Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Lehrerin mit dem Zertifikat "Lehrerin für intellektuell Geschädigte"
Orientierungssatz
Hinweise des Senats:
"Begriff der "Ergänzungsprüfung" iSd Lehrer-Richtlinien-O der TdL vom 22. Juni 1995 (Fortführung der Entscheidung vom 18. August 1999 - 10 AZR 543/98 - nv)."
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 3. November 1998 - 5 Sa 526/98 -
wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.
Die Klägerin erwarb im Jahre 1977 am Institut für Lehrerbildung in Weimar den Fachschulabschluß und damit die Befähigung zur Arbeit als Heimerzieherin sowie die Lehrbefähigung für die Fächer Kunsterziehung und Körpererziehung der unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule mit der Berechtigung, die Berufsbezeichnung "Heimerzieher" zu führen. Sie arbeitete bis Februar 1982 als Heimerzieherin. Am Institut für Lehrerbildung "Clara Zetkin" in Rochlitz erwarb sie am 24. Mai 1984 den Fachschulabschluß im Fach Deutsch und erhielt damit die entsprechende Lehrbefähigung für den Unterricht in den unteren Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule. An der Humboldt-Universität zu Berlin absolvierte sie vom 1. September 1989 bis zum 19. Juli 1991 ein Fernstudium im Studiengang "Rehabilitationspädagogik" in der Studienrichtung "Pädagogik der intellektuell Geschädigten". Sie bestand die Hochschulabschlußprüfung und ist damit berechtigt, die Berufsbezeichnung "Lehrerin für intellektuell Geschädigte" zu führen. Die Klägerin ist seit Februar 1982 an Förderschulen beschäftigt. Sie unterrichtet in den Klassenstufen 5 bis 9 in den Fächern Deutsch, Mathematik, Geschichte, Ethik, Gemeinschaftskunde und Sport. Seit dem Jahre 1992 ist sie auch als Diagnose- und Beratungslehrerin tätig.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O Anwendung. Gemäß § 3 des Änderungsvertrags der Parteien vom 1. Juli 1991 gilt für die Eingruppierung der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Die Klägerin war in die VergGr. IV a BAT-O eingruppiert.
Das staatliche Schulamt Chemnitz teilte der Klägerin mit Schreiben vom 4. September 1992 mit, daß die bisherige Eingruppierung fehlerhaft sei und sie mit Wirkung vom 15. September 1992 nur noch Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O erhalte. Hiergegen wandte sich die Klägerin erfolglos.
Die Klägerin hat zunächst die Auffassung vertreten, sie erfülle für die Zeit ab dem 1. Oktober 1992 die Voraussetzungen zur Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat gegenteilig entschieden. Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Klägerin hat sodann die Auffassung vertreten, sie erfülle ab dem 1. August 1997 die Voraussetzungen der VergGr. IV a BAT-O entsprechend Abschnitt B III Nr. 6 der TdL-Richtlinien. Sie sei ab 1. Juli 1991 tatsächlich in die VergGr. IV b BAT-O eingruppiert gewesen. Daher ende mit Ablauf des 31. Juli 1997 die sechsjährige Bewährungszeit. Sie habe sich während dieser Zeit als Lehrkraft bewährt. Teil B der Richtlinien entfalte eine Auffangfunktion bezüglich in der DDR erlangter Qualifikationen, die bei den beamtenrechtlichen Regelungen der neuen Länder keine Würdigung gefunden hätten. Die Eingruppierungsvoraussetzungen der VergGr. III BAT-O der Sächsischen Richtlinien zur Eingruppierung der angestellten Lehrer vom 22. Juni 1995 erfülle die Klägerin lediglich deswegen nicht, weil sie aufgrund ihres sonderpädagogischen Studiums einen Lehrerabschluß, nicht aber einen Diplomlehrerabschluß erhalten habe. Insofern bewege sich die Qualifikation der Klägerin auf etwas niedrigerer Stufe. Daran würden die TdL-Richtlinien in Punkt B III Nr. 6 anknüpfen. Hier werde kein Diplomlehrerabschluß verlangt, sondern eine Ergänzungsprüfung für das Lehramt der Sonderpädagogik. Der Begriff der "Ergänzungsprüfung" sei in der DDR nicht gebräuchlich gewesen. Es liege deshalb eine Anpassung an das heutige Vokabular vor. Der Hochschulabschluß der Klägerin an der Humboldt-Universität zu Berlin sei damit als eine Ergänzungsprüfung anzusehen. Sie verfüge über eine Qualifikation für eine Lehrertätigkeit für intellektuell Geschädigte. Dem entspreche heute das Lehramt für Sonderschulen.
Die Klägerin hat nunmehr beantragt, unter Abänderung des Urteils des
Arbeitsgerichts Chemnitz vom 23. Mai 1995 - 10 Ca 1321/95 -
festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin
ab 01. August 1997 Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT-O
zuzüglich 4 % Zinsen auf die rückständigen Nettodifferenzbeträge
ab 15. August 1997 zu zahlen.
Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag aufrechterhalten.
Er ist der Auffassung, daß die Klägerin nicht die Voraussetzungen der Vergütungsgruppe IV a BAT-O nach Abschnitt B III Nr. 6 der TdL-Richtlinien erfülle. Die Klägerin verfüge nicht über eine abgelegte Ergänzungsprüfung für das Lehramt der Sonderpädagogik. Gefordert sei nach der Vorschrift eine Ergänzungsprüfung nach neuem Recht. Eine solche Ergänzungsprüfung werde im Freistaat Sachsen nicht angeboten.
Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Der Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O seit dem 1. August 1997 auf der Grundlage des Abschnitts B III Nr. 6 der TdL-Richtlinien vom 22. Juni 1995 zu, da sie keine Ergänzungsprüfung abgelegt habe. Eine Ergänzungsprüfung werde im Freistaat Sachsen nicht angeboten. Die von der Klägerin abgelegte Hochschulabschlußprüfung, nach der sie berechtigt sei, die Berufsbezeichnung "Lehrerin für intellektuell Geschädigte" zu führen, sei einer Ergänzungsprüfung nicht gleichzustellen.
Auch Teil B der TdL-Richtlinien komme keine Auffangfunktion bezüglich der in der DDR erlangten Qualifikationen zu, soweit sie bei den beamtenrechtlichen Regelungen der neuen Länder keine Würdigung gefunden hätten. Wenn die zu DDR-Zeiten erlangten Qualifikationen berücksichtigt hätten werden sollen, wäre es auf dem Hintergrund des in der DDR nicht gebräuchlichen Begriffes der Ergänzungsprüfung nicht nachvollziehbar, in den Richtlinien den Begriff der abgelegten Ergänzungsprüfung als Anspruchsvoraussetzung festzuschreiben.
Diese Ausführungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
II. Die Klage ist nicht begründet. Der Klägerin steht seit dem 1. August 1997 kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O auf der Grundlage des Abschnitts B III Nr. 6 der TdL-Richtlinien vom 22. Juni 1995 zu.
1. Die für die Eingruppierung der Klägerin maßgeblichen Vorschriften lauten: "6. Erzieherinnen und ...
mit entsprechender staatlicher Prüfung oder staatlicher
Anerkennung
und Lehrbefähigung für Deutsch oder Mathematik und je ein Wahlfach
sowie einer erfolgreich abgelegten Ergänzungsprüfung für das
Lehramt der Sonderpädagogik
in der Tätigkeit von LehIV b
nach mindestens sechsjähriger Bewährung in dieser Tätigkeit und in
dieser Vergütungsgruppe IV a
(Die Länder werden ermächtigt, im Einzelfall zu entscheiden,
welche sonstigen Angestellten aufgrund einer geeigneten
gleichwertigen Ausbildung den Erziehern und
Freundschaftspionierleitern gleichgestellt werden können.)"
Vorliegend erfüllt die Klägerin diese Voraussetzungen nicht, da sie keine Ergänzungsprüfung für das Lehramt der Sonderpädagogik in der Tätigkeit von Lehrern abgelegt hat. Dies ergibt die Auslegung des Richtlinienmerkmals "Ergänzungsprüfung", das durch landesrechtliche Regelungen bestimmt wird.
2. Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder hat in ihren Richtlinien nicht definiert, was unter dem Rechtsbegriff "Ergänzungsprüfung" zu verstehen ist. Aus dem Zusammenhang der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder folgt jedoch, daß jeweils die landesrechtlichen Vorschriften anwendbar sind. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß die Regelung der Ausbildung und Prüfung der Lehrer grundsätzlich unter die Kulturhoheit der Länder fällt, zum anderen daraus, daß die Bundesländer in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vertreten sind. Soweit Gegenstände der Landesgesetzgebung unterliegen, läßt das förderalistische Prinzip jedem Land im Rahmen seiner Zuständigkeit die Möglichkeit, die Gesetzgebung im Landesbereich nach seinen politischen Vorstellungen zu regeln. Die Möglichkeit der Ergänzungsprüfung findet man in landesrechtlichen Regelungen, wie zB in Berlin in § 14 des Lehrerbildungsgesetzes (LbiG) vom 16. Oktober 1958 (GVBl. S 1025) in der Fassung vom 13. Februar 1985 (GVBl. S 434, 948) und in §§ 12 ff. der Verordnung über die ergänzenden Staatsprüfungen für Lehrämter (ESPO) vom 7. Februar 1984 (GVBl. S 460; letzte Änderung vom 26. Oktober 1995, GVBl. S 699); in Brandenburg in der Verordnung über die Ergänzungsstudien und Ergänzungsprüfungen für die Lehrämter an Schulen (Ergänzungsprüfungsverordnung - EPV) vom 25. Juli 1996 (GVBl. II S 605 f.), sowie § 15 des Gesetzes über die Ausbildung und Prüfung für Lehrämter und die Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern im Land Brandenburg (Brandenburgisches Lehrerbildungsgesetz - BbgLeBiG) vom 25. Juni 1999 (GVBl. I S 242, 247), § 26 der Thüringer Verordnung über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an berufsbildenden Schulen vom 6. Mai 1994 (GVBl. S 704, 711), § 30 der Verordnung des Kultusministeriums - Baden-Württemberg - über die Erste Staatsprüfung für das Lehramt an Sonderschulen (Sonderschullehrerprüfungsverordnung I-SPO I -) vom 21. August 1992 (GBl. S 629, 637).
Damit ist davon auszugehen, daß die Tarifgemeinschaft deutscher Länder den Rechtsbegriff "Ergänzungsprüfung" als Fachbegriff verstanden und in dem Sinne verwendet hat, wie er den jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zugrunde gelegt ist (so auch BAG 18. August 1999 - 10 AZR 543/98 - nv. für den Begriff der "Erweiterungsprüfung" im Sinne der Lehrer-Richtlinien-O).
Nach den landesrechtlichen Bestimmungen für Lehrer ist im Freistaat Sachsen eine Ergänzungsprüfung nicht vorgesehen. Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden. Art. 3 GG verlangt nicht, daß die betreffende Materie in jedem Bundesland geregelt bzw. gleich geregelt wird (vgl. BAG 18. August 1999 aaO). Da die Klägerin auch nach dem Recht eines anderen Bundeslandes keine Ergänzungsprüfung abgelegt hat, erfüllt die Klägerin schon deswegen nicht die Voraussetzungen des Abschnitts B III Nr. 6 der TdL-Richtlinien der VergGr. IV a BAT-O.
Somit hat die Klägerin auch dadurch keine Ergänzungsprüfung für das Lehramt der Sonderpädagogik im Sinne von Abschnitt B III Nr. 6 der Lehrer-Richtlinien-O der TdL abgelegt, indem sie am 19. Juli 1991 an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fernstudium im Studiengang Rehabilitationspädagogik in der Studienrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten die Hochschulabschlußprüfung bestanden hat und berechtigt ist, die Berufsbezeichnung "Lehrerin für intellektuell Geschädigte" zu führen. Diese Prüfung ist vom Beklagten nicht als gleichwertige Ausbildung gleichgestellt worden, wie es nach dem Klammerzusatz zu Nr. 6 hätte geschehen können. Wegen der rechtlichen Möglichkeit einer Gleichstellung kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß es sich bei dieser TdL-Regelung um einen Auffangtatbestand für Qualifikationen handelt, die bei den landesrechtlichen Regelungen der neuen Länder keine Würdigung gefunden haben. Mangels landesrechtlicher Gleichstellung der von der Klägerin abgelegten Prüfung ist vielmehr davon auszugehen, daß die von der Klägerin erbrachte Tätigkeit wegen Fehlens einer Ergänzungsprüfung nicht zur Eingruppierung in die begehrte Vergütungsgruppe führen kann.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dr. Jobs
Böck zugleich für den
wegen Krankheit
an der Unterzeichnung
verhinderten Vors. Richter Dr. Freitag
Burger
Schlaefke
Fundstellen
Haufe-Index 610771 |
ZTR 2001, 121 |