Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderzahlung für Zeiten der Streikteilnahme
Leitsatz (amtlich)
Macht eine tarifliche Regelung den Anspruch auf eine Jahressonderzahlung allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängig, dann ist diese Sonderzahlung auch für Zeiten zu gewähren, in denen das Arbeitsverhältnis wegen eines Arbeitskampfes geruht hat.
Normenkette
BGB § 611; GG Art. 9 Arbeitskampf
Verfahrensgang
LAG München (Urteil vom 09.06.1994; Aktenzeichen 2 Sa 126/93) |
ArbG Passau (Urteil vom 12.01.1993; Aktenzeichen 4 Ca 577/92) |
Tenor
- Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 9. Juni 1994 – 2 Sa 126/93 – wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Revision trägt der Beklagte.
- Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Beklagte betreibt ein Granit- und Schotterwerk im Bayerischen Wald. Die Kläger sind bei ihm als Arbeitnehmer beschäftigt, zumeist seit mehreren Jahren, wenn auch mit witterungsbedingten Unterbrechungen. Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien finden kraft Tarifbindung der Manteltarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer der Industrie der Steine und Erden und des Betonsteinhandwerks in Bayern vom 27. Oktober 1989 (MTV) und der Tarifvertrag über die Gewährung einer Jahressonderzahlung für die Arbeitnehmer in der Granitindustrie des Bayerischen Waldes vom 11. Juli 1989 (TV-Sonderzahlung) Anwendung. In den Jahren 1991/1992 wurde der Betrieb des Beklagten im Zuge eines tariflichen Arbeitskampfes in der Zeit vom 17. Juni 1991 bis zum 12. April 1992 bestreikt. Die Kläger haben sich an diesem Streik beteiligt, die meisten während der gesamten Zeit.
Der Beklagte hat den Klägern wegen dieser Streikteilnahme die Jahressonderzahlung für das Jahr 1991 nicht gezahlt. Im vorliegenden Rechtsstreit streiten die Parteien darüber, ob die Streikteilnahme zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs auf die tarifliche Jahressonderzahlung führt.
Der TV-Sonderzahlung lautet – soweit vorliegend von Interesse – wie folgt:
Ҥ 2
Voraussetzungen und Höhe der Leistung
”
- Zur Beendigung des Arbeitskampfes haben die Tarifvertragsparteien am 9. April 1992 u.a. folgendes vereinbart:
- “
- …
- Die Tarifvertragsparteien stimmen einem außergerichtlichen Vergleich gem. § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern, wie er als Anlage beigefügt ist, zu.
- Maßregelungsverbot …
- ”
Die Kläger sind der Ansicht, daß ihr Anspruch auf die Jahressonderzahlung durch die Beteiligung am Streik nicht ausgeschlossen oder gemindert werde. Sie haben jeweils beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an sie die volle Jahressonderzahlung für 1991 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat den Klagen grundsätzlich stattgegeben, den Anspruch auf die Jahressonderzahlung für einige Kläger jedoch um diejenigen Monate gekürzt, in denen diese im Jahre 1991 vor Beginn des Streiks noch nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten standen. Soweit die Klagen abgewiesen worden sind, haben die Kläger dagegen kein Rechtsmittel eingelegt.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter, während die Kläger um Zurückweisung der Revision bitten.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet.
Den Klägern steht trotz ihrer Teilnahme am Streik die Jahressonderzahlung für das Jahr 1991 jedenfalls in der vom Arbeitsgericht zuerkannten Höhe zu.
I. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben ihre Entscheidung damit begründet, daß als Beschäftigungsmonat, für den ein Betrag von 145,-- DM zu zahlen ist, ein Zeitraum zu verstehen ist, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich bestanden hat, ohne daß es auf eine tatsächliche Arbeitsleistung ankommt. Sie haben weiter darauf abgestellt, daß die Zeit der Teilnahme an einem Arbeitskampf nicht dem Ruhen des Arbeitsverhältnisses infolge der Einberufung zum Wehrdienst oder der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub gleichgesetzt werden kann. Diese Begründung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen.
II.1. Die Kläger erfüllen nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts, auf die das Landesarbeitsgericht Bezug nimmt, die in § 2 Ziff. 1 TV-Sonderzahlung normierten Voraussetzungen für einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung. Sie standen am 30. November 1991 in einem Arbeitsverhältnis und wiesen zu diesem Zeitpunkt eine mindestens zwölfmonatige Betriebszugehörigkeit auf. Auch während der Teilnahme am Streik bestand das Arbeitsverhältnis rechtlich fort, es ruhten lediglich die gegenseitigen Hauptpflichten aus diesem Arbeitsverhältnis (BAGE 23, 292 = AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Da es auf eine zwölfmonatige Betriebszugehörigkeit “im Sinne des Manteltarifvertrages für gewerbliche Arbeitnehmer” ankommt, ist es – wie das Arbeitsgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat – für den Anspruch ohne Bedeutung, daß das Arbeitsverhältnis aus Witterungsgründen unterbrochen war und die Kläger daher zum Teil nicht das ganze Jahr 1991 in einem Arbeitsverhältnis zum Beklagten standen. Das ist unter den Parteien auch nicht im Streit.
2. Die Kläger haben daher grundsätzlich einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung in Höhe von 145,-- DM “pro Beschäftigungsmonat” im Bezugszeitraum.
“Beschäftigungsmonat” i.S. dieser Bestimmung ist ein Zeitraum von einem Monat, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich bestanden hat. Erforderlich ist nicht, daß der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums auch durchgehend oder wenigstens zu einem wie auch immer bestimmbaren Teil gearbeitet hat.
a) Die Tarifvertragsparteien bringen in Nr. 145 MTV zum Ausdruck, daß sie die Begriffe “Arbeitsverhältnis” und “Beschäftigungsverhältnis” in gleichem Sinne verstehen. Danach gilt die Betriebszugehörigkeit als nicht unterbrochen, wenn das “Beschäftigungsverhältnis” des Arbeitnehmers aus bestimmten Gründen gelöst war. Daß unter der “Lösung” des Beschäftigungsverhältnisses eine rechtliche Beendigung des Rechtsverhältnisses, d.h. des Arbeitsverhältnisses gemeint ist, folgt daraus, daß Fälle des freiwilligen Ausscheidens oder der Verschuldeten fristlosen Entlassung ausdrücklich ausgenommen und der Tatbestand des Ruhens des “Arbeitsverhältnisses” anschließend gesondert geregelt wird. Schon diese Gleichsetzung von “Arbeitsverhältnis” und “Beschäftigungsverhältnis” legt es nahe, unter einem “Beschäftigungsmonat” einen Zeitraum zu verstehen, in dem das Arbeitsverhältnis bzw. Beschäftigungsverhältnis rechtlich bestanden hat.
b) Für dieses Verständnis sprechen weiter die Regelungen in § 2 Ziff. 5 Buchst. a) und b) TV-Sonderzahlung. Danach haben Arbeitnehmer Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung, wenn ihr Arbeitsverhältnis vor dem 30. November aufgrund eines Betriebsunfalles, einer Berufskrankheit, wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit endet. Gerade in diesen Fällen wird vielfach dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses eine mehr oder weniger lange Zeit vorausgegangen sein, in der der Arbeitnehmer gerade wegen des Betriebsunfalles, der Berufskrankheit oder der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit nicht tatsächlich gearbeitet hat. Es gäbe keinen Sinn, diesen Arbeitnehmern zunächst in § 2 Ziff. 5 einen Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung einzuräumen, diese dann aber wieder um diejenigen Monate zu kürzen, in denen diese Arbeitnehmer nicht mehr tatsächlich gearbeitet haben.
c) Würde, wie der Beklagte meint, der “Beschäftigungsmonat” eine tatsächliche Arbeitsleistung voraussetzen, bliebe weiter völlig offen, in welchem Umfang eine tatsächliche Arbeitsleistung vorliegen müßte, um einen “Beschäftigungsmonat” zu ergeben. Es bliebe weiter ungeregelt, ob Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder des Urlaubs der tatsächlichen Beschäftigung gleichzustellen sind, so daß auch diese Zeiten einen “Beschäftigungsmonat” (mit) ergeben können.
Bei der Auslegung eines Tarifvertrages ist, wenn – wie hier – der Wortlaut nicht völlig eindeutig ist, auf den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien abzustellen, soweit er in der tariflichen Regelung noch einen Ausdruck gefunden hat, und der im Zweifel darauf gerichtet ist, eine vernünftige, sachgerechte und praktisch brauchbare Regelung zu schaffen. Ohne Schwierigkeiten und weitere Auslegungsfragen handhabbar ist § 2 Ziff. 1 TV-Sonderzahlung aber nur, wenn unter dem “Beschäftigungsmonat” ein Zeitraum verstanden wird, in dem das Arbeitsverhältnis rechtlich bestanden hat, unabhängig davon, in welchem Umfange der Arbeitnehmer in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet hat.
Der Senat hat seit seiner Entscheidung vom 5. August 1992 (– 10 AZR 88/90 – BAGE 71, 78 = AP Nr. 143 zu § 611 BGB Gratifikation) wiederholt ausgesprochen, daß die Tarifvertragsparteien im einzelnen bestimmen können, in welchem Umfang eine tarifliche Sonderzahlung durch Zeiten ohne tatsächliche Arbeitsleistung ausgeschlossen oder gemindert werden soll. Der vorliegende TV-Sonderzahlung berücksichtigt das Fehlen einer tatsächlichen Arbeitsleistung im rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnis nur für die Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis durch die Einberufung zum Wehrdienst oder die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruht. Über diese ausdrückliche Regelung hinaus kann auch dem Gesamtzusammenhang der Regelung nicht entnommen werden, daß “Beschäftigungszeiten” oder “Beschäftigungsmonate” nur Zeiten sind, in denen der Arbeitnehmer auch tatsächlich gearbeitet hat.
3. Die Zeit der Teilnahme am Streik kann auch nicht den Zeiten gleichgestellt werden, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund der Einberufung zum Wehrdienst oder der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruht. Eine analoge Anwendung der Regelung in § 2 Ziff. 5 Buchst. e) und f) auf den Fall einer Beteiligung am Arbeitskampf kommt nicht in Betracht.
Zwar ist richtig, daß auch während eines Arbeitskampfes das Arbeitsverhältnis ebenso wie während des Wehrdienstes oder des Erziehungsurlaubes ruht, d.h. im Sinne der tariflichen Regelung durch die Beteiligung am Streik “zum Ruhen kommt”. Das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während eines Arbeitskampfes entspricht aber in seinen Voraussetzungen und Folgen nicht den in § 2 Ziff. 5 Buchst. e) und f) TV-Sonderzahlung geregelten Fällen des Ruhens wegen Wehrdienst oder Erziehungsurlaub.
§ 2 Ziff. 5 TV-Sonderzahlung regelt in den Buchst. a) bis f) Fälle, in denen das Arbeitsverhältnis vor dem 30. November des laufenden Kalenderjahres entweder beendet wird oder aus den beiden genannten Gründen zum Ruhen kommt. Dabei geht die tarifliche Regelung davon aus, daß bei der Einberufung zum Wehrdienst oder der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub im Laufe des Kalenderjahres das Arbeitsverhältnis bis zum 30. November dieses Jahres nicht wieder aktiviert wird. Der Eintritt des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aus diesen beiden Gründen wird ebenso behandelt, wie die rechtliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der in den Buchst. a) bis d) geregelten Beendigungstatbestände, bei denen ebenfalls vorausgesetzt wird, daß diese Beendigung bis zum 30. November des laufenden Kalenderjahres andauert. Das folgt unmittelbar aus § 2 Ziff. 5 Buchst. c) der Regelung, wonach der aus witterungsbedingten Gründen gekündigte Arbeitnehmer nur dann einen Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung hat, wenn die aus diesem Grunde herbeigeführte Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. November angedauert hat. Ist die witterungsbedingte Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vor dem 30. November wieder beendet, hat der Arbeitnehmer ohnehin einen Anspruch auf die Jahressonderzahlung nach § 2 Ziff. 1 TV-Sonderzahlung, weil die witterungsbedingte Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses die vorausgesetzte Betriebszugehörigkeit nicht unterbrochen hat.
Beteiligt sich der Arbeitnehmer im Laufe des Kalenderjahres an einem Arbeitskampf, so ist nicht in jedem Fall, ja nicht einmal im Regelfall, davon auszugehen, daß die Beteiligung am Streik über den 30. November hinaus andauern wird. Arbeitskämpfe von mehrmonatiger Dauer, jedenfalls soweit sie sich gegen einen bestimmten Betrieb richten, sind relativ selten. Die Regelung in § 2 Ziff. 5 Buchst. e) und f) TV-Sonderzahlung liefe daher, wollte man sie auf die Fälle der Teilnahme an einem Arbeitskampf analog anwenden, für alle Arbeitskämpfe leer, die vor dem 30. November des laufenden Kalenderjahres wieder ihr Ende finden. Schon dieser Unterschied im Tatbestand des Ruhens des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Wehrdienstes oder eines Erziehungsurlaubs einerseits und des Ruhens während eines Arbeitskampfes andererseits verbietet eine analoge Anwendung dieser Regelung.
Aus § 2 Ziff. 5 Buchst. e) und f) TV-Sonderzahlung folgt daher nicht, daß die Teilnahme der Kläger am Streik von rechtlicher Bedeutung für den Anspruch der Kläger auf die Jahressonderzahlung ist. Im übrigen würde sich aus § 2 Ziff. 5 TV-Sonderzahlung bei einer analogen Anwendung auch nur ergeben, daß die Jahressonderzahlung um die Monate der Streikteilnahme zu kürzen ist, nicht aber würde aus diesem Grunde, wie der Beklagte meint, der Anspruch auf die Jahressonderzahlung ganz entfallen.
§ 2 TV-Sonderzahlung enthält nach allem keine Regelung des Inhalts, daß Zeiten einer Streikteilnahme sich anspruchsmindernd oder anspruchsausschließend auf die Jahressonderzahlung auswirken sollen.
4. Entgegen dieser Regelung könnte für den Fall der Teilnahme an einem Streik nur dann etwas anderes gelten, wenn eine planwidrige Unvollständigkeit der tariflichen Regelung festzustellen wäre, eine Tariflücke vorliegen würde, die jedoch durch die Gerichte nur dann geschlossen werden könnte, wenn es sich um eine unbewußte Tariflücke handeln würde. Eine solche liegt jedoch nur dann vor, wenn die Tarifvertragsparteien eine regelungsbedürftige Frage nicht erkannt haben. Davon kann hier nicht ausgegangen werden.
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Tarifvertragsparteien die dem Streitfall zugrundeliegende Rechtsfrage, welche Auswirkungen ein Arbeitskampf auf den Anspruch auf die Jahressonderzahlung hat, nicht erkannt und deshalb nicht geregelt hätten. Streik und Aussperrung sind nicht nur durch Art. 9 Abs. 3 GG als Mittel zur Erzwingung von Tarifverträgen geschützt. Sie gehören auch zum Alltag des Arbeitslebens. Gleichwohl sind dem Senat keine Tarifverträge bekannt, die eine ausdrückliche Regelung der Frage enthalten, welche Auswirkungen ein Arbeitskampf auf die im jeweiligen Tarifvertrag geregelten Rechte und Pflichten hat. Solche Regelungen werden vielmehr – wenn überhaupt – nur in Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien getroffen, die anläßlich der Beendigung eines Arbeitskampfes abgeschlossen werden, wie es vorliegend auch in der Vereinbarung vom 9. April 1992 geschehen ist. Diese Praxis läßt nur den Schluß zu, daß Fragen des Arbeitskampfes bewußt in den “normalen” Tarifverträgen nicht geregelt werden sollen. Es spricht daher nichts dafür, daß die Tarifvertragsparteien gerade das Unterbleiben einer Arbeitsleistung infolge der Teilnahme an einem Streik nicht gesehen und nur deshalb keiner Regelung im TV-Sonderzahlung zugeführt haben. Eine ergänzende Auslegung des TV-Sonderzahlung kommt daher nicht in Betracht.
In der Vereinbarung vom 9. April 1992 haben die Tarifvertragsparteien einem möglichen Vergleich der Arbeitsvertragsparteien über strittige Ansprüche aus Anlaß des Arbeitskampfes zugestimmt. Dieser Vergleich sieht vor, daß die Jahressonderzahlung für die Zeit bis zum Streik anteilig gewährt wird und daß für finanzielle Ansprüche aus der Streikzeit selbst eine einmalige Abfindung von 500,-- DM gezahlt wird. Auch dieser Vergleichsvorschlag macht deutlich, daß die Tarifvertragsparteien zumindest nicht als selbstverständlich davon ausgingen, daß die Jahressonderzahlung um die in die Streikzeit fallenden Beschäftigungsmonate gekürzt werden kann.
5. Auch arbeitskampfrechtliche Überlegungen führen zu keinem anderen Ergebnis. Dadurch, daß der Beklagte die Sonderzahlung auch für die Zeit der Streikteilnahme der Kläger zu zahlen hat, wird das Kräfteverhältnis der Parteien im Arbeitskampf nicht berührt. Der Beklagte wird nicht verpflichtet, den Klägern gerade wegen ihrer Teilnahme am Streik eine Sonderzahlung zu gewähren. Er ist vielmehr lediglich verpflichtet, eine bereits vorgegebene Ordnung zu vollziehen, die den Klägern einen Anspruch auf die Sonderzahlung auch für die Zeit gewährt, in denen sie – gleich aus welchen Gründen – nicht gearbeitet haben. Es gilt insoweit nichts anderes, als im umgekehrten Falle, in dem eine Sonderzahlung nur für Zeiten einer tatsächlichen Arbeitsleistung zu gewähren ist und daher für Zeiten der Teilnahme an einem Arbeitskampf kein Anspruch auf die Sonderzahlung besteht, ohne daß darin eine Maßregelung der streikenden Arbeitnehmer gesehen werden kann (BAG Urteil vom 15. Mai 1964 – 1 AZR 432/63 – AP Nr. 35 zu § 611 BGB Gratifikation).
Nach allem steht den Klägern die Jahressonderzahlung 1991 in der vom Arbeitsgericht zuerkannten Höhe zu. Das Landesarbeitsgericht hat daher die Berufung des Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Seine Revision ist damit unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Brose, Walther
Fundstellen
Haufe-Index 872248 |
BB 1996, 596 |
NJW 1997, 341 |
NZA 1996, 491 |