Entscheidungsstichwort (Thema)
Konkursverfahren: Masseschuld. Konkursforderung
Normenkette
BGB §§ 611, 615, 628 Abs. 2; BUrlG § 7; KO §§ 59, 61
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 11. September 1997 – 6 Sa 629/97 – aufgehoben, soweit es den Beklagten zur Zahlung von 1.050,00 DM nebst Zinsen verurteilt hat.
Insoweit wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 17. Dezember 1996 – 17 Ca 5139/96 – zurückgewiesen.
Im übrigen wird die Revision des Beklagten zurückgewiesen.
Von den Kosten erster Instanz hat die Klägerin 13/22, der Beklagte 9/22 zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin 11/60, der Beklagte 49/60 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um Schadensersatz wegen entgangener Arbeitsvergütung sowie um Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Urlaubsgeld.
Die Klägerin war seit 1963 als kaufmännische Angestellte zu einem Monatsgehalt von zuletzt 4.880,00 DM brutto bei der späteren Gemeinschuldnerin, einem Bauunternehmen, beschäftigt.
Im Dezember 1995 stellte die Gemeinschuldnerin Konkursantrag. Daraufhin ordnete das Amtsgericht die Sequestration an. Am 22. Januar 1996 kündigte die Gemeinschuldnerin im Zusammenwirken mit dem Sequester das Arbeitsverhältnis der Klägerin ordentlich mit der Begründung, der Geschäftsbetrieb werde demnächst eingestellt. Die maßgebliche Kündigungsfrist betrug sieben Monate zum Monatsende. Auch alle anderen Arbeitsverhältnisse wurden fristgemäß gekündigt.
Am 1. Februar 1996 wurde das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 8. Februar 1996 stellte der Beklagte die Klägerin ab dem 12. Februar 1996 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei, da ihre “Arbeitsleistung derzeit nicht weiter benötigt” werde. Am 15. Februar 1996 nahm die Klägerin ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Bauunternehmen auf. Arbeitsvertraglich war hier ein Monatsgehalt von 4.730,00 DM brutto vereinbart.
Die Klägerin kündigte dann das Arbeitsverhältnis zur Gemeinschuldnerin ihrerseits mit Schreiben vom 28. Februar 1996 fristlos. Zur Begründung führte sie aus, die Freistellung bei vollständiger Einstellung des Unternehmens sei nicht akzeptabel, insbesondere weil die laufenden Gehaltszahlungen nach Eröffnung des Konkursverfahrens nicht sichergestellt seien. Das Kündigungsschreiben ging dem Beklagten am 1. März 1996 zu. Der Beklagte akzeptierte die Kündigung zum 29. Februar 1996 als rechtswirksam.
Die Klägerin bezog bei ihrem neuen Arbeitgeber für Februar 1996 (15.02. bis 29.02.) 2.477, 62 DM, für März 1996 4.730,00 DM und ab April 1996 4.818,00 DM Gehalt.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr sei ab dem 15. Februar 1996 bis zum 31. August 1996 monatlich 150,00 DM Gehalt entgangen, insgesamt 6,5 × 150,00 DM = 975,00 DM. Für den Zeitraum März bis August 1996 sei ihr anteilig 13. Monatsgehalt aus der Vergütungsdifferenz von 150,00 DM entgangen, nämlich 6/12 × 150,00 DM = 75,00 DM. Der Beklagte schulde jeweils gem. § 628 Abs. 2 BGB Schadensersatz. Es handele sich um eine Masseschuld gem. § 59 KO.
Ferner hat die Klägerin Abgeltung von 15 Urlaubstagen aus dem Jahre 1995 und von 4 Urlaubstagen aus dem Jahre 1996, insgesamt 4.415,24 DM brutto, sowie tarifliches Urlaubsgeld für 1996 in Höhe von 200,00 DM brutto (50,00 DM je Urlaubstag) verlangt.
Die Klägerin hat, soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse, beantragt
den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.665,24 DM brutto nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 19. Juni 1996 (Klagezustellung) zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die Klägerin hätte ihren Urlaub nach Ausspruch der Arbeitgeberkündigung in Natur nehmen müssen. Urlaubsabgeltungsansprüche wären bei einer solchen ordnungsgemäßen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses nicht entstanden. Der Anspruch auf Urlaubsgeld sei an die Urlaubsgewährung in Natur geknüpft. Die geltend gemachten Ansprüche seien insgesamt keine Masseschulden, sondern einfache Konkursforderungen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist überwiegend unbegründet.
I. Soweit das Landesarbeitsgericht einen Schadensersatzanspruch wegen entgangener Vergütung zugesprochen hat, ist die Revision begründet.
1. Der geltend gemachte Anspruch auf entgangene Gehaltsdifferenz für die zweite Februarhäfte (75,00 DM) kann nur aus den §§ 615, 611 Abs. 1 BGB gerechtfertigt sein. Das Arbeitsverhältnis bestand noch, der Beklagte befand sich aufgrund der Freistellungserklärung in Annahmeverzug. Der Anspruch auf Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach Konkurseröffnung stellt eine Masseschuld gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO dar. Die Erfüllung mußte “für die Zeit nach der Eröffnung des Verfahrens erfolgen”. Gem. § 615 Satz 2 BGB muß sich die Klägerin jedoch den anderweitigen Arbeitsverdienst in Höhe von 2.477,62 DM anrechnen lassen. Dieser Betrag übersteigt das halbe Monatsgehalt der Klägerin (2.440,00 DM), so daß kein Anspruch verbleibt.
2. Der Anspruch auf Gehaltsdifferenz für die Zeit von März bis August 1996 folgt aus § 628 Abs. 2 BGB. Der Beklagte hat die außerordentliche Kündigung der Klägerin zum 29. Februar 1996 als wirksam akzeptiert. Durch die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses ist der Klägerin für die Dauer der Kündigungsfrist bis zum 31. August 1996 Vergütung entgangen und somit ein Schaden entstanden. Die Schadenshöhe ergibt sich aber nicht aus der Differenz der bisher bezogenen und der anderweitig vereinbarten Vergütung. Maßgebend ist vielmehr der Vergleich mit der anderweitig bezogenen Vergütung. Es ergibt sich danach ein Vergütungsschaden in Höhe von 460,00 DM (150,00 DM zzgl. 5 × 62,00 DM).
a) Der Anspruch aus § 628 Abs. 2 BGB ist nicht Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO erfordert nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck einen bestehenden Vertrag. Das Gesetz will die nach Konkurseröffnung fortgesetzten Verträge privilegieren. Sinnvoll ist das nur für die Dauer der Fortsetzung. Schadensersatzansprüche, die nach beendetem Arbeitsverhältnis ein Surrogat der Erfüllung darstellen, sind demgegenüber Konkursforderungen nach § 61 Abs. 1 Nr. 6 KO (vgl. näher Senatsurteil vom 22. Oktober 1998 – 8 AZR 73/98 – n.v., zu II 3c der Gründe, m.w.N.).
b) In Betracht kommt die Anwendung von § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO, da die Klägerin nach Konkurseröffnung gekündigt hat. Der Schadensersatzanspruch müßte aus einer “Handlung des Konkursverwalters” entstanden sein. Eine Vertragsverletzung, auch durch Unterlassung, kann ausreichen. Freilich entstehen Masseschulden nur im Rahmen von Geschäften, die der Konkursverwalter mit dem Ziel abschließt, der Masse etwas zuzuführen. Sie erwachsen nicht aus Handlungen des Konkursverwalters, die der bloßen Liquidation dienen. § 59 Abs. 1 Nr. 1 KO betrifft nicht das Verwalterhandeln bei der Abwicklung der alten Rechtsbeziehungen (vgl. BAG GS Beschluß vom 13. Dezember 1978 – GS 1/77 – BAGE 31, 176, 196 f.; BAG Urteil vom 30. April 1984 – 1 AZR 34/84 – BAGE 45, 357, 363; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 59 KO Anm. 1 vor a); Hess, Kommentar zur Konkursordnung, 5. Aufl., § 59 Rz 7). Die Freistellung von der Arbeit im bestehenden Arbeitsverhältnis und die zunächst unterbliebene Lohnzahlung stellen keine “Handlungen des Konkursverwalters” in diesem Sinne dar (vgl. auch Jaeger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 6 Rz 41 ff.; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 59 Rz 2d ff.; Gottwald/Heilmann/Klopp, Insolvenzrechts-Handbuch, § 57 Rz 4). Auch liegt der Rechtsgrund für den Schadensersatzanspruch bereits in der Zeit vor Konkurseröffnung (vgl. Gottwald/Heinze, aaO, § 98 Rz 53 f.; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 59 Rz 12 q; Erman/Hanau, Handkommentar zum BGB, 9. Aufl., § 628 Rz 24; Hess, aaO, § 59 Rz 229).
3. Soweit die Klägerin anteilig entgangenes 13. Monatsgehalt in Höhe von 75,00 DM fordert, liegt – unabhängig von Bedenken gegen die Höhe des Anspruchs – jedenfalls ebenso nur eine einfache Konkursforderung vor. Es handelt sich um denselben Anspruchszeitraum. Der Anspruch wegen entgangenen Gehalts wird nicht anders behandelt als der Anspruch wegen entgangener Sondervergütung (vgl. nur BAG Urteil vom 21. Mai 1980 – 5 AZR 441/78 – AP Nr. 10 zu § 59 KO, zu B II 2a der Gründe).
II. Wegen der urlaubsrechtlichen Ansprüche ist die Revision nicht begründet.
1. Der Anspruch der Klägerin auf Urlaubsabgeltung für 19 Urlaubstage in Höhe von 4.415,24 DM ist begründet. Die 15 Urlaubstage für 1995 sind von dem Beklagten nicht bestritten. Die Übertragung in das Jahr 1996 ergibt sich aus der Bescheinigung vom 22. Dezember 1995. Der Erwerb von vier Urlaubstagen im Januar/Februar 1996 ist ebenfalls unstreitig. Die Freistellung ab dem 12. Februar 1996 stellt nicht ohne weiteres eine teilweise Erfüllung des Urlaubsanspruchs dar (vgl. zuletzt BAG Urteil vom 9. Juni 1998 – 9 AZR 43/97 –, zur Veröffentlichung vorgesehen). Einer Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG entgegenstehende tarifliche Vorschriften sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch die Berechnung des Anspruchs ist schlüssig. Die Einwände des Beklagten greifen demgegenüber nicht durch. Daß die Klägerin ihren Urlaub nicht im Anschluß an die Kündigung vom 22. Januar 1996 “genommen” hat, steht einer Urlaubsabgeltung nicht entgegen. Die Gemeinschuldnerin und der Beklagte hätten im Rahmen von § 7 Abs. 1 – 3 BUrlG Urlaub gewähren können. Keinesfalls mußte die Klägerin sofort Urlaub verlangen. Immerhin dauerte die Kündigungsfrist bis zum 31. August 1996.
2. Indem die Klägerin “tarifliches Urlaubsgeld” für die vier Urlaubstage des Jahres 1996 in Höhe von jeweils 50,00 DM geltend macht, behauptet sie konkludent, ihr Arbeitgeber habe sich entsprechend dem Rahmentarifvertrag für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin (RTV) vom 12. Juni 1978 zur Urlaubsgeldzahlung verpflichtet. Der Beklagte ist dem nicht entgegengetreten. In der Tat sieht § 10 Ziff. 6.1 RTV ein Urlaubsgeld von 50,00 DM je Urlaubstag vor. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist dieser Anspruch nicht an die Urlaubsgewährung in Natur geknüpft. § 10 Ziff. 6.3 RTV stellt lediglich einen Zusammenhang mit der Urlaubsvergütung her; dieser Zusammenhang ist im Streitfalle gewahrt (vgl. auch BAG Urteil vom 21. Oktober 1997 – 9 AZR 255/96 – AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Schuhindustrie).
3. Die urlaubsrechtlichen Ansprüche der Klägerin sind Masseforderungen gem. § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Konkurs den der abzugeltenden Urlaubsdauer entsprechenden letzten Tagen vor der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Soweit dieser Zeitraum nach Konkurseröffnung liegt, ist der Anspruch auf die entsprechende Urlaubsabgeltung Masseschuld im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO (BAG Urteil vom 21. Mai 1980 – 5 AZR 441/78 – AP Nr. 10 zu § 59 KO, zu A II 2a der Gründe mit zustimmender Anmerkung Uhlenbruck; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 59 Rz 12 m; Grunsky, Das Arbeitsverhältnis im Konkurs- und Vergleichsverfahren, 3. Aufl., S. 78, m.w.N. auf S. 70). Zwischen der Konkurseröffnung am 1. Februar 1996 und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 29. Februar 1996 lagen mindestens 19 Arbeitstage. Die Urlaubsabgeltung ist danach in vollem Umfang Masseschuld.
b) Deshalb kommt es auf eine in der Literatur vertretene weitergehende Rechtsauffassung, die allein auf den Tag der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellt und keine Zuordnung zu dem unmittelbar davor liegenden Zeitraum vornimmt, nicht an (vgl. hierzu Grunsky, aaO, S. 70 f., m.w.N.; ebenso Kasseler Handbuch zum Arbeitsrecht/Mues, 1.9 Rz 438). Nach dieser Auffassung liegt schon deswegen eine Masseschuld vor, weil die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Konkurseröffnung lag.
c) Der Anspruch auf Urlaubsgeld knüpft an die Abgeltung des Urlaubsanspruchs für 1996 an. Er stellt zusätzliche Urlaubsvergütung dar und ist wie diese zu behandeln (vgl. auch Grunsky, aaO, S. 69; Kuhn/Uhlenbruck, aaO, § 59 Rz 12 k), im Streitfalle also ebenfalls nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 92, 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Ascheid, Dr. Wittek, Mikosch, Morsch, Hickler
Fundstellen
Haufe-Index 2629014 |
KTS 1999, 543 |
ZInsO 1999, 302 |