Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Freundschaftspionierleiterin
Leitsatz (redaktionell)
Parallelsache zu – 6 AZR 446/95 –
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 28. März 1995 – 5 Sa 445/94 – aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Zwickau vom 11. Januar 1994 – 6 (12) Ca 2633/93 – abgeändert:
Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995 Vergütung nach VergGr. V c BAT-O zu zahlen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 3/4, der Beklagte 1/4 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin legte am 29. März 1972 nach einem Fernstudium die staatliche Abschlußprüfung an der Zentralschule der Pionierorganisation „Ernst Thälmann” in Hartenstein ab und erwarb damit die Befähigung zur Arbeit als Freundschaftspionierleiter und die Lehrbefähigung in den Fächern Werken und Kunsterziehung für die unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule der DDR. Aufgrund einer externen Vorbereitung an dem Institut für Lehrerbildung „Wilhelm Pieck” in Auerbach/Vogtland vom 19. Februar 1973 bis zum 25. Juni 1974 erlangte die Klägerin die Lehrbefähigung für das Fach Deutsch der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. Bis 1975 war die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin tätig. Seit dem 1. August 1975 ist sie aufgrund Arbeitsvertrags vom 25. August 1975 als Lehrerin für die Fächer Deutsch, Mathematik, Werken und Sport in den Klassen 1 bis 4 tätig.
Nach § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrages vom 3. September 1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Gemäß § 3 des Änderungsvertrages gilt für die Eingruppierung der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung. Danach wurde die Klägerin in VergGr. IV b BAT-O eingruppiert.
Mit undatiertem Schreiben des Oberschulamtes Chemnitz wurde der Klägerin mitgeteilt, daß ihr ab dem 1. Januar 1993 nur eine Vergütung nach VergGr. VI b BAT-O zustehe. Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 13. Juni 1993.
Die Klägerin hat zunächst die Auffassung vertreten, ihr stehe weiterhin ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a, hilfsweise IV b, hilfsweise V b, hilfsweise V c BAT-O zu. Sie erfülle die Voraussetzungen der Besoldungsgruppe A 11 der Anlage 1 zur Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach der Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991, was nach § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O i.V.m. § 11 Satz 2 BAT-O zu ihrer Eingruppierung in die VergGr. IV a BAT-O führe. Sie sei Lehrerin mit einer abgeschlossenen pädagogischen Fachschulausbildung für untere Klassen und erteile entsprechenden Unterricht.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin ab 1. Januar 1993 nach Vergütungsgruppe IV a BAT-O, hilfsweise ab 1. Januar 1993 nach Vergütungsgruppe IV b BAT-O, hilfsweise ab 1. Januar 1993 nach Vergütungsgruppe V c BAT-O, hilfsweise ab 1. Januar 1993 nach Vergütungsgruppe V b BAT-O zu vergüten.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Besoldungsgruppe A 11, auch nicht die der Besoldungsgruppe A 10, da sie nicht über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen verfüge.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in dem Hauptantrag stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und der Klägerin Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O ab dem 1. Januar 1993 zuerkannt. Die weitergehende Klage wurde abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung in vollem Umfang weiter. Seit dem 1. Juli 1995 erhält die Klägerin Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O. Für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995 verfolgt die Klägerin nur noch den Antrag auf Vergütung nach VergGr. V c. BAT-O. Im übrigen hat sie die Klage mit Zustimmung des Beklagten zurückgenommen. Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie erfülle die Voraussetzungen der Fallgruppe 1 der Vergütungsgruppe V c BAT-O nach den TdL-Richtlinien, da sie über eine einer abgeschlossenen Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin oder Kinderdiakon entsprechende Ausbildung verfüge und in der Tätigkeit von Lehrern in den Klassen 1 bis 4 an einer allgemeinbildenden Schule eingesetzt werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Wegen der teilweisen Klagerücknahme führt sie dennoch unter Aufhebung des Urteils des Landesarbeitsgerichts zur Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts. Die Klage ist in dem noch anhängigen Umfang begründet.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. V c BAT-O für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995. Der Anspruch ergibt sich aus einer Anwendung der in § 3 des Änderungsvertrages vom 1. Juli 1991 vereinbarten TdL-Richtlinien.
1. In den TdL-Richtlinien in der Fassung der Ersten Änderung vom 23. Januar 1992 heißt es:
„…
E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis
…
Vergütungsgruppe V c
1. Angestellte mit erfolgreich abgeschlossener Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin, Kinderdiakon oder mit erfolgreich abgeschlossener entsprechender Ausbildung in der Tätigkeit von Lehrern in den Klassen 1 bis 4(3)) an einer allgemeinbildenden Schule
…”
Die Klägerin unterrichtet seit dem 1. August 1975 als Lehrerin in den Klassen 1 bis 4. Ihre Ausbildung als Freundschaftspionierleiter mit der Lehrbefähigung in den Fächern Werken und Kunsterziehung und nach der absolvierten Zusatzausbildung im Fach Deutsch ist auch eine „entsprechende Ausbildung” i.S. dieses Tätigkeitsmerkmals der Fallgruppe 1. Dies ergibt ein Vergleich zwischen einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung als Erzieher, Kindergärtnerin, Hortnerin oder Kinderdiakon und einer Ausbildung als Freundschaftspionierleiter.
2. In seinen Urteilen zur Eingruppierung von Freundschaftspionierleitern vom 26. April 1995 (– 4 AZR 905/93 – AP Nr. 6 zu § 11 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und – 4 AZR 145/94 –, nicht veröffentlicht) hat der Vierte Senat zur Fallgruppe 1 VergGr. V c BAT-O ausgeführt:
„Nachdem die Klägerin ihre Eingruppierung in die VergGr. V c auch nicht hilfsweise beantragt hat, braucht der Senat die Frage, ob es sich bei der Ausbildung der Klägerin um eine der Ausbildung eines Erziehers, einer Kindergärtnerin, Hortnerin, eines Kinderdiakons vergleichbare Ausbildung handelt, nicht zu entscheiden. Dafür und zugleich auch für die oben vertretene Auffassung spricht die „Ergänzung zur Konzeption vom 19. Januar 1971 für die weitere inhaltliche Gestaltung der Ausbildung von Lehrern für die unteren Klassen für den Zeitraum bis 1975”, herausgegeben vom Ministerium für Volksbildung der DDR (Die Lehrerbildung in der DDR – Eine Sammlung der wichtigsten Dokumente und gesetzlichen Bestimmungen für die Ausbildung der Lehrer, Erzieher und Kindergärtnerinnen, Berlin 1983). Dort heißt es:
„Zur weiteren Verbesserung der Ausbildung von Freundschaftspionierleitern an den Instituten für Lehrerbildung wird festgelegt, mit Wirkung vom 1. Februar 1975 das Mathematikprogramm für die Horterzieherausbildung im Rahmen der Freundschaftspionierleiterausbildung einzuführen.
Die damit freiwerdenden Stunden sind für die Ausbildung in Theorie und Methodik der sozialistischen Erziehung und Bildung in der Jugend- und Kinderorganisation zu nutzen (je eine Semesterwochenstunde im 3. und 4. Semester und zwei Wochenstunden im 8. Semester).
Berlin, 13. Dezember 1974”
Obwohl diese Ausführungen des Vierten Senats allein zur Begründung der Vergleichbarkeit der Ausbildungen nicht ausreichen, ist die Annahme des Vierten Senats berechtigt.
3. Nach § 7 der Verordnung über die Neuregelung der Ausbildung der Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen, der Pionierleiter, der Kindergärtnerinnen und der Erzieher in Heimen und Horten vom 15. Mai 1953 (GBl. DDR, S. 728, 729) wurden die Pionierleiter an den Instituten für Lehrerbildung in einer vierjährigen Ausbildung ausgebildet und schlossen die Ausbildung mit einer staatlichen Abschlußprüfung ab. Durch diese Prüfung wurde die Befähigung zur Arbeit als Pionierleiter und die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen erworben. Diese bezog sich bei der Klägerin auf die Fächer Deutsch, Werken und Kunsterziehung.
Nach § 9 der Verordnung wurden Erzieher in Heimen und Horten an den Instituten für Lehrerbildung in vierjähriger Ausbildung ausgebildet und schlossen die Ausbildung mit der staatlichen Abschlußprüfung ab. Durch diese Prüfung wurde die Befähigung zur Arbeit als Erzieher in Heimen und Horten und die Lehrbefähigung für den Unterricht in der Unterstufe der allgemeinbildenden Schulen erworben. Diese bezog sich auf zwei Wahlfächer (vgl. „Ergänzung zur Konzeption zur weiteren inhaltlichen Gestaltung der Ausbildung von Lehrern für die unteren Klassen für den Zeitraum bis 1975” vom 9. Mai 1972).
Die Stundentafeln für die – auch für Freundschaftspionierleiter – später dreijährige Ausbildung weisen wesentliche Übereinstimmungen auf (vgl. Stundentafeln der Konzeption vom 9. Mai 1972 für Erzieher und Stundentafel für die Ausbildung der Freundschaftspionierleiter in der Fassung des Studienplans für die Ausbildung von Lehrern für die unteren Klassen und Freundschaftspionierleitern an den Instituten für Lehrerbildung der DDR vom 1. September 1987).
Gesamtstunden pro Semester |
Erzieher |
Freundschaftspionierleiter |
Marxismus/Leninismus |
20 |
18 |
Pädagogik und Psychologie |
28 |
28 |
Deutsch mit Literatur |
28 |
29 |
Wahlfach |
18–22 |
21–24 |
In diesen für die Ausbildung wesentlichen Fächern ergibt sich damit weitgehende Übereinstimmung.
Was die Ausbildungsdauer im Fach Mathematik anbelangt, das bei den Freundschaftspionierleitern im Verhältnis zu den Lehrern für untere Klassen wesentliche Defizite aufwies, bereitet der Vergleich mit der Erzieherausbildung Schwierigkeiten. Im Fach Mathematik war für Erzieher nach der Stundentafel aus dem Jahre 1972 ein Gesamtvolumen von 25 Semesterwochenstunden vorgesehen. Nach der vom Vierten Senat zitierten Konzeption vom 13. Dezember 1974 wurde festgelegt, das Mathematikprogramm für die Horterzieherausbildung im Rahmen der Freundschaftspionierleiterausbildung einzuführen. Dies rechtfertigt den Schluß, daß zumindest seit dem 1. Februar 1975 Mathematik für Erzieher und für Freundschaftspionierleiter in gleichem Umfang unterrichtet wurde. Damit ergibt sich eine weitgehend gleiche Ausbildungsdauer in den Hauptfächern und im Wahlfach.
Die Ausbildung erfolgte zum Einsatz in dem jeweiligen außerschulischen Bereich als Freundschaftspionierleiter in der Pionierfreundschaft und als Erzieher in der Tätigkeit in Heimen und Horten. Sie führte in beiden Fällen zu einer im Vergleich zu den Lehrern eingeschränkten Lehrbefähigung für den Unterricht in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule (BAG Urteile vom 26. April 1995 – 4 AZR 905/93 – AP Nr. 6 zu § 11 BAT-O, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O; vom 8. August 1996 – 6 AZR 17/95 – nicht veröffentlicht, und – 6 AZR 1035/94 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; vom 26. September 1996 – 6 AZR 333/95 – AP Nr. 49 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Dies rechtfertigt es, die Ausbildung zum Freundschaftspionierleiter als eine Ausbildung anzusehen, die der eines Erziehers i.S.d. Fallgruppe 1 VergGr. V c Abschnitt E der TdL-Richtlinien in der Fassung der Ersten Änderung vom 23. Januar 1992 entspricht.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Reimann, Augat
Fundstellen