Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutz. Schwerbehinderte. Ordentliche Beendigungskündigung gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen psychischer Erkrankung. Möglichkeit des Einsatzes auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz: Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zur beabsichtigten Versetzung. Pflicht des Arbeitgebers, zur Vermeidung einer Kündigung ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen unter Berücksichtigung der Verpflichtung, den Behinderten auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz einzusetzen. Verpflichtung zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens aus vertraglicher Zusage des Einsatzes auf einem konkreten leidensgerechten Arbeitsplatz. Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Die Pflicht des Arbeitgebers, einem schwerbehinderten Arbeitnehmer gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen, ist auch zu berücksichtigen bei der Prüfung, ob eine Beendigungskündigung durch eine mit einer Änderungskündigung verbundene Versetzung auf einen solchen Arbeitsplatz vermieden werden kann. Widerspricht jedoch der Betriebsrat der Versetzung, ist in der Regel davon auszugehen, dass eine dem Arbeitgeber zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht. Der Arbeitgeber ist nur bei Vorliegen besonderer Umstände verpflichtet, ein Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchzuführen.
Orientierungssatz
Die krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, berechtigt den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Eine bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz geht auch dann einer Beendigungskündigung vor, wenn sie nur zu geänderten Arbeitsbedingungen erfolgen kann.
Lässt sich eine Beendigungskündigung nur durch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu schlechteren Arbeitsbedingungen vermeiden, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer regelmäßig diese Weiterbeschäftigung anzubieten. Über deren Zumutbarkeit hat dann allein der Arbeitnehmer zu entscheiden.
Ergibt sich der Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz bereits aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX, so würde es die Grenzen der Zumutbarkeit nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX unzulässig zu Lasten des Arbeitgebers verschieben, würde man von ihm im Fall der Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zur Änderung der Arbeitsbedingungen des schwerbehinderten Arbeitnehmers stets ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG verlangen.
Im Normalfall ist dem Arbeitgeber die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens gem. § 99 Abs. 4 BetrVG unzumutbar, weil eine solch erhebliche Verzögerung des Kündigungsverfahrens nach erteilter Zustimmung des Integrationsamtes mit nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt, die in dem Verfahren vor dem Integrationsamt geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie keine Lösungsmöglichkeit zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses darstellen.
Lediglich beim Vorliegen besonderer Umstände (etwa offensichtlich unbegründeter Widerspruch, kollusives Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat) ist der Arbeitgeber zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens verpflichtet.
Normenkette
KSchG § 1 S. 2; SGB IX § 81 Abs. 4; BetrVG § 99
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 19. Mai 2004 – 17 Sa 71/03 – aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung.
Der 1960 geborene, verheiratete Kläger ist Volljurist und bei der Beklagten seit 1992 als juristischer Sachbearbeiter für Kraftfahrzeugschäden beschäftigt. Er verdiente zuletzt ein Jahresgehalt von 43.020,00 Euro zuzüglich einer Erfolgsbeteiligung von 2.600,44 Euro. Mit Bescheid vom 4. September 1998 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Bis März 1996 war der Kläger im Bereich von Großschäden – höher als 40.000,00 DM – tätig, danach setzte ihn die Beklagte nur noch im Bereich der mittleren Personenschäden mit Schadensfällen bis 40.000,00 DM ein. Am 22. Dezember 1999 stellte die Beklagte bei der Hauptfürsorgestelle einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Klägers. In der Folgezeit wurde der Kläger durch den Integrationsdienst betreut und unterzog sich einer Verhaltenstherapie und Kur. Gleichzeitig prüfte die Beklagte Umsetzungsmöglichkeiten für den Kläger. Die Parteien einigten sich am 4. Mai 2001 auf eine Untersuchung durch den Betriebsarzt hinsichtlich der gesundheitlichen, insbesondere körperlichen Eignung des Klägers für eine in der Materialverwaltung zu besetzende Stelle. Am 18. Mai 2001 stellte der Betriebsarzt fest, gegen die Aufnahme einer Tätigkeit in der Materialverwaltung bestünden keine Bedenken. Der Kläger erklärte sich unter dem 21. Mai 2001 mit einer Versetzung zum 1. Juni 2001 einverstanden, wenn er bis zum 30. September 2001 – dem fiktiven Ablauf der Kündigungsfrist – seine bisherige Vergütung einschließlich der Sondervergütungen erhalte. Mit einer Vergütung zu den in der Materialverwaltung üblichen Konditionen – Eingruppierung in die Vergütungsgruppe TG III gegenüber bisher TG VI-VII – beginnend mit dem 1. Oktober 2001 erklärte er sich gleichfalls einverstanden.
Am 22. Mai 2001 beantragte die Beklagte beim Betriebsrat “S…”, der für einen von der Beklagten mit der SV S-V Baden-Württemberg Holding AG – nachfolgend: Holding – gemeinsam geführten Betrieb gewählt ist, die Zustimmung zur Versetzung des Klägers in die Materialverwaltung. Hilfsweise hörte sie ihn zu einer ordentlichen Beendigungskündigung an. Der Betriebsrat widersprach der Versetzung am 23. Mai 2001 per e-mail. Der Widerspruch wurde vom Betriebsratsvorsitzenden K… versandt. Er endet wie folgt: “Mit freundlichen Grüßen K…”. Auf dem Ausdruck der e-mail findet sich – jeweils handschriftlich – das Datum “25.5.01” sowie der Name “B…”.
Die Anhörungsfrist hinsichtlich der Beendigungskündigung ließ der Betriebsrat verstreichen. Eine erneute Anhörung der Beklagten zu einer Beendigungskündigung vom 4. Juli 2001 blieb unbeantwortet. Die Hauptfürsorgestelle hatte einer ordentlichen Beendigungskündigung des Klägers bereits unter dem 8. Juni 2001 zugestimmt. Der Bescheid ist inzwischen rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 12. Juli 2001 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2001.
Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er sei weiterhin in der Lage, die Arbeit als Schadenssachbearbeiter zu erbringen. Das vom Arbeitsgericht insoweit eingeholte Sachverständigengutachten beruhe auf einem im Wesentlichen nicht bewiesenen Sachverhalt. Jedenfalls hätte er auf dem Arbeitsplatz in der Materialverwaltung weiterbeschäftigt werden können. Dies entspreche auch der Vereinbarung vom 4. Mai 2001. Im Übrigen übe er bereits seit 1996 nur noch Tätigkeiten aus, die dem Anforderungsprofil eines Versicherungskaufmanns entsprächen. Da die Beklagte und die SV Holding AG einen gemeinsamen Betrieb bildeten, sei unerheblich, dass der Arbeitsplatz in der Materialverwaltung der SV Holding AG zugeordnet sei. Die Beklagte hätte sich auch nicht mit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats abfinden dürfen, sondern ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen müssen. Eine solche Verpflichtung ergebe sich jedenfalls aus § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 12. Juli 2001 nicht aufgelöst wurde.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, der Kläger könne wegen seiner psychischen Erkrankung, vor allem im Hinblick auf sein Verhalten gegenüber Kunden und Mitarbeitern nicht mehr als Sachbearbeiter eingesetzt werden. Dies ergebe sich aus dem vom Arbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachten. Eine Tätigkeit in der Materialverwaltung sei angesichts der Vorbildung des Klägers sowohl inhaltlich als auch der Bezahlung nach unangemessen. Die unterschiedliche Eingruppierung führe zu einer Vergütungsminderung von ca. 11.000,00 Euro jährlich. Sie habe dem Kläger auch nicht die Zusage einer entsprechenden Tätigkeit gemacht. Sie sei nicht verpflichtet, dem Kläger einen Arbeitsplatz in einem anderen Unternehmern zu vermitteln. Auch der Betriebsrat habe seine Skepsis gegen eine entsprechende Versetzung des Klägers gezeigt und zu Recht seine Zustimmung verweigert. Sie sei nicht verpflichtet, ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Jedenfalls sei das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Der Kläger habe bewusst wahrheitswidrigen Vortrag gehalten und ihr gegenüber unberechtigte Vorwürfe erhoben.
Die Beklagte hat insoweit beantragt,
hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG aufzulösen.
Der Kläger hat beantragt,
den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Der Auflösungsantrag sei unbegründet. Er habe die Beklagte weder beleidigt noch unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und den Auflösungsantrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag, hilfsweise ihren Auflösungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der Senat kann noch nicht abschließend in der Sache entscheiden. Dies führt zur Zurückverweisung.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Zu Gunsten der Beklagten könne zwar davon ausgegangen werden, dass der Kläger seine bisherige Arbeit krankheitsbedingt nicht mehr habe verrichten können. Er habe jedoch auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz in der Materialverwaltung weiterbeschäftigt werden können. Unbeschadet der Frage der möglichen Verpflichtung der Beklagten aus der Vereinbarung vom 4. Mai 2001 sowie der Frage der Gleichwertigkeit der Arbeitsplätze, gingen beide Parteien davon aus, dass die Beschäftigung des Klägers in der Materialverwaltung zumutbar sei. Die Beklagte sei nach § 81 SGB IX verpflichtet gewesen, ein Zustimmungsersetzungsverfahren hinsichtlich der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Versetzung des Klägers durchzuführen. Das gelte jedenfalls deshalb, weil einem Zustimmungsersetzungsverfahren hier nicht von vornherein der Erfolg abgesprochen werden könne. Die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu einer Beendigungskündigung stehe dem Erfordernis der Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens nicht entgegen.
Der Auflösungsantrag sei unbegründet. Der Kläger habe keine Äußerungen getätigt, die das Arbeitsverhältnis an einem anderen Arbeitsplatz belasten könnten. Der Vorwurf der wahrheitswidrigen Sachverhaltsdarstellung treffe nicht zu. Die Grenzen legitimer Rechtsverteidigung habe der Kläger nicht überschritten.
II. Dem folgt der Senat nicht. Ob die Kündigung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet hat, lässt sich noch nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen.
1. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass ein personenbedingter Kündigungsgrund vorlag, weil der Kläger im Kündigungszeitpunkt krankheitsbedingt auf Dauer außer Stande war, die vertraglich geschuldete Tätigkeit als juristischer Sachbearbeiter in der Abteilung Kfz-Schaden zu erbringen.
a) Die krankheitsbedingte dauernde Unfähigkeit, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, berechtigt den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 2 KSchG grundsätzlich zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Bei einem Arbeitsverhältnis, bei dem feststeht, dass der Arbeitnehmer in Zukunft die geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht erbringen kann, ist das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung auf Dauer ganz erheblich gestört (BAG 21. Februar 1985 – 2 AZR 72/84 – RzK I 5g Nr. 10; 30. Januar 1986 – 2 AZR 668/84 – RzK III 1b Nr. 5; 10. Dezember 1987 – 2 AZR 515/87 –; 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25 = EzA KschG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 5; 13. Dezember 1990 – 2 AZR 342/90 – RzK I 5g Nr. 42; 29. Januar 1997 – 2 AZR 9/96 – BAGE 85, 107). Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dem Arbeitnehmer in diesem Fall ein Annahmeverzugslohnanspruch zusteht (zum Annahmeverzug beim Fortbestehen der Möglichkeit einer behindertengerechten Beschäftigung vgl. BAG 23. Januar 2001 – 9 AZR 287/99 – BAGE 97, 23).
b) Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten grundsätzlich durch Gründe in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 KSchG veranlasst war, der Kläger also krankheitsbedingt auf Dauer nicht mehr auf seinem bisherigen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden konnte. Die Begründung ist zwar kurz, sie konnte jedoch mit Rücksicht auf die Ausführungen in den in Bezug genommenen Entscheidungsgründen des arbeitsgerichtlichen Urteils und das eingeholte Sachverständigengutachten auch kurz ausfallen. Das Sachverständigengutachten ergibt, wovon beide Vorinstanzen zutreffend ausgehen, zweifelsfrei, dass der Kläger krankheitsbedingt dauerhaft außer Stande war, die vertragsgemäße Arbeitsleistung als Sachbearbeiter Kfz-Schaden zu erbringen. Der Sachverständige stützt dieses Urteil in seinem sorgfältig erstellten Gutachten vor allem darauf, die Persönlichkeitszüge und psychiatrisch fassbaren Störungen beim Kläger setzten dessen soziale Kompetenz, seine allgemeine Belastbarkeit und Arbeitsschnelligkeit sowie seine Entscheidungssicherheit dauerhaft so stark herab, dass er nicht in der Lage sei, als Schadenssachbearbeiter weiterzuarbeiten. Soweit der Kläger im Prozessverlauf mehrfach das Ergebnis des Sachverständigengutachtens in Zweifel gezogen hat, setzt sich sein Vortrag nicht hinreichend mit den sorgfältigen Ausführungen des Sachverständigen auseinander.
2. Ob die Wirksamkeit der Kündigung – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – daran scheitert, dass die Weiterbeschäftigung des Klägers auf einem im Zeitpunkt der Kündigung freien, leidensgerechten Arbeitsplatz möglich war, lässt sich noch nicht abschließend beurteilen.
a) Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG ist die Kündigung auch dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden kann. Die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz schließt nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch ohne Widerspruch des Betriebsrats eine krankheitsbedingte Kündigung aus (BAG 22. Februar 1980 – 7 AZR 295/78 – BAGE 33,1; Senat 7. Februar 1991 – 2 AZR 205/90 – BAGE 67, 198, 204 f.; 28. Februar 1990 – 2 AZR 401/89 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 25 = EzA KSchG § 1 Personenbedingte Kündigung Nr. 5; Preis Prinzipien des Kündigungsrechts bei Arbeitsverhältnissen S. 295 ff.; Kiel Die anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Kündigungsschutz S. 49 ff.; KR-Etzel 7. Aufl. § 1 KSchG Rn. 376 und 346; APS/Preis 2. Aufl. Grundlagen H Rn. 67 ff.; APS/Dörner 2. Aufl. § 1 KSchG Rn. 87 ff.; Erfk/Ascheid 5. Aufl. § 1 KSchG Rn. 180).
Eine bestehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf einem anderen Arbeitsplatz geht auch dann einer Beendigungskündigung vor, wenn sie nur zu geänderten Arbeitsbedingungen erfolgen kann (Senat 27. September 1984 – 2 AZR 62/83 – BAGE 47, 26 unter Fortführung der Rechtsprechung vom 25. März 1978 – 2 AZR 127/75 – AP BGB § 626 Ausschlussfrist Nr. 10 = EzA BGB § 626 Änderungskündigung Nr. 1).
b) Unstreitig bestand eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Materialwirtschaft. Eine Beschäftigung des Klägers auf diesem Arbeitsplatz schied auch nicht von vornherein deshalb aus, weil es sich im Gegensatz zu der bisherigen Sachbearbeitertätigkeit des Klägers zu einem großen Teil um körperliche Arbeit gehandelt hätte. Die kurze Stellungnahme des Betriebsarztes lässt keine Bedenken dagegen erkennen, dass der Kläger gesundheitlich zur Leistung derartiger körperlicher Arbeiten in der Lage war.
c) Es ist auch davon auszugehen, dass dieser Arbeitsplatz nicht deshalb unberücksichtigt bleiben durfte, weil die entsprechende Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bei der Beklagten, sondern bei der Holding bestand. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bildeten beide Unternehmen einen gemeinsamen Betrieb. Durchgreifende Rügen hiergegen hat die Revision nicht erhoben. Bei dem Arbeitsplatz in der Materialverwaltung handelt es sich also um eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im selben Betrieb und damit eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, die nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1b KSchG zu berücksichtigen war.
d) Die Revision macht zu Unrecht geltend, die Beschäftigungsmöglichkeit in der Materialverwaltung könne der Wirksamkeit der Kündigung deshalb nicht entgegenstehen, weil eine derartige Tätigkeit für den Kläger unzumutbar sei. Lässt sich eine Beendigungskündigung nur durch eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu schlechteren Arbeitsbedingungen vermeiden, so hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer regelmäßig diese Weiterbeschäftigung anzubieten. Über deren Zumutbarkeit hat dann allein der Arbeitnehmer zu entscheiden.
aa) Soweit der Senat bei einer Änderungskündigung stets darauf abgestellt hat, die geänderten Arbeitsbedingungen müssten auch so gestaltet sein, dass sie der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen müsse (st. Rspr. 22. April 2004 – 2 AZR 385/03 – BAGE 110, 188; 23. November 2000 – 2 AZR 617/99 – BAGE 96, 294), betrifft dies vor allem den Fall, dass mehrere Möglichkeiten zur Vertragsänderung vorhanden sind. Stehen mehrere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zur Auswahl, so ist der Arbeitgeber nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verpflichtet, dem Arbeitnehmer die für diesen günstigste, also diejenige zuzuweisen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Handelt es sich bei den geänderten Arbeitsbedingungen hingegen um die einzige Möglichkeit, eine Beendigungskündigung zu vermeiden, so ist es regelmäßig Sache des Arbeitnehmers zu entscheiden, ob er eine Weiterbeschäftigung – auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen – einer Arbeitslosigkeit vorzieht.
bb) Hier hatte die Beklagte dem Kläger die Weiterbeschäftigung in der Materialverwaltung als einzige Alternative zur Beendigungskündigung angeboten und der Kläger hatte sich mit dieser Weiterbeschäftigung bei übergangsweiser Zahlung seines bisherigen Gehalts einverstanden erklärt. Die Beklagte argumentiert widersprüchlich, wenn sie trotz des Einverständnisses des Klägers und ihres ursprünglichen Angebots einer Weiterbeschäftigung in der Materialverwaltung das entsprechende Angebot nunmehr nicht aufrecht erhalten will mit der Begründung, die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen sei dem Kläger unzumutbar.
cc) Der Einwand der Revision, der Arbeitsplatz in der Materialverwaltung sei deshalb nicht zu berücksichtigen, weil er für den Kläger unzumutbar sei, ist außerdem deshalb unbeachtlich, weil die Beklagte schon nach § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX verpflichtet war, dem Kläger diesen Arbeitsplatz als einzige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzubieten. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf eine Beschäftigung, bei der sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können unter Berücksichtigung der Behinderung und ihrer Auswirkungen auf die Beschäftigung. Ein solcher Anspruch besteht nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX lediglich ua. dann nicht, wenn seine Erfüllung für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre.
Danach war die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine Weiterbeschäftigung in der Materialverwaltung anzubieten. Eine solche Beschäftigungsmöglichkeit war aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers jedenfalls eher als behindertengerecht anzusehen als die Nichtbeschäftigung, die auch aus Sicht der Beklagten die Konsequenz der dann auszusprechenden Beendigungskündigung gewesen wäre. Die Beklagte kann dem Kläger insoweit nicht entgegenhalten, eine körperliche Arbeit in der Materialverwaltung sei gegenüber der bisherigen Beschäftigung des Klägers als erheblich geringer wertig anzusehen. Wenn insbesondere unter Berücksichtigung der Behinderung des Klägers eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz ausschied und gegen körperliche Arbeit keine gesundheitlichen Bedenken bestanden, so war die im Ergebnis einzige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit jedenfalls als behindertengerecht anzusehen.
e) Ob die Möglichkeit, den Kläger in der Materialverwaltung weiterzubeschäftigen, der Beklagten deshalb als zumutbare Alternative zu einer Beendigungskündigung nicht zur Verfügung stand, weil ihr der Betriebsrat nach § 99 BetrVG endgültig widersprochen hatte, lässt sich noch nicht abschließend entscheiden. Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand sprechen allerdings gewichtige Argumente dafür, dass die Beklagte in dem langwierigen Verfahren bis zum Ausspruch der Kündigung alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, für den Kläger eine leidensgerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu finden, und sie deshalb nicht verpflichtet war, weiter auf den Betriebsrat einzudringen oder ein entsprechendes Beschlussverfahren durchzuführen.
aa) Soweit das Landesarbeitsgericht offenbar die Ansicht vertritt, im Fall des § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX sei bei fehlender Zustimmung des Betriebsrats zu einer Versetzung regelmäßig vor Ausspruch der Kündigung ein Zustimmungsersetzungsverfahren vor den Arbeitsgerichten durchzuführen, auch wenn die Hauptfürsorgestelle (jetzt Integrationsamt) die entsprechende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit geprüft und abgelehnt hat, so ist dem nicht zu folgen.
Der Sonderkündigungsschutz schwerbehinderter Menschen ist im Vierten Kapitel des SGB IX geregelt. § 81 Abs. 4 SGB IX betrifft demgegenüber nach der Gesetzessystematik lediglich die “sonstigen” Pflichten des Arbeitgebers. Schon dies spricht dagegen, beim Widerspruch des Betriebsrats gegen eine Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu geänderten Arbeitsbedingungen nicht nur in zwei, sondern je nachdem sogar in drei verschiedenen Gerichtsverfahren nachzuprüfen, ob insoweit eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit besteht.
Dies heißt zwar nicht, dass die Pflichten des Arbeitgebers gegenüber einem schwerbehinderten Arbeitnehmer nach § 81 Abs. 4 SGB IX im Falle einer Kündigung unberücksichtigt bleiben können (vgl. zu der Problematik während des laufenden Arbeitsverhältnisses BAG 3. Dezember 2002 – 9 AZR 481/01 – BAGE 104, 45 mwN). Bei der Prüfung, ob die Erfüllung seiner Pflicht aus § 81 Abs. 4 SGB IX dem Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX zumutbar ist oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre, ist jedoch, wenn es um die Wirksamkeit einer Kündigung geht, entscheidend mit zu berücksichtigen, dass die Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers durch ein geordnetes Verfahren vor dem Integrationsamt mit der Möglichkeit der Nachprüfung der Entscheidung in mehreren Instanzen zu prüfen sind. In diesem Verfahren spielen insbesondere die Möglichkeiten, den Arbeitnehmer auf einem anderen, behindertengerechten Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, eine entscheidende Rolle. Hat eine solche Prüfung mit der gebotenen Sorgfalt stattgefunden und ist das Integrationsamt nach eingehender Prüfung unter Hinzuziehung des Betriebsrats, der Schwerbehindertenvertretung und der sonstigen Beteiligten zu dem Ergebnis gelangt, eine solche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht, so darf dies nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung nach §§ 85 ff. SGB IX hat nach dem Gesamtzusammenhang des Gesetzes die Funktion, dem Arbeitgeber nach § 88 Abs. 3 SGB IX den Ausspruch der Kündigung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zustimmungsbescheids zu ermöglichen. Die Einleitung weiterer, innerhalb eines Monats regelmäßig nicht abzuwickelnder Maßnahmen ist dem Arbeitgeber deshalb nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX nur ausnahmsweise zumutbar.
Es würde die Grenzen der Zumutbarkeit nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX unzulässig zu Lasten des Arbeitgebers verschieben, würde man von ihm im Fall der Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zur Änderung der Arbeitsbedingungen des schwerbehinderten Arbeitnehmers stets ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände die Durchführung eines entsprechenden Beschlussverfahrens verlangen. Er könnte dann die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX regelmäßig nicht mehr einhalten, obwohl möglicherweise das Verfahren vor dem Integrationsamt ergeben hat, dass die fragliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht.
bb) Im Normalfall ist dem Arbeitgeber die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens gem. § 99 Abs. 4 BetrVG damit unzumutbar, weil eine solch erhebliche Verzögerung des Kündigungsverfahrens nach erteilter Zustimmung des Integrationsamts mit nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre (vgl. zu einer ähnlichen Fallgestaltung im Rahmen des § 1 KSchG BAG 29. Januar 1997 – 2 AZR 9/96 – BAGE 85, 107).
Das gilt jedenfalls dann, wenn – wie wohl in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle – es sich um Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den schwerbehinderten Arbeitnehmer handelt, die in dem Verfahren vor dem Integrationsamt geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie keine Lösungsmöglichkeit zur Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses darstellen. In derartigen Fällen ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Widerspruch des Betriebsrats auf vertretbaren Gründen beruht, die von der Stelle, die nach dem Gesetz für die Prüfung derartiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zuständig ist, erwogen und für zutreffend befunden worden sind. Dem Arbeitgeber ist es dann mangels besonderer Umstände nicht zuzumuten, das Verfahren durch die Einleitung eines Beschlussverfahrens nach § 99 BetrVG weiter zu verzögern und damit zu riskieren, dass er nach Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats durch die Arbeitsgerichte möglicherweise erneut die Zustimmung des Integrationsamts zu einer dann auszusprechenden Kündigung beantragen müsste.
Eine solche Verzögerung liegt auch nicht ohne weiteres im Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers. Immerhin ist nach der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (23. Januar 2001 – 9 AZR 287/99 – BAGE 97, 23) der Arbeitgeber nicht mit der Annahme der Dienste in Verzug, wenn ein schwerbehinderter Arbeitnehmer oder Gleichgestellter außerstande ist, die arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen und es lediglich um eine andere behindertengerechte Beschäftigung geht. Der Arbeitnehmer würde damit riskieren, dass ihm für die Dauer eines derartigen Beschlussverfahrens nach § 99 BetrVG Ansprüche auf Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB nicht zustehen.
cc) Lediglich beim Vorliegen besonderer Umstände kann danach eine Pflicht des Arbeitgebers angenommen werden, gegen den Betriebsrat nach § 99 Abs. 4 BetrVG vorzugehen und durch ein entsprechendes Beschlussverfahren ggf. die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat zu belasten. Zu denken ist hier an einen offensichtlich unbegründeten Widerspruch des Betriebsrats. Entsprechendes hat in den Fällen zu gelten, in denen der Widerspruch des Betriebsrats auf einem kollusiven Zusammenwirken zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat beruht.
dd) Wenn auch danach dem Arbeitgeber normalerweise die Einleitung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nicht zumutbar ist, folgt aus § 81 Abs. 4 SGB IX jedoch, dass der Arbeitgeber sich je nach den Umständen nicht ohne Weiteres mit der bloßen Tatsache der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zufrieden geben darf, sondern sich um die Zustimmung nach Kräften bemühen muss. Die ihm dem schwerbehinderten Arbeitnehmer gegenüber obliegende Fürsorgepflicht verlangt es, dass er, wenn dies nicht im Verfahren vor dem Integrationsamt bereits ausreichend geschehen ist, den vom Betriebsrat geltend gemachten Gründen nachgeht, ggf. ihre Konkretisierung verlangt und im Rahmen des ihm Zumutbaren versucht, den Betriebsrat von seiner die Zustimmung verweigernden Haltung abzubringen. Dies kann auch eigene Handlungen des Arbeitgebers – etwa die Hinzuziehung des Betriebsarztes – erforderlich machen. Der Prüfungs- und Handlungsaufwand des Arbeitgebers wird sich regelmäßig danach richten, mit welcher Intensität entsprechende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bereits in dem Verfahren vor dem Integrationsamt behandelt worden sind.
3. Die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung trägt danach das Berufungsurteil nicht.
a) Schon vom rechtlichen Ansatz her legt das Landesarbeitsgericht dem Arbeitgeber nach § 81 Abs. 4 SGB IX zu weitgehende Fürsorgepflichten auf. Die Abwägung berücksichtigt nicht hinreichend, dass die zuständige Behörde hier im Zusammenwirken mit der Beklagten in zahlreichen Terminen über einen längeren Zeitraum hinweg versucht hat, für den Kläger eine behindertengerechte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit zu finden. Der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle, die Weiterbeschäftigung des Klägers in der Materialverwaltung sei keine angemessene Lösung des Problems, kommt deshalb besonderes Gewicht zu. Sie ist im Übrigen auch durch die Widerspruchsbehörde und zwei Gerichtsinstanzen, die zu dem Arbeitsplatz in der Materialverwaltung Stellung bezogen haben, bestätigt worden.
b) Die Bedenken des Landesarbeitsgerichts wegen der förmlichen Wirksamkeit der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats greifen nicht durch.
aa) Unabhängig davon, ob nicht ohnehin eine wirksame Unterzeichnung durch die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende vorliegt, ist der Widerspruch für die hier zu entscheidende Frage als erheblich anzusehen. Dabei kann es offen bleiben, ob eine dem Arbeitgeber übersandte e-mail generell oder unter bestimmten Voraussetzungen dem Erfordernis der Schriftlichkeit genügt (vgl. zum Telefax BAG 11. Juni 2002 – 1 ABR 43/01 – BAGE 101, 298; 6. August 2002 – 1 ABR 49/01 – BAGE 102, 135, 139; vgl. zu tariflichen Ausschlussfristen BAG 11. Oktober 2000 – 5 AZR 313/99 – BAGE 96, 28). Die Erklärung des Betriebsrats hat der Beklagten auf sichere Weise Kenntnis von den Gründen verschafft, die den Betriebsrat zur Verweigerung der Zustimmung bewogen haben. Unter diesen Umständen war es der Beklagten nicht zumutbar, sich auf eine – keineswegs feststehende und möglicherweise erst in einem gerichtlichen Verfahren zu klärende – Formnichtigkeit der Zustimmungsverweigerung zu berufen und gegen den erklärten Willen des Betriebsrats dem Kläger die auch vom Integrationssamt als nicht geeignet angesehene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit anzubieten.
bb) Auch die vom Betriebsrat gegebene Begründung bezieht sich hinreichend auf die gesetzlichen Zustimmungsverweigerungsgründe. Diese Begründung ist zwar kurz, sie konnte es aber nach der langen Vorgeschichte auch sein, ohne dass bei der Beklagten deshalb Zweifel über die Widerspruchsgründe entstehen konnten. Arbeitgeber und Betriebsrat hatten aus jahrelanger Befassung mit dem Problem detaillierteste Kenntnisse, wie sich das Arbeitsverhältnis des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz entwickelt hatte. Der Widerspruch des Betriebsrats ließ ua. klar erkennen, dass der Betriebsrat befürchtete, bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers in der Materialverwaltung würden sich die bisherigen Probleme nur rein örtlich verlagern und die “internen und externen Kunden”, also alle Mitarbeiter und Außendienstler würden bei der geringsten Stressbelastung, die auch an dem Arbeitsplatz in der Materialverwaltung nicht zu vermeiden war, mit den gleichen Verhaltensweisen des Klägers konfrontiert, die aus Sicht der Beklagten und auch des Betriebsrats eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf seinem bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich machten.
4. Ob unter den gegebenen Umständen die Beklagte ihrer Fürsorgepflicht nach § 81 Abs. 4 SGB IX in hinreichendem Maße nachgekommen ist, ist in erster Linie eine Tatfrage. In den insoweit bestehenden Beurteilungsspielraum des Landesarbeitsgerichts als Tatsacheninstanz möchte der Senat nicht eingreifen. Dies gilt insbesondere deshalb, weil das Landesarbeitsgericht ausdrücklich offengelassen hat, ob die Parteien einzelvertraglich – was nach dem entsprechenden Schriftwechsel allerdings fraglich scheint – eine erweiterte Fürsorgepflicht der Beklagten hinsichtlich des Arbeitsplatzes in der Materialverwaltung vereinbart haben. Nach dem bisherigen Aktenstand dürfte jedoch eine Fürsorgepflichtverletzung durch die Beklagte kaum anzunehmen sein. Immerhin haben in dem in erster Linie zur Prüfung derartiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zuständigen Verfahren nach § 88 SGB IX letztlich vier Instanzen bestätigt, dass eine angemessene Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in der Materialverwaltung für den Kläger nicht bestand. Die Beklagte hat auch nicht sofort nach der Zustimmungsverweigerung gekündigt, sondern noch erfolglos versucht, den Betriebsrat umzustimmen. Allenfalls besondere Umstände könnten deshalb die Annnahme rechtfertigen, die Beklagte wäre nach § 81 Abs. 4 SGB IX noch zu weiteren Fürsorgemaßnahmen verpflichtet gewesen.
Unterschriften
Rost, Bröhl, Schmitz-Scholemann, Heise, Pitsch
Fundstellen
Haufe-Index 1496698 |
BAGE 2007, 7 |