Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband
Leitsatz (amtlich)
- Die Tarifvertragsparteien können den Geltungsbereich eines Tarifvertrages auf einen Teil ihrer Mitglieder begrenzen.
- Eine solche Begrenzung enthält § 1 Abs. 2 BMTV Nr. 10, der die Geltung des Tarifvertrages für “Privatkrankenanstalten jeder Art” vorsieht, “die ordentliches Mitglied eines vertragschließenden Landesverbandes” des Bundesverbandes sind.
- Außerordentliche Mitglieder eines solchen Verbandes sind damit nicht vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfaßt.
- Die Angemessenheit eines Zuschlags auf das dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden zustehende Bruttoarbeitsentgelt i.S.v. § 6 Abs. 5 ArbZG erfordert nicht in jedem Fall, daß dieser Zuschlag Tarifniveau erreicht.
Normenkette
TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; Bundesmanteltarifvertrag Nr. 10 für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten (BMTV Nr. 10) vom 11. Dezember 1989; BMTV Nr. 8 vom 28. August 1981, Nr. 9 vom 14. Mai 1986; Gehalts- und Lohntarifvertrag für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten in Hessen vom 13. März 1989 (GLTV 1989) § 8 und Änderungstarifvertrag Nr. 1 zu diesem vom 13. Dezember 1990 (GLTV 1990) § 1 Abs. IV Nr. 4; ArbZG § 6 Abs. 5
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte mit seiner Klage auf Zahlung von Gehalt und Nachtarbeitszuschlag nach tarifvertraglichen Regelungen für Privatkrankenanstalten in Hessen in Anspruch. Dabei streiten die Parteien darüber, ob diese Regelungen für ihr Arbeitsverhältnis gelten.
Die Beklagte betreibt in Bad Karlshafen ein Sanatorium mit ca. 200 Arbeitnehmern. Der am 5. April 1932 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Juni 1986 bis 31. Oktober 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Er “ist”, wie das Arbeitsgericht am 3. Juni 1996 zu Protokoll genommen hat, “Mitglied der ÖTV”.
Dem Arbeitsverhältnis der Parteien lag zunächst ein mündlicher Arbeitsvertrag zugrunde. Mit Schreiben an alle Mitarbeiter vom 5. Juni 1990 kündigte die Beklagte an, schriftliche Arbeitsverträge “nach dem Tarifvertrag für Arbeitnehmer in privaten Krankenanstalten” abschließen zu wollen. Nähere Einzelheiten dazu teilte sie ihren Arbeitnehmern in einem “Mitarbeiterbrief” ohne Datum mit. Der Kläger unterschrieb den ihm vorgelegten Arbeitsvertrag vom 1. Juni 1990. Danach war er ab 20. Juni 1986 als “Nachtwache Rezeption” (§ 1 des Arbeitsvertrages) eingestellt. Nach dessen § 2 war das Arbeitsverhältnis “angelehnt an den Bundesmanteltarifvertrag für Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten in der jeweils gültigen Fassung”. In § 4 waren für die Zeit ab 1. Juni 1990 u.a. “eine monatliche Grundvergütung nach VergGr.: IX/5 – 6 Bj. von 2101,18 DM brutto” sowie ein “steuerfreier Nachtzuschlag von 50,00 DM brutto” vereinbart.
Der Kläger leistete Dauernachtdienst von 20.00 Uhr bis 6.30 Uhr. Dienstplanmäßig folgten jeweils sieben Arbeitstagen dieselbe Anzahl von freien Tagen. Zu den Aufgaben des Klägers gehörten insbesondere Rund- und Kontrollgänge auf dem gesamten Gelände um 20.00 Uhr, 22.00 Uhr und 1.00 Uhr sowie ein Rund- und Kontrollgang im Gebäude um 5.30 Uhr, die Abwicklung des Kundenverkehrs sowie die Annahme und Ausgabe von Schlüsseln an der Rezeption, die Erledigung der Schichtabrechnungen für Restaurant, Schwimmbad, Solarium und Sauna sowie die Bedienung der Telefonzentrale. Für seine Tätigkeit erhielt der Kläger die vereinbarte Vergütung nach der VergGr. IX des jeweiligen Gehalts- und Lohntarifvertrages (GLTV) für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten im Land Hessen mit der Maßgabe, daß die Beklagte Tarifgehaltserhöhungen mit zeitlichen Verschiebungen umsetzte, und den vereinbarten Nachtarbeitszuschlag.
Der Kläger meint, er habe Anspruch auf Bezahlung und Nachtarbeitszuschlag nach den tarifvertraglichen Regelungen für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten in Hessen (Bundesmanteltarifvertrag Nr. 10 in Verbindung mit dem jeweiligen GLTV). Diese tarifvertraglichen Regelungen seien für das Arbeitsverhältnis maßgebend, weil beide Parteien tarifgebunden seien. Die Beklagte sei auch als außerordentliches Mitglied im Verband der Privatkrankenanstalten in Hessen e.V. – nachfolgend kurz: VdPH – tarifgebunden. Im übrigen ergebe sich aber aus § 2 des Arbeitsvertrages vom 1. Juni 1990 i.V.m. den dessen Abschluß vorbereitenden Rundschreiben, daß die Geltung der genannten tariflichen Regelungen einzelvertraglich vereinbart sei.
Da seine Tätigkeit die Anforderungen der VergGr. VIII des GLTV für das Land Hessen vom 13. März 1989 (GLTV 1989) erfüllt habe, sei er- ohne zeitliche Verschiebungen bei Tarifgehaltserhöhungen – hiernach zu bezahlen. Die Differenz zwischen der ihm zustehenden tarifgerechten und der ihm gezahlten Vergütung belaufe sich für die Zeit von Januar 1993 bis Februar 1996 auf 9.031,00 DM brutto. Für die von ihm in der Zeit von Februar 1993 bis Februar 1996 geleisteten Nachtarbeitsstunden stehe ihm der tarifliche Nachtarbeitszuschlag von 50 % des Bruttoverdienstes zu. Nach Abzug der erhaltenen Zahlungen von 1.900,00 DM habe er insoweit noch Anspruch auf 40.366,66 DM brutto.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 49.397,66 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit 5. Januar 1996 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, sie sei außerordentliches Mitglied im VdPH und unterliege als solches nach § 4 Abs. 2 der Satzung des VdPH nicht der Bindung an die vom Verband oder dem Bundesverband ausgehandelten Tarifverträge. Diesbezüglich hat sie im Berufungsrechtszug den Aufnahmeantrag vom 4. August 1987, eine Aufnahmebestätigung des VdPH vom 5. August 1987 sowie dessen Satzung vom 27. Juli 1983 in der Fassung vom 4. April 1992 vorgelegt. Sie meint weiter, die Geltung der tariflichen Regelungen für die Arbeitnehmer in Privatkrankenanstalten sei auch nicht einzelvertraglich vereinbart worden. Sie lehne sich an diese tariflichen Regelungen lediglich an. Bezüglich des Nachtarbeitszuschlages sei eine individuelle Vereinbarung getroffen worden, die insoweit einer eventuellen einzelvertraglichen Übernahme des Tarifvertrages ohnehin vorgehe. Im übrigen seien die Ansprüche des Klägers nach den tarifvertraglichen Ausschlußfristenregelungen verfallen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Vergütung nach der VergGr. VIII GLTV in Höhe von 8.063,00 DM brutto zurückgewiesen. Im übrigen hat es unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts die Klage abgewiesen und für den Kläger die Revision zugelassen. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildenden Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil mit Recht abgeändert und die Klage abgewiesen.
Unterschriften
Schliemann, Bott, Sieger, J. Ratayczak
Zugleich für den infolge seiner Versetzung in den Ruhestand verhinderten Richter am Bundesarbeitsgericht Schneider
Schliemann
Fundstellen
Haufe-Index 871679 |
BAGE, 63 |
BB 1999, 1880 |
DB 1999, 490 |
AiB 2011, 767 |
ARST 1999, 118 |
ARST 2000, 46 |
FA 1999, 171 |
FA 1999, 307 |
FA 1999, 343 |
NZA 1999, 995 |
RdA 2000, 104 |
SAE 2000, 141 |
ZTR 1999, 461 |
AP, 0 |
AuA 2000, 230 |