Entscheidungsstichwort (Thema)
Dienstordnungs-Angestellte. Freistellung zum Zwecke der Weiterbildung
Leitsatz (amtlich)
Regelt ein als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts geführter Sozialversicherungsträger aufgrund bundesgesetzlicher Ermächtigung die Freistellungsansprüche seiner Dienstordnungs-Angestellten für Weiterbildungszwecke abschließend durch eine Dienstordnung, die auf die für Bundesbeamte geltende Sonderurlaubsverordnung verweist, so verdrängt dieses bundesrechtliche Satzungsrecht die dazu im Widerspruch stehende landesgesetzliche Regelung.
Normenkette
AWbG NW §§ 1, 2 S. 1; BGB § 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 S. 2, § 362 Abs. 1; Dienstordnung der Krankenkasse der Rheinischen Landwirtschaft § 3 Abs. 1; EUrlV § 2 Abs. 1; GG Art. 31, 87 Abs. 2, Art. 100 Abs. 1; SGB IV § 29 Abs. 3, § 90 Abs. 1; SUrlV §§ 7-10; RVO § 690; Zweites Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte § 58
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 21.03.1991; Aktenzeichen 13 Sa 1342/90) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 10.08.1990; Aktenzeichen 3 Ca 2136/90) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. März 1991 – 13 Sa 1342/90 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger im Zusammenhang mit der Teilnahme an einer Bildungsveranstaltung in Frankreich noch neun Tage Erholungsurlaub oder hilfsweise zehn Tage Weiterbildungsurlaub nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (AWbG) zu gewähren sind.
Die Beklagte ist Trägerin der Krankenversicherung für Landwirte in dem rheinischen Teil der Länder Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Der seit mehreren Jahren in der Düsseldorfer Dienststelle der Beklagten beschäftigte Kläger ist Dienstordnungs-Angestellter und Mitglied des Personalrats. Nach § 3 der von der Vertreterversammlung der Beklagten am 19. Mai 1976 und von dem Bundesversicherungsamt am 2. Juli 1976 genehmigten Dienstordnung gelten für die Rechtsverhältnisse der Angestellten die jeweiligen Vorschriften für Bundesbeamte entsprechend, soweit nicht die Dienstordnung selbst oder besondere gesetzliche Vorschriften etwas anderes bestimmen.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 27. Januar 1989 Bildungsurlaub nach dem AWbG vom 27. März bis 8. April 1989, um zusammen mit seiner gesamten Familie an einer Bildungsveranstaltung in Frankreich mit dem Titel “Frankreich – Sprache und Politik” teilnehmen zu können. Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 1. März 1989 die Gewährung von Bildungsurlaub abgelehnt hatte, bewilligte sie ihm auf seinen weiteren Antrag hin neun Tage Erholungsurlaub, die er für die Teilnahme an der Veranstaltung genutzt hat.
Nach Besuch der Veranstaltung hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger aus seinem Urlaubsanspruch für das Jahr 1989 noch neun Urlaubstage zu gewähren,
hilfsweise,
festzustellen, daß dem Kläger noch Anspruch auf Weiterbildungsurlaub nach dem AWbG NW für die Jahre 1988 und 1989 in Höhe von zehn Tagen zusteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, auf den Kläger als Dienstordnungs-Angestellten finde das AWbG keine Anwendung. Zudem diene die Veranstaltung nicht der beruflichen und politischen Weiterbildung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klageziel weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A. Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Dem Kläger stehen weder aus dem Urlaubsjahr 1989 neun Tage Resturlaub noch für die Jahre 1988 und 1989 zehn Tage Weiterbildungsurlaub zu.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf neun Tage restlichen Erholungsurlaub für das Jahr 1989.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung ausgeführt, das Seminar “Frankreich – Sprache und Politik” genüge nicht den gesetzlichen Voraussetzungen nach § 1 Abs. 2 AWbG; deshalb sei die Zeit für den Besuch der Bildungsveranstaltung als Erholungs-Urlaub in Ansatz zu bringen.
2. Dem kann nur im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung gefolgt werden.
a) Da die Beklagte bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, sind auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Verweisung in § 3 Abs. 1 ihrer Dienstordnung die Vorschriften der aufgrund des § 80 Nr. 3 und des § 89 Abs. 1 BBG erlassenen Verordnung über den Erholungsurlaub der Bundesbeamten und Richter im Bundesdienst (EUrlV) als Sonderrecht für die der Dienstordnung unterstehenden Angestellten anzuwenden (vgl. BAGE 9, 79, 80 f. = AP Nr. 11 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte).
b) Der vertraglich begründete Anspruch des Klägers auf Urlaub nach der EUrlV ist für das Urlaubsjahr 1989 erloschen; denn die Beklagte hat diesen Anspruch auf neun Arbeitstage Urlaub erfüllt.
Nach § 362 Abs. 1 BGB ist zur Erfüllung einer Verbindlichkeit nur erforderlich, daß die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Die Erfüllungswirkung tritt regelmäßig mit der Leistungsbewirkung ein, ohne daß weitere Umstände hinzutreten müßten (Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 240/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Im Streitfall hat die Beklagte entsprechend dem Antrag des Klägers für die Zeit vom 27. März bis 8. April 1989 Erholungsurlaub erteilt (§ 2 Abs. 1 EUrlV). Mit der Urlaubsgewährung und der Freistellung des Klägers von der Arbeitspflicht an diesen Arbeitstagen ist der Urlaubsanspruch in diesem Umfang erfüllt und insoweit erloschen.
c) Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Parteien eine rechtsgeschäftliche Sondervereinbarung mit dem Inhalt abgeschlossen haben, im Falle einer gerichtlichen Feststellung, daß der Kläger eine anerkannte Arbeitnehmerweiterbildungsveranstaltung besucht hat, ihm über den Rahmen der Erholungsurlaubsverordnung hinaus neun weitere Tage Erholungsurlaub zu gewähren (vgl. Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 240/90 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
II. Der auf das Bestehen von Weiterbildungsansprüchen aus den Jahren 1988 und 1989 gerichtete Feststellungsantrag ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO), aber unbegründet.
1. Ansprüche auf Freistellungen nach dem AWbG durch den Arbeitgeber für die Kalenderjahre 1988 und 1989 waren jedenfalls bereits bei Schluß der mündlichen Verhandlung in beiden Vorinstanzen erloschen, wenn davon ausgegangen wird, daß dem Kläger überhaupt ein Anspruch nach § 2 AWbG zustehen kann. Der gesetzlich bedingte Anspruch auf Freistellung eines Arbeitnehmers von der Arbeit zum Zwecke der beruflichen und der politischen Weiterbildung (§ 1 Abs. 1 AWbG) ist auf das laufende Kalenderjahr befristet (vgl. Senatsurteile vom 11. Mai 1993 – 9 AZR 231/89 –, EzA § 7 AWbG NW Nr. 9, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen und 15. Juni 1993 – 9 AZR 411/89 – DB 1993, 2236). In dem hier vorliegenden Fall der Verbindung zweier Kalenderjahre durch Zusammenfassung nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AWbG (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 1993 – 9 AZR 126/89 – EzA § 3 AWbG NW Nr. 1), verfällt der zusammengefaßte Anspruch mit Ablauf des zweiten Jahres. Stichtag war hier der 31. Dezember 1989.
2. Der Beklagte ist auch nicht verpflichtet, dem Kläger zur Entschädigung für die untergegangenen Weiterbildungsansprüche der Jahre 1988 und 1989 ersatzweise zehn Tage von der Arbeit freizustellen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 65/90 – BB 1993, 2158, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen und – 9 AZR 411/89 –, aaO; sowie vom 24. August 1993 – 9 AZR 240/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen) setzt ein Schadenersatzanspruch voraus, daß der Arbeitgeber sich zu Unrecht geweigert hatte, die Freistellung nach dem AWbG zu gewähren, und so vor Untergang des darauf gerichteten Anspruchs in Verzug geraten war (§ 284 Abs. 1, § 286 Abs. 1, § 287 Satz 2 BGB). Für die Teilnahme an der vom Kläger besuchten Veranstaltung “Frankreich – Sprache und Politik” in der Zeit vom 27. März bis 8. April 1989 kam aber ein gesetzlicher Freistellungsanspruch nach § 1 Abs. 1 AWbG nicht in Betracht, weil der Kläger als Dienstordnungs-Angestellter einer bundesunmittelbaren Körperschaft weder zu dem Kreis der anspruchsberechtigten Angestellten im Sinne des § 2 Satz 1 AWbG gehört, noch diese Veranstaltung der beruflichen und der politischen Weiterbildung diente (§ 1 Abs. 2 AWbG).
a) Zwar ist der Kläger als in Düsseldorf beschäftigter Angestellter nach dem Wortlaut des § 2 Satz 1 AWbG anspruchberechtigt, diese landesgesetzliche Norm wird jedoch durch die Dienstordnung der Beklagten verdrängt. Die Dienstordnung der Beklagten ist nämlich als Bestandteil des Bundesrechts nach Art. 31 GG gegenüber dem landesrechtlichen AWbG vorrangig.
aa) Die Dienstordnung der Beklagten ist Bestandteil des Bundesrechts.
Bundesrecht im Sinne von Art. 31 GG sind alle von Bundesorganen aufgestellten Rechtssätze (BK-GG – Bernhardt, Zweitbearbeitung, Stand Juli 1993, Art. 31 Rz 11; Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, 7. Aufl., Art. 31 Rz 4; Stern, Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. 1, 19 III 7, S. 724; Maunz/Dürig, GG, Stand Dezember 1992, Art. 31 Rz 8). Davon geht auch die Rechtsprechung des BAG aus (vgl. BAGE 58, 138, 155 = AP Nr. 101 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, zu B II 3d aa der Gründe).
Unerheblich ist, welcher Rang dem betreffenden Rechtssatz zukommt. Mit dieser Auffassung setzt sich der Senat nicht in Widerspruch zu dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Dezember 1987 – 6 AZR 747/85 – (AP Nr. 65 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte, zu II 2 der Gründe). Die Ausführungen in dieser Entscheidung sind mißverständlich formuliert, wenn dort unter Heranziehung einer BSG-Entscheidung ohne jede Einschränkung wiedergegeben wird, Landesgesetze gingen dem Satzungsrecht vor. In dem in jener Entscheidung zitierten Urteil des Bundesozialgerichts (BSGE 55, 67, 74) wird ausdrücklich klargestellt, daß Landesgesetze nur gegenüber dem Satzungsrecht landesunmittelbarer Körperschaften vorrangig sind. Bei Satzungsrecht juristischer Personen des öffentlichen Rechts kommt es daher entscheidend darauf an, ob sie organisatorisch dem Bund oder einem Land zugehören (BK-GG – Bernhardt, aaO, Art. 31 Rz 18; Maunz/Dürig, GG, aaO, Art. 31 Rz 9).
Die Dienstordnung der Beklagten zählt zum Bundesrecht, weil nach Art. 87 Abs. 2 GG die sozialen Versicherungsträger, deren räumlicher Zuständigkeitsbereich sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt, als bundesunmittelbare Körperschaften des öffentlichen Rechts geführt werden. Die Beklagte ist als Träger der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung (vgl. § 166 SGB V i.V.m. § 17 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte) mit Zuständigkeiten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts. Nach § 90 Abs. 1 SGB IV führt das Bundesversicherungsamt die Aufsicht.
bb) Die Dienstordnung der Beklagten verstößt als sekundäre Rechtsquelle nicht gegen höherrangiges Gesetzesrecht des Bundes.
Die Beklagte ist durch bundesgesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 58 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte i.V.m. § 690 RVO zu einer autonomen Regelung der Rechtsverhältnisse ihrer Angestellten durch Dienstverordnung ermächtigt. Sie ist daher in der Lage, ein Sonderrecht für ihre Dienstordnungs-Angestellten zu schaffen, das anderen, privatrechtlichen Bestimmungen vorgeht (vgl. BAGE 9, 79, 82 f. = AP Nr. 11 zu 3 § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte; BAGE 47, 1, 7 = AP Nr. 59 zu § 611 BGB Dienstordnungs-Angestellte). Die nach § 700 Abs. 2 RVO erforderliche Genehmigung des Bundesversicherungsamts ist erteilt. Die in der Dienstordnung getroffene pauschale Verweisung auf die Vorschrift über die Rechte und Pflichten der Bundesbeamten überschreitet nicht den für die Selbstverwaltung der Versicherungsträger in § 29 Abs. 3 SGB IV gesetzten Rahmen und entspricht den maßgebenden Grundsätzen in den §§ 692- 699 RVO.
cc) Die Anspruchsberechtigung der Dienstordnungs-Angestellten auf den gesetzlich bedingten Freistellungsanspruch zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung widerspricht der Dienstordnung der Beklagten, soweit das AWbG den Dienstordnungs-Angestellten weitergehende Freistellungsansprüche als nach der Dienstordnung einräumt. Insoweit wird § 2 Satz 1 AWbG nach Auffassung des erkennenden Senats durch die Dienstordnung der Beklagten verdrängt.
Eine Normenkollision zwischen Bundes- und Landesrecht liegt vor, wenn beide Normen auf den gleichen Sachverhalt anwendbar sind und ihre Anwendung zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können (BVerfGE 36, 342, 363). Dies ist hier der Fall.
§ 3 Abs. 1 der Dienstordnung verweist auf die jeweiligen für Bundesbeamte geltenden Vorschriften, somit auch auf die gemäß § 89 Abs. 2 Satz 1 BBG erlassene Verordnung über den Sonderurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst (SUrlV). In dieser Verordnung ist im Rahmen von “Kann”-Bestimmungen bezahlter Sonderurlaub u. a. in folgenden Fällen vorgesehen:
- in § 7 Abs. 1 Nr. 1 für berufliche Aus- und Fortbildungsveranstaltungen, die von staatlichen oder kommunalen Stellen durchgeführt werden, wenn die Teilnahme für die dienstliche Tätigkeit von Nutzen ist,
- in § 7 Abs. 1 Nr. 3 für förderungswürdige, staatspolitische Bildungsveranstaltungen,
- in § 10 für eine fremdsprachliche Aus- oder Fortbildung im Ausland, wenn die Ausbildung im dienstlichen Interesse liegt.
Die Dauer der möglichen bezahlten Freistellung von der Arbeit ist regelmäßig auf fünf Arbeitstage begrenzt, kann jedoch ausnahmsweise auf zehn Arbeitstage erhöht (§ 8 Satz 1) und bei Sprachkursen sogar bis zu drei Monaten (§ 10 Satz 1) ausgeweitet werden. Hinsichtlich des Regelungsgegenstandes liegen daher teilweise Überschneidungen, aber auch erhebliche Unterschiede bei den Freistellungsvoraussetzungen und der Freistellungsdauer vor. Bei Anwendung beider Normen auf einen Sachverhalt sind daher unterschiedliche Ergebnisse zu erwarten.
Die Kollision beider Normen kann nicht nach dem Spezialitätsprinzip aufgelöst werden. Beide Normen überschneiden sich in Teilbereichen. Dies wird besonders deutlich dadurch, daß die Sonderurlaubsverordnung einen spezielleren Adressatenkreis, das AWbG einen spezielleren Regelungsgegenstand hat. Bei einem solchen Verhältnis läßt sich nicht zwingend feststellen, welche Norm die allgemeine und welche die besondere ist.
Dieser Widerspruch zwischen SUrlV und AWbG kann auch nicht durch den in § 3 Abs. 1 der Dienstordnung enthaltenen Gesetzesvorbehalt (“soweit nicht durch andere gesetzlichen Vorschriften etwas anderes bestimmt ist”) aufgelöst werden. Die Auslegung der Vorbehaltsklausel ergibt nämlich, daß dieser Klausel nur gesetzliche Bestimmungen unterfallen sollen, die ausdrücklich für Dienstordnungs-Angestellte vom Bundesbeamtenrecht abweichende Regelungen enthalten (vgl. BAGE 9, 79, 83 = AP, aaO).
Die Anspruchsberechtigung nach dem § 2 Satz 1 AWbG ist mit der Dienstordnung der Beklagten unvereinbar. Mit der Bezugnahme auf die SUrlV sollte nämlich eine abschließende Regelung aller Freistellungsmöglichkeiten (ergänzend zur EUrlV) getroffen werden. In dieses den Dienstordnungs-Angestellten zwar im Verhältnis zum AWbG schlechter – aber im übrigen besserstellende Regelungswerk hat der Landesgesetzgeber eingegriffen, indem er den Kreis der Anspruchsberechtigten in § 2 Satz 1 AWbG ausnahmslos auch auf alle Arbeitnehmer einschließlich der Dienstordnungs-Angestellten der bundesunmittelbaren Körperschaften in Nordrhein-Westfalen ausgedehnt hat. Dadurch ist die Satzungsautonomie der Beklagten verletzt worden. Diese hat nämlich nach Erlaß des AWbG keinen Anlaß gesehen, die maßgebliche Vorschrift des § 3 Abs. 1 der Dienstordnung abzuändern.
b) Es bedarf keiner Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Zwar ist abweichend vom Wortlaut des Art. 100 Abs. 1 Satz 2 GG auch dann ein Vorlageverfahren geboten, wenn – wie hier – Prüfungsmaßstab eine untergesetzliche Norm des Bundesrechts ist (BVerfGE 1, 283, 292; 17, 208, 210; Maunz/Dürig, GG, Art. 100 Rz 22), die Zulässigkeit eines Vorlageverfahrens nach Art. 100 GG setzt aber voraus, daß es für die Entscheidung des Gerichts gerade auf die Unvereinbarkeit mit Bundesrecht ankommt (Maunz/Dürig, GG, Art. 100 Rz 31, m.w.N.). Gerade dies trifft hier nicht zu. Die Feststellungsklage wäre nämlich auch bei Vereinbarkeit des § 2 Satz 1 AWbG mit dem Bundesrecht nicht begründet.
c) Das vom Kläger besuchte Sprachseminar diente nicht seiner politischen und beruflichen Weiterbildung (§ 1 Abs. 2 AWbG).
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt eine Bildungsveranstaltung nicht nur dann den gesetzlichen Voraussetzungen der beruflichen Weiterbildung, wenn sie Kenntnisse zum ausgeübten Beruf vermittelt, sondern auch wenn das erlernte Wissen im Beruf verwendet werden kann, und so im weitesten Sinne für den Arbeitgeber von Vorteil ist (BAG Urteil vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 261/90 – DB 1993, 2235, 2236, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Es ist nicht erkennbar, daß die dem Kläger vermittelten Französischsprachkenntnisse für den ausgeübten Beruf einen objektiv nachvollziehbaren oder fördernden Bezug ausweisen. Es genügt nicht, daß Sprachkenntnisse schlechthin als “Schlüsselqualifikation” angesehen werden (vgl. Senatsurteile vom 15. Juni 1993 – 9 AZR 261/90 –, aaO und 24. August 1993 – 9 AZR 473/90 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
Aus den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die erworbenen Kenntnisse sich irgendwie im Dienstbetrieb förderlich auswirken können. Der pauschale Vortrag, wegen der Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Union sei der Erwerb von Grundkenntnissen der französischen Sprache nützlich, enthält keine konkreten Tatsachen, die gerade den Schluß darauf zulassen, daß für die Tätigkeit des Klägers Sprachkenntnisse von Nutzen sind. Dies gilt insbesondere deshalb, weil es unstreitig ist, daß die Beklagte Mitarbeiter mit Französischkenntnissen für die einzelfallbezogene Beratung und Begutachtung außerhalb des Arbeitsbereichs des Klägers einsetzt.
bb) Die besuchte Veranstaltung genügt auch nicht den Anforderungen, die an eine politische Weiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 2 AWbG zu stellen sind.
Eine Bildungsveranstaltung entspricht nur dem Ziel der politischen Weiterbildung, wenn über eine Erhöhung der persönlichen Allgemeinbildung hinaus auch das Verständnis der Teilnehmer für gesellschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge verbessert wird. Dies trifft zu, wenn der Lehrplan darauf angelegt ist, aufbauend auf der erforderlichen Vermittlung des allgemeinen Grundlagenwissens die Urteilsfähigkeit der Teilnehmer für politische Rahmenbedingungen zu verbessern (vgl. Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 240/90 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Zur Erreichung des Zieles der politischen Weiterbildung genügt jedoch nicht, wenn während eines Sprachkurses zusätzlich landeskundliche Informationen über Gesellschaft, Kultur und politische Verhältnisse des jeweiligen Landes gegeben werden. Insoweit handelt es sich in der Regel um einen bloßen Nebeneffekt in politischer Bildung (vgl. Senatsurteil vom 24. August 1993 – 9 AZR 473/90 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). Dies ergibt sich auch aus dem geringen Anteil von höchstens 15 Unterrichtsstunden, in denen im weitesten Sinne politische Themen berührt worden sind, innerhalb des zehn Unterrichtstage umfassenden Sprachkurs.
B. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dörner, Düwell, Dr. Schwarze, Hennecke
Fundstellen
Haufe-Index 856688 |
BAGE, 218 |
BB 1994, 795 |
NZA 1994, 690 |