Entscheidungsstichwort (Thema)

Tariflicher Erschwerniszuschlag für Arbeiten mit Röhrenlötzinn

 

Leitsatz (amtlich)

  • Arbeiten mit Röhrenlötzinn, das einen Bleigehalt von 38 % aufweist, sind “Arbeiten mit stark bleihaltigen Materialien” im Sinne des TV-Arb.
  • Für die Zahlung des tariflichen Erschwerniszuschlags kommt es auf eine Gesundheitsgefährdung oder -schädigung nicht an.
 

Normenkette

BGB § 611; Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV-Arb)

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 23.01.1992; Aktenzeichen 2 Sa 63/91)

ArbG Hamburg (Urteil vom 23.05.1991; Aktenzeichen 12 Ca 1/91)

 

Tenor

  • Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 23. Januar 1992  – 2 Sa 63/91 – wird zurückgewiesen.
  • Die Beklagte trägt die Kosten der Revision.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Anspruch des Klägers auf Zahlung eines tariflichen Erschwerniszuschlags für Arbeiten mit Röhrenlötzinn und dessen Berücksichtigung bei der Berechnung des tariflichen Zeitlohnzuschlags.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Fernmeldehandwerker in einem Fernmeldezeugamt beschäftigt. Zu seinem Tätigkeitsbereich gehören u.a. Lötarbeiten mit Röhrenlötzinn, das einen Bleigehalt von 38 % aufweist.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (im folgenden TV-Arb) nebst Anlagen in der jeweils geltenden Fassung Anwendung.

In § 10 TV-Arb wird neben allgemeinen Grundsätzen der Entlohnung die Gewährung von Zulagen und Zuschlägen geregelt. Die einschlägigen Absätze in der bis einschließlich 31. Dezember 1987 gültigen Fassung lauten wie folgt:

§ 10 II Lohnbildung

Abs. 7: Für besonders schmutzige oder gesundheitsgefährdende Arbeiten sowie für Arbeiten, die unter erschwerten Bedingungen zu verrichten sind, werden nach den Bestimmungen der Anlage 4 Erschwerniszuschläge gezahlt.

Abs. 8: Die Berechnung der Erschwerniszuschläge und des Zeitlohnzuschlages nach § 14 Abs. 6 richtet sich nach der “Bemessungsgrundlage”. Ihre Höhe ist aus der Anlage 3 ersichtlich.

Seit 1. Januar 1988 sind die Absätze 7 und 8 durch folgende Regelungen ersetzt:

§ 10 III Zulagen und Zuschläge:

Für neben dem Monatslohn zu zahlende und in Monatsbeträgen festgelegte Zulagen und Zuschläge gelten Abschnitt I Abs. 8 und 9 und Abschnitt II entsprechend.

In Anlage 4 sind die Bestimmungen über die Gewährung eines Erschwerniszuschlages enthalten. Unter “II. Erschwerniszuschlag für sonstige Arbeitserschwernisse” heißt es dort:

Abs. 1: Arbeiter, die an einem Tag eine oder mehrere der in nachstehendem Abs. 7 aufgeführten Arbeiten verrichten, erhalten einen Erschwerniszuschlag für den Tag. …

Abs. 2: Der Erschwerniszuschlag beträgt

  • 40 v.H. der Bemessungsgrundlage, wenn zuschlagsberechtigende Arbeiten insgesamt bis zu vier Stunden,
  • 75 v. H. der Bemessungsgrundlage, wenn zuschlagsberechtigende Arbeiten insgesamt mehr als vier Stunden am Tag verrichtet werden. …

Abs. 4: Der Erschwerniszuschlag nach Abs. 2 bzw. Abs. 3 wird nicht gewährt, wenn die nach Abs. 2 bzw. Abs. 3 zu dem Zuschlag berechtigenden Arbeiten weniger als 10 Minuten am Tag verrichtet werden.

Abs. 6: Der Erschwerniszuschlag wird für den Tag von 0 bis 24 Uhr nur einmal gezahlte dabei sind die auf diesen Tag entfallenden zuschlagsberechtigenden Arbeitszeiten zusammenzurechnen.

Die zuschlagsberechtigende Arbeitszeit wird durch kurzfristige, durch den Arbeitsablauf bedingte Unterbrechungen der zuschlagsberechtigenden Arbeit nicht beeinflußt, wenn die jeweilige Unterbrechung nicht länger als 30 Minuten dauert.

Abs. 7: Der Erschwerniszuschlag wird für folgende Arbeiten gewährt:

38. Arbeiten mit Blei, stark bleihaltigen Materialien, Kupferoxyden und Kupfervitriol.

86. Arbeiten in Räumen, in denen sich gesundheitsschädliche ätzende oder giftige Dämpfe oder Gase entwickeln.

Bis einschließlich März 1988 zahlte die Beklagte dem Kläger für die Arbeit mit Röhrenlötzinn einen Erschwerniszuschlag, stellte diese Zahlung aber nach Abschluß eines anderen vergleichbaren Rechtsstreits beim Bundesarbeitsgericht ein. In diesem Verfahren (– 3 AZR 570/81 –) hatte das Zentralinstitut für Arbeitsmedizin Hamburg in einem Gutachten festgestellt, daß für Kabellöter eine leichte, gesundheitlich jedoch noch völlig unbedenkliche berufliche Bleibelastung bestehe, während die sich bei Platinenlötern erhobenen Befunde kaum von den Normwerten nicht beruflich Bleiexponierter unterschieden. Damit sei insgesamt davon auszugehen, daß der Umgang mit bleihaltigen Loten, insbesondere solchen eines Bleigehalts von 38 %, keine ähnlichen Gesundheitsgefahren verursache, wie sie beim Umgang mit reinem Blei bestünden und wie sie in der Literatur beschrieben seien.

Mit seiner Klage vom 27. Dezember 1990 begehrt der Kläger die Weitergewährung der Erschwerniszuschläge nach Anlage 4 Nr. 38 bzw. 86 des TV-Arb für den Zeitraum Juni 1988 bis November 1990 und die Berücksichtigung des Erschwerniszuschlags bei der Berechnung der Zeitlohnzuschläge. Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht klargestellt, daß er im streitigen Zeitraum für 519 Tage einen 75 %igen Erschwerniszuschlag und für 13 Tage einen 40 %igen Erschwerniszuschlag verlange. Die Höhe der geltend gemachten Erschwerniszuschläge ergebe sich aus der Anzahl der maßgeblichen Tage multipliziert mit dem der Höhe nach unstreitigen Zuschlag gemäß Anlage 4 Abschnitt II Abs. 2 zum TV-Arb. Er hat dazu vorgetragen, er sei damit beschäftigt gewesen, Platinen zu reparieren, also defekte Teile aus- und neue Teile einzulöten. Mit diesen Arbeiten sei er in der Regel mindestens fünf Stunden am Tag befaßt gewesen. Soweit er Lötarbeiten verrichtet habe, sei der Lötkolben den ganzen Tag an gewesen, wobei er den Lötkolben aber nicht die ganze Zeit in der Hand gehabt habe. Das Verarbeiten von Röhrenlötzinn habe rund drei Stunden ausgemacht. Der Kläger ist der Ansicht, seine Arbeit mit Röhrenlötzinn sei zuschlagspflichtig, da sie sowohl unter die in Nr. 38 als auch unter die in Nr. 86 der Anlage 4 zum TV-Arb genannten Tätigkeiten falle. Bei der Arbeit mit Röhrenlötzinn handele es sich um eine Tätigkeit mit stark bleihaltigem Material nach Nr. 38. Sein Anspruch folge auch aus Nr. 86 der Anlage 4 zum TV-Arb, da er seine Tätigkeit in Räumen verrichte, in denen sich durch das Arbeiten mit Röhrenlötzinn gesundheitsschädliche, ätzende oder giftige Dämpfe und Gase entwikkelten.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

  • Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.466,53 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1990 zu zahlen.
  • Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Erschwerniszuschlag gemäß Anlage 4 Abschnitt 2 Abs. 7 Ziffer 38 und 86 des Tarifvertrages für Arbeiter der Deutschen Bundespost ab 1. Dezember 1990 zu zahlen, soweit er arbeitstäglich mindestens 10 Minuten Arbeiten mit Röhrenlötzinn ausführt.
  • Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, beginnend mit dem 1. Juni 1988 Zeitlohnzuschlag gem. § 14 Abs. 4 bis 13 des Tarifvertrages für Arbeiter der Deutschen Bundespost für die Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wurde, unter Berücksichtigung des Erschwerniszuschlages für das Arbeiten mit Röhrenlötzinn zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet die geltend gemachte Forderung der Höhe nach, da sie keine Aufzeichnungen über die Arbeiten des Klägers mit Röhrenlötzinn mehr habe und die Forderung daher nicht nachvollziehbar sei. Aus seinem Vortrag ergebe sich nicht, ob er überhaupt und wenn ja wie lange er mit Röhrenlötzinn gearbeitet habe. Die vorgelegten privaten Aufzeichnungen reichten als Beweismittel nicht aus. Am Arbeitsplatz des Klägers komme es nicht vor, daß mehr als 4 Stunden am Tag ausschließlich gelötet werde. Die Arbeit des Klägers mit Röhrenlötzinn falle weder unter Nr. 38 noch unter Nr. 86 der Anlage 4 TV-Arb, weil eine Gesundheitsgefährdung nicht vorliege. Da auch die “Stärke” der Bleihaltigkeit von der Gesundheitsgefährdung abhänge, sei das Röhrenlötzinn kein stark bleihaltiges Material im tariflichen Sinne. Die Arbeit mit Röhrenlötzinn sei aber gesundheitlich völlig unbedenklich, insbesondere entstünden keine giftigen Gase, die eine ätzende Wirkung hätten. Außerdem würden die Gase gefiltert.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auch dem nach der teilweisen Klagerücknahme gestellten Klageantrag 3 stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Klageantrags 3 unzulässig, im übrigen unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Erschwerniszuschläge für die Arbeiten mit Röhrenlötzinn zu.

I. Soweit das Landesarbeitsgericht dem Antrag auf Feststellung, daß die Beklagte verpflichtet ist, Zeitlohnzuschlag gemäß § 14 Abs. 4 bis 13 des TV-Arb für die Zeiten, in denen keine Arbeitsleistung erbracht wurde, unter Berücksichtigung des Erschwerniszuschlags für das Arbeiten mit Röhrenlötzinn zu zahlen (Klageantrag 3), stattgegeben hat, ist die Revision der Beklagten unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 24. März 1977 – 3 AZR 232/76 – AP Nr. 12 zu § 630 BGB) muß sich die Revisionsbegründung mit allen Teilen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen. Ist über mehrere Ansprüche entschieden worden, muß zu jedem einzelnen Anspruch dargelegt werden, warum die Entscheidung des Berufungsgerichts für fehlerhaft gehalten wird. Wird die Revision gegen ein Berufungsurteil, das dem Revisionsbeklagten mehrere Ansprüche zuspricht, nur hinsichtlich eines Anspruchs begründet, so ist sie bezüglich der übrigen Ansprüche unzulässig (BAGE 2, 58, 59 = AP Nr. 2 zu § 554 ZPO, zu I der Gründe). Da sich die Revisionsbegründung der Beklagten mit der Verurteilung zur Zahlung der Zeitlohnzuschläge unter Berücksichtigung des Erschwerniszuschlags für Arbeiten mit Röhrenlötzinn (Klageantrag 3) nicht auseinandersetzt, ist sie insoweit unzulässig, so daß dahingestellt bleiben kann, ob der Feststellungsantrag in ausreichender Weise bestimmt ist. Da es sich bei den verschiedenen Klageanträgen um unterschiedliche Streitgegenstände handelt, kann sich die Beklagte auch nicht darauf stützen, es liege ein einheitlicher Lebenssachverhalt zugrunde.

II. Soweit sich die Revision der Beklagten gegen die Verurteilung zur Zahlung der Erschwerniszuschläge richtet, ist sie unbegründet:

1. Dabei ist der Antrag, festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den Erschwerniszuschlag gemäß Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 Nr. 38 und 86 des TV-Arb zu zahlen, im Hinblick auf die Prozeßerklärungen des Klägers dahin zu verstehen, daß er die Feststellung begehrt, ihm stehe für seine Tätigkeit ein Erschwerniszuschlag nach der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb zu. Der Hinweis auf die Nr. 38 und 86 ist Teil einer rechtlichen Begründung und insoweit ohne Bedeutung.

2. Mit Recht hat das Landesarbeitsgericht das Vorliegen eines Feststellungsinteresses gemäß § 256 ZPO bejaht. Die Feststellungsklage ist geeignet, den Rechtsstreit zwischen den Parteien in umfassenderer Weise beizulegen, als eine Leistungsklage.

3. Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht dem Kläger den Anspruch auf die geltend gemachten Erschwerniszuschläge zugesprochen. Zu Recht hat es angenommen, bei der Tätigkeit des Klägers mit Lötzinn handele es sich um “Arbeiten mit stark bleihaltigem Material” im Sinne der Nr. 38 der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb. Das ergibt sich aus der Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmungen.

Bei der Tarifauslegung ist – entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung – zunächst von dem Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist dabei der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und der damit von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Vorschriften ihren Niederschlag gefunden haben (BAGE 42, 86 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAG Urteil vom 9. Juli 1980 – 4 AZR 560/78 – AP Nr. 2 zu § 1 TVG Tarifverträge: Seeschiffahrt, m.w.N.).

Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß ein Material mit 38 % Bleigehalt “bleihaltig” ist. Schon nach dem Sprachgebrauch ist ein Material “bleihaltig”, in dem neben Blei noch weitere Stoffe enthalten sind. Beträgt der Bleigehalt mehr als 50 %, ist der Stoff nicht mehr “bleihaltig”, vielmehr liegt “Blei” vor, das noch einen oder mehrere andere Stoffe enthält.

Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß ein Bleigehalt von 38 % in dem zugrunde zu legenden Bereich von 0 bis 50 % als “stark” im Tarifsinne zu bezeichnen ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Tarifvertragsparteien selbst davon ausgegangen sind, daß “stark” nicht “überwiegend” bedeutet. Der Kläger kann demnach für die Arbeiten mit Röhrenlötzinn die Zahlung eines Erschwerniszuschlages nach § 10 III in Verb. mit der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 1 und 2 Buchstabe a und b, Abs. 6 und 7 Nr. 38 zum TV-Arb verlangen.

4. Darauf, daß die “Arbeiten mit stark bleihaltigen Materialien” zusätzlich auch gesundheitsgefährdend sind, kommt es – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht an. Weder die Anlage 4 zum TV-Arb noch der TV-Arb selbst sehen ein derartiges Erfordernis bei den “Arbeiten mit stark bleihaltigen Materialien” vor. Für die Anlage 4 zum TV-Arb folgt das daraus, daß bei einzelnen erschwerniszuschlagsberechtigenden Arbeiten das Erfordernis einer Gesundheitsschädigung oder -gefährdung ausdrücklich angesprochen ist (z.B. Nr. 68: Arbeiten mit gesundheitsschädigenden, ätzenden oder giftigen Stoffen …; Nr. 75: Arbeiten in Lichtpausereien, wenn nicht durch mechanische Einrichtungen eine Gesundheitsgefährdung ausgeschlossen ist …; Nr. 77: Instandsetzen oder Überprüfen von Feuerlöschern mit gesundheitsschädlichen Füllungen; Nr. 79: Anstreich-, Maler- oder Lackierarbeiten mit gesundheitsschädigenden Farben …; Nr. 81: Lackspritzarbeiten mit gesundheitsschädigenden oder gefährlichen Farbstoffen und Lösungsmitteln; Nr. 86: Arbeiten in Räumen, in denen sich gesundheitsschädliche, ätzende oder giftige Dämpfe oder Gase entwickeln), in anderen Fällen, wie z.B. Nr. 38 jedoch nicht. Für den TV-Arb ergibt sich das auch daraus, daß die Bezugnahme auf “gesundheitsgefährdende Arbeiten” mit der Streichung des Abs. 7 in § 10 II weggefallen ist. Auf die im Gutachten des Zentralinstituts für Arbeitsmedizin Hamburg vom 16. Dezember 1987 angesprochenen Fragen der Gesundheitsgefährdung kommt es daher für Nr. 38 der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb nicht an.

5. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen auch hinsichtlich der Höhe der geltend gemachten Erschwerniszuschläge vor, da der Kläger schlüssig die die Anspruchshöhe begründenden Tatsachen vorgetragen hat. Der Kläger hat dargetan, daß er an 519 Tagen mehr als 4 Stunden täglich und an 13 Arbeitstagen mehr als 10 Minuten bis zu 4 Stunden täglich mit Röhrenlötzinn gearbeitet hat. Dementsprechend begehrt er für 519 Tage den 75 %igen und für 13 Tage den 40 %igen Erschwerniszuschlag von der unstreitigen Bemessungsgrundlage. Zu Recht nimmt das Landesarbeitsgericht an, daß das bloße Bestreiten der vom Kläger behaupteten Arbeitstage mit zu schlagspflichtigen Tätigkeiten und der täglichen Dauer der zuschlagspflichtigen Arbeiten durch die Beklagte dem nicht entgegensteht. Das Bestreiten der Beklagten ist unsubstantiiert und daher unbeachtlich. Die Beklagte hat hierzu lediglich vorgetragen, sie habe seit April 1988 keine Aufzeichnungen mehr über das Arbeiten mit Röhrenlötzinn geführt, weshalb die Forderung des Klägers nicht nachvollziehbar sei; das reicht nicht aus.

Der Kläger hat seine Tätigkeit ausführlich geschildert. Aus dieser Schilderung ergibt sich, daß der Kläger im erforderlichen Umfang mit stark bleihaltigem Röhrenlötzinn gelötet hat. Daß der eigentliche Lötvorgang mehr als 4 Stunden gedauert hat, ist nicht erforderlich. “Natürliche Unterbrechungen” des Lötvorganges durch Vor- und Nacharbeiten von jeweils bis zu 30 Minuten Dauer sind der zuschlagsberechtigten Zeit hinzuzurechnen. Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß der Kläger in erheblichem zeitlichen Umfang andere Arbeiten verrichtet hat, die Lötarbeiten im notwendigen Ausmaß ausschließen. Der Umstand, daß sie keine Aufzeichnungen über die Arbeit des Klägers (mehr) hat, kann nicht zu Lasten des Klägers gehen, zumal schon seit 1987 die Frage, ob für Lötarbeiten Zuschläge zu zahlen sind, streitig war, die Beklagte also allen Anlaß hatte, solche Aufzeichnungen zu fertigen und aufzubewahren, wenn sie Ansprüche auf einen Erschwerniszuschlag nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe im Einzelfall bestreiten wollte.

Da die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche bereits aus Nr. 38 der Anlage 4 Abschnitt II Abs. 7 zum TV-Arb folgen, kann dahingestellt bleiben, ob der Klageanspruch auch aus der Nr. 86 begründet wäre.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Plenge, Wolf

 

Fundstellen

Haufe-Index 848113

NZA 1994, 563

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