Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung

 

Normenkette

Personalvertretungsgesetz der DDR §§ 82, 116b; BPersVG § 82; GG Art. 32 Abs. 2, 5; Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost § 53 Abs. 2; Bundes-Angestelltentarifvertrag-Ost § 53 Abs. 3; KSchG §§ 4, 7

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 22.09.1992; Aktenzeichen 5 Sa 40/92 L.)

KreisG Leipzig-Stadt (Urteil vom 10.02.1992; Aktenzeichen 10 Ca 45/91)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 22. September 1992 – 5 Sa 40/92 L. – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die der Beklagte auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (im folgenden: Abs. 4 Ziff. 1 EV) stützt.

Die Klägerin stand seit 1962 als Lehrerin für Deutsch und Geschichte im Schuldienst der ehemaligen DDR. Sie war von 1967 bis 1971 Mitglied der SED-Kreisleitung O., von 1971 bis 1976 Mitglied der Betriebsgewerkschaftsleitung und von 1973 bis 1987 Parteigruppenorganisatorin. Ab 1981 war sie als Mitarbeiterin des Pädagogischen Kreiskabinetts für Lehrerweiterbildung zuständig und unterrichtete zusätzlich 6 Stunden wöchentlich. 1984 wurde sie Mitglied der Schulinspektion beim Rat des Kreises E und leitete diese zuletzt. Seit August 1990 unterrichtete sie an der erweiterten Oberschule E. als Fachlehrerin für Deutsch und Geschichte.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24. September 1991 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.

Mit ihrer bei Gericht am 11. Oktober 1991 eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie hat eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats bestritten und die Ansicht vertreten, die Kündigungsfrist sei nicht eingehalten. Sie hat behauptet, als Schulinspektorin habe sie weder Berichte über politische Auffälligkeiten von Lehrern und Schülern abzufassen gehabt oder abgefaßt noch Meldungen über politisch von der SED zu mißbilligende Äußerungen weitergegeben. Sie sei nicht beauftragt gewesen, an Gesprächen und Ermittlungen teilzunehmen, die Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) an Schulen geführt hätten. Auch in ihrer Funktion als Mitglied der SED-Kreisleitung und bei ihrer Tätigkeit als Parteigruppenorganisatorin habe sie das Vertrauen vieler Kolleginnen und Kollegen besessen und sich nicht gescheut, Kritik auszusprechen. Der Beklagte habe ihre Bereitschaft zu kritischem Denken und sachlicher Arbeit ohne ideologische Bevormundung nicht berücksichtigt. Nach der Wende habe sie bis zur Kündigung völlig unbeanstandet unterrichtet. Es gebe keinerlei Hinweise aus dieser Zeit, daß sie ihren dienstlichen Verpflichtungen nicht im Sinne der Anforderungen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nachkommen werde.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 24. September 1991 beendet worden sei, sondern fortbestehe,
  2. im Falle des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die herausgehobenen Funktionen der Klägerin rechtfertigten wegen des hohen Maßes an Identifikation mit den Zielen der SED die Kündigung der Klägerin. Nach der Inspektionsordnung vom 15. September 1961 sei die Klägerin zu ständigen Berichten über politische Auffälligkeiten von Lehrern und Schülern verpflichtet gewesen. Diese Berichte seien zwangsläufig und in Kenntnis der Klägerin dem MfS zugänglich gemacht worden. Die Klägerin sei auch zur Zusammenarbeit mit dem MfS verpflichtet gewesen. Ihre Tätigkeit sei notwendig auf die Indoktrination von Lehrern und Schülern ausgerichtet gewesen. Aufgrund dieses freiwilligen Engagements fehle es der Klägerin an der persönlichen Eignung für eine Tätigkeit als Lehrerin.

Das Kreisgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision der Klägerin, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Kündigung sei nicht aus personalvertretungsrechtlichen Gründen unwirksam. Eine Personalratsanhörung sei nicht erforderlich gewesen, weil bei der für den Ausspruch der Kündigung zuständigen Stelle, dem Oberschulamt Leipzig, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches keine Stufenvertretung bestanden habe. Dies führe nicht zur Zuständigkeit eines bei einer nachgeordneten Behörde bestehenden Personalrats.

Die Kündigung sei wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin gerechtfertigt. Wer in der Vergangenheit aufgrund einer besonders eindeutigen Tätigkeit in hervorgehobener Art und Weise die politischen Ziele der damaligen DDR verkörpert habe, werde den Anforderungen nicht gerecht, welche an das von einem angestellten Lehrer im öffentlichen Dienst zu fordernde Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu stellen seien. Die Klägerin habe als Schulinspektorin umfangreiche Aufsichts- und Kontrollpflichten innegehabt. Dieses Amt habe in der täglichen Arbeit repressives Verhalten gegen solche Mitarbeiter im Bildungswesen beinhaltet, die von der SED-Ideologie abgewichen seien. Es sei ständig kontrolliert und bei einem von den staatstragenden Grundsätzen abweichenden Verhalten Einfluß genommen worden. Die ständige Präsenz der Schulinspektion sei geeignet gewesen, konformes Verhalten zu erzwingen und damit dem Bildungswesen die gewünschte einseitige ideologische Ausrichtung zu geben. Als Leiterin der Schulinspektion sei die Klägerin für die vollständige Überwachung des Gesamtbereiches zuständig gewesen, verbunden mit einer Berichtspflicht gegenüber den vorgesetzten für die Staatssicherheit zuständigen Organen. Daraus ergebe sich ihre tiefe Eingebundenheit in ein Kontroll- und Überwachungssystem, das zur Erreichung der staatlich vorgegebenen Ziele auch vor Unterdrückung und Repression anders Denkender nicht zurückgeschreckt habe. Konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin nunmehr jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten bereit und in der Lage wäre, seien nicht ersichtlich. Die von der Klägerin vorgelegte Einschätzung durch ihre jetzige Direktorin sei in der wesentlichen Aussage wertneutral. Die verschiedenen Ämter der Klägerin außerhalb der pädagogischen Aufgabenstellung würden das Bild der Klägerin als herausgehobene Repräsentantin des früheren Staates und seiner staatspolitisch ausgerichteten Bildungspolitik abrunden.

B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten in allen Punkten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

I. Rechtsfehlerfrei hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß die Kündigung nicht wegen fehlender Personalratsbeteiligung unwirksam ist. Gemäß § 82 Abs. 1 PersVG-DDR, der nahezu wortgleich mit § 82 Abs. 1 BPersVG ist, wäre die Stufenvertretung bei der für die Kündigung zuständigen Dienststelle, die hier das Oberschulamt Leipzig war, zu beteiligen gewesen. Unstreitig bestand beim Oberschulamt Leipzig zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs keine Stufenvertretung, so daß eine Beteiligung entfiel. Wie der Senat in vergleichbaren Fällen wiederholt entschieden hat, war keine andere Vertretung, etwa nach den §§ 82 Abs. 6, 116 b Abs. 2 Nr. 2 PersVG-DDR zu beteiligen (vgl. Senatsurteile vom 9. Juni 1993 – 8 AZR 659/92 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 679/92 – n.v., zu A III der Gründe; vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B III der Gründe).

II. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Klägerin entspreche wegen mangelnder persönlicher Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht den Anforderungen, die an eine Lehrerin zu stellen seien, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Die Wirksamkeit der Kündigung ist aufgrund einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu beurteilen. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (– 8 AZR 356/92 – und – 8 AZR 127/93 –, jeweils zur Veröffentlichung vorgesehen) folgende Grundsätze hierzu entwickelt:

a) Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition (vgl. BVerfGE 2, 1 – Leitsatz 2 –).

b) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht (BVerfG Beschluß vom 22. Mai 1975 – 2 BvL 13/73 – BVerfGE 39, 334 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 5 GG).

c) Der Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV liegt zugrunde, daß Arbeitnehmer von einem früheren Arbeitgeber eingestellt worden sind, mit denen der jetzige Arbeitgeber einen Arbeitsvertrag nicht geschlossen hätte, wenn er an ihrer persönlichen Eignung berechtigte Zweifel gehabt hätte. Abs. 4 Ziff. 1 EV erlaubt daher – auch – eine Prüfung, ob der früher eingestellte Arbeitnehmer für die jetzige Tätigkeit persönlich geeignet ist, ohne daß bereits Vertragsverletzungen und damit konkrete Störungen des Arbeitsverhältnisses eingetreten sein müßten. Deshalb zwingt die Regelung in Abs. 4 Ziff. 1 EV den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen (vgl. zum Beurteilungsspielraum BAG Urteil vom 6. Juni 1984 – 7 AZR 456/82 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969 Verhaltensbedingte Kündigung, zu II 2 a aa der Gründe; BAG Urteil vom 28. Januar 1993 – 8 AZR 169/92 – zur Veröffentlichung bestimmt, zu III der Gründe; BVerwG Urteil vom 27. November 1980 – 2 C 38.79 – AP Nr. 10 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Volksschulen; BVerwG Urteil vom 28. November 1980 – 2 C 24.78 – AP Nr. 12 zu Art. 33 Abs. 2 GG, betr. die Entlassung eines Beamten auf Probe); denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.

d) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist.

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskrimierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründeten Zweifel, ob er zukünftig für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit aus der Sicht der ehemaligen DDR für eine revanchistische und imperialistische verfassungsmäßige Ordnung eintreten wird. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 13. Oktober 1988 – 6 AZR 144/85 – AP Nr. 4 zu § 611 BGB Abmahnung).

3. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß die sechsjährige Tätigkeit der Klägerin als Schulinspektorin und Leiterin der Schulinspektion eine mangelnde persönliche Eignung indiziert.

a) Die Funktionen eines Schulinspektors und des Leiters der Schulinspektion wurden durch die „Anweisung über die Stellung, die Vollmachten und die Tätigkeit der Schulinspektion und Berufsschulinspektion – Inspektionsordnung” vom 15. September 1961 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung – künftig VuM – vom 20. November 1961 Nr. 22, S. 287) geprägt. Die nicht näher substantiierte Behauptung der Klägerin, die Inspektionsordnung von 1961 sei durch eine solche von 1984 ersetzt worden, ist unrichtig. Vielmehr weist die Zusammenstellung der auf dem Gebiet der Volksbildung geltenden Rechtsvorschriften vom 2. Januar 1985 (VuM vom 30. Januar 1985 Nr. 1, S. 1) ebenso wie die entsprechende (letztmalige) Zusammenstellung aus dem Jahre 1988 (VuM vom 6. Februar 1989 Nr. 1, S. 1) die weitere Gültigkeit der Inspektionsordnung aus dem Jahre 1961 aus. Zusätzlich galt seit dem 27. Dezember 1979 die Verordnung über die staatliche Inspektionstätigkeit in der sozialistischen Berufsbildung vom 29. November 1979 (GBl. I S. 453) für die Berufsbildung der Lehrlinge sowie die Aus- und Weiterbildung der Facharbeiter. Diese Verordnung galt nicht für allgemeinbildende Schulen und sah eigene Inspektionskräfte für die Berufsbildung vor. Sie hat daher für die Klägerin keine Bedeutung.

b) Insbesondere aus § 2 Abs. 1 Buchst. a, b und Abs. 2 der Inspektionsordnung folgt die Pflicht der Schulinspektion zu einer politischen Überwachung und Anleitung der Schulen (Direktor, Lehrer, weitere Funktionsträger, Schüler) nebst regelmäßiger Berichtspflicht gegenüber den vorgesetzten Organen der Staatssicherheit. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hierzu sind von der Revision nicht angegriffen worden. Danach diente die Tätigkeit der Schulinspektion dem Zweck, ein parteikonformes Verhalten der Schulleitung sowie der Lehrer und Schüler sicherzustellen. Als Schulinspektorin und Leiterin der Schulinspektion repräsentierte die Klägerin mit allen Funktionen und Merkmalen, die diesen Ämtern zugeschrieben werden, den SED-Staat und dessen Ziele und Ideologien im Bildungswesen. Damit wirkte sie aktiv daran mit, dem Bildungswesen die gewünschte einseitige ideologische Ausrichtung zu geben.

Entgegen der Rüge der Revision ist die Schlußfolgerung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtsfehlerhaft, wegen der Kontroll- und Berichtspflichten seien nur solche Personen in die Position eines Schulinspektors berufen worden, die der politischen Führung der DDR als besonders vertrauenswürdig galten. Die der Klägerin auch obliegenden Aufgaben, den Schulbetrieb in baulich-technischer und inhaltlich-pädagogischer Hinsicht sicherzustellen, beinhalteten nach ihren eigenen Angaben die Kontrolle der SED-Beschlüsse und der sonstigen „Grundlagen sozialistischer Erziehung”, also ebenfalls eine politisch-pädagogische und methodische Einflußnahme.

c) Der Auffassung der Revision, die Schulinspektionsordnung sei durch die „Standpunkte und Hinweise zur Arbeitsweise der Kreisschulinspektion (Arbeitsmaterial für Schulräte und Schulinspektoren)” vom Oktober 1983 faktisch abgelöst worden, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr handelt es sich um Arbeitsmaterial, das die Normen der Schulinspektionsordnung ausfüllt und bestätigt. Die „Standpunkte und Hinweise” führen eindeutig aus, daß „die Kontroll- und Anleitungstätigkeit der Kreisschulinspektoren der Durchsetzung der schulpolitischen Beschlüsse der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und der darauf beruhenden gesetzlichen Bestimmungen und zentralen Weisungen dient” und daß sie „auf die politisch-pädagogischen Prozesse gerichtet ist, die der Direktor führen muß”. Die Kreisschulinspektion habe „besonders zu kontrollieren, in welcher Qualität und mit welcher Wirksamkeit durch die gesamte politisch-pädagogische Arbeit an der Schule die Weltanschauung und Moral der Arbeiterklasse vermittelt und angeeignet, an der Herausbildung des Klassenstandpunktes gearbeitet wird”. Der Kreisschulinspektor „kennt und beeinflußt die Auswahl, Erprobung und Entwicklung der Nachwuchs- und Reservekader an der Schule, ihre Erziehung im Prozeß der Arbeit. Bei Sicherung der Wahrnehmung der Verantwortung des Kreisschulrates für den Kadereinsatz, beeinflußt der Kreisschulinspektor Kaderentscheidungen über den Einsatz als Leitungskader an der Schule so, daß damit stabile Bedingungen für die Führung der politisch-pädagogischen Arbeit an der Schule erreicht werden”. Als Kreisschulinspektoren seien „parteiverbundene und in der Leitungstätigkeit erfahrene Kader einzusetzen”.

4. Das Landesarbeitsgericht hat weiter in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, daß die Klägerin die sich aus der Funktionsausübung ergebende Indizwirkung einer mangelnden persönlichen Eignung nicht durch konkreten Sachvortrag erschüttert habe.

a) Was die Klägerin zur tatsächlichen Ausübung ihrer Funktion in der Schulinspektion vorgetragen hat, ist dazu nicht geeignet. Sie hat die Kontroll- und Berichtspflichten und deren Erfüllung eingeräumt. Danach gab sie ihre Kenntnisse und Eindrücke über politische Meinungen und Diskussionen an der Schule bei Dienstberatungen im Rahmen eines „Zustandsberichtes” wieder. Es ist unerheblich, wenn die Klägerin etwa einzelne Tätigkeiten wie die Abfassung und Weiterleitung von Stellungnahmen zu Ausreiseanträgen deshalb nicht ausgeführt hat, weil solche Aufgaben nicht anfielen oder anderweitig wahrgenommen wurden. Die Klägerin hat in der Revisionsinstanz einen Inspektionsauftrag vom September 1985 vorgelegt. Eine Verfahrensrüge hat sie damit nicht verbunden. Der einzelne Inspektionsauftrag besagt zudem nichts dafür, daß die Klägerin – entgegen ihrem in der Schulinspektion bestehenden Aufgabenkreis – tatsächlich nicht wesentlich in das politisch begründete Überwachungssystem im Bildungsbereich eingebunden war.

b) Das Landesarbeitsgericht hat die seitens der Klägerin vorgelegte Einschätzung ihrer Direktorin rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet gewürdigt. Es hat in einer monatelangen nicht beanstandeten Unterrichtstätigkeit als Fachlehrerin in Deutsch und Geschichte keinen konkreten Anhaltspunkt dafür gesehen, daß die Klägerin nunmehr bereit und in der Lage wäre, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten. Auch diese Annahme enthält keinen Rechtsfehler, da die Tätigkeit der Klägerin bis zur Kündigung zu kurz war, um die durch ihre frühere Tätigkeit begründeten erheblichen Zweifel auszuräumen. Die Klägerin zeigt damit nur, daß sie sich der politischen Situation kurzfristig anpassen konnte. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht zu Recht auf die verschiedenen Ämter der Klägerin außerhalb der pädagogischen Aufgabenstellung hingewiesen, die das Bild einer herausgehobenen Repräsentantin des früheren SED-Staates und seiner Bildungspolitik abrunden.

III. Die von dem Beklagten einzuhaltende Kündigungsfrist richtete sich nach dem gem. Abs. 4 Satz 4 EV weitergeltenden § 55 Abs. 2 des Arbeitsgesetzbuches der Deutschen Demokratischen Republik. Sie war mit der Kündigung vom 24. September 1991 zum 31. Dezember 1991 eingehalten. Auch darin ist dem Landesarbeitsgericht zuzustimmen. Die Kündigungsfrist von drei Monaten zum Schuljahresende gem. § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 29. November 1979 (GBl. I S. 444), zuletzt geändert durch die zweite Verordnung zur Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte vom 25. Januar 1990 (GBl. I S. 24), war nach dem 2. Oktober 1990 nicht mehr anwendbar. Diese Bestimmung gehört nicht zu dem in Anlage II zum Einigungsvertrag aufgeführten DDR-Recht, das seit dem 3. Oktober 1990 als Bundesrecht weitergilt. Dementsprechend könnte sie nur gem. Art. 9 EV als Landesrecht weitergelten, wenn der Beklagte die Gesetzgebungskompetenz für den Erlaß dieser Kündigungsfristenregelung besäße. Die Regelung der Kündigungsfristen für Lehrkräfte gehört jedoch nicht zum Schulrecht, sondern zum materiellen Arbeitsrecht. Insofern hat der Bund von seinem konkurrierenden Gesetzgebungsrecht Gebrauch gemacht.

Die Kündigungsfrist des § 53 Abs. 2 BAT-O findet unabhängig von der Tarifbindung der Parteien nach § 53 Abs. 3 BAT-O keine Anwendung. Diese Bestimmung stellt ausdrücklich klar, daß die Regelungen des Einigungsvertrages in Anlage I Kap. XIX Sachgeb. A Abschn. III Nr. 1 vorgehen (BAG Urteil vom 25. März 1993 – 6 AZR 252/92 – BB 1993, 2162 f.).

IV. Die Klägerin hat in der Revisionsverhandlung klargestellt, daß ihr Feststellungsantrag allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG umfaßt. Die Zulässigkeit eines auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses gerichteten Feststellungsantrags war daher nicht mehr zu prüfen.

V. Der Weiterbeschäftigungsantrag war ausdrücklich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag gestellt. Er fällt nicht zur Entscheidung an, weil die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag unterlegen ist.

C. Die Klägerin hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Ascheid, Dr. Müller-Glöge, Dr. Mikosch, Schömburg, Schmitzberger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1065123

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