Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung einer Betriebsrente. Auslegung von Zusagen

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Allgemeines

 

Verfahrensgang

LAG Berlin (Urteil vom 15.02.1990; Aktenzeichen 7 Sa 67/89)

ArbG Berlin (Urteil vom 23.05.1989; Aktenzeichen 10 Ca 149/88)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 15. Februar 1990 – 7 Sa 67/89 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger fordert eine höhere Betriebsrente. Er ist am 5. Dezember 1927 geboren und war mit Unterbrechungen von 1942 bis 1948 und weiter vom Dezember 1950 bis 30. Juni 1983 (insgesamt 32 Jahre, 6 Monate und 5 Tage) bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte gewährt ihren Mitarbeitern Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Grundlage für Voraussetzungen und Höhe der Ansprüche sind Betriebsvereinbarungen. Die letzte Betriebsvereinbarung stammt vom 31. Mai 1981.

Die Beklagte beantragte am 8. September 1982 die Eröffnung des Vergleichsverfahrens zur Abwendung eines Konkursverfahrens. Sie unterbreitete ihren Gläubigern einen Vergleichsvorschlag. Ansprüche auf Betriebsrenten sollten zu den nach dem Inhalt der Zusage maßgeblichen Voraussetzungen und Terminen in Höhe von 40 % der ohne den Vergleich geschuldeten Beträge laufend erfüllt werden. Der Vergleichsvorschlag wurde von den Gläubigern angenommen und durch Beschluß des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 18. März 1983 bestätigt.

Die Beklagte verhandelte ferner mit dem Gesamtbetriebsrat über den Abschluß eines zentralen Sozialplans. Am 20. Oktober 1982 schrieb sie an den Gesamtbetriebsrat:

„Betrifft Eintritt des PSV

Unter Bezugnahme auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen zur Frage der Behandlung von Versorgungsleistungen im Vergleich folgendes mit:

  1. Versorgungsleistungen mit Beginn vor Vergleichseröffnung

  2. Mitarbeiter, die nach Vergleichseröffnung pensioniert werden

    Hier gilt das unter 1. Gesagte, jedoch bemißt sich der Anteil des PSV nach der Ausfallquote auf der Basis des zum Zeitpunkt der Vergleichseröffnung erdienten ratierlichen Anspruches. Das bedeutet, daß der Mitarbeiter im Fortsetzungsvergleich keine Nachteile erleidet.

  3. Dienstzeitanrechnung

  4. Laufende Abfindungen

    In die laufenden Abfindungen tritt der PSV nicht ein. Diese sind jedoch im Vergleichsverfahren bevorrechtigte Forderungen und werden somit vor allen anderen Forderungen (jedoch nach Massekosten) bedient. Wenn die laufenden Abfindungen in Pensionen umgewandelt werden, werden sie in gleicher Höhe – nunmehr als Pensionen – fortgezahlt.”

Am 21. Oktober 1982 kam der Sozialplan zustande. Er sah für Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr und das 25. Dienstjahr voll endet hatten, Aufhebungsverträge gegen Zahlung von Abfindungen vor. Im einzelnen war bestimmt:

7. Aufhebungsverträge

7.1 Belegschaftsmitglieder, die das 55. Lebensjahr und das 25. Dienstjahr vollendet haben, zur Kündigung vorgesehen sind und nicht unter Ziffer 8.1 fallen, können im gegenseitigen Einvernehmen ausscheiden. Sie erhalten nach ihrem Ausscheiden unter Wahrung des gesetzlichen Mitnahmerechts bis zum erstmaligen Bezug einer Sozialversicherungsrente (Altersrente, vorgezogene Altersrente, Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente) neben der Abfindung gemäß Anlage eine zusätzliche monatliche Abfindung.

7.2 Die monatliche Abfindung entspricht dem monatlichen Ruhegeld, das sie erhalten würden, wenn sie nach den Versorgungsbestimmungen von A in der zum Zeitpunkt des Ausscheidens geltenden Fassung vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden wären. Die Höhe der monatlichen Abfindung wird von A – in entsprechender Anwendung des § 16 Betriebsrentengesetz erstmals nach Ablauf von 3 Jahren nach dem Ausscheiden des betreffenden Belegschaftsmitgliedes überprüft.

7.3 Mit Bewilligung der Sozialversicherungsrente erhalten diese ehemaligen Belegschaftsmitglieder ein Ruhegeld gemäß den vorstehend genannten Versorgungsbestimmungen, wobei jedoch der versicherungsmathematische Abschlag entfällt. Das Belegschaftsmitglied ist verpflichtet, die vorgezogene Altersrente aus der Sozialversicherung so früh wie möglich zu ziehen.

7.4 Im Falle des Todes eines Belegschaftsmitgliedes, dem Zahlungen gemäß Ziffer 7.1 gewährt werden, erhalten die Hinterbliebenen Versorgungsgelder gemäß den Versorgungsbestimmungen von A in der zum Zeitpunkt des Ausscheidens des verstorbenen Belegschaftsmitgliedes geltenden Fassung.

Am 6. Dezember 1982 vereinbarten die Parteien die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 1983. Diese Vereinbarung lautet wie folgt:

„Die Umstrukturierungsmaßnahmen …

… Das Arbeitsverhältnis endet daher im gegenseitigen Einvernehmen zum 30.06.1983.

Gemäß Sozialplan vom 21.10.1982 … erhalten Sie bei Ihrem Ausscheiden eine Abfindung in Höhe von 1380 % eines vollen Monatseinkommens.

Gemäß Sozialplan Ziffer 9.4 erhalten Sie zusätzlich eine Abfindung in Höhe von zwei Monatseinkommen.

Da Sie im Zeitpunkt des Ausscheidens die nach den Versorgungsbestimmungen von A erforderliche Altersgrenze noch nicht erfüllt haben, ist eine Ruhegeldgewährung lt. Sozialplan noch nicht möglich. Der Anspruch entsteht mit Bewilligung der Sozialversicherungsrente. Wir bitten Sie, uns zu gegebener Zeit den Rentenbescheid des Sozialversicherungsträgers einzureichen, damit wir für Sie das Ruhegeld bei unserer Ruhegeldabteilung beantragen können.

Bis dahin besteht die bereits erdiente unverfallbare Versorgungsanwartschaft weiter. Über die Höhe dieser Versorgungsanwartschaft erhalten Sie von der Verwaltungskommission für die RuhegeldEinrichtung einen gesonderten Bescheid.

Bis zur Bewilligung des betrieblichen Ruhegeldes gewähren wir Ihnen gemäß Ziffer 7.1 des Sozialplanes eine monatlich zusätzliche Abfindungszahlung in Höhe von DM 1.417,02 brutto.

Die monatliche Abfindung wird nach erfolgter Tariferhöhung neu berechnet.

Die Berechnung dieser monatlichen Abfindungszahlung, die als Anlage beigefügt ist, erfolgt auf der Grundlage der Versorgungsbestimmungen in der Weise als wären Sie im Zeitpunkt des Ausscheidens bereits pensioniert worden und unter dem Vorbehalt, daß bis zu Ihrem Ausscheiden die Versorgungsbestimmungen nicht geändert worden sind. Sie sind verpflichtet, die vorgezogene Altersrente aus der Sozialversicherung so früh wie möglich in Anspruch zu nehmen.

…”

Der Kläger erhielt von Juli 1983 bis Dezember 1987 die im Aufhebungsvertrag erwähnten monatlichen Abfindungszahlungen in Höhe von zuletzt 1.429,89 DM brutto. Seit dem 1. Januar 1988 (Vollendung des 60. Lebensjahres) erhält der Kläger vorgezogenes Altersruhegeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Beklagte zahlt ihm ein zusätzliches Altersruhegeld von 450,97 DM. Vom PSV erhält er weitere 636,30 DM.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe im Schreiben vom 20. Oktober 1982 allen Mitarbeitern, die nach Vergleichseröffnung pensioniert werden, Betriebsrenten in gleicher Höhe wie die laufenden monatlichen Abfindungen zugesagt. Die gleiche Verpflichtung ergebe sich auch aus dem Aufhebungsvertrag vom 6. Dezember 1982. Dazu hat der Kläger weiter behauptet, der Personalleiter G habe ihm auch mündlich bestätigt, er erhalte später eine Pension in Höhe des monatlichen Abfindungsbetrags.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab 1. Januar 1988 über die bereits gezahlte Betriebsrente von 450,97 DM hinaus einen weiteren Betrag von monatlich 342,62 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, auf das Schreiben vom 20. Oktober 1982 könne sich der Kläger nicht berufen. Das Schreiben sei an den Gesamtbetriebsrat gerichtet. Der Verfasser habe nur seine Rechtsmeinung geäußert und sei keine weiteren Verpflichtungen eingegangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die Beklagte hat die Rente des Klägers zutreffend nach den Versorgungsbestimmungen berechnet. Sie schuldet dem Kläger keine Betriebsrente in Höhe der monatlichen Abfindungszahlungen.

1. Aus dem Sozialplan vom 21. Oktober 1982 ergeben sich die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche nicht. Der Sozialplan unterscheidet zwischen der monatlich zu zahlenden Abfindung und dem mit Bewilligung der Sozialversicherungsrente fällig werdenden Ruhegeld. Die Abfindung wird bis zum erstmaligen Bezug einer Sozialversicherungsrente gewährt, das Ruhegeld mit Bewilligung der Sozialversicherungsrente.

Für beide Leistungen enthält der Sozialplan Berechnungsvorschriften. Die monatliche Abfindung soll nach Ziffer 7.2 des Sozialplans berechnet werden. Das Ruhegeld nach Ziffer 7.3. Allerdings wird auch die monatliche Abfindung so berechnet, als ob der Arbeitnehmer im Zeitpunkt seines Ausscheidens vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden wäre. Damit wird auf Berechnungsbestimmungen in der Versorgungsordnung verwiesen. Daraus konnte aber kein Mitarbeiter den Schluß ziehen, das mit Bewilligung der Sozialversicherungsrente fällig werdende Ruhegeld werde in gleicher Höhe wie die zuvor geleistete Abfindung weitergezahlt. Die Höhe des Ruhegelds hängt nach den Versorgungsbestimmungen von der Höhe der Sozialversicherungsrente ab. Hier konnten sich durch die tatsächliche Entwicklung noch Unterschiede ergeben. Nach den Bestimmungen des Sozialplans muß daher zweimal gerechnet werden. Hätten Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat nur eine auch für die Berechnung des Ruhegelds verbindliche Berechnung gewollt, hätten sie dies ohne größere Schwierigkeiten klar und unmißverständlich zum Ausdruck bringen können. Der Kläger hat den Sozialplan auch nicht so verstanden. Das zeigt seine Klagebegründung. Er stützt sich im wesentlichen nicht auf die Bestimmungen des Sozialplans, sondern auf das Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1982 an den Gesamtbetriebsrat, auf mündliche Zusagen des Personalleiters und auf die Vereinbarungen im Aufhebungsvertrag.

2. Mit dem Schreiben der Beklagten vom 20. Oktober 1982 kann der Kläger seine Ansprüche nicht begründen. Das Schreiben ist nicht an den Kläger, sondern an den Gesamtbetriebsrat gerichtet. Es gibt Meinungen der Beklagten wieder. Es beantwortet eine Anfrage des Gesamtbetriebsrats. Allerdings konnte der Gesamtbetriebsrat die Antwort so verstehen, daß später die laufenden Abfindungen ohne neue Berechnung in Pensionen umgewandelt und, wie im Schreiben ausgeführt, „in gleicher Höhe – nunmehr als Pensionen – fortgezahlt” würden. In der endgültigen Fassung des tags danach abgeschlossenen Sozialplans hatte diese Rechtsauffassung der Beklagten jedoch keinen Niederschlag gefunden.

Das Schreiben der Beklagten konnte keine Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer begründen. Es gibt Auffassungen und Standpunkte zu Verhandlungen über einen Sozialplan wieder. Ansprüche der Arbeitnehmer sollten erst mit dem Sozialplan begründet werden.

3. Die Behauptung des Klägers, der Personalleiter G habe unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 20. Oktober 1982 ihm gegenüber persönlich versichert, die laufende Abfindung werde mit Eintritt des Versorgungsfalls in eine Pension umgewandelt und in gleicher Höhe fortgezahlt, ist unerheblich.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts (Urteil S. 7) war der Personalleiter nicht berechtigt, dem Kläger Leistungen zuzusagen, die über die Zusagen im Sozialplan hinausgingen. Die Angriffe des Klägers gegen diese Annahme des Berufungsgerichts sind im Ergebnis unbegründet. Der Personalleiter G war zwar zum Abschluß eines Aufhebungsvertrags befugt. Die Bedingungen des Aufhebungsvertrags waren jedoch im Sozialplan bereits festgelegt. Dieser Sozialplan mußte vom Personalleiter nur in individual-rechtliche Verträge umgesetzt werden. Wer berechtigt ist, Sozialpläne umzusetzen oder zu vollziehen, hat noch nicht ohne weiteres die Berechtigung, über den Sozialplan hinausgehende Zusagen zu machen.

b) Außerdem sind die Bedingungen für das Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis abschließend in dem späteren Aufhebungsvertrag geregelt. Auch darauf hat das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen. Entscheidend kommt es auf die jeweils letzte Vereinbarung zur Höhe der Betriebsrente an.

4. Der Aufhebungsvertrag selbst verpflichtet die Beklagte nur, die Rente des Klägers nach den Versorgungsbestimmungen zu berechnen. Der Aufhebungsvertrag stimmt inhaltlich mit den Regelungen überein, die im Sozialplan für das Ausscheiden der über 55jährigen Arbeitnehmer mit längerer Betriebszugehörigkeit vorgesehen sind. Er ist auf dem Hintergrund des Sozialplans zu verstehen. Er dient nur der Umsetzung der kollektiv-rechtlich vereinbarten Bedingungen in die einzelnen Arbeitsverhältnisse. Schon daraus folgt, daß besondere Zusagen an den Kläger, die über die Zusagen im Sozialplan hinausgehen, unwahrscheinlich sind.

Der Wortlaut spricht gegen die Annahme des Klägers. Auch im Aufhebungsvertrag wird zwischen der vorläufigen monatlichen Abfindung und dem späteren Ruhegeldanspruch unterschieden. Der Ruhegeldanspruch sollte erst mit Bewilligung der Sozialversicherungsrente entstehen, so wie es in den Versorgungsbestimmungen auch vorgesehen ist. Da die Höhe des Anspruchs von der Höhe der Sozialversicherungsrente abhängt, wird der Kläger ausdrücklich aufgefordert, bei Eintritt des Versorgungsfalls den Rentenbescheid des Sozialversicherungsträgers einzureichen. Aus dem letzten Halbsatz dieses Abschnitts mußte der Kläger entnehmen, daß das Ruhegeld von der Ruhegeldabteilung berechnet werden würde.

Zwar soll auch nach dem Aufhebungsvertrag, ebenso wie nach dem Sozialplan, die monatliche Abfindungszahlung auf der Grundlage der Versorgungsbestimmungen berechnet werden. Die monatliche Abfindungszahlung wurde jedoch ausdrücklich nur „bis zur Bewilligung des betrieblichen Ruhegeldes” zugesagt. Der Vertrag enthält ebenso wie der Sozialplan keinen Hinweis darauf, daß die Beklagte auf eine Neuberechnung des betrieblichen Ruhegelds verzichten und ohne weitere Berechnung das betriebliche Ruhegeld in Höhe der monatlichen Abfindungszahlung weiter zahlen wollte. Für die Berechnung der beiden Leistungen sind unterschiedliche Zeitpunkte maßgebend: Das betriebliche Ruhegeld wird bei Eintritt des Versorgungsfalls berechnet; die monatliche Abfindungszahlung wurde so berechnet, als wäre der Kläger im Zeitpunkt des Ausscheidens bereits pensioniert worden. Allein daraus mußten sich Differenzen ergeben.

5. Gegen die Berechnung der Betriebsrente durch die Beklagte hat der Kläger zuletzt keine Einwendungen mehr erhoben.

 

Unterschriften

Dr. Heither, Griebeling, Dr. Wittek, Dr. Jesse, Großmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI951912

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