Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung nach Altersteilzeitarbeitsverhältnisses
Orientierungssatz
- Unterfällt das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers sowohl dem Geltungsbereich eines Verbandstarifvertrages als auch dem eines Firmentarifvertrages, so ist diese Tarifkonkurrenz dahin gehend zu lösen, dass der Firmentarifvertrag als der speziellere Tarifvertrag dem Verbandstarifvertrag vorgeht.
- Lässt der Firmentarifvertrag, der Arbeitsentgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen regelt, keine ergänzenden Regelungen zu, so entfaltet er gegenüber den Betriebsparteien die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG. Eine Betriebsvereinbarung, mit der die Betriebsparteien gegen § 77 Abs. 3 BetrVG verstoßen, ist unwirksam.
Normenkette
BetrVG § 77 Abs. 3; TVG § 4 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 11. Mai 2004 – 1 Sa 271/03 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer Abfindung nach Beendigung ihres Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
Der im November 1942 geborene Kläger war seit April 1968 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der STN ATLAS Elektronik GmbH, als Monteur beschäftigt. Am 18. November 1997 vereinbarten die Parteien einen “Altersteilzeitvertrag”, der auszugsweise wie folgt lautet:
Ҥ 1
Beginn der Altersteilzeit
(1) Ab dem 01.01.1998 wird das Arbeitsverhältnis, das durch den bestehenden Arbeitsvertrag begründet wurde, in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis umgewandelt.
…
§ 2
Arbeitszeit
…
(2) In der Zeit vom 01.01.1998 bis zum 30.06.2000 (Arbeitsphase) arbeitet der/die Arbeitnehmer/in Vollzeit. In der Zeit vom 01.07.2000 bis zum 31.12.2002 (Freistellungsphase) arbeitet der/die Arbeitnehmer/in nicht.
…
§ 8
Ende des Arbeitsverhältnisses/Vertragsänderungen
(1) Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung am 31.12.2002.
(2) Der/die Mitarbeiter/in erhält mit Austritt eine Abfindungssumme in Höhe eines Vollzeit-Bruttomonatsentgelts.
…”
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hatte am 24. November 1997 mit der IG Metall, Bezirksleitung Hamburg, Bezirk Küste sowie der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, Bundesvorstand Hamburg, einen Firmentarifvertrag über Altersteilzeit (FirmenTV) vereinbart.
Dieser enthält ua. folgende Bestimmungen:
“1. Mitarbeiter/innen, die im Rahmen der GBR-Vereinbarung Nr. 23 in die Altersteilzeit gehen, erhalten 82 % des monatlichen Nettogehaltes für die Laufzeit des Altersteilzeitvertrages. Bei der Mindestentgeltberechnung wird zur Berechnung ausschließlich die Steuerklasse herangezogen. Dieser Betrag muß mindestens dem im noch abzuschließenden Tarifvertrag zur Altersteilzeit im Tarifgebiet Küste bzw. dem aus dem Altersteilzeitgesetz entsprechen. Die Rentenversicherungsbeiträge werden auf 100 % aufgestockt, maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Als Berechnungsgrundlage für die 100 % Beiträge zur Rentenversicherung wird das Vollzeitarbeitsentgelt herangezogen, das die tariflichen Einmalzahlungen einschließt. Die Laufzeit der Altersteilzeit beträgt im Minimum 3 Jahre und Maximum 5 Jahre. Die Mitarbeiter/innen sind gehalten, den frühestmöglichen Rentenbeginn in Anspruch zu nehmen.
Die Altersteilzeit beginnt am 01.01.1998.
Der/die betroffene Mitarbeiter/in hat längstens bis zum 27.11.1997 die Möglichkeit, diesen Vertrag zu unterschreiben.
2. Die während der Gesamtdauer der Altersteilzeit zu erbringende Arbeitszeit wird so verteilt, daß sie vollständig im ersten Abschnitt der Altersteilzeitarbeit geleistet wird (Arbeitsblock) und der/die Mitarbeiter/in anschließend von der Arbeitsleistung freigestellt Ruheblock) wird.
…
6. Der/die Beschäftigte erhält mit Austritt eine Abfindungssumme in Höhe eines Vollzeitbruttomonatsentgelts. Beschäftigte, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres ausscheiden, erhalten zusätzlich ein weiteres Vollzeitbruttomonatsentgelt als Abfindungszahlung. Diese zusätzliche Abfindungszahlung vermindert sich für jeden vollen Monat des Ausscheidens nach dem vollendeten 60. Lebensjahr um 1/6.
7. Die vertragsschließenden Parteien sind sich einig, daß diese Regelung nur für die in der Anlage 1 aufgeführten Personen Gültigkeit hat und nur für diejenigen Arbeitnehmer/innen gilt, bei denen die Voraussetzungen für einen vorzeitigen Rentenbezug vorliegen.
…”
Der Kläger ist in der Anlage 1 zu diesem FirmenTV aufgeführt.
Am 18. Mai 2000 schloss die Beklagte mit ihrem Gesamtbetriebsrat die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 ab. In dieser heißt es ua.:
Ҥ 1
Geltungsbereich
Der persönliche Geltungsbereich erstreckt sich auf alle Arbeitnehmer der STN Atlas Marine Electronics und der EMG Euromarine Electronics, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages Hamburg/Schleswig-Holstein/Unterwesergebiet/Nordwestliches Niedersachsen der Metall- und Elektro-Industrie fallen sowie die außertariflichen Angestellten ausschließlich der leitenden Angestellten iSv. § 5 Abs. 3 BetrVG und die die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllen.
§ 2
Rahmenbedingungen
1. Altersteilzeit i.S. dieser Vereinbarung kommt grundsätzlich für alle Mitarbeiter in Betracht, die unter den persönlichen Geltungsbereich nach § 1 fallen und
• das 55., aber noch nicht das 61. Lebensjahr vollendet haben und
• in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1.080 Kalendertage bei STN Atlas Marine Electronics und EMG Euromarine Electronics beitragspflichtig vollzeitbeschäftigt (einschließlich Vordienstzeiten) nach dem SGB III waren.
…
§ 11
Abfindung
Endet das Altersteilzeitverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres, so erhält der Arbeitnehmer für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung. Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag von 500,00 DM, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate – höchstens mit 48 Kalendermonaten – multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Arbeitnehmer Anspruch auf eine ungeminderte Altersrente gehabt hätte, liegen.
…
§ 14
Schlußbestimmungen
1. Diese Gesamtbetriebsvereinbarung tritt am 01.07.2000 in Kraft und kann mit einer Frist von 3 Monaten zum Monatsende, erstmals zum 31.07.2001, gekündigt werden und entfaltet keine Nachwirkung.
2. Unter den Geltungsbereich dieser Gesamtbetriebsvereinbarung fallende und bereits vereinbarte Altersteilzeitarbeitsverhältnisse werden nach Außerkrafttreten dieser Gesamtbetriebsvereinbarung weiter nach den Bestimmungen des Altersteilzeittarifvertrages der Metall- und Elektro-Industrie Hamburg/Schl.-Holst./Unterwesergebiet/Nordwestliches Niedersachsen und dieser Gesamtbetriebsvereinbarung abgewickelt.
3. Ändern sich während der Laufzeit dieser Gesamtbetriebsvereinbarung die Bestimmungen des Altersteilzeitgesetzes oder -tarifvertrages, kann eine ggf. erforderliche Anpassung dieser Gesamtbetriebsvereinbarung zwischen den Betriebsparteien auch ohne vorherige Kündigung vereinbart werden.
4. Soweit einzelne Bestimmungen dieser Gesamtbetriebsvereinbarung nichtig sein sollten, so wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen davon nicht berührt. Die Betriebsparteien verpflichten sich, die ungültige Bestimmung durch eine Regelung zu ersetzen, die im Hinblick auf Sinn und Zweck dieser Gesamtbetriebsvereinbarung wirtschaftlich sinnvoll ist.”
Seit dem 1. Januar 1998 unterfällt die Beklagte dem Geltungsbereich des Tarifvertrages über Altersteilzeit vom 29. Juni 1998, der zuletzt durch den Tarifvertrag über Altersteilzeit für die Metallindustrie im Bezirk Küste vom 23. Februar 2001 (in Kraft ab 1. März 2001) ersetzt wurde.
Am 20. April 2000 wurde der sog. Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke (In-Kraft-Treten am 1. Mai 2000) vereinbart, unter dessen Geltungsbereich die Beklagte ebenfalls fällt.
Beide Verbandstarifverträge enthalten besondere Bestimmungen über Abfindungszahlungen bei Beendigung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
§ 9 des Tarifvertrages über Altersteilzeit für die Metallindustrie im Bezirk Küste vom 23. Februar 2001 lautet:
“Abfindung
Endet das Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Vollendung des 60. und vor Vollendung des 63. Lebensjahres des Beschäftigten, erhält dieser für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung im Sinne des § 3 Ziff. 9 EStG und der §§ 9 und 10 KSchG nach folgender Regelung:
Die Abfindung beträgt bei einem Ausscheiden mit 60 Jahren das 3fache des bisherigen Bruttomonatsentgeltes. Sie vermindert sich für jeden vollen Monat des Ausscheidens nach dem vollendeten 60. Lebensjahr um 1/36.
Die Höhe des bisherigen Bruttomonatsentgeltes ist auf die jeweilige Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung begrenzt.”
§ 6 des Tarifvertrages zur Beschäftigungsbrücke vom 20. April 2000 hat folgenden Wortlaut:
“Abfindung
Der Beschäftigte erhält am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung.
Die Abfindung errechnet sich aus einem Betrag, der mit der Zahl der vollen Kalendermonate – höchstens mit 48 Kalendermonaten – multipliziert wird, die zwischen der Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses und dem Zeitpunkt, an dem der Beschäftigte Anspruch auf ungeminderte Altersrente gehabt hätte (spätestens dem Zeitpunkt der Vollendung des 65. Lebensjahres), liegen.
Der Betrag beträgt 450 DM (230,08 EURO)/Monat für vor der Altersteilzeit in Vollzeit Beschäftigte.
Der Betrag ist bei Teilzeitarbeit vor der Altersteilzeit entsprechend dem Verhältnis der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 2 Altersteilzeitgesetz zur tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit nach § 3 Nr. 1.1 Manteltarifvertrag zu reduzieren.”
Der Kläger hatte bereits vor der Beendigung seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2002 mit Schreiben vom 3. Dezember 2002 die Zahlung einer Abfindung geltend gemacht. Er vertrat die Auffassung, ihm stehe auf Grund seines Altersteilzeitvertrages eine Abfindung in Höhe eines Vollzeitbruttomonatsentgelts und gemäß dem FirmenTV vom 24. November 1997 zusätzlich eine Abfindung in Höhe eines Bruttomonatsentgelts zu. Darüber hinaus verlangte er gem. der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 vom 18. Mai 2000 eine zusätzliche Abfindung in Höhe von 12.271,01 Euro (= 48 × 500,00 DM = 24.000,00 DM).
Am 10. Dezember 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ihm stehe auf Grund des FirmenTV vom 24. November 1997 lediglich ein Abfindungsanspruch in Höhe eines Vollzeit-Bruttomonatsgehalts in Höhe von 3.114,46 Euro und eines 5/6 Vollzeit-Bruttomonatsgehalts in Höhe von 2.595,38 Euro zu. Auf die geforderte Abfindung nach der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 habe er keinen Anspruch, da diese Gesamtbetriebsvereinbarung vom 18. Mai 2000 nur Altersteilzeitverträge erfasse, die nach diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden seien.
Diesen Gesamtbetrag von 5.709,84 Euro brutto zahlte die Beklagte dem Kläger aus.
Der Kläger meint, er unterfalle dem Geltungsbereich der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 vom 18. Mai 2000 und hat den in dieser Vereinbarung vorgesehenen Abfindungsanspruch in Höhe von 12.271,01 Euro brutto nebst Zinsen mit seiner Klage vor dem Arbeitsgericht geltend gemacht.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe von 6.561,17 Euro brutto nebst Zinsen stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, weil der bereits von der Beklagten ausbezahlte Abfindungsbetrag in Höhe von 5.709,84 Euro brutto in Abzug zu bringen sei.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage in vollem Umfange abgewiesen und die Revision zugelassen. Mit der Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Ihm steht der geltend gemachte Abfindungsbetrag nicht zu.
I. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.
Eine Auslegung der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 vom 18. Mai 2000 ergebe, dass der Kläger nicht unter deren Geltungsbereich falle, weil er sein Altersteilzeitarbeitsverhältnis bereits am 18. November 1997 vereinbart habe. Deshalb könne dahinstehen, ob diese Gesamtbetriebsvereinbarung mit Rücksicht auf den im Betrieb der Beklagten ebenfalls gültigen Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke wegen des Tarifvorbehalts in § 77 Abs. 3 BetrVG überhaupt wirksam sei. Dieser Tarifvertrag sei für den geltend gemachten Anspruch unerheblich, weil er lediglich bestimme, dass der Beschäftigte am Ende seines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalte. Hieraus ergebe sich nichts zu den Voraussetzungen und zur Höhe der Zahlung. Im Übrigen stehe im Vorspruch zur Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7, dass diese “abweichend von der Beschäftigungsbrücke” für ein Jahr abgeschlossen werde.
Das ist zwar im Ergebnis richtig, nicht jedoch in der Begründung.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat weder auf Grund der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 vom 18. Mai 2000 noch auf Grund tariflicher Regelungen einen Abfindungsanspruch, der über den durch die Beklagte bereits erfüllten Anspruch in Höhe von 5.709,84 Euro brutto aus dem FirmenTV vom 24. November 1997 hinausgeht.
1. Nach § 8 des Altersteilzeitvertrages vom 18. November 1997 steht dem Kläger bei seinem Austritt am 31. Dezember 2002 nur eine Abfindung in Höhe eines Vollzeit-Bruttomonatsentgelts zu. Dieses hat die Beklagte – vom Kläger nicht bestritten – mit 3.114,46 Euro brutto errechnet. Grundlage dieses Altersteilzeitvertrages war der zwischen der Rechtsvorgängerin der Beklagten und der IG Metall, Bezirksleitung Hamburg, Bezirk Küste sowie der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, Bundesvorstand Hamburg, am 24. November 1997 geschlossene FirmenTV.
Die Ansprüche des Klägers richten sich nach diesem Firmentarifvertrag, da dieser nach § 4 Abs. 3 TVG zulässigerweise zu seinen Gunsten von den Vereinbarungen im Altersteilzeitvertrag abweicht.
2. Unstreitig finden auf das Arbeitsverhältnis auf Grund beiderseitiger Verbandszugehörigkeit neben diesem Firmentarifvertrag auch die Verbandstarifverträge für die Metall- und Elektroindustrie der IG Metall, Tarifbereich Küste, Anwendung. Damit gelten für das Arbeitsverhältnis sowohl der Tarifvertrag über Altersteilzeit vom 29. Juni 1998 in der jeweils gültigen Fassung als auch der Tarifvertrag zur Beschäftigungsbrücke vom 20. April 2000 in der jeweils gültigen Fassung.
Dieser Fall der sog. Tarifkonkurrenz ist dahin gehend zu lösen, dass der Firmentarifvertrag über Altersteilzeit vom 24. November 1997 den Verbandstarifverträgen über Altersteilzeit als der speziellere Tarifvertrag vorgeht.
a) Dieser FirmenTV enthält weder eine Vereinbarung über seine Geltungsdauer noch Regelungen über seine Kündbarkeit.
Da er von den Tarifvertragsparteien nicht gekündigt wurde, wozu sie auch ohne ausdrücklich vereinbarte Kündigungsmöglichkeit grundsätzlich berechtigt gewesen wären (BAG 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79 – BAGE 40, 327 zur ordentlichen Kündigung und 18. Februar 1998 – 4 AZR 363/96 – BAGE 88, 81 zur außerordentlichen Kündigung), bestand er bis zum Ausscheiden des Klägers fort.
b) Die Tarifvertragsparteien haben die Regelungen des FirmenTV auch nicht mit denen der künftigen Verbandstarifverträge über Altersteilzeit verknüpft. Vielmehr wollten sie eigenständige Regelungen für einen bestimmten Personenkreis, zu dem auch der Kläger gehört, treffen. Dies ergibt eine sachgerechte Tarifauslegung.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt nach ständiger Rechtsprechung den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei einem nicht eindeutigen Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und der Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien, wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des BAG, vgl. 29. August 2001 – 4 AZR 337/00 – BAGE 99, 24).
Aus dem Wortlaut der Nr. 1 Satz 3 des FirmenTV ergibt sich, dass sich die Tarifvertragsparteien beim Abschluss des Tarifvertrages bewusst waren, dass der Abschluss eines Verbandstarifvertrages über Altersteilzeit für ihren Tarifbereich (Tarifgebiet Küste) bevorstand. Anders kann die Regelung, dass der Mindestentgeltbetrag, welcher den in Altersteilzeit befindlichen Arbeitnehmern zusteht, “mindestens dem im noch abzuschließenden Tarifvertrag zur Altersteilzeit im Tarifgebiet Küste bzw. dem aus dem Altersteilzeitgesetz entsprechen” müsse, nicht verstanden werden.
Im Gegensatz dazu fehlt jedoch eine entsprechende Bezugnahme auf den künftigen Verbandstarifvertrag bezüglich der Höhe der im FirmenTV geregelten Abfindung bei Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
c) In Kenntnis dieses bevorstehenden Tarifabschlusses auf Verbandsebene haben die Tarifvertragsparteien des FirmenTV diese künftigen Verbandstarifverträge weder in ihrer Gesamtheit in Bezug genommenen noch eine Regelung vereinbart, dass die Laufzeit oder die Kündbarkeit des FirmenTV in irgendeiner Weise vom In-Kraft-Treten eines Verbandstarifvertrages zur Altersteilzeit abhängen solle.
d) Auch die übrigen Bestimmungen des FirmenTV stellen sich als eigenständige, auf Dauer gerichtete Regelungen zur Ausgestaltung der Altersteilzeitarbeitsverhältnisse der unter diesen Tarifvertrag fallenden Arbeitnehmer dar. Dies wird dadurch deutlich, dass Nr. 5 des FirmenTV bestimmt, dass das Altersteilzeitentgelt während des Arbeitsblocks an der allgemeinen tariflichen Entwicklung teilnimmt und während des Ruheblocks nur zu 60 % an der allgemeinen tariflichen Entwicklung teilnehmen soll.
Die Regelung in Nr. 4 des FirmenTV, dass während des Arbeitsblocks Anspruch auf 100 % des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der tariflich abgesicherten betrieblichen Sonderzahlung besteht und in der Zeit des Ruheblocks ein solcher Anspruch nicht besteht, zeigt, dass der FirmenTV die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse der von seinem Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmer für die gesamte Dauer der Altersteilzeit regeln wollte.
e) Auch folgt aus der in Nr. 6 des FirmenTV getroffenen Regelung über die Zahlung einer Abfindung beim Austritt eines Beschäftigten, dass die Tarifvertragsparteien die Altersteilzeitarbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer bis zu deren Ausscheiden aus dem Unternehmen abschließend regeln wollten.
f) Dass von den Normen des FirmenTV nur ein beschränkter Personenkreis betroffen ist, nämlich nur diejenigen Arbeitnehmer, die in der Anlage 1 zum Tarifvertrag aufgeführt sind und bis zum 27. November 1997 von der Möglichkeit eines Altersteilzeitvertrags Gebrauch gemacht haben, zeigt ebenfalls, dass für diese Arbeitnehmer durch den Firmentarifvertrag eine abschließende Regelung getroffen werden sollte.
g) Der FirmenTV vom 24. November 1997 erfasst – was zwischen den Parteien unstreitig ist – auch das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers, obwohl dieses bereits mit Altersteilzeitvertrag vom 18. November 1997 begründet worden war.
Dieser Altersteilzeitvertrag entspricht dem Mustervertrag, welcher der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 23 vom 17. November 1997 für die Begründung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses als Anlage 3 beigefügt ist. Damit wird das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers von dem FirmenTV vom 24. November 1997 erfasst, da dieser “im Rahmen der” Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 23 in die Altersteilzeit gegangen ist, was nach Nr. 1 des FirmenTV zur Anwendbarkeit dieses Tarifvertrages führt. Eine solche unechte Rückwirkung des Tarifvertrages, die an einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand anknüpft und die Rechtsfolgen für die Gegenwart und Zukunft regelt, ist grundsätzlich zulässig (vgl. ErfK/Schaub 5. Aufl. § 4 TVG Rn. 27).
h) Der FirmenTV ist gegenüber den Verbandstarifverträgen unter deren Geltungsbereich das Altersteilzeitarbeitsverhältnis des Klägers ebenfalls fällt, der speziellere. Der Eigenart und den besonderen Bedürfnissen der einzelnen Betriebe und ihrer Arbeitnehmer wird am besten Rechnung getragen, wenn der diesem Betrieb räumlich, betrieblich, fachlich und persönlich am nächsten stehende Tarifvertrag angewandt wird. Dies hat zur Folge, dass ein Firmentarifvertrag als eine speziellere Regelung einem Verbandstarifvertrag vorgeht (BAG 16. Mai 2001 – 10 AZR 357/00 – EzA TVG § 3 Nr. 23; 4. April 2001 – 4 AZR 237/00 – BAGE 97, 263).
i) Damit hat der Kläger auf Grund der Abfindungsregelung in Nr. 6 des FirmenTV Anspruch auf ein Vollzeit-Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.114,46 Euro und zusätzlich auf 5/6 eines solchen in Höhe von 2.595,38 Euro.
3. Ein darüber hinausgehender Abfindungsanspruch könnte sich nur aus der Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 vom 18. Mai 2000 ergeben. Ein derartiger Anspruch steht dem Kläger aber nicht zu.
Da für ihn durch den FirmenTV vom 24. November 1997 eine tarifliche Regelung besteht, greift die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mit der Folge ein, dass die Betriebsvereinbarung insoweit unwirksam ist. Nach § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein, es sei denn der Tarifvertrag lässt den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zu, § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. So ist es hier nicht. Der FirmenTV erlaubt keine ergänzenden Betriebsvereinbarungen.
Arbeitsbedingungen sind dann durch Tarifvertrag geregelt, wenn über sie ein Tarifvertrag abgeschlossen ist und der Betrieb in den räumlichen, betrieblichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich fällt. Auch Firmentarifverträge, wie der hier abgeschlossene FirmenTV, führen zu dieser Sperrwirkung (BAG 21. Januar 2003 – 1 ABR 9/02 – AP BetrVG 1972 § 21a Nr. 1 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 3).
Da der FirmenTV sich nur auf einen bestimmten Arbeitnehmerkreis bezieht und er deshalb nur einen beschränkten Geltungsbereich hat, betrifft die Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auch nur diese Arbeitnehmer. Dies hat zur Folge, dass die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 7 vom 18. Mai 2000 nur auf alle anderen, nicht vom FirmenTV erfasste Personengruppen Anwendung finden kann (BAG 22. Januar 1980 – 1 ABR 48/77 – BAGE 32, 350; Fitting 22. Aufl. § 77 Rn. 75; Kreutz GK-BetrVG 7. Aufl. § 77 Rn. 98, 108; Richardi BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 265; DKK-Brg BetrVG 9. Aufl. § 77 Rn. 64).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Düwell, Reinecke, Böck, Fr. Holze, Schwarz
Fundstellen
Haufe-Index 1459738 |
DB 2006, 680 |
FA 2006, 95 |
NZA 2006, 456 |
ZTR 2006, 253 |
EzA-SD 2005, 16 |
EzA |
NJOZ 2006, 1522 |