Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebliche Übung im öffentlichen Dienst
Orientierungssatz
Für den Bereich des öffentlichen Dienstes ist es in der Rechtsprechung anerkannt, daß ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht ohne weiteres annehmen kann, eine Zulage ohne tarifliche Grundlage solle nach dem Willen des Arbeitgebers auf Dauer gezahlt werden. In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte wird er vielmehr davon ausgehen müssen, der an die Grundsätze des Haushaltsrechts gebundene öffentliche Arbeitgeber wolle sich gesetzes- und tarifmäßig verhalten. Selbst bei einer langjährigen Übung bedarf es für eine Ausnahme, die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung sei Vertragsbestandteil geworden, noch zusätzlicher Anhaltspunkte.
Normenkette
EGBGB Art. 2; BGB §§ 126, 133, 157, 328, 125, 613a; BMT-G § 4 Abs. 2; BMT-G 2 § 4 Abs. 2; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Entscheidung vom 15.11.1985; Aktenzeichen 3 Sa 57/85) |
ArbG Lingen (Entscheidung vom 21.02.1985; Aktenzeichen 1 Ca 1050/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen Personalrabatt in Höhe von 33 1/3 % auf den Grund- und Arbeitspreis bei Gasbezug über den 1. September 1982 hinaus weiterzugewähren.
Der am 13. September 1942 geborene Kläger trat am 1. August 1963 als Installateur in die Dienste der Stadtwerke N, eines Eigenbetriebes der Stadt N . Die Stadtwerke wurden 1970/71 in die beklagte Gesellschaft umgewandelt. Alleinige Gesellschafterin ist die Stadt N. Die Arbeitnehmer der Stadtwerke wurden entsprechend dem "Personalüberleitungsvertrag" vom 17. Dezember 1970 zwischen der Stadt und der neu gegründeten Beklagten übernommen.
Der Vertrag, in dem die Beklagte als "Gesellschaft" bezeichnet wird, lautet, soweit hier von Bedeutung, wie folgt:
"Die Gesellschaft verpflichtet sich, die dem bisherigen
Eigenbetrieb Stadtwerke N (im folgenden "Eigenbetrieb"
genannt) angehörenden Bediensteten weiter zu
beschäftigen und die versorgungsberechtigten ehemaligen
Bediensteten (Angestellte und Arbeiter) sowie ihre Hinterbliebenen
zu versorgen. ...
Stadt und Gesellschaft sind sich darüber einig, daß dem
genannten Personenkreis durch die Überleitung keine
Rechtsnachteile hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses
entstehen dürfen. Die Übernommenen können aus diesem
Vertrag unmittelbare Rechte gegen die Gesellschaft herleiten.
Im einzelnen gilt die nachstehende Regelung.
§ 1
Eintritt in die Arbeits-, Dienst- und Ausbildungsverträge
---------------------------------------------------------
1) Die Gesellschaft tritt in alle Arbeits- und Dienstverträge
mit den Arbeitern und Angestellten des Eigenbetriebes
ein, die am Stichtag (§ 4) dem Eigenbetrieb angehören.
2) Die Gesellschaft verpflichtet sich, in die für den
Eigenbetrieb am Stichtag geltenden Tarifverträge und
Betriebs- und Dienstvereinbarungen einzutreten sowie
die einseitigen Regelungen der Stadt zugunsten der
Betriebsangehörigen des Eigenbetriebes entsprechend
der jeweiligen Regelung für Angestellte und Arbeiter der
Stadt anzuwenden, insbesondere alle bisherigen freiwilligen
Sozialleistungen sowie Arbeitgeberdarlehen im
Rahmen der bei der Stadt jeweils geltenden Grundsätze
weiter zu gewähren. Die Gesellschaft wird Mitglied des
Kommunalen Arbeitgeberverbandes Niedersachsen e.V.
3) ....."
Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gilt der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II).
Die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer erhielten seit vielen Jahren einen Personalrabatt in Höhe von 33 1/3 % auf den Grund- und Arbeitspreis bei Gasbezug innerhalb des Versorgungsgebietes. Ursprünglich war ein Koksdeputat gewährt worden, das durch den jetzt streitigen Personalrabatt abgelöst wurde. In dem Protokoll einer Ratssitzung der Stadt N aus dem Jahre 1951 findet sich hierzu folgende Eintragung: "Gastarif für Werksangehörige. Ratsmitglied A beantragt zu prüfen, ob nicht eine andere Lösung zur Festsetzung des Gastarifs für die Werksangehörigen gefunden werden könne, da in anderen Städten der Nachlaß teils größer sei. Nach eingehender Erörterung wird auf Antrag des Ratsmitglieds B, unterstützt von Ratsmitglied K, der Beschluß des Ausschusses für die Stadtwerke in der vorliegenden Fassung durch den Rat der Stadt einstimmig genehmigt."
Mit Schreiben vom 16. August 1982 teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern folgendes mit:
"Für Ihren Haushalt wird die Abrechnung des Gasverbrauches
entsprechend den Mitarbeiter-Konditionen vorgenommen.
Die Entwicklung der Gaspreise der letzten Jahre
bei konstantem prozentualem Nachlaß führte dazu, daß die
Abgabe von Gas an NVB-Angehörige zu Preisen unterhalb des
Selbstkostenpreises erfolgte. Diese Entwicklung hat der
Aufsichtsrat als nicht mehr tragbar angesehen. In der
Aufsichtsratssitzung am 10. 8. 1982 wurde beschlossen, daß
der Gasverbrauch der Mitarbeiter mit dem jeweiligen
Selbstkostenpreis des Verbrauchsjahres abzurechnen ist.
Diese Regelung gilt ab 1. September 1982.
.....
Der weitere Verbrauch wird vorläufig tarifgerecht berechnet.
Nach Ermittlung des Selbstkostenpreises für das
Jahr 1982 sowie weiterhin erfolgt eine Gutschrift über die
Differenz zwischen Tarif- und Selbstkostenpreis."
Nach den Berechnungen der Beklagten müßte der Kläger aufgrund der Änderung des Personalrabatts monatlich etwa 54,-- DM mehr an Gebühren zahlen. Der Kläger beziffert seinen geldwerten Vorteil aus der bisherigen Regelung dagegen auf etwa 75,--DM monatlich.
Mit seiner Klage verlangt der Kläger die Weitergewährung des Personalrabatts im bisherigen Umfang. Er hat vorgetragen: Bei seiner Einstellung sei ihm gesagt worden, er erhalte als zusätzliches Entgelt noch das Gasdeputat. Dieses Deputat hätten die Parteien übereinstimmend als Lohnbestandteil angesehen. Bei der Gewährung des Deputats handele es sich also nicht um eine Nebenabrede im Sinne von § 4 Abs. 2 BMT-G II. Zumindest sei die Berufung der Beklagten auf einen etwaigen Formmangel rechtsmißbräuchlich.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet sei,
ihm über den 1. September 1982 hinaus den bisherigen
Personalrabatt in Höhe von 33 1/3 % auf den
Grund- und Arbeitspreis bei Gasbezug innerhalb des
Versorgungsgebietes der Beklagten weiterzugewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, dem Kläger stehe ein Anspruch auf Beibehaltung des bisherigen Rabatts unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Das Einstellungsgespräch mit dem Kläger werde so verlaufen sein, daß der Geschäftsführer auf die Frage nach den Gegenleistungen der Stadtwerke darauf hingewiesen habe, es werde ein Personalrabatt auf Gasbezug gewährt. Das habe aber nicht zur Folge, daß dieser Rabatt als Vergütungsbestandteil angesehen werden könne.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgeben. Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Das zulässige Feststellungsbegehren des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Weitergewährung des bisherigen Personalrabatts.
I. Der Klaganspruch ergibt sich nicht aus dem Personalüberleitungsvertrag vom 17. Dezember 1970.
1. § 1 Nr. 1 des Überleitungsvertrages entspricht dem späteren (am 19. Januar 1972 in Kraft getretenen) § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB. Die in § 1 Nr. 2 Satz 1 (1. Halbsatz) und Satz 2 übernommene Verpflichtung der Beklagten, Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes zu werden und in die für den Eigenbetrieb geltenden Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen einzutreten, betrifft die Weitergeltung der kollektivrechtlichen Rechtsnormen, die im heutigen § 613 a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB besonders geregelt ist. In § 1 Nr. 2 Satz 1 (2. Halbsatz) verpflichtet sich die Beklagte, die einseitigen Regelungen der Stadt zugunsten der Betriebsangehörigen des Eigenbetriebes entsprechend der jeweiligen Regelung für Angestellte und Arbeiter der Stadt anzuwenden, insbesondere "alle bisherigen freiwilligen Sozialleistungen "sowie die Arbeitgeberdarlehen im Rahmen der bei der Stadt jeweils geltenden Grundsätze weiterzugewähren.
Aus dieser Vertragsbestimmung folgt, daß freiwillige Leistungen der Stadt nicht aus Anlaß des Übergangs der Arbeitsverhältnisse eingestellt oder gekürzt werden dürfen. Das Berufungsgericht leitet hieraus ab, es sei Ziel des Überleitungsvertrages, die bisherigen Arbeitsbedingungen in vollem Umfang, also auch hinsichtlich bisher freiwilliger Leistungen, beizubehalten. Eine Einschränkung ergebe sich weiter nicht daraus, daß diese Leistungen "im Rahmen der bei der Stadt jeweils geltenden Grundsätze" weiterzugewähren seien. Denn eine solche Einschränkung setze voraus, daß bei der Stadt überhaupt vergleichbare Leistungen gewährt würden, was beim Personalrabatt auf den Gasbezug nicht der Fall sei. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Überleitungsvertrag insoweit einen Rechtsanspruch auf bisher freiwillige Sozialleistungen begründet. Diese Auslegung wird den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB nicht gerecht.
2. Schon vom Wortlaut her ist zu berücksichtigen, daß in § 1 Nr. 2 Satz 1 (2. Halbsatz) des Überleitungsvertrages nicht von den bisher freiwilligen, sondern von den bisherigen freiwilligen Leistungen die Rede ist. Wenn weiter die bisherigen Leistungen "im Rahmen der bei der Stadt jeweils geltenden Grundsätze weiter zu gewähren" sind, so folgt daraus als Sinn und Zweck dieser Bestimmung, daß die zur Beklagten überwechselnden Arbeitnehmer so gestellt werden sollen, als ob sie wie bisher Arbeitnehmer der Stadt wären. Die Beklagte soll die Grundsätze für die Gewährung freiwilliger Leistungen nur gemeinsam mit der Stadt verändern dürfen. Die Gründung der Gesellschaft soll nicht zu einer Abkopplung der übernommenen Arbeitnehmer führen. Die Vertragsbestimmung will die Gleichbehandlung der zur Beklagten übertretenden Arbeitnehmer mit den bei der Stadt verbleibenden Arbeitnehmern sicherstellen, nicht aber die Rechtsstellung der von der Beklagten übernommenen Arbeitnehmer verbessern. Demnach begründet der Überleitungsvertrag keinen Rechtsanspruch auf bisher freiwillige Sozialleistungen. Deren Rechtsqualität bleibt vielmehr unverändert.
II. Der erhobene Anspruch läßt sich weiter nicht aus betrieblicher Übung sowie auch nicht aus einer einzelvertraglichen Zusage herleiten.
1. Unter betrieblicher Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen, die bei den Betriebsangehörigen den Eindruck einer Gesetzmäßigkeit oder eines Brauchs erwecken. Die tatsächliche Übung ist als solche keine Rechtsquelle eigener Art. Ihr kommt keine normative Wirkung zu. Sie setzt auch nicht betriebliches Gewohnheitsrecht. Vielmehr gestaltet sie durch eine an alle betroffenen Arbeitnehmer gerichtete konkludente Gesamtzusage die einzelnen Arbeitsverhältnisse. Aus ihr erwachsen vertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Vergünstigungen (BAG ständig; vgl. statt vieler BAGE 39, 271, 273 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 2 a der Gründe; BAGE 40, 126, 133 = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 1 a der Gründe; BAG Urteil vom 5. Februar 1986 - 5 AZR 632/84 - AP Nr. 21 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu 3 a der Gründe, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dabei kommt es maßgeblich darauf an, wie das stetige Verhalten des Arbeitgebers aus der Sicht der begünstigten Arbeitnehmer nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte zu bewerten ist (§§ 133, 157 BGB).
Für den Bereich des öffentlichen Dienstes ist es in der Rechtsprechung weiter anerkannt, daß ein Arbeitnehmer regelmäßig nicht ohne weiteres annehmen kann, eine Zulage ohne tarifliche Grundlage solle nach dem Willen des Arbeitgebers auf Dauer gezahlt werden. In Ermangelung konkreter Anhaltspunkte wird er vielmehr davon ausgehen müssen, der an die Grundsätze des Haushaltsrechts gebundene öffentliche Arbeitgeber wolle sich gesetzes- und tarifgemäß verhalten. Selbst bei einer langjährigen Übung bedarf es für die Annahme, die Gewährung einer zusätzlichen Vergütung sei Vertragsbestandteil geworden, noch zusätzlicher Anhaltspunkte (vgl. nur BAGE 39, 271, 276 f. = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 2 der Gründe).
2. Es kann vorliegend dahinstehen, ob die für den öffentlichen Dienst geltenden Grundsätze auch auf die Beklagte als eine juristische Person des Privatrechts anwendbar sind. Es kann weiter offenbleiben, ob durch die langjährige Einräumung des Personalrabatts eine betriebliche Übung begründet worden ist. Denn ein etwaiger Anspruch des Klägers scheitert an § 4 Abs. 2 BMT-G II. Ebenso verhält es sich mit einem etwaigen Anspruch des Klägers aus einer beim Einstellungsgespräch gegebenen mündlichen Zusage. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Vortrag des Klägers über den Verlauf des Einstellungsgesprächs zutrifft.
Unstreitig findet auf das 1963 begründete Arbeitsverhältnis der BMT-G II vom 31. Januar 1962 Anwendung. Nach dessen § 4 Abs. 2 sind Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Es handelt sich dabei um eine konstitutive Schriftform.
Nach § 125 BGB ist ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig; der Mangel der durch Rechtsgeschäft bestimmten Form hat im Zweifel gleichfalls Nichtigkeit zur Folge. Gemäß Art. 2 EGBGB ist Gesetz in diesem Sinne jede Rechtsnorm. Dazu gehören auch Tarifverträge. Tarifvertragliche Formvorschriften sind demnach gesetzliche Formvorschriften im Sinne der §§ 125, 126 BGB (BAG ständig; vgl. nur BAGE 37, 228, 236 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine - formfreie - Übung dann keine bindende Wirkung entfaltet, wenn tarifvertragliche Formvorschriften dem entgegenstehen (vgl. BAGE 35, 7, 14 = AP Nr. 3 zu § 19 TVArb Bundespost; BAGE 37, 228, 233 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; BAGE 39, 271, 273 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Die betriebliche Übung gestaltet die einzelnen Arbeitsverhältnisse und begründet vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Dabei sind aber auch tarifvertragliche Formvorschriften zu beachten; denn stillschweigende Zusagen können nicht weitergehendes Recht begründen als ausdrückliche Zusagen.
3. Bei der Gewährung des Personalrabatts auf den Gasbezug handelt es sich um eine nach § 4 Abs. 2 BMT-G II formbedürftige Nebenabrede, weil derartige Vereinbarungen außerhalb des tarifvertraglichen Regelungssystems liegen und weil sie weder die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers noch die Gegenleistung des Arbeitgebers (also die beiderseitigen Hauptrechte und -pflichten aus dem Arbeitsverhältnis) betreffen (zum Begriff der Nebenabrede vgl. einerseits BAGE 40, 126, 131 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu II 1 der Gründe; sowie andererseits BAGE 37, 228, 233 = AP Nr. 8 zu § 4 BAT). Die Höhe der durch den Personalrabatt sich ergebenden wirtschaftlichen Vergünstigung hängt nicht von dem Umfang der Arbeitsleistung ab, sondern von dem Verbrauch, der seinerseits von verschiedenen Umständen beeinflußt wird, die sämtlich außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegen. Es ist unerheblich, ob die Parteien des Arbeitsvertrages den Personalrabatt als Lohnbestandteil betrachten und deshalb von der Einhaltung der Schriftform Abstand nehmen. Was als Nebenabrede anzusehen ist, muß durch Auslegung des Tarifvertrages ermittelt werden. Auf den Willen oder die Auffassung der Parteien des Einzelarbeitsvertrages kommt es dabei nicht an. Es wäre mit dem Zweck der tarifvertraglichen Formvorschriften nicht vereinbar, wenn die Vertragsparteien darüber verfügen könnten, ob ihre mündliche Vereinbarung als Haupt- oder Nebenabrede im Sinne des Tarifvertrages zu bewerten ist oder nicht.
4. Die Berufung der Beklagten auf die Formvorschriften ist nicht rechtsmißbräuchlich und verstößt daher nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
a) Das angefochtene Urteil hat die Frage des Rechtsmißbrauchs nicht erörtert. Das kann der Senat nachholen, da alle wesentlichen Umstände feststehen und weitere Sachaufklärung nicht zu erwarten ist.
b) Grundsätzlich hat jede Partei die Rechtsnachteile zu tragen, die sich aus der Formnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts ergeben. Die Berufung einer Partei auf die mangelnde Form verstößt für sich genommen noch nicht gegen Treu und Glauben, selbst wenn aufgrund der formnichtigen Vereinbarung über einen langen Zeitraum hinweg Leistungen erbracht worden sind. Verlangt eine gesetzliche oder tarifvertragliche Vorschrift für die Wirksamkeit eines Vertrages die Einhaltung einer bestimmten Form, so gebietet es die Rechtssicherheit, daß die Vorschrift nicht ohne zwingenden Grund unbeachtet bleibt (vgl. BAGE 40, 126, 136 f. = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 2 b der Gründe, m. w. N.). Ausnahmsweise kann die Berufung auf die mangelnde Schriftform jedoch einen Rechtsmißbrauch darstellen, wenn der eine Vertragsteil den anderen davon abgehalten hat, eine schriftliche Vereinbarung zu verlangen, oder wenn er den Eindruck erweckt hat, es solle auch ohne Einhaltung der Schriftform erfüllt oder von der Einhaltung der Schriftform überhaupt abgesehen werden (BAG Urteil vom 9. Februar 1972 - 4 AZR 149/71 - AP Nr. 1 zu § 4 BAT; Urteil vom 26. Juli 1972 - 4 AZR 365/71 - AP Nr. 1 zu § 4 MTB II; BAGE 37, 228, 236 f. = AP Nr. 8 zu § 4 BAT; Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG, zu II 1 c der Gründe).
c) Vorliegend ist die Berufung der Beklagten auf die Formnichtigkeit nicht rechtsmißbräuchlich. Zwar ist der Gasrabatt jahrelang gewährt und nach der Behauptung des Klägers im Einstellungsgespräch als zusätzliches Entgelt bezeichnet worden, es fehlen aber zusätzliche Anhaltspunkte, wie z. B. dem Kläger zugegangene schriftliche Bestätigungen, oder sonstige Verlautbarungen der Beklagten oder der Stadt, wie etwa veröffentlichte Ratsbeschlüsse oder Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten. Auf das Ratsprotokoll aus dem Jahre 1951 kann der Kläger sich schon deshalb nicht berufen, weil er damals noch nicht Arbeitnehmer der Stadtwerke war. Im übrigen ist darin die Höhe des Rabatts nicht angegeben.
Das Bundesarbeitsgericht hat einen Verstoß gegen Treu und Glauben in einem Fall bejaht, in dem die Deutsche Bundespost eine außertarifliche Trennungsentschädigung 16 Jahre lang auf der Grundlage eines ministeriellen Erlasses und in der Form eines geordneten Verwaltungsverfahrens in ihren gesamten Bereich gezahlt hatte (BAGE 40, 126, 137 ff. = AP Nr. 1 zu § 3 TVArb Bundespost, zu III 2 c der Gründe). Mit einer derartigen Fallgestaltung hat der Streitfall der Parteien jedoch keine Ähnlichkeit.
III. Der Klaganspruch ist schließlich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der fehlenden Beteiligung des Betriebsrats begründet.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Damit sind alle vermögenswerten Arbeitgeberleistungen gemeint, bei denen die Bemessung nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem bestimmten System erfolgt. Die Mitbestimmung ist nicht beschränkt auf die unmittelbar leistungsbezogenen Entgelte. Sie erfaßt alle Formen der Vergütung aus Anlaß des Arbeitsverhältnisses. Auch bei zusätzlichen sozialen Leistungen soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sicherstellen (BAG ständig; vgl. nur Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG; Beschluß vom 10. Juni 1986 - 1 ABR 65/84 - AP Nr. 22 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; Beschluß des Großen Senats vom 16. September 1986 - GS 1/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen, S. 54 f.).
Dieses Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist jedoch bei freiwilligen Leistungen, auf die der Arbeitnehmer keinen Rechtsanspruch hat, eingeschränkt. Ebenso wie der Arbeitgeber frei darüber entscheiden kann, ob er zusätzliche freiwillige Leistungen erbringen will und welchem Personenkreis diese zukommen sollen, ist er frei in der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang er diese Leistungen weitergewähren will. Der Arbeitgeber kann danach allein darüber entscheiden, in welchem Umfang er finanzielle Mittel einsetzt. Nur wenn und soweit er freiwillige Leistungen gewährt, besteht ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistung (BAGE 27, 194, 203 = AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Altersversorgung, zu B 5 der Gründe, m. w. N.; BAGE 43, 278, 289 = AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Prämie, zu B III 3 der Gründe; Urteil vom 9. Juli 1985 - 1 AZR 631/80 - AP Nr. 16 zu § 75 BPersVG, zu II 2 b der Gründe).
Um eine freiwillige Leistung handelt es sich hier ebenfalls. Ursprünglich hatte die Beklagte einen Preisnachlaß von 33 1/3 % auf den Gaspreis gewährt. Nunmehr will sie das Gas nur noch zum Selbstkostenpreis abgeben. Damit hat sie keine neuen Leistungs- und Verteilungsmaßstäbe eingeführt und daher ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht verletzt.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Stadler Buschmann
Fundstellen
EzBAT § 4 BAT Nebenabrede, Nr 12 (ST1) |