen Bestand haben.
II. Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Die Kündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt, sondern durch Gründe in der Person des Klägers gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
1. Der Kläger kann die bisherige Tätigkeit auf Dauer nicht mehr ausführen.
2. Damit ist auch eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen gegeben. Eine Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem anderen – gleich oder geringer bewerteten – freien Arbeitsplatz ist nicht ersichtlich.
a) Dass die Gruppenleiter-Stellen, auf die der Kläger sich vergeblich beworben hatte, nicht zu berücksichtigen waren, wurde bereits oben näher begründet.
b) Der Kläger hat gemeint, die Beklagte habe ihm eine Stelle in der nach dem Interessenausgleich gebildeten “Fachgruppe Sonderaufgaben” anbieten müssen. Die Beklagte hat dem entgegengehalten, die Fachgruppe sei bereits wieder aufgelöst und habe nur dazu gedient, sog. “Überhangmitarbeiter” zu “parken”, wofür der Kläger schon von seinem Alter her (35) nicht in Betracht komme. Indes kommt es auf die Einzelheiten des hierzu von den Parteien gehaltenen Vortrags nicht an. Denn jedenfalls handelt es sich hier nicht um freie Stellen. Die Fachgruppe wurde nicht gebildet, um Beschäftigungsbedarf zu decken, sondern um solche Mitarbeiter organisatorisch zu binden und ihnen sich unvorhergesehen ergebende Einsatzmöglichkeiten zu bieten, deren bisherige Beschäftigungsmöglichkeit entfallen war, für die also gerade kein Beschäftigungsbedarf mehr bestand. Der Kläger erfüllt also die in § 4 des Interessenausgleichs genannten Voraussetzungen nicht, weil sein Arbeitsplatz nicht weggefallen ist.
c) Die vom Kläger erwähnte Stelle “Rahmenarbeitsplatz, Überhangspool” ist nach seinem eigenen Vortrag ebenfalls eine solche der “Fachgruppe Sonderaufgaben”.
d) Auf § 84 Abs. 2 SGB IX (betriebliches Eingliederungsmanagement) kann sich der Kläger nicht stützen, weil die Vorschrift bei Ausspruch der Kündigung noch nicht in Kraft war.
3. Auch die Interessenabwägung führt nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Bei einer dauerhaften Arbeitsunfähigkeit ist in aller Regel davon auszugehen, dass der Arbeitgeber eine weitere unabsehbare Zeit billigerweise nicht hinzunehmen braucht (BAG 18. Januar 2007 – 2 AZR 759/05 –). Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Erkrankung des Klägers auch im Zusammenhang mit der geleisteten Arbeit steht. Dass die Beklagte eine Möglichkeit oder gar die Verpflichtung gehabt hätte, die Arbeit anders zu gestalten, behauptet der Kläger selbst nicht.
4. Andere Unwirksamkeitsgründe sind nicht ersichtlich. Die Unterrichtung des Betriebsrats ist entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung nicht zu beanstanden. Die mit dem Anhörungsschreiben dem Betriebsrat mitgeteilten Tatsachen stellen eine vollständige und zutreffende Beschreibung der Kündigungsgründe dar. Entgegen dem Vorbringen des Klägers hat die Beklagte dem Betriebsrat auch ausdrücklich mitgeteilt, aus welchen Gründen sie eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Gruppenleiter als nicht möglich ansah.
III. Die Kosten des Rechtsstreits muss der Kläger nach § 91 Abs. 1 ZPO tragen.
Unterschriften
Rost, Eylert, Schmitz-Scholemann, Schierle, Gans
Fundstellen
Haufe-Index 1780087 |
BB 2007, 1904 |