Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Diplommedizinpädagogin an einer beruflichen Schule. Eingruppierung einer Lehrkraft an einer beruflichen Schule. Anspruch einer Diplommedizinpädagogin auf Erteilung berufstheoretischen Unterrichts nach entsprechender Stellenzuweisung. Tarifrecht öffentlicher Dienst. Eingruppierung Lehrer
Orientierungssatz
Weist der Arbeitgeber einer Lehrkraft einer beruflichen Schule nach einem förmlichen Bewerbungsverfahren die Stelle eines “Lehrers für den theoretischen Unterricht” zu, kann er sich nicht darauf berufen, eine entsprechende Eingruppierung könne nicht stattfinden, weil die Lehrkraft überwiegend berufspraktischen Unterricht erteilt habe.
Normenkette
BAT §§ 22, 23 Lehrer; Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I I BAT-O) Nr. 3a
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin als angestellte Lehrerin an einer medizinischen Fachschule.
Die am 19. März 1957 geborene Klägerin absolvierte von 1973 bis 1975 eine Berufsausbildung zur medizinisch-technischen Radiologieassistentin an der medizinischen Fachschule der ehemaligen Karl-Marx-Universität Leipzig. Ab dem 2. September 1975 wurde die Klägerin an derselben Fachschule als Lehrkraft eingesetzt. Von 1976 bis 1981 absolvierte sie ein Fachschulfernstudium an der Fachschule für Gesundheitsund Sozialwesen “Prof. Dr. Karl Gelbke” in Potsdam. Mit dem Zeugnis über den Fachschulabschluß wurde ihr bescheinigt, daß sie in der Fachrichtung “Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht im Gesundheitswesen” studiert habe und berechtigt sei, die Berufsbezeichnung “Medizinpädagoge (Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht)” zu führen. Ab dem 1. März 1981 erhielt sie aufgrund dieser Qualifikation eine höhere Vergütung. Sie war weiterhin als Lehrkraft an der medizinischen Berufsfachschule der Karl-Marx-Universität in Leipzig tätig.
Von 1985 bis 1988 absolvierte sie ein Hochschulfernstudium an der Humboldt-Universität zu Berlin, auf Grund dessen ihr der akademische Grad “Diplom-Medizinpädagoge” verliehen wurde. Durch Änderungsvertrag vom 4. Oktober 1988 erhielt die Klägerin ab dem 1. Juli 1988 auf Grund ihrer Tätigkeit als Fachschullehrerin an der medizinischen Fachschule der KMU eine höhere Vergütung.
Nach dem Änderungsvertrag vom 16. September 1991 galt ab dem 1. Juli 1991 folgendes:
Ҥ 1
Alle bisherigen Regelungen des Arbeitsvertrages vom 1.9.75 einschließlich erfolgter Änderungen verlieren ihre Gültigkeit und werden durch die Regelung des BAT-O ersetzt. Dies gilt insbesondere für die Zuordnung zu einer Gehaltsgruppe, für die Zahlung von Zulagen, Zuschlägen etc. Die Regelungen des Einigungsvertrages gelten uneingeschränkt weiter.
…
§ 2
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.
§ 3
Für die Eingruppierung gilt der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung.
Danach ist der/die Angestellte in der Vergütungsgruppe III eingruppiert.”
In § 4 ist geregelt, daß die Klägerin als vollbeschäftigte Angestellte weiterbeschäftigt werde.
Auch danach war sie weiterhin als Fachschullehrerin an der medizinischen Fachschule an der Universität Leipzig beschäftigt.
Am 6. Juli 1993 bewarb sich die Klägerin auf zwei Stellen in derselben Einrichtung und zwar die des Fachrichtungsleiters der medizinisch technischen Radiologieassistenz und die eines Fachschullehrers/Lehrer für theoretischen Unterricht. Mit Schreiben vom 7. April 1994 erhielt sie folgende Nachricht:
“…
gemäß Beschluß der Besetzungskommission vom 21.12.1993 weise ich Sie hiermit in die Stelle Nr. AUBl-024
Bezeichnung der Stelle: Lehrer für theoretischen Unterricht Verg.gr. BAT-O III
Klinik/Institut/sonstige Medizinische Fachschule ein.
Ihr Arbeitsvertrag ändert sich dadurch nicht.…”
Außerdem erhielt die Klägerin die Funktion der stellvertretenden Fachbereichsleiterin MTRA.
Der jeweilige Unterrichtseinsatz der Lehrkräfte wird jeweils vor dem Schuljahr für das Herbst- und das Frühjahrssemester eines Schuljahres gesondert festgelegt. In den Jahren 1995 – 1998 unterrichtete die Klägerin in den Fächern Röntgendiagnostik, Methoden Röntgendiagnostik, Methoden Radiologische Diagnostik, Übungen Röntgendiagnostik, Strahlentherapie, Methoden Strahlentherapie, Übungen Strahlentherapie, Strahlenschutz, Strahlenbiologie, Anatomie und fachliche Betreuung in der Praxis. Streitig ist zwischen den Parteien, ob diese Fächer überwiegend berufstheoretischer oder berufspraktischer Art sind bzw. zu welchem Anteil dies der Fall ist.
Im November 1995 forderte die Klägerin Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O. Mit Schreiben vom 10. Januar 1996 bat der Beklagte um Geduld.
Am 13. November 1997 hat die Klägerin Klage auf Eingruppierung in die VergGr. IIa BAT-O erhoben.
Mit Schreiben vom 23. April 1998 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er davon ausgehe, daß der Klägerin lediglich Vergütung nach der VergGr. IVa BAT-O zustünde, man jedoch angesichts der in Kürze vollständig absolvierten Bewährungszeit bezüglich der daraus resultierenden möglichen VergGr. III BAT-O die Klägerin zur Vermeidung unbilliger Härte in der VergGr. III belasse.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie erfülle ab dem 1. Juli 1995 die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nach der VergGr. IIa BAT-O, da sie neben der geforderten Qualifikation als Diplom-Medizinpädagogin auch den von dem Eingruppierungsmerkmal geforderten berufstheoretischen Unterricht an einer beruflichen Schule erteile. Die Klägerin macht geltend, auch in den von dem Beklagten als berufspraktisch bezeichneten Unterricht wie zB “Strahlentherapie” und “Methoden Strahlentherapie” werde überwiegend theoretisches Fachwissen vermittelt. Die Übung werde nicht durch praktische Anwendung erzielt, sondern durch stetiges Wiederholen der theoretischen Grundlagen, sowie durch Erstellen einer Systematik und der Bewertung der Ergebnisse. Die Methoden bestünden in für Theoriefächer typischen Unterrichtsmethoden, nämlich Vorträgen, Unterrichtsgesprächen, Diskussionen, Schülervorträgen und Demonstrationen. Die Klägerin meint, es sei nicht erforderlich, daß sie auch allgemeinbildenden Unterricht erteile. Als Inhaberin der Stelle einer Lehrkraft im theoretischen Unterricht habe sie auch Anspruch darauf, entsprechenden berufstheoretischen Unterricht zu erteilen. Weiterhin dürfe sie im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern aus der Gruppe der Diplom-Medizinpädagogen durch eine willkürliche Zuweisung überwiegend berufspraktischer Unterrichtserteilung nicht schlechter gestellt werden als diese.
Im übrigen meint sie, daß es nicht darauf ankomme, daß mehr als zur Hälfte berufstheoretischer Unterricht geleistet werde, da für sie als Lehrkraft auf Grund der Vorbem. Nr. 5 zu allen Vergütungsgruppen die Vergütungsordnung des BAT-O und damit auch § 22 BAT-O keine Anwendung finde.
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. Juli 1995 Vergütung nach der Vergütungsgruppe IIa BAT-O zuzüglich 4 % Zinsen aus den rückständigen Nettodifferenzbeträgen seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens,
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zumindest Vergütung nach der Vergütungsgruppe III BAT-O zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte ist der Ansicht, der von der Klägerin überwiegend erteilte Unterricht sei berufspraktischer und nicht berufstheoretischer Natur. In Anlehnung an die Grundsätze des § 22 Abs. 2 BAT-O sei aber erforderlich, daß die Klägerin überwiegend berufstheoretischen, teilweise allgemeinbildenden Unterricht erteile. Für die Abgrenzung komme es auf den Schwerpunkt des Unterrichts an. Es werde nicht in Abrede gestellt, daß die Klägerin in den von ihr durchgeführten Übungen und Methodenvermittlungen auch berufstheoretische Kenntnisse vermittle. Sofern sie allerdings reine berufstheoretische Fächer, wie Strahlenbiologie, Strahlenschutz und Anatomie unterrichte, seien diese in ihrem Zeitanteil der Unterrichtserteilung wesentlich geringer als die Fächer, die nach der Stundentafel von ihren Inhalten dem berufspraktischen Unterricht zuzuordnen seien.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, während die Klägerin die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Der Klägerin steht die begehrte Vergütung nach der VergGr. IIa BAT-O zu.
Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
Der Klägerin stehe die begehrte Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O zu, da sie Diplom-Medizinpädagogin sei und berufstheoretischen Unterricht erteile. Unerheblich sei, ob sie auch allgemeinbildenden Unterricht erteilt habe. Bei der Auslegung des Tarifmerkmals “Lehrer im berufstheoretischen, teilweise im allgemeinbildenden Unterricht” sei zu berücksichtigen, daß keine zeitlichen Voraussetzungen aufgestellt würden. Es werde auch nicht deutlich, ob ein spezielles allgemeinbildendes Unterrichtsfach gemeint sei oder ob es ausreiche, daß ein übergreifender berufstheoretischer Unterricht auch allgemeinbildende Elemente enthalte. Entscheidend sei, daß der Richtliniengeber mit Wirkung ab dem 1. Juli 1999 eine geänderte Fassung in Kraft gesetzt habe, wonach das Merkmal nunmehr laute “Lehrer im berufstheoretischen, gegebenenfalls teilweise im allgemeinbildenden Unterricht”. Hierdurch werde klargestellt, daß es darauf ankomme, daß ein Diplom-Medizinpädagoge einen entsprechend seiner Qualifikation theoretischen Unterricht zu erteilen habe, so daß die Erteilung eines rein allgemeinbildenden Unterrichts neben dem berufstheoretischen Unterricht zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmales nicht geschuldet sei.
Die Klägerin erteile berufstheoretischen Unterricht im Sinne der Arbeitgeberrichtlinien. Dabei komme es nicht auf die in den Unterrichtstafeln des Freistaats Bayern oder des Beklagten vorgenommene Zuordnung der Fächer zu den theoretischen bzw. praktischen Bereichen an. Auch die Unterrichtsform sei unerheblich. Daraus seien keine Rückschlüsse auf die Inhalte der Unterrichtsleistung und die tatsächlich vermittelten Inhalte möglich. Unstreitig unterrichte die Klägerin reine berufstheoretische Fächer (Strahlenschutz, Strahlenbiologie und Anatomie). Es sei unerheblich, ob diese arbeitszeitlich überwiegend unterrichtet würden. § 22 Abs. 2 BAT-O sei durch die Vorbem. Nr. 5 zur Vergütungsordnung des BAT-O ausdrücklich nicht anwendbar. Entscheidend sei, daß dieselbe Lehrkraft sowohl Theorieunterricht als auch in dazugehörigen Praxisübungen mit teilweise theoretischer Wissensvermittlung in aufeinanderbauenden Unterrichtsformen unterrichtet. Eine Gesamtbewertung ergebe, daß der von der Klägerin erteilte Unterricht als berufstheoretisch anzusehen sei. Damit werde auch der Tatsache Rechnung getragen, daß der jeweilig der Klägerin übertragene Unterricht von seinem Zeitanteil her je nach Leistungsniveau der zu unterrichtenden Schüler unterschiedlich sein werde. Auch die konkret erteilten Lehraufträge wechselten von Semester zu Semester. Dies hätte zur Folge, daß durch ständig vorzunehmende Arbeitsplatzanalysen die zeitlichen Anteile berufstheoretischer Wissensvermittlung in der berufspraktischen Ausbildung festzustellen wären, so daß ständig wechselnde Tätigkeitsbetrachtungen und Eingruppierungen einer Lehrkraft erforderlich wären. Dies sei durch die Richtlinien nicht gedeckt.
Der Senat folgt dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis. Die Klägerin hat Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O.
Auf das Arbeitsverhältnis finden auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung.
Folgende Bestimmungen sind insoweit maßgeblich:
Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 8. Mai 1998 zum Ersten Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O)
Ҥ 2
Übernahme der Vergütungsordnung des BAT
…
3. Die Anlage 1a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die
…
als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 I I fallen,
beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde.…”
Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I I BAT-O)
“Nr. 1
zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich -
Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen).
…
Protokollnotiz:
Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.
Nr. 3a
zu §§ 23 – 25 – Eingruppierung -
Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.
…”
Die Klägerin ist Lehrkraft im Sinne der tariflichen Bestimmungen, da sie an einer unter die Sonderregelungen fallenden berufsbildenden Schule des Beklagten Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Deshalb ist für ihre Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrags Nr. 1 die Anlage 1a zum BAT-O nicht anzuwenden. Die Klägerin ist gemäß § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher sie eingruppiert wäre, wenn sie im Beamtenverhältnis stünde.
Zunächst war die Besoldung der Lehrer und Lehrerinnen in der Anlage 1 der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einhalt Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 geregelt. Diese galt gemäß dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften der Lehrerbesoldung vom 23. August 1994 (BGBl. I S 2186) nur bis zu einer entsprechenden Ergänzung des Landesrechts weiter, längstens jedoch bis zum 1. Juli 1995. Gleichzeitig wurde durch dieses Gesetz die Vorbemerkung Nr. 16b zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B eingefügt, nach der abschließend bestimmt wird, daß Lehrer mit einer Lehrbefähigung nach dem Recht der ehemaligen DDR landesrechtlich eingestuft werden unter Berücksichtigung der Ämter für Lehrer, die in der Bundesbesoldungsordnung A und in den Landesbesoldungsordnungen A ausgewiesen sind.
Eine landesrechtliche Regelung über die Lehrerbesoldung ist, anders als in den anderen neuen Bundesländern, beim Beklagten nicht erfolgt. Die 2. BesÜV trat damit im Bereich des Beklagten zum 1. Juli 1995 außer Kraft. Die für die Eingruppierung von Lehrkräften maßgebliche tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften geht seit diesem Zeitpunkt ins Leere; durch § 1 Nr. 13 des Änderungstarifvertrages Nr. 9 vom 5. Mai 1998 wurde sie mit Wirkung vom 1. Januar 1998 gestrichen (vgl. Steinherr/Sponer/Schwimmbeck BAT Teil VIII – BAT-O – Stand Dezember 2000 2.1.1 SR 2 II Nr. 3a). Da beim Beklagten seit dem 1. Juli 1995 keine beamtenrechtliche Regelung über die Einstufung von Lehrkräften besteht, sind diese – entsprechend der tariflichen Regelung in § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1, die vom Außerkrafttreten der 2. BesÜV unberührt bleibt – nach näherer Maßgabe von Richtlinien einzugruppieren (BAG 7. August 1997 – 6 AZR 716/95 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 62).
Der Beklagte hat demgemäß mit Wirkung zum 1. Juli 1995 die Eingruppierung der angestellten Lehrkräfte durch die “Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 in der Fassung der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen” (Arbeitgeber-Richtlinien) sowie die “Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über die Eingruppierung der im Angestelltenverhältnis beschäftigten Lehrkräfte (Ost) vom 22. Juni 1995 (Lehrer-Richtlinien-O der TdL)” neu geregelt (vgl. auch BAG 24. Juni 1998 – 10 AZR 278/97 – nv.). Die Anwendung dieser Richtlinien kommt aber nur dann in Betracht, wenn sie von den Arbeitsvertragsparteien zum Inhalt des Arbeitsverhältnisses gemacht worden sind (BAG 25. November 1998 – 10 AZR 518/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 74).
Die Parteien haben vereinbart, daß für die Eingruppierung der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung gilt. Die Anwendung der Arbeitgeber-Richtlinien zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer in Sachsen ist im Arbeitsvertrag der Parteien nicht ausdrücklich vereinbart worden. Jedoch ist dieser Arbeitsvertrag in der Weise auszulegen, daß die Arbeitsvertragsparteien auch diese Arbeitgeber-Richtlinien zum Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses machen wollten (BAG 25. November 1998 – 10 AZR 518/97 – aaO). Erkennbar wollten die Parteien durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme der TdL-Richtlinien die Vorgabe des § 2 Nr. 3 Änderungstarifvertrag Nr. 1 umsetzen, daß Angestellte ggf. nach “näherer Maßgabe von Richtlinien” in der Vergütungsgruppe eingruppiert sind, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dadurch, daß die Parteien zusätzlich vereinbart haben, daß die Richtlinien in der jeweiligen Fassung maßgebend sein sollen, haben sie des weiteren klargestellt, daß eine sog. dynamische Verweisung gewollt ist, dh. daß sich die Eingruppierung des Klägers nach dem jeweils geltenden Inhalt der TdL-Richtlinien richtet. Daraus ist zu folgern, daß dann, wenn neben den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen TdL-Richtlinien für den Bereich des Beklagten weitere Eingruppierungsrichtlinien bestehen, welche die TdL-Richtlinien lediglich – zugeschnitten für den Bereich des Beklagten – modifizieren oder ergänzen, auch diese Richtlinien Vertragsbestandteil werden sollen. Es ist nämlich davon auszugehen, daß die vertragschließenden Parteien, wenn die sächsischen Arbeitgeber-Richtlinien zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses bereits bestanden hätten, deren Anwendbarkeit im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart hätten. Für eine solche Annahme spricht auch, daß sowohl die Klägerin als auch der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit davon ausgehen, daß sich die Eingruppierung der Klägerin durch die Arbeitgeber-Richtlinien bestimmt.
Dabei sind nach der Rechtsprechung des Senats die Arbeitgeber-Richtlinien in der Fassung der verbindlichen Bekanntmachung durch das Sächsische Staatsministeriums der Finanzen vom 26. März 1996 (Amtsblatt des SMF vom 30. Mai 1996) maßgeblich (BAG 15. März 2000 – 10 AZR 119/99 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 81; 7. Juni 2000 – 10 AZR 254/99 – BB 2000, 2368).
Die Richtlinien des Freistaates Sachsen zur Neuregelung der Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 idF der am 20. März 1996 beschlossenen Änderungen – Veröffentlichung des Sächsischen Ministeriums der Finanzen aaO – enthalten folgende Regelungen:
“B. Berufliche Schulen
Vergütungsgruppe Vb
Lehrer im berufspraktischen Unterricht
– mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung
Vergütungsgruppe IVb
1. Lehrer im berufspraktischen Unterricht
– mit abgeschlossener handwerklicher Ausbildung
2. Lehrer als Fachlehrer
– mit abgeschlossener Ausbildung als Ingenieurpädagoge, Medizinpädagoge, Agrarpädagoge oder Okonompädagoge oder Ingenieur mit einer Zusatzausbildung in Berufspädagogik
Vergütungsgruppe IVa
Lehrer als Fachlehrer
– mit abgeschlossener Ausbildung als Ingenieurpädagoge, Medizinpädagoge, Agrarpädagoge oder Ökonompädagoge oder Ingenieur mit einer Zusatzausbildung in Berufspädagogik
Vergütungsgruppe III
1. Lehrer als Fachlehrer
– mit abgeschlossener Ausbildung als Ingenieurpädagoge, Medizinpädagoge, Agrarpädagoge oder Ökonompädagoge oder Ingenieur mit einer Zusatzausbildung in Berufspädagogik
2. Lehrer im allgemeinbildenden Unterricht
…
Vergütungsgruppe IIa
1. Lehrer im allgemeinbildenden Unterricht
…
2. Lehrer im berufstheoretischen, teilweise im allgemeinbildenden Unterricht*
– mit abgeschlossener Ausbildung als Diplomingenieurpädagoge, Diplomgewerbelehrer, Diplomhandelslehrer, Diplomökonompädagoge, Diplomagrarpädagoge, Diplommedizinpädagoge, Diplomgartenbaupädagoge, Diplomingenieur oder Diplomökonom mit zusätzlichem berufspädagogischem Abschluß oder Diplomabsolvent mit einer vergleichbaren pädagogischen wissenschaftlichen Hochschulausbildung.
…”
* In der ab 1. Juli 1999 geltenden Fassung lautet der Satz: “Lehrer im berufstheoretischen, gegebenenfalls teilweise im allgemeinbildenden Unterricht …”
Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach VergGr. IIa BAT-O folgt schon daraus, daß der Beklagte sich verpflichtet hat, der Klägerin als Diplommedizinpädagogin zumindest überwiegend theoretischen Unterricht zuzuweisen. Dies folgt aus der Stelleneinweisung vom 7. April 1994.
Die Klägerin als Diplom-Medizinpädagogin erfüllt die subjektiven Voraussetzungen der Eingruppierung in die VergGr. IIa nach den sächsischen Lehrerrichtlinien. Die Eingruppierung von Lehrern an beruflichen Schulen ist nach diesen Richtlinien weiter davon abhängig, welche Art von Unterricht sie erteilen. VergGr. Vb und IVb Ziff. 1 stellen auf Lehrer im berufspraktischen Unterricht ab; VergGr. IVb Ziff. 2 und IVa sowie III Ziff. 1 auf Lehrer als Fachlehrer; VergGr. III Ziff. 2 und IIa Ziff. 1 auf Lehrer im allgemeinbildenden Unterricht, während VergGr. IIa Ziff. 2 auf Lehrer im berufstheoretischen, teilweise im allgemeinbildenden Unterricht (nach dem 1. Juli 1999 “ggf. teilweise im allgemeinbildenden Unterricht”) abstellen. Damit ist für die Vergütung der Lehrkräfte nicht nur deren Vorbildung und Lehrbefähigung entscheidend, sondern auch die Art der Unterrichtserteilung (vgl. BAG 25. November 1998 – 10 AZR 518/97 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 74, zu II 5 der Gründe). Dabei führt berufspraktischer Unterricht zu einer niedrigeren Eingruppierung, als sie durch den Einsatz im berufstheoretischen Unterricht möglich ist. Dies entspricht der Bewertung der aus den Berufsbezeichnungen der früheren DDR weitergeführten, in den alten Bundesländern nicht vorhandenen Qualifikationen der Medizinpädagogen und Diplom-Medizinpädagogen. Während Medizinpädagogen den Zusatz “Lehrkraft für den berufspraktischen Unterricht” erhielten, war mit dem Erwerb der Qualifikation “Diplom-Medizinpädagoge” die Lehrbefähigung für den berufstheoretischen Unterricht verbunden. Dies beruht darauf, daß erst auf Grund der zum Erwerb der Qualifikation des Diplom-Medizinpädagogen erforderlichen universitären Ausbildung angenommen wird, daß damit die Befähigung zum Erteilen der theoretischen und wissenschaftlichen Grundlagen der zu vermittelnden Kenntnisse verbunden ist.
Zusätzlich zur vorhandenen Qualifikation Diplom-Medizinpädagogin ist demnach grundsätzlich erforderlich, daß die Klägerin auch eine entsprechende Tätigkeit im berufstheoretischen Unterricht ausübt. Wäre dies nicht der Fall, würde sie nicht entsprechend ihrer Qualifikation eingesetzt. Eine Überqualifikation ist jedoch eingruppierungsrechtlich unbeachtlich (vgl. BAG 5. März 1997 – 4 AZR 390/95 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 58).
- Zu einer Zuweisung von überwiegend berufstheoretischem Unterricht hat sich der Beklagte jedoch verpflichtet, indem er ihr auf Grund des Beschlusses der Besetzungskommission die Stelle eines Lehrers “für theoretischen Unterricht” zugewiesen hat. Hierbei kann es sich nur um den berufstheoretischen – allenfalls allgemeinbildenden – Unterricht iSd. VergGr. IIa der sächsischen Lehrerrichtlinien handeln, denn eine andere Art von theoretischem Unterricht wird an der beruflichen Fachschule nicht erteilt. Die Stellenzuweisung hat Einfluß auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit der Klägerin, denn durch sie ist die im Rahmen des Änderungsvertrages vom 16. September 1991 nicht im einzelnen beschriebene Art der Tätigkeit konkretisiert worden. Dem Beklagten kann nicht darin gefolgt werden, die Stellenzuweisung sei eingruppierungsrechtlich unbedeutend, denn er hat sie nach einem förmlich ausgestalteten Bewerbungsverfahren vorgenommen und darin den Inhalt der zugewiesenen Tätigkeit beschrieben. Im Gegensatz zu dem an der Einrichtung auch unterrichteten berufspraktischen Unterricht soll die Klägerin theoretischen Unterricht erteilen. Insoweit hat sich der Beklagte gebunden und muß sich deshalb auch vergütungsrechtlich entsprechend behandeln lassen.
- Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß es nicht darauf ankommt, ob und in welchem Maße und in welcher Form die Klägerin allgemeinbildenden Unterricht erteilt. Die nach den Regeln des Verwaltungsrechts vorzunehmende Auslegung, wonach nach dem wirklichen Willen des Normgebers zu forschen ist (BAG 5. März 1997 – 4 AZR 390/95 – AP BAT §§ 22, 23 Lehrer Nr. 58), ergibt, daß zwar der Wortlaut die Auslegung zuläßt, daß kumulativ ein Unterricht im berufstheoretischen und im allgemeinbildenden Bereich erforderlich sein kann, um die Eingruppierungsvoraussetzungen zu erfüllen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht jedoch darauf hingewiesen, daß die ab 1. Juli 1999 in Kraft getretene Änderung, wonach eine Lehrkraft im berufstheoretischen, gegebenenfalls allgemeinbildenden Unterricht nach VergGr. IIa eingruppiert werden kann, lediglich als Klarstellung aufzufassen ist. Aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung ist zu schließen, daß die Erwähnung des allgemeinbildenden Unterrichts für die Fachkräfte des berufstheoretischen Unterrichts nur den Sinn haben kann, Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden. Berufstheoretische Fächer können auch teilweise allgemeinbildende Inhalte haben und Lehrkräfte für berufstheoretischen Unterricht können auch in allgemeinbildenden Fächern eingesetzt werden, für die sie an sich keine Lehrbefähigung haben. Solche Einsätze sollen nicht eingruppierungsschädlich sein. Der Zusatz “teilweise” bzw. “gegebenenfalls teilweise im allgemeinbildenden Unterricht” hat damit den Sinn, Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden.
- Da die Klägerin auch die subjektiven Voraussetzungen, nämlich die Qualifikation als Diplom-Medizinpädagogin, erfüllt (anders als in den vom BAG am 15. November 1995 – 4 AZR 566/94 – BAGE 81, 254 und am 30. November 1994 – 4 AZR 899/93 – AP BAT-O § 11 Nr. 3; sowie am 13. Juni 1996 – 8 AZR 415/94 – nv. entschiedenen Fällen), ist der Eingruppierungsanspruch der Klägerin begründet, auch wenn sie möglicherweise in erheblichem Umfang im berufspraktischen Unterricht eingesetzt wurde.
- Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht dem geltend gemachten Zinsantrag entsprochen (§ 288 Abs. 1 BGB).
- Die Kosten des erfolglosen Rechtsmittels sind dem Beklagten aufzuerlegen (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Unterschriften
Dr. Freitag, Dr. Jobs, Marquardt, Burger, Trümner
Fundstellen
Haufe-Index 892416 |
ZTR 2001, 563 |
PersV 2002, 561 |
NJOZ 2001, 1343 |