Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung wegen Betriebsstillegung
Orientierungssatz
1. Hinweise des Senats: "Durch Einzelvertrag ausgeschlossene ordentliche Kündigung".
2. Eine Kündigung ist als empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 133 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens des Kündigenden unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben vernünftigerweise verstehen konnte. Dabei dürfen nur solche Begleitumstände berücksichtigt werden, die dem Kündigungsempfänger auch erkennbar waren (vgl BAG Urteil vom 2.3.1973, 3 AZR 325/72 = AP Nr 36 zu § 133 BGB).
3. Der Fall der Stillegung eines Betriebes rechtfertigt zwar grundsätzlich nur eine ordentliche Kündigung; ausnahmsweise kann eine Betriebsstillegung aber auch geeignet sein, im Rahmen des § 626 BGB eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere kann diese gerechtfertigt sein, wenn die ordentliche Kündigung - etwa durch Tarifvertrag - ausgeschlossen und die Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist.
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 13.12.1991; Aktenzeichen 15 Sa 64/91) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 27.08.1991; Aktenzeichen 1 Ca 452/91) |
Tatbestand
Der am 14. Juni 1935 geborene Kläger war seit dem 16. Mai 1986 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom selben Tage und eines Zusatzvertrages vom 6. August 1987 bei der Beklagten als "Geschäftsführer" tätig, ohne als solcher für die Beklagte im Handelsregister eingetragen zu sein. Die Beklagte betrieb bis zum 30. Juli 1991 ein Möbeleinzelhandelsgeschäft in E
, in dem regelmäßig etwa 17 Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Der Vertrag vom 16. Mai 1986 wurde "bis zum 60. Lebensjahr" des Klägers abgeschlossen. Weiter heißt es: "Er ist nur aus wichtigem Grunde kündbar. Der Vertrag kann von jedem Teil unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr, auf Ende des jeweiligen Jahres, gekündigt werden." Im Zusatzvertrag ist u. a. geregelt, es verbleibe bei dem Vertrag vom 16. Mai 1986, insbesondere bei der Kündigungsmöglichkeit von einem Jahr nach Ablauf der Vertragszeit.
Ende des Jahres 1989 kündigte die Beklagte den Mietvertrag über die Anmietung der Gewerberäume, in denen das Möbelgeschäft betrieben wurde, mit Wirkung zum 30. Juni 1991. Gleichzeitig kündigte sie dem Kläger mit Schreiben vom 23. Dezember 1989 das Arbeitsverhältnis "aus dringenden betrieblichen Erfordernissen" zum 31. Dezember 1990 auf, nahm diese Kündigung jedoch in dem vom Kläger beim Arbeitsgericht Stuttgart anhängig gemachten Verfahren (1 Ca 561/90) einvernehmlich zurück.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 1990, dem Kläger zugegangen am 31. Dezember 1990, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit der Begründung, der Betrieb werde zum 30. Juni 1991 eingestellt, nachdem das bestehende Mietverhältnis über die Geschäftsräume zu diesem Termin ende. Im Anschluß daran heißt es:
"Wir sehen uns daher gezwungen, auch das mit
Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis zu lösen
und kündigen deshalb hiermit den mit Ihnen ge-
schlossenen, im Betreff genannten Anstellungsver-
trag fristlos zum 30.06.1991, hilfsweise zum
nächstmöglichen Termin und gleichzeitig fristge-
mäß zum 30.06.91, hilfsweise zum nächstmöglichen
Termin."
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung vom 11. Dezember 1990 sei unwirksam, da ein wichtiger Grund nicht gegeben und die ordentliche Kündigung im übrigen vertraglich ausgeschlossen sei. Zumindest habe die Beklagte die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Jahr auf das Ende eines Jahres als Auslauffrist wahren müssen. Wegen dieser nach seiner Auffassung vertragswidrigen Kündigung kündigte der Kläger seinerseits das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 2. Januar 1991 fristlos auf und machte Schadenersatzansprüche gemäß § 628 Abs. 2 BGB geltend. Darauf kündigte die Beklagte ihrerseits erneut und vorsorglich das Arbeitsverhältnis am 8. Januar 1991 fristlos auf. Diese beiden Kündigungen sind in den Vorinstanzen rechtskräftig für unwirksam erklärt worden, ebenso wie die Schadenersatzklage abgewiesen worden ist.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz noch von Bedeutung, beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen
den Parteien weder durch die fristlose Kündigung
vom 11. Dezember 1990 - zugegangen am 31. Dezem-
ber 1990 - noch durch die hilfsweise ausgespro-
chene ordentliche Kündigung vom 11. Dezember 1990
- zugegangen am 31. Dezember 1990 - aufgelöst
worden ist.
Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, ihr Steuerberater habe ihr in der letzten Dezemberwoche 1990 mitgeteilt, auch für das Jahr 1990 sei wieder mit einem Verlust zu rechnen. Sie habe sich deshalb definitiv gezwungen gesehen, den Betrieb zum 30. Juni 1991 stillzulegen und deshalb auch das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zu diesem Zeitpunkt zu kündigen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit der Kläger mit ihr die Unwirksamkeit der Kündigung vom 11. Dezember 1990 geltend gemacht hat, abgewiesen. Es hat angenommen, die Kündigung sei, auch wenn sie als fristlose Kündigung zum 30. Juni 1991 bezeichnet worden sei, als außerordentliche Kündigung i. S. des § 626 BGB auszulegen. Die gewählte Frist sei als soziale Auslauffrist zu würdigen. Die Kündigung sei infolge der zum 30. Juni 1991 geplanten völligen Schließung des Betriebs durch dringende betriebliche Gründe bedingt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und festgestellt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 11. Dezember 1990 nicht mit Wirkung zum 30. Juni 1991, sondern mit Wirkung zum 31. Dezember 1991 aufgelöst worden. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht für den Kläger zugelassenen Revision verfolgt dieser seinen Klageantrag weiter, während die Beklagte um Zurückweisung der Revision bittet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht entschieden, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei aufgrund der Kündigung der Beklagten mit dem 31. Dezember 1991 beendet.
I.Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nicht schon deshalb unwirksam, weil sie hinsichtlich des Beendigungszeitpunktes nicht hinreichend bestimmt sei. Die Beklagte habe die Möglichkeit der sofortigen Beendigung ("fristlos") nicht etwa alternativ neben die Möglichkeit der Beendigung zum 30. Juni 1991 gestellt und damit Unklarheit erzeugt. Vielmehr habe sie erklärt, "fristlos zum 30. Juni 1991" zu kündigen. Dadurch werde deutlich, daß das Ende des Arbeitsverhältnisses nach dem Willen der Beklagten "zum 30. Juni 1991" eintreten solle. Ersichtlich werde das Wort "fristlos" als Synonym für das Wort "außerordentlich" verwendet. Bei objektiver Betrachtung des Wortlautes stelle sich die Frage nicht, ob die Beklagte möglicherweise ein sofortiges Ende habe herbeiführen wollen.
Die Parteien hätten im Anstellungsvertrag vom 16. Mai 1986 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses "bis zum 60. Lebensjahr" des Klägers ausgeschlossen. Der Fall der Stillegung eines Betriebes rechtfertige grundsätzlich gemäß § 1 KSchG nur eine ordentliche Kündigung. Ausnahmsweise könne eine Betriebsstillegung aber auch geeignet sein, im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere könne die außerordentliche Kündigung gerechtfertigt sein, wenn die ordentliche Kündigung, etwa durch Tarifvertrag, ausgeschlossen und die Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich sei. Der Kläger habe geltend gemacht, dies könne in seinem Fall nicht gelten, weil die ordentliche Kündigung durch den Arbeitsvertrag ausgeschlossen sei. Die Situation des Arbeitgebers, der vor der Frage stehe, ob er ein Arbeitsverhältnis möglicherweise über längere Zeit hinweg "auf dem Papier" mit entsprechenden Vergütungspflichten fortsetzen müsse, obgleich er eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer nicht mehr habe, sei bei Ausschluß der ordentlichen Kündigung durch Tarifvertrag oder durch Einzelvertrag dieselbe. Auch für den Arbeitnehmer sei die Interessen- und Rechtslage in Bezug auf den Schutz des Arbeitsverhältnisses nicht unterschiedlich, je nachdem, ob der Kündigungsschutz aus einem Einzelarbeitsvertrag oder einem Tarifvertrag resultiere. Es bestünden deshalb keine Bedenken, die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht zur außerordentlichen Kündigung wegen einer Betriebsstillegung auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden.
Die Beklagte habe ihren Betrieb in E unstreitig geschlossen. Damit stehe fest, daß diese keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger habe. Die durchzuführende Interessenabwägung könne zu keinem anderen Ergebnis führen. Es handele sich um eine Kündigung aus betrieblichen Gründen. Für den Fall der ordentlichen Kündigung habe das Bundesarbeitsgericht entschieden, wenn eine solche "an sich" betriebsbedingt sei, könne sich die Interessenabwägung nur in seltenen Ausnahmefällen zugunsten des Arbeitnehmers auswirken. Dies gelte auch für den Fall der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung. Der Kläger habe ein Interesse daran, das mit dem Vertragsschluß verfolgte Ziel, bis zum 60. Lebensjahr in dem Arbeitsverhältnis bleiben zu können, zu erreichen. Ferner sei bei der Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, daß er mit seinem Alter von 56 Jahren nur schwer eine vergleichbare Position wieder finden könne. Zugunsten der Beklagten spreche jedoch, daß sie im Rahmen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit, die ihre Wurzeln in Art. 12 GG habe, nicht dazu gezwungen werden könne, weiterhin am Markt tätig zu sein. Die Entscheidung des Arbeitgebers, den Betrieb beizubehalten oder nicht, sei somit "frei" und damit kündigungsrechtlich irrelevant. Die Stillegung des Betriebes rechtfertige somit die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger.
Eine solche Kündigung könne aber, was die Beklagte auch bei deren Ausspruch so gesehen habe, nicht fristlos erfolgen. Vielmehr müsse eine Auslauffrist gewahrt werden, die der Frist entspreche, mit der das Arbeitsverhältnis ordentlich gekündigt werden könne, wenn dies vertraglich nicht ausgeschlossen wäre. Die Beklagte habe deshalb das Arbeitsverhältnis nicht mit Wirkung zum 31. Juni 1991, sondern nur zum 31. Dezember 1991 kündigen können.
II.Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, wobei die Frage der richtigen Auslauffrist mangels einer Revision der insoweit beschwerten Beklagten nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens war.
1.Nach der den Senat gemäß § 561 ZPO bindenden Auslegung des Landesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, daß die Beklagte im Schreiben vom 11. Dezember 1990 eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ausgesprochen hat. Die Auslegung des Kündigungsschreibens durch das Berufungsgericht ist revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob die Auslegung mit den Denkgesetzen oder dem Wortlaut der Erklärung vereinbar ist, ob nicht anerkannte Auslegungsgrundsätze (§§ 133, 157 BGB) verletzt sind oder wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen ist (ständige Rechtsprechung seit BAGE 4, 360, 364 = AP Nr. 15 zu § 242 BGB Ruhegehalt, zu II der Gründe; BAGE 37, 267, 270 = AP Nr. 2 zu § 620 BGB Kündigungserklärung, zu I 1 der Gründe).
Die von der Revision hiergegen erhobenen Rügen greifen nicht durch. Die Revision meint, die Kündigung sei schon deshalb unwirksam, weil sie hinsichtlich des Beendigungszeitpunktes nicht hinreichend bestimmt sei. Die Beklagte habe zur Bestimmung des Beendigungszeitpunktes mehrere Formulierungen gebraucht, die miteinander im Widerspruch stünden. Der Begriff "fristlos" sei eindeutig und unmißverständlich und lasse erkennen, das Arbeitsverhältnis solle im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung enden. Damit stehe die Angabe "zum 30. Juni 1991" in Widerspruch. Diese Rüge ist unbegründet.
a)Eine Kündigung ist als empfangsbedürftige Willenserklärung gemäß § 133 BGB so auszulegen, wie sie der Empfänger aufgrund des aus der Erklärung erkennbaren Willens des Kündigenden unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der Grundsätze von Treu und Glauben vernünftigerweise verstehen konnte. Dabei dürfen nur solche Begleitumstände berücksichtigt werden, die dem Kündigungsempfänger auch erkennbar waren (vgl. BAG Urteil vom 2. März 1973 - 3 AZR 325/72 - AP Nr. 36 zu § 133 BGB).
b)Die Beklagte hat in ihrem Kündigungsschreiben vom 11. Dezember 1990 erklärt, sie kündige das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger "fristlos zum 30. Juni 1991". Die Revision geht zwar im Ansatzpunkt zutreffend davon aus, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei unter einer fristlosen Kündigung eine solche zu verstehen, die ein Vertragsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Gleichwohl ist es unter Beachtung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabes revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht hier angenommen hat, die Beklagte habe den Begriff "fristlos" als Synonym für "außerordentlich" gebraucht. Diese Auslegung ist mit dem im Zusammenhang zu sehenden Wortlaut des Kündigungsschreibens vereinbar. Der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses ist im Schriftbild besonders hervorgehoben. Als Kündigungsgrund wird im ersten Absatz des Kündigungsschreibens die Betriebsstillegung zum 30. Juni 1991 genannt. Durch die Formulierung "wir sehen uns daher gezwungen, auch das mit Ihnen bestehende Anstellungsverhältnis zu lösen und kündigen deshalb hiermit" wird deutlich, daß der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses mit dem Zeitpunkt der Betriebsstillegung übereinstimmen sollte. Schließlich hatte die Beklagte auch bereits in dem früheren Schreiben vom 23. Dezember 1989 unter Einhaltung einer Jahresfrist aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt.
2.Das Berufungsgericht hat auch zutreffend angenommen, es liege ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vor.
a)Auch die Anwendung des § 626 BGB durch das Berufungsgericht kann vom Revisionsgericht nicht uneingeschränkt sondern nur daraufhin nachgeprüft werden, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff des wichtigen Grundes verkannt oder unrichtig angewendet hat, ob ein bestimmter Vorgang für sich genommen überhaupt geeignet ist, einen wichtigen Grund i. S. des § 626 BGB zu bilden und ob das Berufungsgericht alle vernünftigerweise in Betracht kommenden Umstände, die für und gegen die außerordentliche Kündigung sprechen, bedacht und abgewogen hat (vgl. u. a. BAG Urteil vom 9. Dezember 1982 - 2 AZR 620/80 - BAGE 41, 150, 158 = AP Nr. 73 zu § 626 BGB, zu II 2 der Gründe, m. w. N.).
b)Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten dieser eingeschränkten Überprüfung stand.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Fall der Still,legung eines Betriebes rechtfertige zwar grundsätzlich nur eine ordentliche Kündigung; ausnahmsweise könne eine Betriebsstillegung aber auch geeignet sein, im Rahmen des § 626 BGB eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Insbesondere könne diese gerechtfertigt sein, wenn die ordentliche Kündigung - etwa durch Tarifvertrag - ausgeschlossen und die Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich sei. Die Beklagte habe ihren Betrieb in E geschlossen. Somit stehe fest, daß keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Kläger mehr bestanden habe.
c)Auch dieser Würdigung ist zu folgen. aa)Für die Beurteilung der Kündigung maßgeblich ist der Zeitpunkt ihres Zugangs (vgl. u. a. Urteil des Senats vom 19. Dezember 1991 - 2 AZR 402/91 - unveröffentlicht, zu B I 5 der Gründe). Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 31. Dezember 1990 hatte die Beklagte ihren Betrieb in Esslingen noch nicht geschlossen. Das Bundesarbeitsgericht hat für die ordentliche betriebsbedingte Kündigung angenommen, diese könne nicht erst ausgesprochen werden, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit tatsächlich bereits weggefallen sei. Werde die Kündigung auf die künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, so könne sie vielmehr ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände greifbare Formen angenommen hätten und eine vernünftige, betriebswirtschaftliche Betrachtung die Prognose rechtfertige, daß bis zum Auslaufen der einzuhaltenden Kündigungsfrist eine geplante Maßnahme durchgeführt sei und der Arbeitnehmer somit entbehrt werden könne (ständige Rechtsprechung seit BAGE 6, 1 ff. = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung). Dies hat der erkennende Senat in seinem Urteil vom 19. Juni 1991 (- 2 AZR 127/91 - EZA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70) unter Bezugnahme auf seine ständige Rechtsprechung bestätigt. Er hat zugleich klargestellt, "greifbare Formen" in diesem Sinne lägen nicht nur und erst dann vor, wenn bereits mit der Durchführung der beschlossenen betrieblichen Maßnahme begonnen sei; ausreichend könne vielmehr auch eine im Zeitpunkt der Kündigung feststehende Planung sein, deren Durchführung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen werde. Der Begriff "greifbare Formen" könne also auch die Motivation der Betriebsänderungsabsicht und müsse nicht notwendig schon die Durchführungsformen betreffen.
bb)Zwar rechtfertigt unter den dargestellten Voraussetzungen eine beabsichtigte Betriebsstillegung in aller Regel nur eine ordentliche Kündigung. Dies ergibt sich aus dem gemäß § 1 Abs. 2 KSchG abzuleitenden ultima-ratio-Prinzip. Dies gilt aber dann nicht, wenn von vornherein die ordentliche Kündigung ausgeschlossen und eine Versetzung in einen anderen Betrieb des Unternehmens nicht möglich ist. Der Ausschluß der ordentlichen Kündigung kann nämlich dann zur unzumutbaren Belastung des Dienstberechtigten werden, wenn dieser die Dienste nicht mehr in Anspruch nehmen kann, andererseits aber über Jahre hinweg zur Zahlung des vereinbarten Entgelts verpflichtet bleibt (vgl. Senatsurteil vom 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - BAGE 48, 220, 226 = AP Nr. 86 zu § 626 BGB, zu B III 2 b der Gründe, mit zust. Anm. von Herschel).
cc)Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Mietvertrag über die Betriebsräume bereits Ende des Jahres 1989 zum 30. Juni 1991 gekündigt. Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung war die Prognose gerechtfertigt, bis zum Ende der Auslauffrist werde die beabsichtigte unternehmerische Maßnahme - die Stillegung des Betriebes - durchgeführt und die Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger entfallen sein. Die Revision hat insoweit auch keine Einwendungen erhoben. Die Still,legung des Betriebes in E führte mithin zum Wegfall der bisherigen Beschäftigung des Klägers. Wenn die Beklagte nach der vom Berufungsgericht eingeholten Auskunft der Landeshauptstadt Stuttgart vom 5. Dezember 1991 seit dem 1. August 1991 in Stuttgart einen Einzelhandel mit Möbeln ins Gewerberegister hat eintragen lassen, so berührt das die Wirksamkeit der Kündigung vom 11. Dezember 1990 schon deshalb nicht, weil nach den vorstehenden Ausführungen für deren Beurteilung auf den Zeitpunkt des Zugangs (31. Dezember 1990) abzustellen ist. Im übrigen liegen keine tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu vor, ob und seit wann die Beklagte tatsächlich einen solchen Einzelhandel in Stuttgart betreibt. Eine formelle Rüge der Revision liegt diesbezüglich auch nicht vor.
dd)Bei der beabsichtigten und auch durchgeführten Stillegung des Betriebes in E handelte es sich um eine Unternehmerentscheidung, welche nicht auf ihre Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen ist, sondern nur darauf, ob sie offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. u. a. BAGE 55, 262 = AP Nr. 42 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Für eine derartige, ausnahmsweise unbeachtliche Entscheidung hat die Revision nichts vorgetragen (zur Darlegungslast des Arbeitnehmers in diesem Punkt, vgl. BAGE 32, 150 = AP Nr. 8 und Urteil vom 17. Oktober 1980 - 7 AZR 675/78 - AP Nr. 10, jeweils zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Sie ergibt sich noch nicht aus dem zweitinstanzlichen Vorbringen des Klägers, der Geschäftsführer der Beklagten habe der Gesellschaft Vermögenswerte in erheblicher Höhe entzogen und den Gewinn auf diese Weise künstlich niedrig gehalten, beziehungsweise völlig vermieden. Ob das Vorbringen des Klägers in den Tatsacheninstanzen zu diesem Punkt ausreichend substantiiert war, woran - bezogen auf das Geschäftsjahr 1990 - erhebliche Zweifel bestehen, braucht nicht vertieft zu werden. Denn die Revision hat es versäumt, in diesem von der Beklagten bestrittenen Punkt eine ausreichend begründete, formelle Rüge (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO) vorzubringen, daß und welchem konkreten Tatsachenvortrag mit welchen Beweismitteln hätte nachgegangen werden müssen. Der pauschale Hinweis auf einschlägigen Sachvortrag im Berufungsverfahren unter Beweisantritt - so die Revisionsbegründung - wird dem nicht gerecht. Das gilt auch für die zu allgemein gehaltenen Ausführungen, die Beklagte könne sich nicht bei ihrer Rechtsausübung zu ihrem Vorteil auf einen Umstand berufen, den sie durch eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung herbeigeführt habe. Es fehlt jegliche Angabe von Beweisthema und Beweismittel, in welchen Schriftsätzen die angezogenen Beweismittel aufgeführt worden seien usw. (vgl. zum Erfordernis einer solchen Konkretisierung BAG Urteil vom 7. Oktober 1987 - 5 AZR 116/86 - AP Nr. 15 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht, zu V 1 der Gründe; Senatsurteil vom 25. Januar 1990 - 2 AZR 398/89 - unveröffentlicht, zu II 1 b bb der Gründe).
3.Zu Unrecht meint die Revision, das Landesarbeitsgericht habe die Rechtsprechung des erkennenden Senats zur außerordentlichen Kündigung im Falle der Betriebsstillegung bei tariflichem Ausschluß der ordentlichen Kündigung nicht auf den vorliegenden Fall anwenden dürfen. Die rechtlich zu bewertende Interessenlage eines Arbeitgebers, der in individualvertraglicher Vereinbarung das ordentliche Kündigungsrecht ausgeschlossen und damit das Wirtschaftsrisiko für die Dauer der von ihm freiwillig eingegangenen Bindung übernommen habe, sei eine andere als die Interessenlage eines Arbeitgebers, der allein aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung und einer bisherigen langen Beschäftigungsdauer an einer ordentlichen Kündigung gehindert werde. Das Berufungsgericht habe deshalb im einzelnen prüfen müssen, welche Risiken durch den Abschluß des Arbeitsvertrages auf bestimmte Zeit und durch den Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechts in welcher Weise verteilt werden sollten. Der Kläger habe dazu vorgetragen, daß es ihm bei Abschluß des Anstellungsvertrages gerade darum gegangen sei, bis zu seinem 60. Lebensjahr abgesichert zu sein. Er habe auch vorgetragen, vor Vertragsunterzeichnung sei gerade über die Frage der Ernsthaftigkeit der Absicht der Beklagten, das Geschäft mindestens bis zum Jahre 1995 zu betreiben, gesprochen worden und der Geschäftsführer der Beklagten habe die Ernsthaftigkeit dieser Absicht - unter Hinweis auf einen auf zehn Jahre unkündbar abgeschlossenen Mietvertrag - versichert.
Die von der Revision erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung - gemeint ist wohl eine Verletzung des § 286 ZPO - greift nicht durch. Selbst wenn man davon ausgeht, es läge in dieser Hinsicht nicht nur eine letztlich rechtlich unverbindliche Absichtserklärung vor, sondern es solle eine konkrete Vereinbarung dieses Inhalts behauptet werden, wobei der generelle Ausschluß eines außerordentlichen Kündigungsrechts ohnehin unwirksam wäre (herrschende Meinung vgl. Stahlhacke/Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 5. Aufl., Rz 467; KR-Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB, Rz 37; MünchKomm-Schwerdtner, BGB, 2. Aufl., § 626 Rz 54), und in dieser Vereinbarung liege etwa eine zulässige Einschränkung des außerordentlichen Kündigungsrechts für den Fall einer sachlich begründeten Stillegung (vgl. zu den Grenzen einer Kündigungserschwerung KR-Hillebrecht, aaO, Rz 42), so genügt dieses Vorbringen (ebenfalls) nicht den an eine formelle Revisionsrüge zu stellenden Anforderungen (§ 554 Abs. 3 Nr. 3 b ZPO). Die Revision gibt auch in diesem Punkt nicht an, welche konkreten Zusagen die Beklagte gemacht habe, welche hierfür benannten Beweismittel das Landesarbeitsgericht zu Unrecht nicht ausgeschöpft habe, was die Vernehmung der benannten Zeugen ergeben hätte und inwiefern der angebliche Verfahrensverstoß für die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts, das sich mit dieser Thematik nicht befaßt hat, überhaupt tragend sei (vgl. neben den Rechtsprechungsnachweisen unter II 3 b dd ferner Senatsurteil vom 11. April 1985 - 2 AZR 239/84 - BAGE 49, 39 = AP Nr. 39 zu § 102 BetrVG 1972 und BAG Urteil vom 9. März 1972 - 1 AZR 261/71 - AP Nr. 2 zu § 561 ZPO).
4.Die Beklagte hat schließlich auch die Ausschlußfrist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten.
Bei einer geplanten Betriebsstillegung besteht der wichtige Grund für die außerordentliche Kündigung in der Unzumutbarkeit des Arbeitgebers, in Zukunft das Arbeitsverhältnis trotz der Unmöglichkeit, Arbeit anzubieten, fortzusetzen. Ist die Stillegung des Betriebes erst für die Zukunft geplant, beginnt die Ausschlußfrist nicht vor Ablauf des Zeitraumes, in dem die betroffenen Arbeitnehmer noch weiterbeschäftigt werden können. Im Interesse der Arbeitnehmer braucht der Arbeitgeber allerdings mit der Kündigung nicht so lange zu warten, bis die letzten Arbeiten beendet sind. Er kann vielmehr schon vorher außerordentlich zu dem Zeitpunkt kündigen, zu dem die Beschäftigungsmöglichkeit voraussichtlich entfällt. Da die Beklagte bereits im Dezember 1990 zum 30. Juni 1991 gekündigt hat, ist die Frist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt worden (Senatsurteil vom 28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - BAGE 48, 220, 224 f. = AP Nr. 86 zu § 626 BGB, zu B II 2 der Gründe, mit zust. Anm. von Herschel; siehe auch KR-Hillebrecht, aaO, § 626 BGB Rz 230).
5.Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung wird von der Revision erfolglos als unvollständig gerügt.
Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers berücksichtigt, er habe ein Interesse daran, das mit dem Arbeitsvertrag beabsichtigte Ziel, bis zum 60. Lebensjahr im Arbeitsverhältnis bleiben zu können, zu erreichen. Es hat ferner ausgeführt, daß der Kläger aufgrund seines Alters von 56 Jahren nur schwer eine vergleichbare Position finden dürfte. Das Berufungsgericht hat damit das Interesse des Klägers am Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in die Interessenabwägung einbezogen. Soweit die Revision meint, das Landesarbeitsgericht habe zu Unrecht angenommen, die Interessen des Arbeitnehmers gingen im Falle der Betriebsstillegung "ins Leere", ändert dies am Ergebnis nichts. Es ist zwar richtig, daß auch nach einer Betriebsstillegung ein arbeitsvertraglicher Anspruch auf Arbeitsentgelt noch bestehen kann, obwohl ein Beschäftigungsanspruch nicht mehr durchsetzbar ist. Voraussetzung dafür ist aber eben das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses. Das Interesse des Klägers am Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses hat das Berufungsgericht bei der Interessenabwägung berücksichtigt, gleichwohl aber den Interessen der Beklagten an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen der Belastung mit Lohnkosten in ganz erheblichem Maße über mehrere Jahre ohne Gegenleistung das höhere Gewicht beigemessen. Das ist aus revisionsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden.
Hillebrecht Triebfürst Bitter
Thieß Dr. Roeckl
Fundstellen
Haufe-Index 438249 |
BuW 1992, 732 (K) |
RzK, I 6f Nr 4 (ST1) |
DBlR 3952a, BGB/§ 626 (ST) |
EzA § 626 nF BGB, Nr 141 (ST1-2) |