Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Versorgungsordnung. “ruhegeldfähige Bezüge”. Auslegung einer Versorgungszusage. Tantieme als “ruhegeldfähige Bezüge” oder “für Sonderleistungen gewährte Sondervergütung”. Feststellungsklage wegen einzelner Entgeltbestandteile. zum begrenzten Vorrang der Leistungs- vor der Feststellungsklage. Betriebliche Altersversorgung. Prozeßrecht
Orientierungssatz
- Eine Tantieme, auf die kein Rechtsanspruch eingeräumt ist und die in unterschiedlicher Höhe an die Begünstigten ausgezahlt wird, nachdem der jeweilige Vorgesetzte um begründete Vorschläge zu ihrer Festlegung gebeten worden ist, stellen im Zweifel eine “für Sonderleistungen gewährte Sondervergütung” dar.
- Auch einzelne Pflichten eines einheitlichen Rechtsverhältnisses können Gegenstand eines zulässigen Feststellungsantrages sein.
Normenkette
BetrAVG § 1; ZPO § 256
Verfahrensgang
Tenor
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe des dem Kläger zustehenden betrieblichen Versorgungsanspruchs.
Die Beklagte erbringt Leistungen der betrieblichen Altersversorgung an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in ihr Versorgungswerk aufgenommen worden sind, nach Maßgabe der Richtlinien der D… mbH (D…) für die Gewährung von Versorgungsbezügen an ihre Mitarbeiter und deren Hinterbliebene (im folgenden: D… -Richtlinien). In diesen Versorgungsrichtlinien heißt es hier im wesentlichen:
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Berechnungsgrundlagen
(1) Das Ruhegeld wird auf der Grundlage der ruhegeldfähigen Bezüge und der ruhegeldfähigen Dienstzeit berechnet.
(2) Als ruhegeldfähige Bezüge gilt der monatliche Durchschnitt der Bezüge, die der Mitarbeiter während der letzten beiden vor Eintritt des Versorgungsfalles nach § 3 Absatz (1) in voller vertraglicher Beschäftigung verbrachten Jahre erhalten hat. Nicht zu den Bezügen in diesem Sinne zählen das Kindergeld, als Unterstützungen und Beihilfen gewährte Zahlungen, Überstundenentgelte und sonstige für Sonderleistungen gewährte Sondervergütungen.
…
§ 7
Höhe des Ruhegeldes
(1) Das D… -Ruhegeld beträgt für jedes ruhegeldfähige Dienstjahr
0,5 der ruhegeldfähigen Bezüge sowie 1,0 % des über die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung der Angestellten im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles gemäß § 3 Absatz (1) hinausgehenden Teils der ruhegeldfähigen Bezüge.
(2) Übersteigt im Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalles gemäß § 3 Absatz (1) der Nettobetrag der Gesamtversorgung aus dem D… -Ruhegeld, den Leistungen des VBLU und der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer entsprechenden Lebensversicherung 75 % des Netto-Betrages der ruhegeldfähigen Bezüge, so wird das D… -Ruhegeld entsprechend gekürzt.
…”
Der Kläger war bei der Beklagten vom 1. Februar 1981 bis zum 31. Dezember 1997 tätig, zuletzt für ein Gehalt von 10.953,00 DM brutto monatlich. Er erhielt außerdem für die Geschäftsjahre seit dem Jahre 1989 ebenso wie alle Prokuristen und Abteilungsleiter der Beklagten eine Tantieme, die jeweils im Juli des Folgejahres ausgezahlt wurde. Diese Leistungen wurden jeweils durch gesonderte Schreiben angekündigt, in denen die Tantieme als freiwillige Zahlung bezeichnet wurde, durch die ein Anspruch auf zukünftige Zahlungen nicht entstehe; dies gelte auch bei wiederholten Zahlungen. In der Ankündigung der Tantiemezahlung vom 15. Juli 1996 wird von einer “ergebnisbezogenen Tantieme” gesprochen, während dieselbe Ankündigung für das Jahr 1997 das Wort ergebnisbezogen nicht enthält. Statt dessen wird in diesen Schreiben um Kenntnisnahme gebeten, daß die Tantieme kein ruhegeldfähiger Bezug nach dem D… -Versorgungswerk sei. Einen entsprechenden Hinweis enthält eine Hausmitteilung der Beklagten vom 17. Juni 1997. Im übrigen waren die Tantiemen, die an die begünstigten Arbeitnehmer in unterschiedlicher Höhe ausgezahlt wurden, in den jährlichen Hausmitteilungen teilweise verschieden begründet worden. Es wurde aber jeweils zumindest darauf hingewiesen, zur Vorbereitung der individuellen Festsetzung der Tantieme durch die Geschäftsleitung würden die Kostenstellenleiter bzw. die jeweiligen Vorgesetzten um begründete Vorschläge gebeten.
Die Höhe der an den Kläger ausgezahlten Tantieme entwickelte sich wie folgt: 1989: 2.000,00 DM; 1990: 3.000,00 DM; 1991 und 1992: 3.500,00 DM; 1993 bis 1996: 5.000,00 DM. Für 1997 erhielt der Kläger wegen seines Ausscheidens zum 31. Dezember 1997 im Juli des Folgejahres zunächst keine Tantieme. Auf seine Gegenvorstellung hin überwies die Beklagte jedoch als “Entgegenkommen außerhalb jeglicher rechtlicher Verpflichtung” eine Tantieme in Höhe von 3.000,00 DM.
Der Kläger war entsprechend den vertraglichen Regelungen mit Schreiben der Beklagten vom 6. Februar 1981 in deren Versorgungswerk aufgenommen worden. Er erhält seit dem 1. Januar 1998 eine Betriebsrente von 3.323,60 DM monatlich. Bei der Errechnung dieser Betriebsrente berücksichtigte die Beklagte die an den Kläger ausgezahlten Tantiemen nicht.
Der Kläger hat den Standpunkt eingenommen, die Tantiemezahlungen seien als ruhegeldfähige Bezüge zu berücksichtigen. Sie seien ein fester Bestandteil seines Einkommens und würden als Entgelt für Betriebstreue gezahlt. Es handele sich nicht um eine ergebnisabhängige Zahlung. Die Beklagte diene nach dem Gesellschaftsvertrag einem gemeinnützigen Zweck, der Förderung der Entwicklungshilfe. Eine Anbindung der Tantieme an die Ergebnisse des Unternehmens sei deshalb nicht zulässig. Zudem lasse die Höhe der jeweiligen Tantieme auch keinen Bezug zu den betreffenden Geschäftsergebnissen erkennen. Weil die Tantieme an alle Prokuristen gezahlt werde, sei sie ebenso wie das Weihnachtsgeld eine zusätzliche Entlohnung für die Arbeitsleistung als solche und keine Sondervergütung iSv. § 6 Abs. 2 Satz 2 D… -Richtlinien.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die ihm in 1996 und 1997 jeweils in Höhe von 5.000,00 DM als Tantieme gewährte Zahlung gemäß § 6 der “D… -Richtlinien für die Gewährung von Versorgungsbezügen an ihre Mitarbeiter und deren Hinterbliebene” in die Berechnung des ab dem 1. Januar 1998 gezahlten Ruhegehaltes einzubeziehen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ihre Ruhegeldrichtlinien seien restriktiv auszulegen. Es liege auch weder im Interesse des Arbeitgebers noch des Arbeitnehmers, die Höhe des Ruhegeldes für den gesamten Lebensabend von der Gewinnentwicklung des Unternehmens in den letzten beiden Jahren der Beschäftigung des Arbeitnehmers abhängig zu machen. Die Tantieme werde ergebnisbezogen als Anerkennung für die Leistungen der Arbeitnehmer und ohne vertragliche Verpflichtung gezahlt. Sie habe einen Bezug zum Erfolg ihrer Gesamttätigkeit und enthalte auch Leistungskomponenten.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seinen letzten Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger kann nicht verlangen, daß die Beklagte die an ihn ausgezahlte Tantieme nach § 6 Abs. 2 D… -Richtlinien bei der Ermittlung der ruhegeldfähigen Bezüge berücksichtigt. Die Vorinstanzen haben die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zulässig. Der Kläger hat für seinen Feststellungsantrag das nach § 256 ZPO erforderliche besondere Rechtsschutzinteresse.
Die Beklagte hat in Abrede gestellt, daß die an den Kläger ausgezahlte Tantieme bei der Berechnung des Versorgungsanspruchs des Klägers zu berücksichtigen sei. Angesichts dessen kann der Kläger im Wege der Feststellungsklage geltend machen, daß eine entsprechende Pflicht im Rahmen seines Versorgungsanspruchs besteht. Auch einzelne Pflichten eines einheitlichen Rechtsverhältnisses können Gegenstand einer Feststellungsklage sein (Zöller/Greger ZPO 21. Aufl. § 256 ZPO Rn. 3 mwN). Dies hat auch der Senat in mehreren Entscheidungen angenommen, indem er Feststellungsklagen zuließ, in denen nur die Ruhegeldfähigkeit einzelner Entgeltbestandteile geklärt werden sollte (BAG 18. November 1968 – 3 AZR 255/67 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 134, zu I 2 der Gründe; ausdrücklich BAG 17. Januar 1969 – 3 AZR 10/68 – AP BGB § 242 Ruhegehalt Nr. 135, zu I der Gründe).
Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht entgegen, daß der Kläger mit einigem rechnerischen Aufwand seine Klageforderung beziffern könnte. Auch während des Betriebsrentenbezuges kann jedenfalls dann, wenn die Befolgung einer entsprechenden Feststellung durch die Arbeitgeberin außer Streit steht, wie dies vorliegend der Fall ist, statt eines aufwendig herzuleitenden Leistungsantrages auf eine Feststellungsklage zurückgegriffen werden. Der Aufwand für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß die Gesamtversorgungsobergrenze 75 % des ruhegeldfähigen Nettoentgeltes ausmacht. Dessen Ermittlung unter Einbeziehung einer Jahrestantieme, die zur Jahresmitte im Zweifel unabhängig von den laufenden Bezügen zufließt, wäre für den Kläger mit weit größerem rechnerischen Aufwand verbunden, als für das von der Beklagten eingeschaltete Beratungsinstitut, falls die Tantiemezahlungen an den Kläger zu den ruhegeldfähigen Bezügen gehören.
Die Klage ist unbegründet. Die an den Kläger gezahlte Tantieme gehört nicht zu den ruhegeldfähigen Bezügen nach § 6 Abs. 2 D… -Richtlinien.
Unterschriften
Reinecke, Bepler, Dr. Armbrüster, Born, Kaiser
Fundstellen
Haufe-Index 901890 |
PP 2001, 24 |