Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Normenkette
KSchG § 1; NHG § 35 Abs. 7
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 10.10.1989; Aktenzeichen 13 Sa 592/89) |
ArbG Hannover (Urteil vom 24.02.1989; Aktenzeichen 1 Ca 12/88) |
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 10. Oktober 1989 – 1.3 Sa 592/89 – aufgehoben.
2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über der Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision nur noch darüber, ob die ordentliche Kündigung des beklagten Landes vom 29. Dezember 1987 zum 30. Juni 1988 wegen der Einstellung der Drittmittel für ein Forschungsprojekt sozial gerechtfertigt ist.
Der Kläger, 40 Jahre alt, ledig, hat (in Studium der Soziologie, Sozialpsychologie und Volkswirtschaft absolviert und ist Diplom-Volkswirt. Er ist seit dem 1. Januar 1973 im öffentlichen Dienst beschäftigt, seit dem 1. August 1974 an der Medizinischen Hochschule … in verschiedenen Rechtsverhältnissen (Beamter auf Widerruf, befristete Arbeitsverträge). Seit dem 1. April 1984 ist er als wissenschaftlicher Angestellter aufgrund eines unbefristeten Arbeitsvertrages tätig Nach § 2 des Arbeitsvertrages liegt dem Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) zugrunde; außerdem enthält § 6 des Arbeitsvertrages folgende Nebenabrede:
„Es besteht Einvernehmen, daß die Beschäftigung ausschließlich für eine Mitarbeit im Zentrum Öffentliche Gesundheitspflege zur Durchführung von Forschungsprojekten, die mit Mitteln Dritter finanziert werden, erfolgt. Bei Beendigung oder teilweiser Beendigung des Vorhabens oder bei Kürzung oder Wegfall der Mittel, kann das Arbeitsverhältnis durch fristgerechte ‚betriebsbedingte’ Kündigung seitens des Arbeitgebers beendet werden.”
Der Kläger war überwiegend in der Abteilung medizinische Soziologie des Zentrums für öffentliche Gesundheitspflege beschäftigt. Er hat eine psychotherapeutische Weiterbildung absolviert und ist ehrenamtlich in der AIDS-Beratung tätig. Zuletzt war er beteiligt an dem aus Drittmitteln finanzierten Projekt „Ärztebefragung zur ambulanten Schwangerenvorsorge und zu den Früherkennungsuntersuchungen für Kinder”. Die Forschungsmittel für dieses Projekt liefen am 31. Oktober 1987, möglicherweise auch erst am 30. Juni 1988, aus. Neue Anträge auf Drittmittel wurden gestellt, aber nicht bewilligt.
Ende 1987/Anfang 1988 wurde in einem Schriftwechsel zwischen dem Kanzler der Hochschule und Prof. R., dem Leiter der Abteilung Medizinische Soziologie und zugleich geschäftsführendem Leiter des Zentrums, im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt noch nicht gesicherte Finanzierung bis zum 30. Juni 1988 die Frage erörtert, wie der Kläger weiterbeschäftigt werden könne. In seinen Schreiben vom 8. Dezember 1987 und 6. Januar 1988 wies Prof. R. darauf hin, in dem ihm als Leiter des Zentrums unterstellten Arbeitsbereich Sexualmedizin seien für das Projekt „Psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit AIDS” hinreichend Drittmittel vorhanden. Der Kläger besitze alle Qualifikationen, um an diesem Projekt mitzuarbeiten. Die Weiterbeschäftigung des Klägers im Arbeitsbereich Sexualmedizin zerschlug sich jedoch, weil der Projektleiter Dr. P. den Einsatz des Klägers Ende 1987 ablehnte.
Mit Schreiben vom 29. Dezember 1987 kündigte das beklagte Land daraufhin das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. Juni 1988 und berief sich auf die Einstellung der Forschungsmittel.
Auch nach Ausspruch der Kündigung hatten verschiedene Versuche, dem Kläger eine Weiterbeschäftigung in der medizinischen Hochschule zu ermöglichen, keinen Erfolg. Die Versetzung auf eine am 1. Januar 1988 eingerichtete und ab 1. Mai 1988 besetzbare Stelle im Bereich der AIDS-Beratung kam nicht zustande. Der Leiter der Abteilung, Prof. D., lehnte mit Schreiben vom 10. August 1988 den Einsatz des Klägers ab, weil die Stelle mit einem Diplom-Psychologen besetzt werden solle. Die Absicht des beklagten Landes, eine am 1. November 1988 freiwerdende Assistentenstelle in eine unbefristete Stelle umzuwandeln, um den Kläger darauf zu beschäftigen, scheiterte am Widerstand der Hochschulgremien.
Auf Antrage der Personalabteilung führte der Leiter des Arbeitsbereichs Sexualmedizin, Dr. P., mit dem Kläger am 2. Februar 1989 ein Gespräch, um dessen Einsatz im Rahmen des Forschungsprojekts „Kohortenstudie Sexuelles Handeln H.” zu prüfen. Mit Schreiben vom 20. Februar 1989 lehnte Dr. P. jedoch den Einsatz des Klägers mangels ausreichender Qualifikation ab.
Der Kläger macht geltend, die Kündigung vom 29. Dezember 1987 sei sozial ungerechtfertigt. Er hat vorgetragen, für ihn hätten vor und nach dem Ablauf der Kündigungsfrist verschiedene Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung bestanden. Er sei nach § 6 des Arbeitsvertrages nicht für ein bestimmtes Forschungsprojekt, sondern für Forschungsprojekte allgemein im Zentrum für öffentliche Gesundheitspflege eingestellt. Er müsse deshalb weiterbeschäftigt werden, sofern ein Arbeitsplatz – gleichgültig, ob mit Finanzmitteln ausgestattet oder nicht – vorhanden sei. Er sei für eine Tätigkeit im Rahmen der von Dr. P. geleiteten Projekte im Arbeitsbereich Sexualmedizin geeignet. Die Ablehnung durch Dr. P. trage nicht, die Begründung hierfür sei erst im Februar 1989 „nachgeschoben” worden.
Außerdem habe er bis Oktober 1988 aus „verschiedenen Töpfen” und ab 1. November 1988 auf der umgewandelten Assistentenstelle beschäftigt werden können. Auch für die zum 1. Januar 1989 ausgeschriebene Stelle eines Sozialwissenschaftlers sei er geeignet. Schließlich begegne die Kündigung rechtlichen Bedenken, weil sie entgegen § 115 Abs. 2 Ziff. 12 NHG ohne Vorschlag/Zustimmung des Zentrums für öffentliche Gesundheitspflege vorgenommen worden sei.
Der Kläger hat, soweit in der Revision noch erheblich, beantragt
festzustellen, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die schriftliche Kündigung des beklagten Landes vom 29. Dezember 1987 aufgelöst werde, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30. Juni 1988 hinaus fortbestehe.
Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat vorgetragen, nach Einstellung der Mittel für das vom Kläger mitbetreute Projekt habe keine Stelle für dessen Weiterbeschäftigung zur Verfügung gestanden. Eine Übernahme des Klägers in den Arbeitsbereich Sexualmedizin sei wegen der Ablehnung durch Dr. P. nicht in Frage gekommen. Es sei an dessen Beurteilung gebunden, weil nach § 35 Abs. 7 Satz 3 NHG dem Projektleiter die freie Auswahl der Mitarbeiter zustehe. Andere Arbeitsplätze oder Mittel zur Finanzierung der Arbeitsleistung des Klägers seien nicht vorhanden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, um deren Zurückweisung das beklagte Land bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zu prüfen haben, ob der Ablehnung des Klägers durch Dr. P. sachliche Erwägungen zugrunde lagen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Kündigung sei nicht sozialwidrig. Werde ein Arbeitnehmer im Rahmen drittmittelfinanzierter Forschung beschäftigt, so liege bei Wegfall der Drittmittel ein betriebsbedingter Kündigungsgrund dann vor, wenn das Projekt nicht fortgeführt werde. Dies sei der Fall, denn das letzte Projekt, mit dem der Kläger beschäftigt gewesen war, sei zum 30. Juni 1988 ausgelaufen. Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit habe nicht bestanden. Nach § 35 Abs. 7 Satz 3 NHG bleibe das Recht auf freie Auswahl der Mitarbeiter durch die Leitung des Forschungsvorhabens unberührt. Lehne demgemäß die Projektleitung die Mitarbeit eines Arbeitnehmers ab, so sei keine freie, besetzbare Stelle vorhanden.
Eine Beschäftigung des Klägers im Arbeitsbereich Sexualmedizin sei daher nicht in Betracht gekommen, weil der Projektleiter Dr. P. die Beschäftigung des Klägers Ende 1987 abgelehnt habe. Entscheidend sei hierbei, ob objektiv im Kündigungszeitpunkt eine Versetzungsmöglichkeit vorhanden gewesen sei. Da Dr. P. im Februar 1989 die Beschäftigung des Klägers abgelehnt habe, müsse daraus geschlossen werden, daß er auch bei Durchführung eines Bewerbungsgesprächs Ende 1987 die Übernahme des Klägers nicht befürwortet hätte. Die Gründe für die Ablehnung habe das Gericht nicht zu prüfen.
Eine Weiterbeschäftigung des Klägers in der Abteilung von Prof. Dr. D. sei ebenfalls nicht möglich gewesen, weil der Kläger die vorausgesetzte Qualifikation als Diplom-Psychologe nicht besitze. Auch auf die zum 1. November 1988 freiwerdende Assistentenstelle habe der Kläger nicht übernommen werden können. Es handele sich hierbei um eine Stelle zur Weiterbildung, die nur befristet besetzt werde.
II. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts kann weitgehend gefolgt werden. Revisionsrechtlich zu beanstanden ist lediglich seine Annahme, die Gründe der Ablehnung des Klägers durch Dr. P. im Februar 1989 könnten auf die Weigerung einer Zusammenarbeit mit dem Kläger Ende 1987 übertragen werden.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, durch den Wegfall der Drittmittel und die Einstellung des damit geförderten Projektes sei die ursprüngliche Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger entfallen.
a) Eine ordentliche Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG u.a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb entgegenstehen. Nach den Grundsätzen, die der Senat für den Prüfungsmaßstab des Gerichts bei betriebsbedingten Kündigungen aufgestellt hat (vgl. zuletzt Urteil vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 600/88 – AP Nr. 45 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu II 1 a der Gründe, m.w.N.), können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidung: z.B. Rationalisierungsmaßnahme, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder durch außerbetriebliche Umstände (z.B. Auftragsmangel) ergeben. Diese betrieblichen Erfordernisse müssen „dringend” sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebs unvermeidbar machen.
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, diese Voraussetzungen seien erfüllt. Durch die Entscheidung des Drittmittelempfängers, das nicht mehr subventionierte Projekt einzustellen, sind die geförderten Aufgabenbereiche fortgefallen, so daß ein Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten die Folge war. Diese unternehmerische Entscheidung des Drittmittelempfängers unterliegt nur einer Mißbrauchskontrolle (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1986 – 2 AZR 212/85 – AP Nr. 11 zu § 1 KSchG 1969, zu B II 2 d, bb der Gründe; BAG Urteil vom 5. September 1986 – 7 AZR 136/85 –, zu III 2 b, aa der Gründe, nicht veröffentlicht; BAG Urteil vom 30. Oktober 1987 – 7 AZR 138/87 – RzK 5 c Nr. 24, zu IV 1 der Gründe; Senatsurteil vom 24. August 1989 – 2 AZR 653/88 –, zu II 2 b der Gründe, nicht veröffentlicht; KR-Becker, 3. Aufl., § 1 KSchG Rz 336 a).
b) Für die Tätigkeit des Klägers aus den Projektmitteln standen zunächst nur bis zum 31. Oktober 1987 Mittel zur Verfügung, die Förderung des Projekts ist sodann unstreitig zum 30. Juni 1988 eingestellt worden. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war das beklagte Land auch entschlossen, das drittmittelfinanzierte Projekt nicht – mit eigenen oder anderen Mitteln – fortzuführen.
Anhaltspunkte für ein willkürliches oder rechtsmißbräuchliches Handeln des beklagten Landes sind nicht ersichtlich. Der Kläger hat dazu rechtserheblich nichts vorgetragen. Allein sein Hinweis, er hätte nach § 53 Abs. 3 BAT nicht mehr ordentlich gekündigt werden können, wenn das beklagte Land den Kündigungstermin am 31. Dezember 1987 hätte verstreichen lassen, reicht nicht aus. Er macht selbst nicht geltend, das Projekt sei nur deshalb beendet worden, um die Kündigung noch vor dem 31. Dezember 1987 aussprechen zu können.
c) Entgegen der Annahme der Revision folgt aus § 6 des Arbeitsvertrages keine andere rechtliche Beurteilung.
Bei § 6 des Arbeitsvertrages handelt es sich um eine atypische Vertragsklausel. Bei derart in sonst typischen Verträgen enthaltenen atypischen Einzelklauseln ist die in den Tatsacheninstanzen vorgenommene Auslegung durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar; das Revisionsgericht kann – von Verfahrensrügen abgesehen – nur prüfen, ob das Berufungsgericht bei der von ihm vorgenommenen Auslegung gegen materiell-rechtliche Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verstoßen hat. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn gegen Gesetze der Logik oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstoßen worden oder wenn der Auslegungsstoff nicht vollständig verwertet worden ist (BAG in ständiger Rechtsprechung; vgl. BAGE 22, 424 = AP Nr. 33 zu § 133 BGB; BAGE 57, 1, 6, 7 = AP Nr. 2 zu § 53 BAT, zu II 2 a der Gründe). Bei Anwendung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts nicht zu beanstanden.
Richtig ist, daß der Kläger nach § 6 des Arbeitsvertrages nicht für ein bestimmtes Forschungsprojekt, sondern für eine Mehrheit von Projekten eingestellt worden ist. Daraus folgt aber nicht, der Kläger sei schon deshalb weiterzubeschäftigen, weil abstrakt Beschäftigungsmöglichkeiten im Zentrum für öffentliche Gesundheitspflege vorhanden sind. Ist aufgrund des Wegfalls von Drittmitteln ein betriebsbedingter Kündigungsgrund gegeben, so hängt die Weiterbeschäftigung davon ab, ob ein freier Arbeitsplatz vorhanden ist. Unter Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG ist eine tatsächlich vorhandene Stelle zu verstehen. § 6 des Arbeitsvertrages besagt nichts gegenteiliges. Denn es heißt dort, die Beschäftigung erfolge nur zur Durchführung drittmittelfinanzierter Projekte. Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob der Kläger lediglich die Weiterbeschäftigung auf einem drittmittelfinanzierten Arbeitsplatz verlangen kann oder ob das beklagte Land ihn auch auf einen aus eigenen Mitteln finanzierten Arbeitsplatz umsetzen muß. Jedenfalls kann der Kläger nicht fordern, daß aus einer abstrakten Beschäftigungsmöglichkeit für ihn ein Arbeitsplatz im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG geschaffen wird. Hierzu ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet (Senatsurteil vom 3. Februar 1977 – 2 AZR 476/75 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung).
2. Der weiteren Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht auf einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle weiterbeschäftigt werden können, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht gefolgt werden.
a) Eine ordentliche Kündigung ist u.a. dann nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bedingt, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in demselben Betrieb/in derselben Dienststelle auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiterbeschäftigen kann (vgl. zuletzt BAGE 55, 262, 272 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu III 2 d der Gründe).
Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ist vorhanden, wenn die Versetzung des Arbeitnehmers objektiv möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist (BAGE 30, 309 = AP Nr. 70 zu § 626 BGB; BAG Urteil vom 17. Oktober 1980 – 7 AZR 675/78 – AP Nr. 10 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, zu 3 b der Gründe, m.w.N.). Dies bedeutet zum einen, daß der Arbeitsplatz im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung tatsächlich frei sein muß oder im Verlauf der Kündigungsfrist aller Voraussicht nach frei werden wird. Zum anderen muß durch die Umsetzung eine weitere sinnvolle Zusammenarbeit ermöglicht werden. Der Arbeitnehmer muß deshalb imstande sein, aufgrund seiner vorhandenen Qualifikation oder nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen die an dem freien Arbeitsplatz gestellten Anforderungen zu erfüllen (Herschel/Löwisch, KSchG, 6. Aufl., § 1 Rz 183; vgl. auch KR-Becker, a.a.O., § 1 KSchG Rz 307).
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Ende 1987 verweigerte Zustimmung des Projektleiters Dr. P. habe der Weiterbeschäftigung des Klägers im Arbeitsbereich Sexualmedizin im Rahmen des Projekts „Psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit AIDS” entgegengestanden, obwohl dort ein freier Arbeitsplatz vorhanden war, nur im Ausgangspunkt nicht zu beanstanden.
aa) Mit dem Berufungsgericht ist davon auszugehen, daß der Leiter eines mit Drittmitteln geförderten Forschungsvorhabens nach § 37 Abs. 7 Satz 3 NHG berechtigt ist, der Versetzung eines Arbeitnehmers an das von ihm betreute Projekt die Zustimmung zu verweigern; die Hochschule ist an die Ablehnung durch den Projektleiter grundsätzlich gebunden.
Die genannte Vorschrift gewährleistet der Leitung des Projekts die freie Auswahl der Mitarbeiter. In ähnlicher Form garantieren auch § 25 Abs. 5 Satz 2 HRG und verschiedene Hochschulgesetze der Länder die Freiheit der Personalauswahl (vgl. § 98 Abs. 5 Satz 2 WissHG NRW; Art. 12 Abs. 2 Satz 3 BayHSchG). Rechtlicher Hintergrund dieser Regelungen ist daß die Mittel für Forschungsvorhaben, die ganz oder zum Teil von Dritten finanziert werden, von der Hochschule verwaltet und aus Gründen der sozialen Gleichstellung mit dem übrigen Hochschulpersonal die aus Drittmitteln vergüteten Beschäftigten von der Hochschule eingestellt werden. Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, trotz der verwaltungstechnischen Abwicklung der Drittmittel-Forschung durch die Hochschule bleibe der das Projekt betreuende Hochschullehrer Leiter des Vorhabens. Dessen Recht auf freie Auswahl der Mitarbeiter wird gewährleistet, weil für bestimmte Vorhaben oft speziell geeignete Mitarbeiter erforderlich sind. Außerdem sollen durch das Recht zur Personalauswahl Meinungsverschiedenheiten und Reibungsverluste vermieden werden (Hailbronner, Kommentar zum HRG, Stand: Juli 1989, § 25 Rz 19). Schließlich ist die Gewährleistung der Personalauswahlbefugnis als eine Reaktion darauf zu verstehen, daß es dem Projektleiter in der Regel verwehrt ist, Mitarbeiter im eigenen Namen einzustellen. Würde er als Empfänger der Drittmittel Privatarbeitsverträge abschließen, wie dies in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung der Fall wäre, so stünde ihm die freie Auswahl seiner Mitarbeiter ohne weiteres zu. Dieses Recht soll ihm nicht abgesprochen werden, nur weil die Hochschule die verwaltungstechnische Abwicklung des Projekts übernimmt.
Zu Unrecht wendet die Revision hiergegen ein, § 35 Abs. 7 Satz 3 NHG könne als landesrechtliche Vorschrift die bundesrechtliche Regelung des § 1 Abs. 2 KSchG nicht berühren. Der Vorrang des Bundesrechts mit der Folge der Nichtigkeit des Landesrechts greift nur, wenn beide Gesetzgeber denselben Gegenstand und dieselbe Rechtsfrage geregelt haben (BVerfGE 26, 116, 135; BVerfGE 36, 342, 363). An dieser Voraussetzung fehlt es. Während § 1 Abs. 2 KSchG das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft, grenzt § 37 Abs. 7 Satz 3 NHG als hochschulrechtliche Vorschrift die Befugnisse von Projektleiter und Hochschule gegeneinander ab. Von ihrer Zielsetzung her hat die zuletzt genannte Vorschrift keinen spezifisch kündigungsrechtlichen Regelungsgegenstand. Bestehen demnach gegen ihre Wirksamkeit keine Bedenken, so hat das beklagte Land die Personalauswahlbefugnis des Projektleiters auch dann zu achten, wenn es um die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers nach § 1 Abs. 2 KSchG geht.
bb) Grenzen ergeben sich aus dem allgemeinen Verbot des Rechtsmißbrauchs (vgl. BAGE 55, 262 = AP, a.a.O.). Demnach ist die Personalentscheidung durch den Projektleiter daraufhin zu überprüfen, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Eine weitere Konkretisierung dieses allgemeinen Grundsatzes folgt aus § 37 Abs. 7 Satz 3 NHG selbst: Besteht nämlich der Zweck dieser Vorschrift wie oben ausgeführt darin, dem Projektleiter die Beschäftigung speziell geeigneter Mitarbeiter zu ermöglichen, so darf dieser bei seiner Personalentscheidung ausschließlich die Eignung und fachliche Leistung als maßgebliche Beurteilungskriterien zugrunde legen. Die Beurteilung der Eignung gründet sich auf eine Vielzahl von Faktoren und deren Bewertung, insbesondere auch auf den persönlichen Eindruck. Deshalb hat der Projektleiter in eigener Verantwortung zu prüfen und zu entscheiden, ob ein Bewerber die erforderliche Qualifikation besitzt. Insoweit steht ihm ein vom Arbeitgeber und den Gerichten für Arbeitssachen nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Gerichtlich überprüfbar muß jedoch sein, ob der Projektleiter alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände erkannt, bei der Beurteilung selbst allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und keine sachfremden Erwägungen angestellt hat.
c) Nach den vorgenannten Grundsätzen kann dem Landesarbeitsgericht nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht darin gefolgt werden, die Weiterbeschäftigung des Klägers sei im Arbeitsbereich Sexualmedizin im Rahmen des Projekts „Psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit AIDS” nicht möglich gewesen.
aa) Allerdings ist die Kündigung nicht schon deshalb unwirksam, weil der Projektleiter Dr. P. die Ablehnung des Klägers Ende 1987 nicht näher begründet hat. Entscheidend ist allein, ob die Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz objektiv möglich war (BAGE 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit; BAGE 30, 309 = AP Nr. 70 zu § 626 BGB; BAGE 47, 26 = AP Nr. 8 zu § 2 KSchG 1969). Dementsprechend kommt es im Streitfall darauf an, ob die Personalentscheidung des Projektleiters objektiv nach den oben genannten Kriterien nicht zu beanstanden und deswegen für das beklagte Land hinzunehmen war.
bb) Die Annahme des Berufungsgerichts, das beklagte Land sei an die Personalentscheidung des Projektleiters gebunden gewesen, wird jedoch von seiner Begründung nicht getragen.
Der Kläger hat vorgetragen, in dem Schriftwechsel zwischen dem Kanzler der Hochschule und Prof. R. Ende 1987/Anfang 1988 habe ihm der letztere bescheinigt, daß er alle Qualifikationen für die Mitarbeit am Projekt „Psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit AIDS” besitze. Zu einem Vorstellungsgespräch bei Dr. P. sei es aber nicht gekommen; dieser habe ihn ohne genauere Prüfung seiner Eignung abgelehnt. Damit hat der Kläger substantiiert vorgetragen, der Projektleiter habe die Grenzen seines Beurteilungsspielraums nicht beachtet. Zu einem weitergehenden Sachvortrag war er nicht imstande, weil ihm die Gründe für seine Ablehnung nicht bekannt waren. Das beklagte Land hat hierzu lediglich ausgeführt, für die Mitarbeit an dem Projekt sei die Qualifikation als Diplom-Psychologe oder Diplom-Soziologe erforderlich gewesen, die der Kläger nicht aufweise. Daraus folgt aber noch nicht, daß die Personalentscheidung des Projektleiters gerechtfertigt war. Auch wenn dieser ein bestimmtes Anforderungsprofil für einen Arbeitsplatz aufgestellt hat, so genügt nicht die Behauptung, der Kläger erfülle die Qualifikationsmerkmale nicht. Denn ohne eine Erläuterung, weshalb (er Arbeitnehmer ein bestimmtes Anforderungsprofil aufweisen muß, ist nicht nachvollziehbar, ob die Personalentscheidung entsprechend dem Zweck des § 37 Abs. 7 Satz 3 NHG erfolgt ist. Das Landesarbeitsgericht hätte deshalb Feststellungen dazu treffen müssen, aus welchem Grund die Qualifikation als Diplom-Psychologe oder Diplom-Soziologe für die Mitarbeit an dem Projekt erforderlich war.
Das Landesarbeitsgericht durfte die Überprüfung der Ende 1987 erfolgten Personalentscheidung des Projektleiters auch nicht deshalb unterlassen, weil dieser im Februar 1989 ein längeres Vorstellungsgespräch mit dem Kläger führte und anschließend mit umfangreicher Begründung dessen Beschäftigung ablehnte. Der Annahme des Berufungsgerichts, daraus müsse geschlossen werden, Dr. P. hätte den Kläger Ende 1987 auch bei genauer Prüfung seiner Eignung abgelehnt, kann nicht gefolgt werden. Das im Februar 1989 geführte Gespräch hatte den Zweck, die Eignung des Klägers für eine Mitarbeit am Projekt „Kohortenstudie Sexuelles Handeln …” zu prüfen. Diese Beurteilung beschränkte sich auf das genannte Projekt. Aus ihr kann nicht gefolgert werden, der Kläger sei auch für das Projekt „Psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit AIDS” ungeeignet gewesen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn das Landesarbeitsgericht festgestellt hätte, die Anforderungsprofile für beide Projekte seien vergleichbar gewesen. An solchen Feststellungen fehlt es jedoch.
Das Landesarbeitsgericht wird daher noch zu prüfen haben, ob die Weigerung von Dr. P., den Kläger nicht am Projekt „Psychosoziale Beratung im Zusammenhang mit AIDS” mitarbeiten zu lassen, von sachlichen Erwägungen getragen war.
3. Der vorgenannten Prüfungen bedarf es, weil die Kündigung nicht bereits gemäß § 115 Abs. 2 Ziff. 12 NHG unwirksam ist. Die Auffassung des Klägers, nach dieser Vorschrift bedürfe eine beabsichtigte Kündigung der Zustimmung des medizinischen Zentrums mit der Folge der Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn die Zustimmung nicht eingeholt werde, findet schon im Wortlaut dieser Vorschrift keine Stütze.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Dr. Ascheid, Nipperdey, Roeder
Fundstellen