Entscheidungsstichwort (Thema)
Tariflohnerhöhung wegen Arbeitszeitverkürzung
Orientierungssatz
1. Tariflohnerhöhung wegen Arbeitszeitverkürzung und übertariflicher Lohn (vgl BAG vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 -; vom 16. September 1987 - 4 AZR 265/87 -).
2. Auslegung des Manteltarifvertrages für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum vom 3. Januar 1985.
Normenkette
TVG § 4
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 03.04.1987; Aktenzeichen 16 Sa 1290/86) |
ArbG Minden (Entscheidung vom 27.05.1986; Aktenzeichen 1 Ca 1319/85) |
Tatbestand
Der Kläger ist seit dem 16. Oktober 1978 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Möbelindustrie, als Betriebshandwerker (Schlosser) beschäftigt. Auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie im nordwestdeutschen Raum Anwendung. Die Beklagte gehört dem tarifschließenden Verband an.
Der Kläger ist in die Lohngruppe V des Lohntarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer in Betrieben der Holzindustrie und des Serienmöbelhandwerks in Westfalen-Lippe (LTV) eingruppiert. Er hat zu keinem Zeitpunkt im Akkord gearbeitet.
In ihrem schriftlichen Arbeitsvertrag vom 17. Oktober 1978 hatten die Parteien in der Rubrik "Akkord" einen Lohn von 11,60 DM brutto vereinbart. Eingestellt wurde der Kläger als Staplerfahrer (auch Schlosser). Nach kurzer Tätigkeit wurde er dann selbständig als Betriebshandwerker beschäftigt. In den Lohnabrechnungen der Folgezeit wurde der Stundenlohn in seiner jeweiligen Höhe als einheitlicher Betrag ausgewiesen. Ab Januar 1982 wurde der Stundenlohn des Klägers in den Abrechnungen als "Einzelakkord 125" bezeichnet. Der Kläger erhielt ab diesem Zeitpunkt einen Effektivstundenlohn, der sich zusammensetzte aus dem Tariflohn der Lohngruppe V zuzüglich 15 % (= Akkordrichtsatz) zuzüglich weiterer 25 %. Tariflohnerhöhungen gab die Beklagte jeweils in voller Höhe an den Kläger weiter.
Mit Schreiben vom 12. Juli 1985 sprach die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung aus mit dem Ziel, seine Vergütung auf einen festen Monatslohn umzustellen. Im Kündigungsschreiben hieß es u. a.:
"An Ihrem Arbeitsplatz werden keine Akkordarbeiten
ausgeführt. Es wird bisher wie folgt gezahlt:
Stundenlohn (bestehend aus Tariflohn + Akkordrichtsatz-ZUschlag)
zuzügl. Akkordzuschlag bzw. vom Akkord
abgeleiteter Zuschlag."
Auf Intervention des im Betrieb der Beklagten bestehenden Betriebsrates nahm diese unter dem 26. August 1985 die Änderungskündigung zurück. Mit Schreiben vom 11. September 1985 wurde dem Kläger folgendes mitgeteilt:
"...
Wie Sie Ihrem Einstellungsvertrag und vor allen Dingen den
monatlichen Lohnabrechnungen entnehmen können, werden Sie
zur Zeit nach der Lohngruppe 5 abgerechnet. Ihr jetziger
Stundenlohn beträgt DM 17,31.
Der Ordnung halber geben wir Ihnen nachfolgend die Aufteilung
dieses Stundenlohnes bekannt:
1.) Tariflicher Ecklohn DM 12,04
2.) Richtsatz nach § 4 Abs. 7 MTN
(20 %) DM 14,45
3.) Vorarbeiterzulage DM ./.
4.) Bereitschaftszulage/Prämie DM ./.
5.) Außertarifliche Zulage DM 2,86
6.) Nachtzuschläge DM ./.
---------
7.) Endlohn (Pos. 1-5) DM 17,31
=========
Bitte betrachten Sie dieses Schreiben als Ergänzung
zum bestehenden Vertragsverhältnis."
Zwischen den Parteien steht außer Streit, daß es sich bei dem in diesem Schreiben unter 2.) aufgeführten "Richtsatz nach § 4 Abs. 7 MTN (20 %)" um den Lohnzuschlag für im Akkord beschäftigte Betriebshandwerker nach § 4 Abs. 7 LTV handelt. Ab September 1985 erhielt der Kläger eine geänderte Lohnabrechnung. Danach errechnete sich sein Verdienst auf der Basis "geleistete Arbeitsstunden x 14,45 DM" (= Tariflohn der Lohngruppe V + 20 %) sowie aus einer betragsmäßig separat ausgewiesenen übertariflichen Zulage, errechnet auf der Basis "geleistete Arbeitsstunden x 2,86 DM". Der Effektivlohn des Klägers belief sich damit wie im Vormonat auf 17,31 DM. Durch den Lohntarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in Betrieben der Holzindustrie und des Serienmöbelhandwerks in Westfalen/Lippe (LTV) vom 11. Januar 1985, in Kraft getreten am 1. Januar 1985, erhöhten sich als Ausgleich für die im Manteltarifvertrag für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie im nordwestdeutschen Raum der Bundesrepublik Deutschland (MTN) vom 3. Januar 1985, gültig ab 1. Januar 1985, vereinbarte Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 38,5 Stunden ab 1. Oktober 1985 von diesem Zeitpunkt an die Tariflöhne. Die Beklagte zahlte dem Kläger nunmehr einen Stundenlohn von 15,01 DM (Tariflohn der Lohngruppe V zuzüglich 20 %) und eine übertarifliche Zulage in unveränderter Höhe von 2,86 DM pro Arbeitsstunde. Der Effektivlohn des Klägers betrug somit 17,87 DM. Mit Wirkung vom 1. Januar 1986 wurden die Tariflöhne um 3,6 % angehoben. Der Kläger erhielt ab diesem Zeitpunkt einen Stundenlohn von 15,55 DM (Tariflohn der Lohngruppe V zuzüglich 20 %). Als Effektivlohn zahlte die Beklagte dem Kläger weiterhin 17,87 DM, was einer - um die Tariflohnerhöhung gekürzten - übertariflichen Zulage von 2,32 DM entspricht.
Mit seiner am 30. September 1985 erhobenen Klage begehrt der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung, daß Tariflohnerhöhungen auf den ihm gewährten übertariflichen Lohnbestandteil nicht angerechnet werden dürfen. Außerdem begehrt er festzustellen, daß die Lohnmitteilung vom 11. September 1985 keine Veränderung seines bestehenden Arbeitsverhältnisses bewirkt hat. Mit Schriftsatz vom 23. April 1986, zugegangen am 5. Mai 1986, hat der Kläger seine Klage erweitert. Er verlangt von der Beklagten für die Monate Januar bis März 1986 als Lohnnachzahlung die Differenz zwischen dem ihm auf der Basis der abgerechneten Stunden ausgezahlten Lohnes und des Lohnes, der sich nach den abgerechneten Stunden ergibt, wenn die Beklagte am 1. Oktober 1985 seinen Effektivlohn um 3,9 % (von 17,31 DM auf 17,98 DM) und am 1. Januar 1986 diesen Effektivlohn um 3,6 % (von 17,98 DM auf 18,63 DM) erhöht hätte. Dieser Differenzbetrag ist in seiner rechnerischen Höhe zwischen den Parteien unstreitig.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei seiner Einstellung habe er eine Gesamtlohnvereinbarung getroffen, die über dem damaligen Tariflohn gelegen habe. Es habe Einigkeit darüber bestanden, daß der über dem Tariflohn liegende Lohnbestandteil stets neben dem jeweiligen Tariflohn zu zahlen sei. In der Folgezeit sei sein Lohn entsprechend den Tariflohnerhöhungen angehoben worden. Auch dies sei mit der Beklagten so vereinbart gewesen. Ab 1. Januar 1982 sei die bestehende Gesamtlohnvereinbarung geändert worden. Die Beklagte habe ihm ab diesem Zeitpunkt dreieinhalb Jahre lang neben dem tariflichen Akkordrichtsatz einen Zuschlag von 25 v. H. gezahlt. Dabei handele es sich um eine Leistungsklage. Dieser Zuschlag sei bei jeder Tariflohnerhöhung in unveränderter Höhe von 25 % auf den Akkordrichtsatz weitergewährt worden. Deshalb habe sein Effektivlohn ohne Ausspruch einer Änderungskündigung einseitig in einen tariflichen und in einen übertariflichen Lohnbestandteil aufgeteilt werden dürfen, wie dies durch die Mitteilung vom 11. September 1985 beabsichtigt worden sei. Auch sei zu keiner Zeit vereinbart worden, daß der übertarifliche Lohnbestandteil als freiwillige, anrechenbare Zulage gewährt werden solle. Deshalb dürfe die Beklagte die Tariflohnerhöhung vom Januar 1986 nicht auf den übertariflichen Lohnbestandteil anrechnen. Dies sei auch schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte an dieser Maßnahme den Betriebsrat nicht beteiligt habe. Die vorgenommene Verrechnung sei unbillig, da der Angestelltenbereich, die im Akkord Beschäftigten sowie die Arbeiter, die einen festen Monatslohn bezögen, von ihr nicht betroffen seien. Zudem ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 21 a MTN und der Protokollnotiz Nr. 2 zum MTN, dem Sinn und Zweck und der Entstehungsgeschichte dieser tariflichen Norm, daß die Tarifvertragsparteien das effektive Lohnniveau der Zeitlöhner trotz vereinbarter Arbeitszeitverkürzung hätten beibehalten wollen. Ihr Bestreben sei es gewesen, durch die getroffene Regelung die Effektivlöhne zu sichern. Dabei handele es sich nicht um eine nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unzulässige Effektivklausel, sondern um eine zulässige Verdienstsicherungsklausel. Zudem habe die Beklagte nur das Monatseinkommen der Arbeiter gesenkt. Bei Angestellten würde trotz gleicher Arbeitszeitverkürzung das Gehalt in unveränderter Höhe weitergezahlt. Hierin liege ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte müsse deshalb auch den übertariflichen Lohnbestandteil um die Tariflohnerhöhung von 3,9 % anheben.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß sein mit der Beklagten bestehendes
Arbeitsverhältnis durch die Lohnmitteilung vom
11. September 1985 in seinem rechtlichen Bestand
nicht berührt wird und daß die Beklagte ihm einen
Gesamtlohn schuldet, dessen über dem jeweiligen
Tariflohn liegender Teil bestandskräftig ist und
bei tariflichen Lohnerhöhungen nicht angerechnet
werden kann,
und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 345,37 DM
brutto nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Klageerweiterung
vom 23. April 1986 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hält das Feststellungsbegehren des Klägers für unzulässig. Zudem sei mit dem Kläger zu keiner Zeit eine individuelle, anrechnungsfeste übertarifliche Zulage vereinbart worden. Ausweislich des Arbeitsvertrages sei ausschließlich ein Gesamtlohn abgemacht worden, der übertariflich gewesen sei. Ein Anspruch auf Anpassungen entsprechend den Lohnerhöhungen in der holz- und kunststoffverarbeitenden Industrie sei weder aus dem Arbeitsvertrag noch aus der nachfolgenden Praxis zu entnehmen. Die Art der Lohnabrechnung ab Januar 1982 sei allein durch das EDV-Abrechnungsprogramm bedingt gewesen. Eine Leistungszulage sei mit dem Kläger auch zu diesem Zeitpunkt nicht vereinbart worden. Die gewährte freiwillige Zulage sei ein Relikt aus der früheren Konjunktur in der Möbelindustrie, mit der keine individuelle besondere Leistung des Klägers hätte abgegolten werden sollen. Der Lohnmitteilung vom 11. September 1985 komme keine rechtliche Bedeutung zu, denn es handele sich nur um eine Beschreibung des mit dem Kläger bestehenden Rechtszustandes hinsichtlich der Zusammensetzung seines Lohnes. Die erfolgte Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Lohnbestandteile unterliege auch nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates, da diesem insoweit ein Mitbestimmungsrecht nicht zustehe. Die zum 1. Oktober 1985 erfolgte Tariflohnerhöhung habe die Beklagte an den Kläger weitergegeben. Die tarifvertragliche Regelung beziehe sich nur auf die Tariflöhne, so daß eine Erhöhung der außertariflichen Lohnbestandteile nicht in Betracht komme.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und die Feststellungsklage auf die Feststellung des Rechtscharakters der Zulage beschränkt. Er hat u. a. beantragt,
"gegenüber der Beklagten festzustellen, daß sie
verpflichtet ist, die Tariflohnerhöhung auf
den jeweiligen Stundenlohn des Klägers zu zahlen,
ohne daß ein Lohnbestandteil anrechenbar wäre und
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 345,37 DM
brutto nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Klageerweiterung
vom 23. April 1986 zu zahlen."
Das Landesarbeitsgericht hat über die Behauptung des Klägers, ihm sei ein individueller, anrechnungsfester übertariflicher Lohnbestandteil zugesagt worden, Beweis erhoben und durch die uneidliche Vernehmung des Betriebsratsmitgliedes der Beklagten J als Zeugen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 21,58 DM brutto nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen haben sowohl der Kläger als auch die Beklagte Revision eingelegt. Der Kläger verfolgt mit seiner Revision sein Feststellungsbegehren für die Zeit ab 1. April 1986 und sein Zahlungsverlangen abzüglich des ihm zugesprochenen Betrages weiter. Die Beklagte beantragt Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Beide Parteien beantragen die Zurückweisung der Revision ihres Gegners.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision der Beklagten war das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat. Die Revision des Klägers war zurückzuweisen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts mußte die Klage in vollem Umfange abgewiesen werden. Die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts war demzufolge in vollem Umfange zurückzuweisen.
Soweit der Kläger die Erhöhung seines Effektivlohnes ab Januar 1986 um die Tariflohnerhöhung von 3,6 % verlangt und sich gegen die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf den übertariflichen Lohnanteil wendet, hat das Landesarbeitsgericht zutreffend aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme und nach Würdigung der einzelvertraglichen Abreden festgestellt, daß ein anrechnungsfester übertariflicher Lohnbestandteil nicht vereinbart worden ist und die Beklagte daher nicht gehindert ist, diesen übertariflichen Lohn mit der Tariflohnerhöhung von 3,6 % ab 1. Januar 1986 zu verrechnen.
Auszugehen ist dazu von der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach übertarifliche Zulagen im Falle einer Tariflohnerhöhung grundsätzlich mit dem Tariflohn verrechnet werden können, wenn nicht dem Arbeitnehmer aufgrund einer vertraglichen Abrede die Zulage als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen soll. Eine solche Vereinbarung kann sich auch aus betrieblicher Übung, den besonderen Umständen oder dem Zweck der Zulage ergeben (BAG Urteile vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 481/80 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung und vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt, jeweils mit weiteren Nachweisen). Von diesen Grundsätzen ausgehend hat das Landesarbeitsgericht aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme festgestellt, daß mit dem Kläger zu keiner Zeit einzelvertraglich die Zahlung einer Leistungszulage vereinbart wurde. Zwischen den Parteien ist danach auch keine vertragliche Abrede darüber getroffen worden, daß die gewährte Zulage dem Kläger stets als selbständiger Lohnbestandteil neben dem jeweiligen Tariflohn zustehen soll. Besondere Umstände bei den Vertragsverhandlungen, die auf eine stillschweigende derartige Vereinbarung schließen lassen könnten, sind ebenfalls vom Landesarbeitsgericht nicht festgestellt worden. Vielmehr haben die Parteien nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen weder im Arbeitsvertrag noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Vereinbarung über die gezahlte übertarifliche Zulage dieser Art getroffen.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl. Insbesondere hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt, daß die Beklagte gegenüber dem Kläger erklärt habe, seine Vergütung betrage ständig den Akkordrichtsatz zuzüglich 25 %. Ein solches Angebot ergibt sich auch nicht aus dem beiderseitigen Parteivorbringen. Verfahrensrügen sind insoweit nicht erhoben worden. Auch aus der tatsächlichen Handhabung, daß ursprünglich ein Gesamtlohn vereinbart worden ist, dann der Verdienst in der Lohnabrechnung als Einzelakkord 125 und später als übertarifliche Zulage ausgewiesen wurde, kann keine rechtsgeschäftliche Erklärung entnommen werden, nach der dem Kläger auch künftig die übertarifliche Lohnzulage zum jeweiligen Tariflohn zusätzlich zu zahlen sei. Insbesondere kann daraus auch nicht auf eine betriebliche Übung geschlossen werden, nach der übertarifliche Lohnzulagen auch künftig zum jeweiligen Tariflohn bezahlt werden sollen (vgl. BAG Urteile vom 4. Juni 1980 - 4 AZR 530/78 - und vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 481/80 - AP Nr. 13, 15 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung). Auch die ab Januar 1982 erfolgte Ausweisung des Verdienstes in der Lohnabrechnung als Einzelakkord 125 läßt keine zwingenden rechtlichen Schlüsse darauf zu, daß insoweit eine Bindung für die Zukunft gewollt sei. Eine Lohnabrechnung gibt grundsätzlich nur den gegenwärtigen Zustand wieder, der im Zeitpunkt der Abrechnung 125 % des Akkordrichtsatzes betrug.
Daraus konnte das Landesarbeitsgericht jedenfalls entnehmen, daß die Beklagte damit nicht dem Kläger einen tariffesten Akkordausgleich zahlen wollte, zumal der Kläger nicht im Akkord beschäftigt war. Dazu konnte auch ab September 1985 die übertarifliche Zulage getrennt betragsmäßig in der Abrechnung ausgewiesen werden, weil sich dadurch nichts an deren Rechtscharakter ändert. Es bedeutet rechtlich keinen Unterschied, ob die Zulage sich nur aufgrund einer Abrechnungsformel als Bestandteil des ausgewiesenen Verdienstes ergibt oder ob sie betragsmäßig in der Abrechnung einzeln aufgeführt wird. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht auch darin zuzustimmen, daß die jahrelange vorbehaltlose Zahlung einer übertariflichen Zulage zum jeweiligen Tariflohn auch unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben noch nicht auf einen rechtsgeschäftlichen Willen des Arbeitgebers schließen läßt, auch für alle Zukunft den übertariflichen Lohnbestandteil unverändert zum jeweiligen Tariflohn weiterzahlen zu wollen (vgl. BAG Urteile vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 481/80 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung und vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt). Eine andere rechtliche Beurteilung folgt auch nicht daraus, daß der Kläger bis August 1985 keine betragsmäßig ausgewiesene übertarifliche Zulage erhielt. Es reicht aus, daß die Tatsache der übertariflichen Bezahlung sich aus der Art der Lohnberechnung ergibt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war eine besondere Berechnungsweise nicht als ständige Lohnberechnungsformel zugesagt worden, so daß sich allein aus der Abrechnungsweise kein anderer Vertragsinhalt ergibt, als wenn die Zulage von vornherein vertragsmäßig beziffert worden ist.
Damit hat aber das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt, daß sich die Tariflohnerhöhung auf den Bestandteil des Lohnes, der vorher im übertariflichen Bereich lag, nur so auswirkt, daß der bisherige übertarifliche Lohnbestandteil in der Erhöhung des Erhöhungsbetrages nicht mehr als übertariflicher Lohn, sondern als Tariflohn anzusehen ist. Der übertarifliche Lohnbestandteil verringert sich damit bei der Tariflohnerhöhung mangels gegenteiliger vertraglicher Vereinbarung automatisch um den Betrag der Tariflohnerhöhung (vgl. BAG Urteile vom 8. Dezember 1982 - 4 AZR 481/80 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertarifl. Lohn u. Tariflohnerhöhung und vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 -, BAGE 38, 118 = AP Nr. 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung).
Wird aber damit der übertarifliche Lohnanteil ohne weiteres bei der Tariflohnerhöhung aufgesaugt, kommt insoweit auch eine Mitbestimmung des Betriebsrats nicht in Betracht. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage bedarf keiner Entscheidung des Arbeitgebers, sondern tritt automatisch ein, solange keine Veränderung der übertariflichen Zulagen aus Anlaß der Tariflohnerhöhung vorgenommen wird (vgl. BAG Urteil vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 - und BAG Beschluß vom 24. November 1987 - 1 ABR 57/86 -, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Die Anrechnung auf die Tariflohnerhöhung ist insoweit keine gestaltende Entscheidung des Arbeitgebers, sondern nur die Folge einer gegebenen Tarifautomatik. Darüber hinaus betrifft die Frage der Anrechnung einer übertariflichen Zulage auf eine Tariflohnerhöhung die Höhe der Zulage, die für sich ebenfalls mitbestimmungsfrei ist (BAG Beschluß vom 17. Dezember 1985 - 1 ABR 6/84 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Der Revision der Beklagten war stattzugeben, soweit das Landesarbeitsgericht der Klage stattgegeben hat. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem Kläger keine Erhöhung des übertariflichen Lohnanteiles aus Anlaß der Tariflohnerhöhung um 3,9 % mit Rücksicht der Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden pro Woche zu. Auszugehen ist hierzu aufgrund der beiderseitigen Verbandszugehörigkeiten von der Regelung der Ziffer 21 a MTN mit der Protokollnotiz, die lauten:
"Ziffer 21 a MTN
Die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen
darf bis zum 30. September 1985 40 Stunden wöchentlich
nicht überschreiten. Ab 1. Oktober 1985 wird die
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf 38,5 Stunden
bei vollem Lohnausgleich verkürzt. ...
Protokollnotiz Nr. 2
Die Verkürzung der Arbeitszeit um 1,5 Stunden pro
Woche erfolgt ohne Minderung des Arbeitsentgelts
auf der Basis der bisher geltenden 40-Stunden-Woche."
Wie der Senat bereits in seinen Entscheidungen vom 16. September 1987 (- 4 AZR 206/87 -, - 4 AZR 268/87 -, - 4 AZR 329/87 -, - 4 AZR 330/87 - und - 4 AZR 331/87 -, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen) dargelegt hat, ergibt sich aus dieser tariflichen Regelung entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß mit der Formulierung "Arbeitsentgelt" in der Protokollnotiz Nr. 2 nicht der Effektivlohn, sondern nur der Tariflohn gemeint ist. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien mit dieser Bestimmung die Effektivlöhne hätten sichern wollen und nicht nur den Tariflohn gesichert hätten, sondern auch den übertariflichen Lohnanteil um 3,9 % hätten erhöhen wollen, läge darin eine unzulässige und damit unwirksame Effektivklausel. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts weder einen tarifrechtlichen noch einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf einen bestimmten Wochenlohn. Infolge der Verkürzung der Arbeitszeit muß deshalb bei unveränderter Grundlage des Zeitlohnprinzips auch der übertarifliche Lohnbestandteil um die Tariflohnerhöhung steigen, wenn der in der Arbeitswoche erzielte Arbeitsverdienst nicht insgesamt absinken soll. Hierfür bedarf es aber einer Rechtsgrundlage, die im übertariflichen Raum nicht der Tarifvertrag sein kann, weil dann der Arbeitgeber mit normativer Wirkung verpflichtet würde, die Tariflohnerhöhung zusätzlich zu dem bisher gezahlten effektiven Lohn zu zahlen und den übertariflichen Lohnanteil entsprechend zu erhöhen. Insoweit kann auf die Urteile des Senats vom 3. Juni 1987 (- 4 AZR 44/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt) und vom 16. September 1987 (- 4 AZR 265/87 -, zur Veröffentlichung bestimmt) verwiesen werden. Neue rechtliche Gesichtspunkte sind demgegenüber von der Revision in der Revisionsbegründung und der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht worden.
Bezieht sich aber damit die Erhöhung des Lohnes um 3,9 % aus Anlaß der Arbeitszeitverkürzung nur auf den Tariflohn, liegt in dieser Regelung auch kein Verstoß gegen Gleichberechtigung oder Gleichbehandlung im Arbeitsrecht. Die Unterschiede zwischen einer Stundenlohnvereinbarung auf der einen und der Vereinbarung eines Wochenlohnes oder Monatslohnes auf der anderen Seite rechtfertigen es nämlich, daß auch bei einer Tariflohnerhöhung eine im Ergebnis ungleiche Behandlung der effektiven Lohnhöhe vorgenommen wird (vgl. BAG Urteile vom 3. Juni 1987 - 4 AZR 44/87 - und vom 16. September 1987 - 4 AZR 265/87 -, beide zur Veröffentlichung bestimmt).
Hatte aber damit das Arbeitsgericht zutreffend die Klage insgesamt abgewiesen, mußte die Berufung des Klägers in vollem Umfange zurückgewiesen werden. Die Kosten waren dementsprechend dem Kläger aufzuerlegen.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Freitag
Dr. Konow Schmalz
Fundstellen